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Angebotsdarstellung

Good Practice

Veröffentlichung: 2019

Das Gemeinschaftsangebot "Demenz und Migration"

Kurzbeschreibung mit Zielen und Maßnahmen

Das Gemeinschaftsangebot "Demenz und Migration" des AWO Kreisverbandes Köln e. V. (AWO Köln e. V.) hat zum Ziel, älteren türkischsprachigen Menschen mit Demenz einen möglichst langen Verbleib in der eigenen Häuslichkeit zu ermöglichen. In den Blick genommen werden daher auch die pflegenden Angehörigen.

Das Projekt umfasst mehrere Bausteine: Sie reichen von der Qualifizierung und Vermittlung ehrenamtlicher Helferinnen und Helfer, die eine muttersprachliche Beratung, Begleitung und auch Betreuung zu Hause und im Quartier ermöglichen, über die Etablierung einer Betreuungsgruppe für Menschen türkischer Herkunft mit Demenz und die Schulung pflegender Angehöriger bis hin zur Stärkung des Themas "Demenz und Migration" in relevanten stadtbezirksübergreifenden Netzwerken. Zudem trägt das Gemeinschaftsangebot "Demenz und Migration" dazu bei, die bestehende Angebotslandschaft für Demenzerkrankte transparenter zu machen und den Zugang zu Angeboten der Altenhilfe zu erleichtern.

Das Angebot ist aus dem Bedarf an kultursensiblen Entlastungsangeboten und dem gemeinschaftlichen Engagement der beiden Beratungs- und Unterstützungsdienste "BAUSTEIN - Häusliche Betreuung bei Demenz", zuständig für den Kölner Außenbezirk Chorweiler, und "Veedel für alle/Semtimiz Ehrenfeld", aktiv im innerstädtischen Stadtbezirk Ehrenfeld, entstanden. Es ist eingebettet in ein seit 1983 gewachsenes, umfangreiches Angebot des Fachbereiches Pflege der AWO Köln e.V.

Dokumente zur Darstellung des Angebotes


Kontakt

Frau Elisabeth Römisch
Fachbereichsleiterin Pflege Arbeiterwohlfahrt Kreisverband Köln e.V.
Peter-Bauer-Str. 2
50823 Köln (Nordrhein-Westfalen)

Telefon: 0221 / 5733201

E-Mail: roemisch(at)awo-koeln.de

Website: https://awo-koeln.de/ambulante-und-stationaere-pflege/veedel-fuer-alle-tuerkische-beratung-fuer-senioren/demenz-und-migration.html


Weitere Ansprechperson

Frau Verena Rech
Peter-Bauer-Straße 2
50823 Köln (Nordrhein-Westfalen)

Telefon: 0221 / 5733255

E-Mail: rech(at)awo-koeln.de


Projektträger

Arbeiterwohlfahrt Kreisverband Köln e.V.
Peter-Bauer-Str. 2
50823 Köln


Hintergrund

Ausgangssituation der Stadt Köln

Wie in vielen anderen Regionen Deutschlands ist auch in Köln mit einer wachsenden Zahl älterer Menschen zu rechnen. Die Prognosen weisen auf einen deutlichen Zuwachs insbesondere in der Gruppe der Hochaltrigen, Pflegebedürftigen sowie älteren Menschen mit Demenz hin (Stadt Köln, Amt für Soziales und Senioren 2018: 8). Von insgesamt 1.084.795 in Köln lebenden Menschen waren Ende 2017 knapp 23 % 60 Jahre und älter, ca. 18 % 65 Jahre und älter und ungefähr 5 % 80 Jahre und älter (Stadt Köln - Amt für Stadtentwicklung und Statistik 2018 (Statistisches Informationssystem). Nach Angaben des Amtes für Stadtentwicklung und Statistik der Stadt Köln lebten in der Altersgruppe 60 Jahre und älter 2017 fast ein Drittel (32,8 %) allein - Tendenz steigend. Über Dreiviertel der pflegebedürftigen Personen in Köln (insg. 30.060 Personen) werden in ihrer Häuslichkeit durch Angehörige, Nachbarinnen und Nachbarn, Freundinnen und Freunde oder Pflegedienste gepflegt, so dass ambulante und niedrigschwellige Unterstützungs- und Entlastungsangebote einen großen Stellenwert einnehmen (Stadt Köln, Amt für Soziales und Senioren 2018: 31). Neben körperlichen Einschränkungen nehmen psychische Erkrankungen im Alter zu. So bestätigen internationale Studien, dass mit zunehmendem Alter das Risiko signifikant ansteigt, an einer Demenz zu erkranken (Prince et al., 2015). Die Anzahl der über 65-Jährigen mit Demenz wird für Köln auf insg. 22.600-32.100 Betroffene geschätzt (Stadt Köln, Amt für Stadtentwicklung und Statistik ?Informationsservice und Amt für Soziales und Senioren 2016).

Auch bei dem Anteil der Bevölkerung mit Migrationshintergrund zeigt sich in Köln über die letzten Jahre ein deutlicher Anstieg. Der Anteil der Einwohnerinnen und Einwohner über 60 Jahre mit Migrationshintergrund an der Bevölkerung der 60-Jährigen und Älteren stieg im Vergleich zu 2005 von knapp 19 % auf ca. 28 % im Jahr 2015. Ein deutlicher Anstieg der älteren Menschen mit Migrationshintergrund ist insbesondere bei der Gruppe der Hochaltrigen zu beobachten. Hatten im Jahr 2005 nur knapp 9 % der 80-Jährigen und Älteren einen Migrationshintergrund, so stieg der Anteil bis 2015 auf fast 20 % (Stadt Köln, Amt für Soziales und Senioren 2018: 23-24). Ca. 7% der 65-Jährigen und älteren Einwohnerinnen und Einwohner hat einen türkischen Migrationshintergrund (Stadt Köln - Amt für Stadtentwicklung und Statistik 2018 (Statistisches Informationssystem)).

