Veröffentlichung: 2006
Diakonie- und Gesundheitsladen Nordstadt
Kurzbeschreibung mit Zielen und Maßnahmen
Der Diakonie- und Gesundheitsladen Nordstadt ist in einem sozial benachteiligten Segment der Hannoverschen Nordstadt angesiedelt. Mit seinen Angeboten richtet er sich an Personen, denen durch Armut, Benachteiligung und Ausgrenzung Schaden an ihrer Gesundheit droht.
Die Angebote der Einrichtung sind vielfältig. Neben allgemeiner (Gesundheits- oder auch Ernährungs-)Beratung umfassen sie beispielsweise Vortragsreihen zu verschiedenen Gesundheitsthemen, Vermittlung/Begleitung bei Kuren, Arztgängen und Behördenbesuchen oder auch offene Gruppen (u. a. Kochen). Angehörige unterschiedlicher Altersgruppen und sozialer Milieus nehmen die größtenteils kostenlosen Angebote in Anspruch. Dazu gehören vor allem Eltern mit Kindern, Alleinerziehende, ältere alleinstehende Männer, Punks sowie Frauen unterschiedlichen Alters.
Ziel ist die Förderung positiver gesundheitsrelevater Verhaltensweisen innerhalb der verschiedenen Zielgruppen. Dazu gehören zum Beispiel die Verbesserung der Ernährungsgewohnheiten, die Vermittlung von hauswirtschaftlichen Fähigkeiten und Techniken rund ums Kochen sowie Budgetberatung. Der Gesundheitsladen kooperiert mit mehreren Netzwerken im Stadtteil (u. a. mit einem breiten Verbund von mehr als 30 Partnern) bzw. in der Stadt Hannover. Er strebt eine hohe Auslastung der Räumlichkeiten an und bietet den Bewohnerinnen und Bewohnern auch die Möglichkeit, die Räumlichkeiten für selbst organisierte Veranstaltungen zu nutzen. Jüngstes Angebot ist die Beteiligung an der „Elternwerkstatt“ mit einem Gruppenangebot für Schwangere und Mütter mit ein- bis dreijährigen Kindern.
Kontakt
Frau Sabine Vetterlein- Janschek
Schaufelder Str. 17
30167 Hannover (Niedersachsen)
Telefon: 0511 / 1697678
E-Mail: Gesundheitsladen.Nordstadt(at)evlka.de
Projektträger
Diakonisches Werk, Diakonie- und Gesundheitsladen Nordstadt des Ev. luth. Stadtkirchenverbandes Hannover
Schaufelder Str. 17
30167 Hannover
Hintergrund
Im Jahr 2004 lebten in der Landeshauptstadt Hannover 19,4 % der Einwohnerinnen und Einwohner bzw. 17,6 % der Haushalte in relativer Armut, das heißt, ihnen stand weniger als die Hälfte des Durchschnittseinkommens zur Verfügung. Dieses betrug zum genannten Zeitpunkt 1227 Euro. Damit lag die Armutsschwelle bei 613 Euro für eine Einzelperson. Die Stadt hatte am 31. 12. 2004 mit 74 Sozialhilfeempfängern auf 1000 Einwohnern den zweithöchsten Wert in Niedersachsen. Zum Stichtag 31.12.2004 erhielten 34 038 Personen Hilfe zum Lebensunterhalt, davon mindestens ein Drittel Kinder und Jugendliche bis zum Alter von 18 Jahren. Die Arbeitslosenquote in Hannover ergab mit 14,3 % der Bevölkerung den dritthöchsten Wert in Niedersachsen.
Die Hannoversche Nordstadt stellt eine Mischung aus einem in sich stabilen „interkulturellen Stadtteil“ und einem aufwertungsgefährdeten Altbauquartier mit weiter steigenden Segregationstendenzen dar, wobei diese Unterteilung jeweils teilräumliche Segmente des Stadtteiles erfasst. Ungefähr 12 % der Einwohner leben von der Sozialhilfe. Der Stadtteil hat einen Migrantenanteil von ca. 24 % an der Gesamtbevölkerungszahl (Hannover Stadt 15 %). Mit einem Anteil der 18- bis 29-Jährigen von ca. 30 % (20 % im Stadtdurchschnitt) ist die Nordstadt ein junger Stadtteil. Der überdurchschnittliche Wert ist zurückzuführen auf die studentische Bevölkerung einerseits und den Stadtteil im Ganzen als Wohnort und Treffpunkt junger Leute mit geringem Einkommen andererseits. Studierende, Migrantinnen und Migranten sowie gehobene Mittelschichthaushalte, aber auch Langzeitarbeitslose, Autonome, Punks und Personen mit erheblichen Drogenproblemen prägen das Bild.
