Gute Praxis konkret: Partizipation bei Arbeitslosen
Mitbestimmung und den eigenen Handlungsspielraum zu erleben, stellt eine wichtige gesundheitsförderliche Ressource dar. Insbesondere nach Verlust des Arbeitsplatzes können sich die Betroffenen durch psychosoziale Belastungen und/oder finanzielle Einschränkungen in ihrem Handlungsspielraum und in ihrer sozialen Teilhabe eingeschränkt fühlen.
Partizipation ist ein essentieller Bestandteil von Angeboten der Gesundheitsförderung bei Arbeitslosen, da dadurch die Gestaltung der eigenen Lebenswelt gefördert werden kann und die Äußerung der eigenen Bedürfnisse, Verantwortungsübernahme, das Erleben von Gestaltungsfähigkeit, Motivation und Eigeninitiative gestärkt wird.
Über die aktive Auswahl sowie Mitgestaltung der Angebote werden neben der Verantwortlichkeit für die eigene Gesundheit und den beruflichen Einstieg bzw. der Beschäftigungsfähigkeit auch gesellschaftliche Teilhabemöglichkeiten gefördert. Beteiligungsmöglichkeiten sollten über Maßnahmen der Integration in den Arbeitsmarkt hinaus gehen und auf eine breite soziale Integration abzielen.
Ressourcen
Ein Leben in Arbeitslosigkeit kann in vielen Bereichen durch Einflüsse von außen bestimmt und gelenkt sein. Das Bedürfnis nach Teilhabe und einem autonomen Leben ist daher in der Arbeitslosigkeit besonders groß und bildet einen wichtigen Ansatzpunkt für gesundheitsfördernde Maßnahmen.
- Die Strukturen im Quartier stellen hierbei eine wichtige Ressource dar: Mit der Schaffung von Partizipationsmöglichkeiten bei der Gestaltung ihres Wohnumfeldes wird Arbeitslosen die Gelegenheit geboten, sich selbst als aktive, mitgestaltende, verantwortungsbewusste und entscheidungsfähige Individuen zu erleben.
So macht es das Good Practice-Projekt "Denk-Sport-Spiel-Parcours“ in Wulsdorf
In dem Projekt "Denk-Sport-Spiel-Parcours - Wulsdorf“ wurde über eine intensive Beteiligung der Bewohner/innen bewegungs- und gesundheitsfördernde Freiräumen im "Soziale Stadt" Gebiet Wulsdorf gestaltet, die durch Qualifizierung und Beschäftigung von schwer vermittelbaren Arbeitslosen umgesetzt wurde. In Kooperation mit den Bewohner/innen wurde der Denk-Sport-Spiel-Parcours - bestehend aus Stationen der Entspannung, Bewegung und Anregung - entwickelt und so ein anregenden Wohnumfelds mit generationenübergreifenden bewegungs- und gesundheitsfördernden Freizeitbeschäftigungen geschaffen.
- Partizipation bei Arbeitslosen ist ein wichtiges Qualitätsmerkmal für Angebote: Partizipationsmöglichkeiten schaffen einen Zugang zu Teilhabe und Engagement - stärken insbesondere die, die vorher kaum Berührungspunkte hatten.
So macht es das Trainingsprogramm „AktivA - Aktive Bewältigung von Arbeitslosigkeit“
Das Qualifizierungsangebot und Gesundheitsförderungsprogramm für Arbeitslose „AktivA“ berücksichtigt die Empfehlungen, die Erwerbslose anderen Erwerbslosen zur Bewältigung von Arbeitslosigkeit geben und beginnt mit einer ausführlichen Klärung der Teilnehmererwartungen. Nach jeder Trainingseinheit werden die Teilnehmenden um eine Bewertung der Trainingsinhalte und der Trainingsqualität gebeten, so dass noch während des Trainings auf ihre Bedürfnisse eingegangen werden, die Teilnehmerzufriedenheit erhöht und das Training optimiert werden kann.
- Wenn Arbeitslose systematisch in den Gesamtprozess des Projektes - von der Planung über die Durchführung bis zur Bewertung des Angebotes - involviert werden, erhöht sich neben der Motivation und Eigenaktivität der Teilnehmenden insbesondere auch die Nachhaltigkeit des Angebotes.
