Gesundheitskompetenz
Als Gesundheitskompetenz werden die Fähigkeiten und Fertigkeiten bezeichnet, Gesundheitsinformationen zu finden, zu verstehen, zu bewerten und für gesundheitsbezogene Entscheidungen anzuwenden. Seit der ersten repräsentativen Studie (Health Literacy Survey Germany) von 2016 und dem Nationalen Aktionsplan Gesundheitskompetenz wird das Thema auch in Deutschland immer präsenter. Darüber hinaus hat die Coronavirus-Pandemie deutlich gemacht, wie akut dieses Thema und wie sehr es ein strukturelles Problem ist. Denn die individuelle Gesundheitskompetenz wird nicht allein durch eigene Motivation und Fähigkeiten erworben, sondern aus einem Zusammenspiel des Individuums mit seiner Umwelt. Somit gilt es insbesondere die Lebenswelten so zu gestalten, dass günstige Rahmenbedingungen vorliegen, um eine ausreichende Gesundheitskompetenz aller zu ermöglichen.
Praxisbeispiele zur Förderung der Gesundheitskompetenz
Einblicke in die konkrete Umsetzung der Gesundheitskompetenz-Förderung in der Praxis erhalten Sie hier.
Warum ist Gesundheitskompetenzförderung wichtig?
Gesundheitskompetenz (GK) ist von großer Bedeutung, da eine geringe sowohl für die Betroffenen als auch für die Gesellschaft erhebliche Folgen haben kann. Aktuelle Ergebnisse zeigen einen Zusammenhang zwischen geringer GK und diversen negativen Auswirkungen:
- reduzierte Teilnahme an Vorsorge und an gesundheitsförderlichen Aktivitäten
- risikoreichere gesundheitsbezogene Entscheidungen, wie höhere Raucherquoten
- mehr Arbeitsunfälle und suboptimaler Umgang mit chronischen Erkrankungen, z.B. bei Diabetes, HIV-Infektion und Asthma
- geringere Therapiemotivation und mehr Klinikeinweisungen mit "Drehtür-Effekten"
- höhere Morbidität (Krankheitslast) und mehr vorzeitige Sterbefälle
Die Befunde zeigen, dass eine ausreichende GK von entscheidender Bedeutung ist, um Gesundheitsverhalten zu fördern, die Nutzung des Gesundheitssystems zu optimieren und eine bessere Einschätzung des eigenen Gesundheitszustands zu ermöglichen. Um die GK zu verbessern, ist es wichtig, gezielte Maßnahmen zu ihrer Förderung in der Bevölkerung zu ergreifen und eine bessere Kommunikation im Gesundheitswesen zu gewährleisten.
Quelle: www.nap-gesundheitskompetenz.de/gesundheitskompetenz/warum-ist-gesundheitskompetenz-wichtig
Good to Know
"Roadmap Gesundheitskompetenz". Die Roadmap des Bundesgesundheitsministeriums erläutert die Ziele der Allianz für Gesundheitskompetenz und bietet einen Überblick über ihre aktuellen Aktivitäten und Projekte.