Die Aktivitäten des Diakonischen Werks des Evangelisch-lutherischen Stadtkirchenverbandes Hannover in der Nordstadt entstanden ursprünglich vor dem Hintergrund gewalttätiger Auseinandersetzungen zwischen Punkern und Punkerinnen, Polizei und Bevölkerung während der „Chaos-Tage“ in Hannover im Jahr 1995. Die daraufhin ins Leben gerufene Arbeit des Gemeinschaftsprojekts „Streetwork Nordstadt“ wandte sich an Punker bzw. Punkerinnen, Trebegängerinnen und Trebegänger sowie Straßenkinder, die einen Treffpunkt im Stadtteil hatten und eine extrem defizitäre Ernährungs- und Gesundheitslage aufwiesen. Der Diakonie- und Gesundheitsladen Nordstadt wurde im Jahr 2000 aus diesen Aktivitäten heraus gegründet und hat sich seitdem mit dem Ziel, gesundheitliche und soziale Ungleichheit zu reduzieren, vermehrt auch anderen Zielgruppen zugewandt.
Vorgehen
Der Diakonie- und Gesundheitsladen Nordstadt richtet sich mit seinen Angeboten an Kinder, Jugendliche und Erwachsene, die in unterschiedlichen Bereichen ihres Alltags unterversorgt und von Teilen des gesellschaftlichen Lebens ausgegrenzt sind. Angesprochen werden besonders diejenigen, denen durch Armut, Benachteiligung und Ausgrenzung Schaden an ihrer Gesundheit droht oder bei denen bereits ein Schaden eingetreten ist. Angeboten wird eine breite Palette an Beratung und Unterstützung, wie allgemeine (Gesundheits-) Beratung, Vorbereitung/Vermittlung/Begleitung bei Arztgängen sowie Ämter- und Behördenbesuchen, Vermittlung von Kuren für Frauen und Kinder inkl. Gesprächen zur Kurnachsorge, Ernährungsberatung, Haushalts- und Budgetberatung, Beratung bei der Antragstellung etwa für ALG II und Vermittlung an Beratungseinrichtungen bei nicht gesichertem Lebensunterhalt. Offene Gruppenangebote umfassen Informationsveranstaltungen zu gesundheitlichen Themen wie gesunde Ernährung, Patienteninformation etc., Treffpunktarbeit (Punkertreff), Mittwochsfrühstück sowie Koch- und Nähgruppen.
Seit kurzem werden auf Wunsch der Stadtteilbewohner auch Vortragsreihen durchgeführt, in denen anhand von praktischen Beispielen über gesundheitliche Fragen referiert wird. Diese umfassenderen und themenzentrierten Veranstaltungen werden im Diakonie- und Gesundheitsladen, in der Presse (kostenlose Wochenzeitungen) und durch Plakate im Stadtteil (Bäcker, Supermarkt, Kinder- und Frauenarzt bzw. -ärztin, Kita usw.) frühzeitig angekündigt und greifen Informationsbedarf und Themenwünsche der Nutzerinnen und Nutzer der Einrichtung auf, beispielsweise:
- Hausapotheke,
- Erste Hilfe am Kind,
- Sprachentwicklung des Kindes,
- natürliche Heilmethoden neu entdecken, beispielsweise Hausmittel bei Erkältungskrankheiten,
- Stressbewältigung.
Die Angebote werden durch Kooperation und Vermittlung verschiedener Fachdienste des Diakonischen Werkes, der Stadt Hannover und anderer Träger sozialer Arbeit wirksam ergänzt.
Good Practice in
Niedrigschwellige Arbeitsweise
Das Essen, wie etwa das wöchentliche offene Frühstück, an dem bis zu 40 Personen teilnehmen, ist für viele der Einstieg in das breite Beratungs- und Hilfsangebot des Diakonie- und Gesundheitsladens Nordstadt. Aber auch die Möglichkeiten zu duschen und Wäsche zu waschen sind geeignete Zugangswege zu den sozial benachteiligten Bevölkerungsgruppen des Stadtteils, ebenso wie die Infobörse über kostenlose Tauschangebote, ein Schaufensterflohmarkt und die Kleiderkammer. Auch diese Angebote erleichtern den Zugang zu den Bewohnerinnen und Bewohnern des Stadtteils und bieten gute Einstiegsmöglichkeiten für Gespräche und Einladungen zu weiteren Aktivitäten.