Um sich den Herausforderungen der nicht nur älter sondern auch vielfältiger werdenden Gesellschaft zu stellen, haben die kommunale Seniorenarbeit des Fachamtes der Stadt Köln, der Wohlfahrtsverbände und Sozialbetriebe Köln (SBK) ein Leitbild "seniorenfreundliches Köln" entwickelt. Gemäß dem Ratsbeschluss "Seniorenfreundliches Köln - Weiterentwicklung der Seniorenarbeit 2015-2025" ist die Vision für 2025, dass sich die Stadt Köln mit ihren neun Stadtbezirken und insgesamt 86 Stadtteilen in Zusammenarbeit mit Trägern der freien Wohlfahrtspflege durch bedarfsgerechte, gut erreichbare und barrierefrei zugängliche Informations- und Beratungsmöglichkeiten auszeichnet. Auf Grundlage interner Daten zur Angebots- und Bedarfssituation niedrigschwelliger Beratungsangebote entschied die Stadt Köln im Jahr 2008, den Unterstützungsdienst "BAUSTEIN - Häusliche Betreuung bei Demenz" für den Außenbezirk Chorweiler zu implementieren. Die dort lebenden Menschen sind z.B. auf Grund der Entfernung zu innerstädtischen Angeboten oder des nicht durchgängig barrierefrei bzw. -arm gestalteten Haltestellen des öffentlichen Personennahverkehrs nicht in der Lage die passenden Angebote zu erreichen oder sind schlichtweg nicht darüber informiert. Diesen Barrieren sollen u.a. mit Hilfe zugehender und niedrigschwelliger Angebote vor Ort begegnet werden. Für den innerstädtischen Stadtbezirk Ehrenfeld, entschied die Stadt Köln, den Beratungs- und Unterstützungsdienst "Veedel für alle/Semtimiz Ehrenfeld" im Jahr 2009 zu implementieren. Zentral gelegene Stadtbezirke, wie z.B. Ehrenfeld, halten zwar ein breit aufgestelltes Beratungsnetz vor, das jedoch seltener von älteren türkisch- als deutschsprachigen Menschen und ihren Angehörigen in Anspruch genommen wird. Ausschlaggebend für das Angebot einer türkischsprachigen Beratung im Dienst "Veedel für alle/Semtimiz Ehrenfeld" war, dass die Beratung in deutscher Sprache für ältere Menschen aus der Türkei eine strukturelle Barriere darstellt. Die Beauftragung beider Dienste erfolgt durch das Amt für Soziales der Stadt Köln im Rahmen der kommunalen Daseinsfürsorge § 5 Absatz 5 SGB XII (Stadt Köln, Amt für Soziales und Senioren 2018: 87).

Stadtbezirke Chorweiler und Ehrenfeld
Im nördlichen Stadtbezirk Chorweiler wohnen insgesamt 83.000 Bürgerinnen und Bürgern. Rund ein Viertel der Menschen sind hier 60 Jahre und älter. Mit 7.852 Personen bilden die Einwohnerinnen und Einwohner zwischen 65 und 74 Jahren die größte Gruppe der älteren Menschen (Stadt Köln, Amt für Stadtentwicklung und Statistik 2017). Der Stadtbezirk Ehrenfeld hat rund 108.000 Einwohnerinnen und Einwohner, von denen jede bzw. jeder Fünfte 60 Jahre und älter ist (Stadt Köln - Amt für Stadtentwicklung und Statistik 2018 (Statistisches Informationssystem). Auch in Ehrenfeld bilden die Personen ab 65 Jahren bis 74 Jahren die größte Gruppe der über 60-Jährigen.
Beide Bezirke Chorweiler und Ehrenfeld weisen einen hohen Anteil an Bürgerinnen und Bürgern mit Migrationshintergrund auf. Im Stadtbezirk Chorweiler haben fast die Hälfte (49,6%) der Einwohnerinnen und Einwohner einen Migrationshintergrund. Im Stadtbezirk Ehrenfeld sind es etwas über ein Drittel (37,4 %). In beiden Stadtbezirken stammen fast 10 % der 65-jährigen und älteren Personen mit Migrationshintergrund aus der Türkei (Stadt Köln - Amt für Stadtentwicklung und Statistik 2018 (Statistisches Informationssystem).

Bedarfslage älterer Menschen mit türkischem Migrationshintergrund

Im Vergleich zu gleichaltrigen Menschen ohne Migrationshintergrund weisen Menschen mit Migrationshintergrund im Alter ein erhöhtes Hilfe- und Pflegebedürftigkeitsrisiko auf. Gründe sind unter anderem oftmals stark körperlich belastende Arbeitsbiografien und psychisch belastende Erfahrungen aus der Migrationsgeschichte (Olbermann, 2013). Für viele nach Deutschland aus der Türkei eingewanderte und an Demenz erkrankte Menschen war die geplante Rückkehr in die Türkei aus verschiedenen Gründen nicht umsetzbar. Vielmals veranlassten familiäre, gesundheitliche und soziale Motive diese erste Generation der Migrantinnen und Migranten dazu, auch ihren Lebensabend in Deutschland zu verbringen. Bedingt durch veränderte Familienstrukturen, in denen z.B. auch bei Familien mit türkischen Migrationshintergrund Mehrgenerationenhaushalte immer seltener werden, als auch den demographischen Wandel, nimmt das deutsche Altenhilfesystem auch für türkische Seniorinnen und Senioren eine zunehmend wichtige Rolle ein (Bundesamt für Migration und Flüchtlinge 2012; Tezcan-Güntekin et al. 2017). Der Großteil älterer Menschen mit türkischem Migrationshintergrund wird in der eigenen Häuslichkeit durch Angehörige gepflegt. Dies erfolgt oftmals ohne Inanspruchnahme professioneller Hilfen und führt zu hohen Belastungen in den Familien (Tezcan-Güntekin et al. 2017).


