21.12.2016
Sorge und Mitverantwortung in der Kommune
Bundesregierung veröffentlicht den Siebten Altenbericht
Susanne Kümpers, Hochschule Fulda
Monika Alisch, Hochschule Fulda
Unter dem Titel „Sorge und Mitverantwortung in der Kommune - Aufbau und Sicherung zukunftsfähiger Gemeinschaften“ wird im Siebten Altenbericht der Bundesregierung mit der Kommune ein wesentliches Setting für ältere Menschen in den Mittelpunkt gerückt. Nach einem langen Abstimmungsprozess hat die Bundesregierung den Siebten Altenbericht mit ihrem Kommentar versehen und veröffentlicht. Mit dem Schwerpunkt auf kommunale Verantwortung steht der Siebte Altenbericht im direkten Bezug zur kommunalen Gesundheitsförderung.
Daseinsvorsorge und Subsidiarität
Der Bericht beschäftigt sich zunächst mit der Daseinsvorsorge als Konzept für die Aufgabe der öffentlichen Hand - der Kommunen, Kreise und kreisfreien Städte -, die Versorgung mit öffentlichen Gütern und Dienstleistungen effizient und erschwinglich, flächendeckend und erreichbar zu gewährleisten. Dies umfasst neben technischen auch soziale Infrastrukturen, die es „den Menschen ermöglichen [sollen], ein gutes Leben eigenständig und selbstbestimmt zu führen, in Selbst- und Mitverantwortung am gesellschaftlichen Leben teilzuhaben und dieses mitzugestalten“ (Kurzfassung Altenbericht SW.17). In einem nächsten Schritt bezieht sich der Bericht auf das Konzept der Subsidiarität, also auf die Priorität nichtstaatlicher Verantwortungsübernahme für die Gestaltung des alltäglichen Lebens, betont aber gleichzeitig, dass es nicht um eine Entpflichtung des Staates gehen soll - der Staat hat die Bedingungen zu schaffen und die Ressourcen bereit zu stellen, unter und mit denen Verantwortung und Selbstverantwortung auch ressourcenschwachen Gruppen überhaupt erst gelingen kann. Auch fragt eine aktualisierte und zeitgemäße Perspektive auf Subsidiarität nach der Geschlechtergerechtigkeit, indem Subsidiarität eben nicht mehr stillschweigend die unbezahlte Arbeit von Frauen voraussetzen und auf ihr beruhen kann.
Soziale Ungleichheit und Diversität
Die Autorinnen des hier vorliegenden Beitrags haben insbesondere den Fokus auf soziale Ungleichheiten und Diversität gerichtet, mit dem sich der Bericht dann auch auf die Fragen der gesundheitlichen Chancengleichheit bezieht. Zunächst werden die Entwicklung, die Bedingungen und Folgen der steigenden Altersarmut in Deutschland beschrieben, und die Faktoren, die für bestimmte soziale Gruppen das Risiko der Altersarmut hochtreiben: Geringverdiener/innen, Langzeitarbeitslose, Menschen mit Migrationshintergrund, alleinlebende Frauen - und häufig Ältere, auf die gleich mehrere dieser Merkmale zutreffen. Bis ins hohe Alter sind mit einem niedrigeren sozioökonomischen Status im Durchschnitt deutlich häufigere und frühere Erkrankungen, Funktionseinschränkungen und Behinderungen sowie ein kürzeres Leben verbunden.
Für Lebensqualität und Gesundheit älterer Menschen im Allgemeinen und benachteiligter sozialer Gruppen im Besonderen ist soziale Teilhabe von zentraler Bedeutung. Soziale Teilhabe - einschließlich des bürgerschaftlichen Engagements, dessen Bedeutung für die Bewältigung der demographischen Herausforderungen in der gesellschaftlichen Debatte stark hervorgehoben wird - wird ‚vor Ort‘ ermöglicht, realisiert oder aber behindert. Sozioökonomische wie sozialräumliche Bedingungen sowie individuelle und kollektive Voraussetzungen bzw. Ressourcen spielen eine wesentliche Rolle dabei, wie der Lebensort Chancen auf soziale Teilhabe beeinflusst.
Neben den Unterschieden im sozioökonomischen Status geht der Bericht der Frage nach, wie so genannte horizontale soziale Unterschiede sich auf die Verwirklichungschancen im Alter auswirken: Gender, Ethnizität, sexuelle Orientierung und Beeinträchtigungen. In den jetzigen und kommenden älter werdenden Kohorten werden erstmals in größerer Zahl sichtbar:
- Ältere Menschen mit Migrationshintergrund, die in Deutschland bleiben und eben nicht in ihre Heimatländer zurückkehren - sei es, dass sie als Arbeitsmigrant/innen oder als Geflüchtete nach Deutschland gekommen sind;
- Ältere Menschen, die als schwule Männer und lesbische Frauen offen gelebt haben und dies auch im Alter weiter tun wollen;
- Menschen mit Beeinträchtigungen, die zum Teil mit dem Ende ihres Arbeitslebens ihre sozialen Bezüge verlieren und ebenfalls besonderen Unterstützungsbedarf haben.
Im Bericht wird herausgearbeitet, dass und wie sich der Zugang zu sozialer Teilhabe, gesundheitlicher und pflegerischer Versorgung sowie zum bürgerschaftlichen Engagement sich für verschiedene Gruppen älterer Menschen unterscheidet, wie sich das auf ihre Gesundheitschancen auswirkt - und welche Verantwortung sich daraus für das Gemeinwesen, die Kommune bzw. die Politik ergibt.
Alter(n)spolitik in der Kommune
Alter(n)spolitik wird nicht nur auf Bundes- und Länderebene, sondern auch und besonders in den Kommunen umgesetzt. Dabei zeigt der Bericht, wie sich die Bedingungen für ein selbstbestimmtes Leben auch zwischen Regionen, zwischen Städten und auch zwischen Stadtteilen unterscheiden: Es werden die Nachteile peripherer und schrumpfender Regionen, aber auch der nach dem sozialen Status segregierten Stadtteile herausgearbeitet, in denen Infrastrukturen löchriger sind als in Regionen der ‚Speckgürtel‘ und der besser gestellten Stadtteile, und in denen es schwierig ist, mit den vorhandenen Ressourcen der Gemeinschaft und des Sozialraums funktionierende familiäre, wirtschaftliche, soziale und zivilgesellschaftliche Strukturen aufrecht zu erhalten und zu unterstützen. Hier werden zwingende Aufgaben und mögliche Strategien der Kommunen entwickelt, um für die Einzelnen und für Gruppen Älterer vertretbare und angemessene Lebensbedingungen in Teilhabe und Selbstbestimmung zu erhalten und neu zu gestalten. Dazu gehört es insbesondere, Prozesse der Partizipation so zu gestalten, dass die höchst unterschiedlichen Bedürfnisse innerhalb der heterogenen Gruppen Älterer eingebracht werden können und die verschiedenen Gruppen der Älteren so zur Gestaltung der eigenen Lebensorte - inklusiv und gesundheitsförderlich - beitragen können.
Sie können den Siebten Altenbericht der Bundesregierung unter www.siebter-altenbericht.de einsehen und herunterladen.