So macht es das Good Practice-Projekt „Aufsuchende Sozialarbeit rundum den Kieler Vinetaplatz“
Der informelle Treffpunkt der Trink- und Drogenszene rund um den Vinetaplatz in Kiel-Gaarden war Ausgangspunkt des Projektes. Schon mit Projektbeginn fand eine Befragung der Zielgruppe zu den Themen Belastungen, Gesundheit und zum künftigen Unterstützungsbedarf statt. Die Wünsche der Nutzerinnen und Nutzer des Platzes wurden in einer Zukunftswerkstatt pointiert und maßgeblich in weitere Planungen einbezogen. So entstand ein Café als Anlaufstelle, dessen Betrieb eigenständig aufrecht erhalten wird.
- Partizipative Strukturen fördern ein selbstbestimmtes Leben und ermöglichen Arbeitslosen neben dem Wahrnehmen von Bedürfnissen, Ängsten und Wünschen, insbesondere die Suche nach Perspektiven sowie deren Umsetzung. Arbeitslose werden im Sinne des Empowerments befähigt, ihre eigenen Kompetenzen wahrzunehmen und selbstbestimmt und bewusst mit ihrer Gesundheit umzugehen.
So macht es das Good Practice-Projekt „BEAM - Berufliche Eingliederungs- und Arbeitsmaßnahme“
Ziel des Projekts "BEAM" ist es, durch eine Verknüpfung von beruflicher Qualifizierung und gesundheitlicher Stabilisierung Arbeitslose, die Abhängigkeitserkrankungen und psychische Probleme aufweisen, wieder an Arbeit heranzuführen. Im Modellprojekt werden einzelne inhaltliche Elemente zusammen mit den Teilnehmenden erarbeitet. Dies wirkt sich positiv auf deren eigene Motivation und nachhaltige Wirkung aus und fördert ein ganzheitliches Gesundheitsverständnis, welches neben klassischen Aspekten auch psychosoziale Komponenten berücksichtigt. Die weitreichenden partizipativen Prozesse im Projekt haben Akzeptanz bei der Zielgruppe geschaffen und den Erfolg des Projektes generiert.
- Je früher partizipative Maßnahmen ansetzen, desto größer ist deren Wirkung und Nachhaltigkeit. Einem Rückzug aus dem gesellschaftlichen Leben kann schon bei drohender Arbeitslosigkeit und bei Beginn der Arbeitslosigkeit entgegengewirkt werden.
So macht es das Projekt "Gesunderhaltung von Arbeitslosigkeit bedrohten Mitarbeitern"
Das Projekt „Gesunderhaltung von Arbeitslosigkeit bedrohten Mitarbeiter“ setzt bereits vor Beginn der Arbeitslosigkeit an. Gemeinsam mit der Belegschaft und in Kooperation mit der AOK wird die Schließung des Werks (2012) bereits seit 2009 vorbereitet: Es wurde eine Befragung durchgeführt, um die Wahrnehmung der Beschäftigten zu erheben und die Akzeptanz der Unterstützungsangebote zu messen. So war es möglich, die Angebote bestens auf die Bedarfe auszurichten und gesundheitliche Gefährdungen frühzeitig zu erkennen. Nach der Bedarfserhebung werden gemeinsam Lösungen erarbeitet und die Umsetzung davon vorgenommen.
- Arbeitslose besitzen vielfältige Erfahrungen und Kompetenzen aus ihrem Alltags- und Berufsleben. Sie haben bereits Verantwortung getragen und streben an, sich und ihre Kompetenz wieder einbringen zu können. Um Teilhabe für Arbeitslose zu ermöglichen, ist es besonders wichtig, an diese Erfahrungen und Ressourcen anzuknüpfen.
- Durch das Hervorheben von Kompetenzen und Ressourcen Langzeitarbeitsloser können nicht nur ein Bewusstseinswandel in der öffentlichen Meinung initiiert, sondern gleichzeitig auch die Entwicklung neuer Perspektiven unterstützt und Teilhabechancen gesichert werden.
- Die Zeit der Erwerbslosigkeit, wenn sie produktiv verbracht wird, kann auch eine erhebliche Chance bedeuten, beispielsweise um sich auszuprobieren oder neue Perspektiven aufzubauen und umzusetzen.
Herausforderungen
In der Arbeitslosigkeit verschlechtern sich Teilnahme- und Beteiligungsmöglichkeiten, auch wenn die Partizipationschancen häufig bereits vor Beginn der Arbeitslosigkeit - beispielsweise in prekären Beschäftigungsverhältnissen - gering waren. Menschen in Arbeitslosigkeit Handlungsspielräume aufzuzeigen und einem Rückzug aus dem gesellschaftlichen Leben sowie gesundheitlichen Risiken entgegenzuwirken, stellt eine besondere Herausforderung dar. Unterstützenden Netzwerken und Rahmenbedingungen, in denen Erwerbslose Gelegenheit haben sich einzubringen, kommt hierbei eine besondere Bedeutung zu. Es gilt, Kontakte im öffentlichen und privaten Raum herzustellen bzw. sie zu reaktivieren.