Ziele und Zielgruppen

Übergeordnetes Ziel des Angebotes ist es, mit Hilfe muttersprachlicher Beratung und Begleitung älteren türkischsprachigen Menschen einen möglichst langen Verbleib in der eigenen Häuslichkeit zu ermöglichen. Dabei liegt der Fokus darauf, den Zugang zu Angeboten der Altenhilfe zu erleichtern, die soziale Teilhabe zu fördern und Entlastungsmöglichkeiten für pflegende Angehörige anzubieten.

Die primäre Zielgruppe(n) sind ältere Menschen türkischer Herkunft mit dementiellen Einschränkungen und deren Angehörige.

Als sekundäre Zielgruppe bindet das Angebot volljährige Personen mit türkischem Migrationshintergrund und ausreichenden Deutschkenntnissen aus den Stadtbezirken Ehrenfeld und Chorweiler. Diese werden für eine ehrenamtliche Tätigkeit zur Begleitung, Unterstützung und Entlastung von Menschen türkischer Herkunft mit dementiellen Einschränkungen und deren Angehörige als Helferinnen und Helfer angesprochen (vgl. Multiplikatorenansatz). Die ehrenamtlichen Helferinnen und Helfer haben durch ihre Sprachkompetenz als sogenannte "Schlüsselpersonen" einen guten Zugang zur Zielgruppe.


Vorgehen

Mit dem Ziel, älteren Menschen einen möglichst langen Verbleib in der eigenen Häuslichkeit zu ermöglichen, bietet die AWO Köln e. V. in Zusammenarbeit mit der Stadt Köln niedrigschwellige Angebote vor Ort an. Dabei sollen die (älteren) Menschen die Möglichkeit bekommen, ihren Stadtbezirk als Lebenswelt mit zu gestalten und Unterstützung in ihren eigenen vier Wänden zu erhalten. Entsprechend umfasst der Fachbereich Pflege der AWO Köln e. V. mittlerweile eine breite Angebotspalette, die u. a. neben stationären Pflegeeinrichtungen auch einen ambulanten Pflegedienst, Quartiersarbeit, präventive Hausbesuche, einen hauswirtschaftlichen Service sowie Mieteinheiten im Service Wohnen (betreutes Wohnen) vorhält. Hierin eingebettet ist auch das Gemeinschaftsangebot "Demenz und Migration", dass die folgenden zwei Angebote verbindet:

- Der Unterstützungsdienst "BAUSTEIN - Häusliche Betreuung bei Demenz", gefördert durch die Stadt Köln, richtet sich seit 2008 als Beratungs- und Betreuungsangebot an pflegende Angehörige aus dem Kölner Norden und dem Stadtbezirk Chorweiler, die einen Menschen mit Demenz zu Hause betreuen. Die hauptamtliche Koordinatorin des Angebotes ist beim AWO Köln e. V angestellt. Sie qualifiziert und vermittelt ehrenamtliche Helferinnen und Helfer, die stundenweise die Betreuung von Menschen mit Demenz zu Hause übernehmen und damit die Angehörigen im Betreuungsalltag entlasten.

- Der Dienst "Veedel für alle/Semtimiz Ehrenfeld" wird seit 2009 ebenso durch den AWO Köln e.V. angeboten. Die Finanzierung übernimmt das Amt für Soziales und Senioren der Stadt Köln. Analog zum Unterstützungsdienst "BAUSTEIN - Häusliche Betreuung bei Demenz" wird der Dienst "Veedel für alle/Semtimiz Ehrenfeld" ebenso von einer hauptamtlichen Mitarbeiterin des AWO Köln e. V koordiniert. Ziel von "Veedel für alle/Semtimiz Ehrenfeld" ist es, ältere türkischsprachige Menschen durch eine muttersprachliche Beratung über das deutsche Altenhilfesystem und die ortsansässigen Hilfsangebote zu informieren und die Teilhabe an den vorhandenen Angebotsstrukturen im Stadtbezirk Ehrenfeld zu unterstützen. Neben der Beratung und Vermittlung geschulter ehrenamtlicher Begleiterinnen und Begleiter organisiert und moderiert die hauptamtliche Koordinatorin des Dienstes "Veedel für alle/Semtimiz Ehrenfeld" seit September 2011 einmal monatlich einen Gesprächskreis für durchschnittlich ca. 20 türkischsprachige Seniorinnen und Senioren zu Themen rund ums Alter.