Zu den regelmäßigen Besucherinnen und Besuchern zählen Angehörige unterschiedlicher Generationen. Ältere allein stehende Männer nehmen ebenso wie Punker bzw. Punkerinnen und junge Wohnungslose die größtenteils kostenlosen Angebote in Anspruch. Im Vordergrund stehen Beratung bei gesundheitlichen Problemen, Ernährungs-, Haushalts- und Budgetberatung sowie allgemeine Lebensberatung. Die Vermittlung zu den verschiedenen Dienstleistern im Gesundheitswesen wird stark nachgefragt. Möglich ist in Einzelfällen auch eine Vermittlung und Begleitung bei Arztbesuchen und Behördengängen. Nach telefonischer Absprache sind auch Hausbesuche möglich, zum Beispiel bei gehbehinderten Menschen oder komplizierten Sachverhalten, die in der offenen Sprechstunde nicht geklärt werden können.
Für die wöchentliche Kochgruppe, die sich insbesondere an Alleinstehende richtet, wird ein Unkostenbeitrag von zwei Euro erhoben. Unter dem Motto „Einfach, preiswert und gesund kochen“ werden mit diesem Angebot vorwiegend allein stehende Männer erreicht. Zu den Zielen der Kochgruppe gehören in erster Linie die Verbesserung der Ernährungsgewohnheiten, die Vermittlung von hauswirtschaftlichen Fähigkeiten und Techniken rund ums Kochen, aber auch das Erleben von Gemeinschaftsgefühl, was vor allem die häufig sozial stark isolierten männlichen Teilnehmer zum regelmäßigen Mitmachen motiviert. Allein erziehende Mütter und Frauen unterschiedlichen Alters kommen zu den Kochgruppen und nehmen an den Vortragsreihen zu Gesundheits- und Erziehungsthemen teil. Von Vorteil ist, dass parallel zu fast allen Angeboten eine Kinderbetreuung angeboten wird.
Settingansatz
Der Diakonie- und Gesundheitsladen Nordstadt wird von Menschen unterschiedlicher Altersgruppen gleichermaßen genutzt, befindet sich an zentraler Stelle im Stadtteil und hat seine vielfältigen Angebote offen einsehbar platziert. Er ist dadurch zu einer Kontaktstelle für die Bewohner des Stadtteils geworden, die während der täglichen Erledigungen leicht zu erreichen ist. Durch das Angebot der Begleitung zu Behörden und Ärzten bzw. Ärztinnen besteht ein enges Kooperationsnetzwerk, das von beiden Seiten (Anbietern wie Inanspruchnehmenden) gewinnbringend genutzt werden kann. Das heißt, Betroffene erhalten Unterstützung bei der Durchsetzung ihrer Bedarfe und Interessen, und die Institutionen des gesundheitlichen und sozialen Sektors können auf arbeitserleichternde Vermittlungsdienste zurückgreifen, durch die allzu zeitintensive Beratungen vermieden werden. Die Angebote richten sich an Menschen aller Altersgruppen, das heißt an Kinder (und Mütter), an Jugendliche und junge Erwachsene und auch an Ältere, vornehmlich Alleinstehende. Sie sind für beide Geschlechter konzipiert und werden von Männern wie Frauen angenommen. Ein besonderer Erfolg in der Vergangenheit war die Integration von Randgruppen (junge Punks) in die Gruppenarbeit mit Bewohnerinnen und Bewohnern des Stadtteils.
Auch die Kooperation mit Anbieterinnen und Anbietern des sozialen Umfelds gehört für den Gesundheitsladen zu den Grundsätzen seiner Arbeit. Er beteiligt sich am Netzwerk „Gesundheitsförderung im Stadtbezirk Nord“, das mehr als 30 Kooperationspartner umfasst, und wirkt damit auf die Rahmenbedingungen im Stadtteil ein. Das Netzwerk hat sich u. a. zum Ziel gesetzt, über das Spektrum gesundheitlicher und gesundheitsfördernder Angebote im Stadtbezirk Nord zu informieren und alle Altersgruppen und Nationalitäten anzusprechen, wozu die Einrichtung gute Voraussetzungen bietet. Jüngstes Beispiel ist die „Elternwerkstatt“ mit einer Aktion gegen Adipositas im Kindesalter, für die eine Kooperation verschiedener Trägerinnen und Träger sowie Institutionen (u. a. zwei Kindertagesstätten des Stadtteils, die Stadtteilkoordination der Stadt Hannover, der Jugendpsychologische Dienst, eine Hebammenpraxis sowie ein Verein für Kultur und Soziales mit einem Angebot für Hortkinder) vereinbart wurde. Zielgruppe der Maßnahmen sind Schwangere und Mütter mit ein- bis dreijährigen Kindern. Der Gesundheitsladen Nordstadt wird dazu einmal wöchentlich eine Kochgruppe (mit Kinderbetreuung) mit entsprechenden Ernährungshinweisen für diese Altersgruppe anbieten.