- Viele arbeitslose Menschen sind stark von Ausgrenzung und Stigmatisierung betroffen bzw. sozial isoliert. Gemeinsam gestaltete positive Erlebnisse, Kontakt zu anderen Arbeitslosen fördern soziale Integration, ein Zugehörigkeitsgefühl und sozialen Zusammenhalt - auch über eine Maßnahme hinaus.
So macht es das Programm „AktivA - Aktive Bewältigung von Arbeitslosigkeit“
Im Programm AktivAfördert die Gruppe der Teilnehmenden selbst das Kennenlernen von positiven Bewältigungsmöglichkeiten. Der Austausch untereinander über die eigenen Erfahrungen ermöglicht die Relativierung der eigenen Reaktionen auf die Erwerbslosigkeit und hebt die individuellen Stärken und Besonderheiten eines jeden Teilnehmers hervor.
- Für eine nachhaltige Beteiligung ist es von Bedeutung, dass die Verschiedenheit der Zielgruppe sowie die unterschiedlichen Erfahrungen und Ressourcen berücksichtigt werden. Die Arbeit mit spezifischen Zielgruppen bietet eine gute Grundlage für Partizipation, da gemeinsame Interessen eher vorhanden sind.
So macht es das Projekt „Mütter in Arbeit (MiA)“
Die Teilnehmerinnen an dem Projekt „Mütter in Arbeit“ erhalten neben individueller Beratung zusätzliche Trainings und Qualifizierungen, die zur Verbesserung der Beschäftigungsfähigkeit, der Selbstmanagement- und Handlungskompetenzen und gesundheitlichen Stabilisierung beitragen. Die Interessen der Mütter werden bei der Gestaltung von Aktivitäten mit einbezogen. In der zweiten Phase des Projektes, die eine Tätigkeit in einer kommunalen oder gemeinnützigen Einrichtung sowie zusätzliche fachliche Qualifizierung umfasst, werden durch flexible Arbeitszeiten die Bedürfnisse der Frauen berücksichtigt, Eigenverantwortung gestärkt und überhaupt Zugang zur Maßnahme ermöglicht.
- Die Erfahrungen von Arbeitslosen in Bezug auf eine aktive Teilhabe sind sehr unterschiedlich. Partizipationsmöglichkeiten können auch zu Überforderung oder Hemmung führen, wenn Partizipation nicht als Entwicklungsprozess betrachtet wird und keine bedarfsorientierte Heranführung an partizipative Strukturen umfasst.
- Bei Arbeitslosigkeit sind die eigenen Bedürfnisse sowie meist auch die Stärken und Schwächen häufig durch negative Zuschreibungen und Stigmatisierungen von außen geprägt. Eine frühzeitige, selbstbestimmte und aktive Einbindung in Maßnahmen sowie das Bereitstellen eines vertrauensvollen Raumes ermöglichen es Arbeitslosen, Selbstwirksamkeit zu erfahren.
- Da Arbeitslosigkeit einen geringen Handlungsspielraum, insbesondere durch die „bürokratische“ Fremdbestimmtheit, zur Folge hat, sind Beteiligungsmöglichkeiten umso bedeutungsvoller. Eine große Herausforderung stellt allerdings ein niedrigschwelliger Zugang dar, da die Erreichbarkeit der Zielgruppe insbesondere bei der Kombination verschiedener Problemlagen schwierig ist.
So macht es das Projekt „Denk-Sport-Spiel-Parcours - Wulsdorf“
Im Projekt „Denk-Sport-Spiel-Parcours - Wulsdorf“ wird eine Beteiligungskultur gepflegt, welche von Bewohner-Befragung über Planungswerkstätte und Exkursion bis hin zu der gemeinsamen Umsetzung der Denk-Sport-Spiel-Parcours reicht. Um möglichst alle Bewohnerinnen und Bewohner des Stadtteils zu beteiligen, wurden sie von Interviewer/innen aus dem Stadtteil persönlich aufgesucht und nach ihrer Mitwirkungsbereitschaft befragt. Dieser niedrigschwellige Zugang ermöglichte eine breite Beteiligung von Beginn des Projektes an.