Die beiden beschriebenen niedrigschwelligen Beratungs- und Betreuungsangebote sind mit ihren Büros im "Zentrum für Senioren Theo-Burauen-Haus" des AWO Köln e.V. angesiedelt und in den vergangenen Jahren immer stärker zusammengewachsen. Beide Dienste profitieren durch die fachübergreifende Zusammenarbeit voneinander. Das große Interesse und der zunehmende Bedarf an kultursensibel ausgerichteten Betreuungs- und Entlastungsangeboten für demenziell Erkrankte mit türkischem Migrationshintergrund und ihre pflegenden Angehörigen veranlassten die Koordinatorinnen der beiden Dienste, den Arbeitsschwerpunkt "Demenz und Migration" zu einem Gemeinschaftsangebot auszubauen und verschiedene spezielle Angebote zu etablieren:

- Im Jahr 2013 wurde ein gemeinsamer zweisprachiger kultursensibler Qualifizierungskurs "Demenz und Migration" nach § 45b SGB XI konzipiert, der sich ausschließlich an zweisprachige ehrenamtliche Helferinnen und Helfer türkischer Herkunft richtet. Die Schulung stellt die Voraussetzung für eine anschließende passgenaue Vermittlung von Helferinnen und Helfern in die Familien dar.

- Die zweisprachige Betreuung von türkischsprachigen Menschen mit Demenz zu Hause wird durch die qualifizierten ehrenamtlichen Helferinnen und Helfer mit dem Ziel der kultursensiblen Aktivierung und Beschäftigung der Betroffenen und Entlastung der Angehörigen in der Häuslichkeit umgesetzt. Die Helferinnen und Helfer sind für die Menschen türkischer Herkunft mit Demenz da, um Zeit bei gemeinsamen Spaziergängen, beim Erzählen oder Musikhören zu teilen.

- Das Betreute Gruppenangebot "Bulusma Saati - Zeit der Begegnung" ist ein Angebot für Menschen türkischer Herkunft mit Demenz, welches seit Mitte 2016 ebenfalls von qualifizierten ehrenamtlich tätigen Helferinnen und Helfern betreut wird und zweimal im Monat im Theo-Burauen-Haus stattfindet.

- Mitte 2017 wurde zusammen mit der Selbsthilfe-Kontaktstelle in Köln eine Selbsthilfegruppe für türkischsprachige Angehörige von Menschen mit Demenz gegründet, die sich seither einmal im Monat trifft. Als erweitertes Angebot wurde im Jahr 2016 in Kooperation mit dem Landesverband der Alzheimer Gesellschaft Nordrhein Westfalen e.V. zum ersten Mal ein zweisprachiger Schulungskurs für pflegende Angehörige türkischer Herkunft angeboten.

- Das "Ehrenfelder Demenznetz für Menschen mit Zuwanderungsgeschichte" wurde 2015 gegründet, um die Umsetzung bedarfsgerechter und kultursensibler Angebote für Menschen mit Demenz türkischer Herkunft zu diskutieren und gemeinsame Aktivitäten zu planen. Um Doppelstrukturen zu vermeiden, wurde der Schwerpunkt Demenz und Migration 2017 in die bestehenden Demenz-Netzwerke in Ehrenfeld und im Kölner Norden integriert.

Der Beratungsdienst "BAUSTEIN - Häusliche Betreuung bei Demenz", der Qualifizierungskurs "Demenz und Migration", die zweisprachige Betreuung von türkischsprachigen Menschen mit Demenz zu Hause sowie das betreute Gruppenangebot "Bulusma Saati - Zeit der Begegnung" sind gemäß der Anerkennungs- und Förderungsverordnung (AnFöVo) im Sinne des § 45b SGB XI anerkannte und förderfähige Angebote zur Unterstützung im Alltag. Entsprechend werden Aufwendungen durch die gesetzliche Pflegekasse in Form einer Aufwandsentschädigung in Höhe von 10 Euro pro Betreuungsstunde erstattet, wenn die betreuten Personen einen Pflegegrad aufweisen. 7,50 Euro erhalten die ehrenamtlichen Helferinnen und Helfer direkt, die Differenz wird an den AWO Köln e.V. für Verwaltungstätigkeiten weitergeleitet.

Die verschiedenen Angebote des gesamten Fachbereiches Pflege des AWO Köln e.V. verfolgen gemeinsam den Leitsatz "Vom Seniorenzentrum zum Zentrum für Senioren". Er steht für die Öffnung eines oftmals als "geschlossen" wahrgenommenen stationären Betriebs hin zu einer offenen Anlaufstelle für die Belange der Seniorinnen und Senioren. Die Angebote werden in enger Kooperation mit dem Amt für Soziales und Senioren der Stadt Köln durchgeführt.


Good Practice in

Niedrigschwellige Arbeitsweise

Der Überblick im deutschen Altenhilfesystem fällt sowohl deutschen als auch türkischen älteren Menschen und ihren Angehörigen oftmals schwer. Viele Betreuende beklagen mangelnde Unterstützung nach der Diagnosestellung Demenz, fühlen sich von den Pflegekassen unzureichend beraten und wissen nicht, wie sie die meist langen Wartezeiten auf Unterstützungsangebote, z.B. für Tages- oder Kurzzeitpflege, überbrücken sollen (Jahresbericht BAUSTEIN 2017). Vor allem für die erste Generation der älteren Menschen mit türkischem Migrationshintergrund ist die Angebotsvielfalt der Altenhilfe nur schwer zu durchschauen und deshalb nicht in vollem Umfang nutzbar. Gründe hierfür sind u. a.:

- eine eingeschränkte Sprachkompetenz, die sich häufig mit dem Ausscheiden aus dem Erwerbsleben aufgrund der Reduzierung von Kontakten zum deutschen Umfeld noch weiter verschlechtert,
- weitere strukturelle Barrieren bzw. beschränkte Zugänge aufgrund geringer Rentenansprüche in Folge niedriger Verdienste sowie kurzer Beitragszeiten, die die Inanspruchnahme von Unterstützungsleistungen vermindern (Interner Bericht der Stadt Köln; Olbermann 2016; 2013)

sowie

- die Haltung älterer Migrantinnen und Migranten, keine staatlichen Unterstützungsleistungen in Anspruch nehmen zu wollen, die häufig im direkten Kontakt der Beratungs- und Unterstützungsdienste ("BAUSTEIN" und "Veedel für alle / Semtimiz Ehrenfeld") mit der Zielgruppe wahrgenommen wird.