"Fit fürs Leben: Kann Schule gesund machen?" Joachim Göres stellt im Journal "bildungsklick" einen Wandel fest: Statt bloßer Leistungsorientierung steht heutzutage die Förderung der Gesundheitskompetenz im Fokus, um Schülerinnen und Schülern das Rüstzeug für ein gesundes Leben mit auf den Weg zu geben. |
Definition von Gesundheitskompetenz
Gesundheitskompetenz
„Die Fähigkeiten, Gesundheitsinformationen zu finden, zu verstehen, zu bewerten und für gesundheitsbezogene Entscheidungen anzuwenden, werden als "Gesundheitskompetenz" oder "Health Literacy" bezeichnet. Hierbei geht es nicht nur um Lese- und Schreibfähigkeit, sondern auch um Wissen, Motivation und Kompetenzen, um sich im Alltag über das Gesundheitswesen, die Krankheitsprävention und die Gesundheitsförderung eine Meinung zu bilden und Entscheidungen zu treffen, die die Lebensqualität im Lebensverlauf erhalten oder verbessern. Das Ausmaß von Gesundheitskompetenz in der Bevölkerung ist jedoch nicht nur von individuellen Voraussetzungen und erworbenen Kompetenzen abhängig, sondern wesentlich auch von der fachlichen Qualität und Verfügbarkeit der bereitgestellten Informationen.“
Quelle: www.rki.de/DE/Content/GesundAZ/G/Gesundheitskompetenz/Gesundheitskompetenz_node.html
Organisationale Gesundheitskompetenz
„Gesundheitskompetenz zu erreichen, liegt nicht allein in der Verantwortung des oder der Einzelnen, sondern muss auch als eine gesamtgesellschaftliche Aufgabe begriffen werden. Gerade Einrichtungen, die Gesundheitsversorgung gestalten, kommt hier eine besondere Verantwortung zu. Ihre Aufgabe ist es, allen Klient*innen entsprechend ihrer Bedürfnisse gute Gesundheitsentscheidungen zu ermöglichen, sie zu unterstützen und entsprechende Rahmbedingungen zu schaffen. (...) [Darüber hinaus] handelt es sich um ein Thema, das Patientenorganisationen sowie Heil- und Gesundheitsberurfe ebenso angeht wie den Bildungsbereich und die Politik.
Quelle: https://dngk.de/definition
Ebenen von Gesundheitskompetenz:
Funktionale Gesundheitskompetenz
- Lesen und Verstehen von Gesundheitsinformationen
- Anwendung von gesundheitsbezogenem Wissen im Alltag
- Kommunikation mit Gesundheitsfachkräften
Kritische Gesundheitskompetenz
- Hinterfragen von Gesundheitsinformationen und -quellen
- Bewertung von Risiken und Nutzen von medizinischen Interventionen
- Teilnahme an informierten Entscheidungsprozessen
Interaktive Gesundheitskompetenz
- Fähigkeit zur aktiven Mitgestaltung der eigenen Gesundheit
- Selbstmanagement und Bewältigung von Gesundheitsproblemen
- Nutzung von Ressourcen und Unterstützungssystemen
Quelle: www.allianz-gesundheitskompetenz.ch/de/ueber-die-allianz/was-ist-gesundheitskompetenz
Aktuelle Forschungsergebnisse
In der Studie Health Literacy Survey Germany (HLS-GER) von 2016 berichteten 54 Prozent der Befragten über eine eingeschränkte Gesundheitskompetenz. Diese geht einher mit einem schlechten Gesundheitszustand. Die Ergebnisse der Folgestudie im Jahr 2021 verdeutlichten, dass trotz dieser Erkenntnisse nur unzureichende Fortschritte erzielt wurden. In dieser Untersuchung gaben nunmehr 60 Prozent der Befragten an, über eine eingeschränkte Gesundheitskompetenz zu verfügen. Zu den Personengruppen mit durchschnittlich geringerer Gesundheitskompetenz gehören Menschen mit niedrigem Bildungsniveau (78,3 Prozent), mit niedrigem Sozialstatus (71,9 Prozent), ab 65 Jahren (65,1 Prozent), mit chronischer Erkrankung (62,3 Prozent), mit Migrationshintergrund (63,1 Prozent) und im Alter zwischen 18 und 29 Jahren (60,7 Prozent) (Quelle: Schaeffer et al., HLS-GER 2, 2021).
Aktuelle Forschungsprojekte:
- WHO Collaborating Centre for Health Literacy an der Technischen Universität München
- Gesundheitskompetenz-Forschung, Robert Koch-Institut, Berlin
- Landesstrategie für Gesundheit(skompetenz) Sachsen-Anhalt (LSG), Hochschulen Harz Magdeburg Stendal Merseburg
- Gesundheitskompetenz in komplexen Umwelten, Forschungsschwerpunkt des Cologne Center for Ethics, Rights, Economics, and Social Sciences of Health CERES
- Patientenorientierung und Gesundheitsbildung, Institut für Epidemiologie, Sozialmedizin und Gesundheitssystemforschung, Medizinische Hochschule Hannover
- Die Gesundheitskompetenz von Kindern und Jugendlichen wird im HLCA-Verbund erforscht.