Das Gemeinschaftsangebot "Demenz und Migration" begegnet diesen beschriebenen Hürden durch eine niedrigschwellige Arbeitsweise. Dies zeigt sich in folgenden Punkten:

- muttersprachliche Beratung, Begleitung und Betreuung sowie zweisprachige Flyer (deutsch/türkisch),
- türkeistämmige Koordinatorin des Beratungsdienstes Semtimiz Ehrenfeld/Veedel, die den Zugang zur türkischen Community gewährleistet,
- die enge Kooperation der beiden Dienste (z. B. gegenseitige Vertretung) schafft eine Akzeptanz der deutschsprachigen Koordinatorin bei den älteren Migrantinnen und Migranten,
- die Angebote können kostenfrei in Anspruch genommen werden,
- besteht ein Pflegegrad entsprechend der gesetzlichen Pflegeversicherung, übernimmt diese die Aufwendungen für die Betreuungseinsätze in der Häuslichkeit sowie für das Betreute Gruppenangebot,
- Kontaktaufnahme auf verschiedenen Wegen (persönlich, telefonisch oder per E-Mail) möglich,
- Bekanntmachung des Gemeinschaftsangebotes "Demenz und Migration" erfolgt über geschulte ehrenamtliche Helferinnen und Helfer, die als "Schlüsselpersonen" an den muttersprachlichen Dienst "Semtimiz Ehrenfeld/Veedel für alle" vermitteln und motivieren, Unterstützungsleistungen in Anspruch zu nehmen,
- zusätzliche persönliche Begleitung zu dem monatlich stattfindenden Gesprächskreis von "Semtimiz Ehrenfeld/Veedel für alle", um Teilnahmehürden zu überwinden und gleichzeitig eine soziale Isolation aufzubrechen,
- koordinierte Vermittlungsbesuche unter Beteiligung der Koordinatorin als Vertrauensperson, einer ehrenamtlichen Helferin oder eines ehrenamtlichen Helfers, die bzw. der künftig die Begleitung übernehmen soll, sowie mit den älteren türkeistämmigen Menschen und deren Angehörigen in der Häuslichkeit.

Um darüber hinaus eine niedrigschwellige Vermittlung der türkischsprachigen älteren Menschen mit Demenz und ihren Angehörige zu gewährleisten, nimmt die Kooperation der beiden Dienste (BAUSTEIN und Semtimiz Ehrenfeld/Veedel für alle) untereinander sowie die Vernetzung mit weiteren Akteurinnen und Akteuren eine wichtige Rolle ein. So zeigt sich häufig in den Beratungsgesprächen der Koordinatorin von "Semtimiz Ehrenfeld/Veedel für alle" mit ratsuchenden Familien, dass neben dem ursprünglichen Anliegen bei vielen Betroffenen auch eine beginnende oder fortgeschrittene Demenz vorliegt, die bis dato noch nicht bekannt bzw. thematisiert wurde. In diesen Fällen kann durch die Koordinatorin eine frühzeitige und niedrigschwellige Begleitung der Betroffenen und Angehörigen vermittelt werden. Ist eine Diagnosestellung oder weitere ärztliche Beratung erforderlich, so arbeitet das Gemeinschaftsangebot "Demenz und Migration" eng mit der Neurologie der Uniklinik Köln sowie mit dem Gerontopsychiatrischen Zentrum Köln-Chorweiler der Rheinischen Kliniken Köln zusammen. Es kann hier an türkischsprachige Fachärztinnen und -ärzte weitervermittelt werden.

Multiplikatorenkonzept

Ein wesentlicher Bestandteil des Gemeinschaftsangebotes "Demenz und Migration" ist der Einbezug sowie die Vermittlung und Qualifizierung ehrenamtlicher, türkischsprachiger Begleiterinnen und Begleiter. Sie geben Informationen an Ratsuchende weiter und begleiten diese. Des Weiteren gestalten sie als Teil der Nachbarschaft die Angebote mit, indem sie Angebote der häuslichen Betreuung sowie die Betreuungsgruppe "Bulusma Saati - Zeit der Begegnung" mit umsetzen und für das Thema Demenz sensibilisieren. Sie wirken also als Multiplikatorinnen und Multiplikatoren und werden im Folgenden so benannt.

Die Basisqualifizierung "Demenz und Migration" des Gemeinschaftsangebots bereitet potentielle Multiplikatorinnen und Multiplikatoren auf ihre häuslichen Betreuungseinsätze bei Menschen türkischer Herkunft mit Demenz vor. Der Qualifizierungskurs richtet sich an volljährige Menschen mit türkischem Migrationshintergrund aus den Stadtbezirken Ehrenfeld und Chorweiler, die sich ehrenamtlich in der häuslichen Betreuung von Menschen mit Demenz engagieren wollen, unabhängig von Alter, Geschlecht und Religion. Wichtig ist, dass die Teilnehmenden ausreichende Deutschkenntnisse mitbringen, um den Schulungsmodulen folgen zu können. Auch müssen die zukünftigen Multiplikatorinnen und Multiplikatoren für ihre Einsätze in den Familien mindestens zwei Stunden pro Woche erübrigen können. Wissen über die Krankheit Demenz ist keine Teilnahmevoraussetzung.

Potentielle Multiplikatorinnen und Multiplikatoren werden über Aushänge, E-Mail-Verteiler und Anzeigen in Zeitungen angesprochen. Auch Netzwerkpartner oder bereits qualifizierte und aktive Multiplikatorinnen und Multiplikatoren werben persönlich für die ehrenamtliche Mitarbeit. Für Interessierte findet ein persönliches Erstgespräch mit den Koordinatorinnen statt, um insbesondere die Motivation zur Teilnahme an der Qualifizierungsschulung zu erörtern. Interessierte mit ausschließlich finanzieller Motivation erhalten keinen Zugang zur Schulung. Im Vordergrund sollte ein besonderes Interesse an der Begleitung von Menschen mit Demenz stehen.

Das Schulungskonzept zur Anerkennung der 40-Stunden-Basisqualifizierung "Demenz und Migration" umfasst insgesamt 19 Module, die sich auf 8 Schulungstermine in maximal 4 Wochen verteilen. Folgende zentrale Inhalte werden vermittelt:
- Grundlagen zum Krankheitsbild Demenz und den Bedürfnissen von Menschen mit Demenz,
- kultursensible Aktivierungs- und Beschäftigungsmöglichkeiten,
- Migrationsgeschichte türkischer Gastarbeiterinnen und -Gastarbeiter,
- Situation der pflegenden Angehörigen und Entlastungsmöglichkeiten,
- Grundwissen zum Umgang mit Pflegebedürftigen,
- Verhaltensregeln im Notfall,
- gesetzliche Grundlagen in der Begleitung von Menschen mit Demenz,
- Angebote zur Unterstützung im Alltag im Kölner Stadtgebiet/ Struktur des AWO Köln e. V.

Nach erfolgreich absolvierter Schulung erhalten die Teilnehmenden ein Zertifikat. Zudem dient ein Evaluationsbogen der Qualitätssicherung und Anpassung der kommenden Schulungen auf Grundlage der Erwartungen und Wünsche der Teilnehmenden. Die 40-Stunden-Basisqualifizierung "Demenz und Migration" wird durch die Koordinatorinnen der Dienste sowie Fachkräfte gemäß § 6 AnFöVO vermittelt. Zwischen 2013 und 2018 wurden in vier Qualifizierungskursen insgesamt 46 ehrenamtliche Multiplikatorinnen und Multiplikatoren ausgebildet. 2018 sind 26 Multiplikatorinnen und Multiplikatoren im Einsatz. Diese Zahl variiert, wenn Multiplikatorinnen und Multiplikatoren ihre Tätigkeit z.B. aus beruflichen oder privaten Gründen vorübergehend unterbrechen und später wieder aufnehmen. Je nach Kapazitäten begleiten die Multiplikatorinnen und Multiplikatoren eine oder mehrere Familien. Der überwiegende Anteil der aktiven Multiplikatorinnen und Multiplikatoren ist weiblich und durchschnittlich 40 bis 60 Jahre alt. Um männliche Multiplikatoren zu gewinnen, regen die Koordinatorinnen in den Erstgesprächen an, beispielsweise Ehemänner, Söhne oder andere männliche Familienmitglieder und Bekannte zu mobilisieren. Neben der häuslichen Betreuung türkeistämmiger Menschen mit Demenz übernehmen die qualifizierten Multiplikatorinnen und Multiplikatoren zum Teil die Organisation und Moderation eines Betreuten Gruppenangebotes. Die Betreuungsgruppe "Bulusma Saati - Zeit der Begegnung" wird regelmäßig in den Räumlichkeiten des Seniorenzentrums Theo-Burauen-Haus, AWO KV Köln e. V. angeboten. In einem Zusatzmodul der 40-Stunden-Basisqualifizierung "Demenz und Migration" wird daher auch die Gestaltung einer Gruppenbetreuung thematisiert. Die Multiplikatorinnen und Multiplikatoren werden darin geschult, die Betreuungszeit in einer Gruppe thematisch zu organisieren und die Gruppe zu moderieren. Sie hospitieren in der bestehenden Betreuungsgruppe.

In der Schulung lernen die Koordinatorinnen die Teilnehmenden intensiv kennen, um sie im Anschluss möglichst "passgenau" in die Familien vermitteln zu können. Im Rahmen des ersten Vermittlungsbesuches werden in Anwesenheit der Koordinatorin gemeinsam mit den Familien und qualifizierten Multiplikatorinnen und Multiplikatoren die Inhalte und Ziele der Begleitungen besprochen und dokumentiert. Der Dienst "BAUSTEIN - Häusliche Betreuung bei Demenz" gewährleistet den Multiplikatorinnen und Multiplikatoren mindestens viermal im Jahr und der Dienst "Semtimiz Ehrenfeld/Veedel für alle" zweimal im Jahr sogenannte Reflexionstreffen. Die Multiplikatorinnen und Multiplikatoren vom Gemeinschaftsangebot "Demenz und Migration" sind an die bereits zuvor bestehenden Reflexionstreffen von BAUSTEIN angebunden. Es geht um persönliche Erfahrungen, die Verknüpfung von Gelerntem innerhalb der Schulung und Praxis sowie die Motivation der Multiplikatorinnen und Multiplikatoren. Zudem werden ihnen Einblicke in relevante gesellschaftliche und wissenschaftliche Entwicklungen ermöglicht und der Austausch zur Identifizierung von Fortbildungsbedarfen genutzt, um entsprechende Fortbildungsangebote zu schaffen. Für die Multiplikatorinnen und Multiplikatoren besteht jederzeit die Möglichkeit, an den regelmäßigen Fortbildungen von BAUSTEIN teilzunehmen.