Akteure
Akteure im Feld Gesundheitskompetenz in Deutschland:
Akteure in der Schweiz:
Akteure in Österreich:
- Koordinationsstelle Fonds Gesundes Österreich: Österreichische Plattform für Gesundheitskompetenz
Werkzeuge / Materialien
- Der Gesundheitskompetenz-Kompass (GEKOKO) ist eine Website, die eine umfassende Sammlung von Informationen, Methoden, Empfehlungen und Literatur zur organisationalen Gesundheitskompetenz bietet. Die Website richtet sich an Interessierte aus dem Gesundheitswesen, die nach geeigneten Methoden suchen, um die Gesundheitskompetenz ihrer Organisation zu stärken. Die Website bietet bewährte Methoden, E-Learning-Materialien und praktische Hilfe für Patient*innen. Interessierte aus dem Gesundheitswesen können gezielt nach passenden Methoden suchen und maßgeschneiderte Empfehlungen erhalten. Ziel ist es, die Gesundheitskompetenz zu verbessern und qualitativ hochwertige Gesundheitsinformationen zugänglicher zu machen.
Der Link zum GEKOKO: https://gekoko.de - Leitfaden "Gesundheitskompetente Schule" (2022)
- Materialsammlung "Unterrichtsmaterialien und Schulprogramme zur Stärkung der Gesundheitskompetenz"
- "Toolbox Gesundheitskompetenz Unterrichtsprogramm zur Stärkung der Gesundheitskompetenz von Schüler:innen"
- "Durchblickt!" Materialien für die Stärkung der digitalen Gesundheitskompetenz von Schüler*innen und Lehrkräften: www.durch-blickt.de
- Österreichische Plattform Gesundheitskompetenz: „Toolbox Gesundheitskompetenz“,hier abrufbar (Version 2, 2023)
Weitere Informationen
- Detlev Ganten, Kerstin Berr, Susanne Melin und Britta Rutert (Hrsg.): Gesundheit von morgen. Gesundheitskompetenz stärken, Prävention verbessern. (2024)
- Leitbegriff der Gesundheitsförderung und Prävention der BZgA: „Health Literacy / Gesundheitskompetenz“ (Susanne Jordan, 2023)
- Leitbegriff der Gesundheitsförderung und Prävention der BZgA: "Professionelle Gesundheitskompetenz" (Melanie Messer, 2023)
- Katharina Rathmann, Kevin Dadaczynski, Orkan Okan und Melanie Messer (Hrsg.): Gesundheitskompetenz (2023)
- Dokumentation des 20. Jahrestreffens des Kooperationsverbunds Gesundheitliche Chancengleichheit, „Gesundheit hoch 3 - Wie gelingt die Verknüpfung von Gesundheitsförderung, -kompetenz und -kommunikation?“ (23.11.2022)
- Schools for Health in Europe: Faktenblatt "Gesundheitskompetenz und Schule" (2020)
- Nationaler Aktionsplan Gesundheitskompetenz. Die Gesundheitskompetenz in Deutschland stärken (2018; Stand: 2020)
- Themenblatt „Gesundheitskompetenz“ des Kooperationsverbundes Gesundheitliche Chancengleichheit, plus einer Materialliste (2019)
Schwerpunktthema Gesundheitskompetenz der Bundesvereinigung Prävention und Gesundheitsförderung (bvpg)
- bvpg-Mitgliederbefragung 2023 zum Thema Gesundheitskompetenz (2024)
- Interviews zum Schwerpunkt Gesundheitskompetenz (2023):
- Interview mit Kristine Sørensen: „Health literacy champions are in demand!“
- Interview mit Prof. Dr. Dr. h.c. Klaus Hurrelmann: „Die strukturelle Gesundheitsförderung findet zu wenig Beachtung“
- Interview mit Dr. Lennert Griese: Die Gesundheitskompetenz ist ungleich in der Bevölkerung verteilt“
- Interview mit Prof. Dr. Julika Loss und Dr. Susanne Jordan: Gesundheitskompetenz im Kontext von „Behavioural and Cultural Insights“