Empowerment

Eine zentrale Aufgabe des Gemeinschaftsangebotes "Demenz und Migration" ist die Befähigung von älteren türkischsprachigen Menschen, ein möglichst selbstständiges Leben zu führen. Hierzu gehören die möglichst selbständige Orientierung im deutschen Altenhilfesystem und die Inanspruchnahme bedarfsgerechter Gesundheits- und Unterstützungsangebote. Die Angehörigen, die den ersten Kontakt zu den Angeboten aufnehmen, sind zumeist gut integriert und beherrschen die deutsche Sprache. So kann die Beratung bzw. Information zu Angeboten des Altenhilfesystems in einem persönlichen Gespräch oder auch über Telefon/E-Mail direkt erfolgen. Wenn es einen Weitervermittlungsbedarf gibt, werden die entsprechenden Kontaktadressen zur Verfügung gestellt und dazu ermuntert, diese in Anspruch zu nehmen. Bei pflegenden Ehefrauen oder-männern, die die deutsche Sprache nicht gut beherrschen, versuchen die Dienste (BAUSTEIN und Semtimiz Ehrenfeld/Veedel für alle) immer zuerst den Kontakt zu einem weiteren nahen Angehörigen (Sohn, Tochter, Enkel etc.) herzustellen. Gleichzeitig wird die Ehefrau oder der Ehemann in der Muttersprache über entsprechende Angebote informiert. Grundsätzlich ist das Ziel, Angehörige zu beteiligen und die Selbsthilfekompetenzen zu stärken.

Ein übergreifendes Ziel der 40-Stunden-Basisqualifizierung "Demenz und Migration" ist die Stärkung der Reflexionskompetenz der Multiplikatorinnen und Multiplikatoren. Viele Schulungsübungen basieren auf Methoden der Selbsterfahrung, die es den Teilnehmenden ermöglichen, ein besseres Verständnis für die persönliche Situation von Menschen mit Demenz sowie ihrer pflegenden Angehörigen zu schaffen. Eine enge Begleitung der ehrenamtlichen Multiplikatorinnen und Multiplikatoren setzt deren Potenziale frei und ermöglicht es, nachhaltige Angebote zu etablieren. Das freiwillige Zusatzmodul der Qualifizierung zur Gestaltung einer Gruppenbetreuung (vgl. Multiplikatorenkonzept) befähigt Multiplikatorinnen und Multiplikatoren am Beispiel der Betreuungsgruppe "Bulusma Saati - Zeit der Begegnung", Angebote der Gruppenbetreuung zu planen und umzusetzen.

Neben der Beratung und Begleitung türkischsprachiger Menschen mit Demenz und ihren Angehörigen hat das Gemeinschaftsangebot "Demenz und Migration" seit 2016 auch zum Ziel, Angehörige im Rahmen von Angehörigenschulungen zu befähigen und für ihren Alltag zu stärken. Zur Weiterentwicklung zweisprachiger Schulungskurse für Angehörige nahmen die Koordinatorinnen 2017 an dem Train-the-Trainer-Seminar "EduKation demenz" teil. Die Abkürzung "EduKation demenz" steht für die Entlastung durch Förderung der Kommunikation bei Demenz. Die Verfügbarkeit der Schulungsunterlagen auf Deutsch und Türkisch bietet hierbei eine gute Grundlage für die Planung professioneller Schulungskurse für Angehörige. Ziel der Angehörigenschulung ist, die Stärkung vorhandener Ressourcen von Angehörigen, deutscher sowie türkischer Herkunft. Sie bewirkt die Verbesserung des psychosozialen Wohlbefindens der Angehörigen (Reduzierung von Depressivität und Belastungsempfinden) und befähigt sie, die alltäglichen Konfliktsituationen, die sich im Zusammenleben mit einem Demenzkranken immer wieder ergeben, durch gelingende einfühlsame Kommunikation besser zu bewältigen (Engel et al. 2015).

Ein weiterer Beitrag zum Empowerment der Angehörigen von Menschen mit Demenz ist die Selbsthilfegruppe. Seitens des AWO Köln e.V. werden lediglich die Räumlichkeiten und somit ein Forum des Austausches in Eigenregie geschaffen. Die Erfahrungen der Angehörigen machen sie selbst zu Expertinnen und Experten. Der offene Austausch stärkt sie in ihrem Handeln und bietet gegenseitige Unterstützung.


Gesammelte Erfahrungen (Lessons Learned)

Die verschiedenen Angebote des Gemeinschaftsangebotes "Demenz und Migration" können nur durch das große Engagement der ehrenamtlichen Multiplikatorinnen und Multiplikatoren realisiert werden. Die Vielfalt und Komplexität der Beratungs- und Vermittlungsanlässe begründet jedoch den Bedarf professioneller Unterstützung und Begleitung durch z. B. Sozialarbeiterinnen und arbeiter, Case-Managerinnen und -Manager oder Dolmetscherinnen und Dolmetscher, der sich durch eine ausschließliche Ehrenamtsstruktur nicht abdecken lässt: Wenige kultursensible ambulante, teilstationäre und stationäre Angebote gestalten die Weitervermittlung der Betroffenen und ihren Angehörigen schwierig. Der Anstieg an vermittelten Multiplikatorinnen und Multiplikatoren sowie die Ausbreitung der Einsätze im gesamten Stadtgebiet weist auf eine Unterversorgung der anderen Stadtbezirke in Bezug auf kultursensible Beratung und Angebote hin.

Als besondere Herausforderung für die kontinuierliche Umsetzung der Betreuungsgruppe, stellt sich die "Pendelmigration" heraus: Die Sommermonate verbringt die ältere Generation oft in der Türkei, die Wintermonate in Deutschland, so dass die Besucherzahlen sich im Sommer minimieren. Im Projekt wird gelernt, auf diese Situation entsprechend flexibel einzugehen. Da die Koordinatorinnen im engen Kontakt mit den Angehörigen der Betreuungsgruppenteilnehmerinnen und -teilnehmer stehen und sich neue Interessierte vor ihrem Besuch anmelden müssen, kann vor jedem Termin entschieden werden, ob die Betreuungsgruppe stattfindet oder nicht. Wenn weniger als zwei Personen für einen Termin zugesagt haben, wird der Termin abgesagt.

Das Theo-Burauen-Haus als "Zentrum für Seniorinnen und Senioren" hat sich als idealer Ausgangspunkt der Angebote erwiesen. Fördernd für die Umsetzung niedrigschwelliger Beratungs- und Unterstützungsdienste für die Zielgruppe der älteren türkischsprachigen Menschen ist die Einbettung in die Arbeit eines großen Trägers. Die Arbeiterwohlfahrt hält eine umfassende Angebotspalette vor, so dass Hilfen in Form einer kollegialen projektübergreifenden Zusammenarbeit schnell in die Wege geleitet werden können, z.B. der Umzug ins Seniorenzentrum und die Vermittlung ambulanter Pflege- oder hauswirtschaftlicher Dienste. Die gute Vernetzung der Multiplikatorinnen und Multiplikatoren untereinander sowie mit den Diensten ("BAUSTEIN" und "Semtimiz Ehrenfeld / Veedel für alle") fördert die Informationsweitergabe und ist ein Gelingensfaktor für die Weitervermittlung von betroffenen Familien als auch von Helferinnen und Helfern.

Das Gemeinschaftsangebot ist das einzige seiner Art im gesamten Stadtgebiet, so dass die Anfragen über die Stadtbezirke Chorweiler und Ehrenfeld mittlerweile hinausgehen. Anfragen aus anderen Gebieten können dann bedient werden, wenn bereits geschulte Multiplikatorinnen und Multiplikatoren in nahegelegene Stadtbezirke vermittelt werden können.


Literatur

Bundesamt für Migration und Flüchtlinge (Hrsg.) (2012): Ältere Migrantinnen und Migranten. Entwicklungen, Lebenslagen, Perspektiven. Forschungsbericht 18. Nürnberg. www.bamf.de/SharedDocs/Anlagen/DE/Publikationen/Forschungsberichte/fb18-aelteremigranten.pdf



Deutsche Alzheimer Gesellschaft (Hrsg.) (2018): Informationsblatt 1, Die Häufigkeit von Demenzerkrankungen. Berlin. www.deutschealzheimer.de/fileadmin/alz/pdf/factsheets/infoblatt1_haeufigkeit_demenzerkrankungen_dalzg.pdf.



Engel, S./Reiter-Jaeschke, A. (2015): Abschlussbericht, Überprüfung der Wirksamkeit von ?EduKationDemenz?, einem psychoedukativen Schulungsprogramm für Angehörige Demenzerkrankter, Paderborn. schulung-demenz.de/wpcontent/uploads/2018/10/ueberpruefung-der-wirksamkeit-von-EduKationDemenz-1.pdf.



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Laufzeit des Angebotes

Beginn: 2013

Abschluss: kein Ende geplant


Welche Personengruppe(n) in schwieriger sozialer Lage wollen Sie mit Ihrem Angebot erreichen?

  • Geflüchtete
  • Migrant/-innen in schwieriger sozialer Lage
  • Chronisch kranke / mobilitätseingeschränkte und / oder kognitiv beeinträchtigte Personen in schwieriger sozialer Lage
  • Pflegebedürftige Personen in schwieriger sozialer Lage
  • Angehörige von Personen mit erhöhtem Unterstützungsbedarf

Das Angebot richtet sich insbesondere an folgende Altersgruppen

  • Altersgruppenübergreifend
  • 66 bis 79 Jahre
  • Ab 80 Jahre
  • 50 bis 65 Jahre

Das Angebot umfasst geschlechtsspezifische Angebote für

  • Keine geschlechtsspezifischen Angebote

Multiplikatorinnen und Multiplikatoren

Das Angebot bindet volljährige Personen mit türkischem Migrationshintergrund und ausreichenden Deutschkenntnissen aus den Stadtbezirken Ehrenfeld und Chorweiler ein. Diese werden für eine ehrenamtliche Tätigkeit zur Begleitung, Unterstützung und Entlastung von Menschen türkischer Herkunft mit dementiellen Einschränkungen und deren Angehörige als Helferinnen und Helfer angesprochen (vgl. Multiplikatorenansatz).


Schwerpunkte des Angebotes

  • Pflegebedürftigkeit (Prävention, Unterstützung)
  • Kognitive Einschränkungen / Demenz
  • Unterstützung von pflegenden Angehörigen
  • Bürgerschaftliches Engagement
  • Soziale Teilhabe (Integration, Inklusion)

Das Angebot wird hauptsächlich in folgenden Lebenswelten umgesetzt

  • Stadt / Stadtteil / Quartier / Kommune
  • Häusliches Umfeld
  • Beratungsstelle

Stand

21.06.2019

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