Nachhaltigkeit
Bereits bei den ersten Überlegungen zur Gründung des Diakonie- und Gesundheitsladens Nordstadt wurde der Gesundheitsschwerpunkt in einer vorläufigen Konzeption festgeschrieben. Mit der Fokussierung auf den Bereich Gesundheit wurden in Hannover zumindest zum damaligen Zeitpunkt völlig neue Wege der Sozialarbeit beschritten, die den Kostenträgerinnen und -trägern nicht immer einfach zu vermitteln waren. Hintergrund und Auslöser des Vorhabens waren die Erfahrungen mit Punks, die in einer Bauwagensiedlung im Stadtteil lebten und eine extrem defizitäre Ernährungs- und Gesundheitslage aufwiesen. Die Kochgruppen und auch die Angebote zur Erleichterung der Körperhygiene (Duschen, Wäsche waschen etc.) entstanden zunächst als Reaktion auf diesen Sachverhalt. Da außerdem eine Integration dieser Zielgruppe und die anhaltende „Befriedung des Stadtteils“ angestrebt wurden, versuchte das Team über die Einrichtung offener Angebote (z. B. offener Treff, Frühstück) auch andere Bevölkerungsgruppen zu erreichen.
Ein weiteres Motiv für den Aufbau der Einrichtung war die defizitäre Ernährungslage einer großen Anzahl von sozial benachteiligten Kindern und Jugendlichen im Stadtteil, auf die in der „Nordstadtkirche“ mit einer „Kindertafel“ (Mittagessen für diese Zielgruppe) reagiert wurde. Die Aufgabe des Diakonie- und Gesundheitsladens Nordstadt bestand bzw. besteht in einer sinnvollen Ergänzung dieses Angebots. Das Konzept hat sich vor allem wegen der Niedrigschwelligkeit und Offenheit des Angebots bewährt. Über das wöchentliche Frühstück oder die Kleiderkammer erhalten viele Bewohner des Stadtteils einen guten Einstieg in weitere Aktivitäten. (Jugendliche) Punks werden auch heute noch begleitet und gesundheitlich beraten (in einem Einzelfall sogar bei Schwangerschaft, Geburt und Säuglingspflege). Aber auch die Arbeit mit der Zielgruppe „Ältere allein stehende Männer“ ist sehr erfolgreich, was sich in der regelmäßigen Nutzung der Angebote spiegelt. Diese Zielgruppe ist auch in der Sozialarbeit nur sehr schwer zu erreichen, vor allem wenn es um Ernährungs- oder allgemeine Gesundheitsberatung geht.
Der Diakonie- und Gesundheitsladen Nordstadt hat sein Angebot seit der Gründung kontinuierlich ausgedehnt und an den unter den Nutzerinnen und Nutzern erhobenen Bedarf angeglichen. Die Bandbreite des Angebots wird u. a. mittels der aktivierenden Befragung (einer Methode aus der Gemeinwesenarbeit bzw. der Sozialraumanalyse) erweitert und regelmäßig aktualisiert. Viele Aktivitäten (z. B. Kleiderkammer) lassen sich zurzeit allein mit den personellen Kapazitäten des hauptamtlichen Teams nicht dauerhaft verwirklichen, können aber aufgrund ehrenamtlicher Tätigkeiten aufrechterhalten werden. Eine weitgehende Auslastung der Räumlichkeiten wird angestrebt (zwecks Nutzung der Ressourcen im Stadtteil). Die Einrichtung ist auch sonntags geöffnet und bietet mit dem „Brunch“ von 12.00 bis 14.00 Uhr ein Familienangebot für Mütter und Väter mit Kindern bis zu zwölf Jahren. Außerdem bietet der Diakonie- und Gesundheitsladen Nordstadt den Bewohnerinnen und Bewohnern des Stadtteils die Möglichkeit, die Räumlichkeiten auch für selbst organisierte, ehrenamtlich betreute Freizeitmaßnahmen und Veranstaltungen zu nutzen.
Laufzeit des Angebotes
Beginn: Mai 2000
Abschluss: kein Ende geplant
Das Angebot richtet sich insbesondere an folgende Altersgruppen
- Altersgruppenübergreifend
Das Angebot umfasst geschlechtsspezifische Angebote für
- Keine geschlechtsspezifischen Angebote
Schwerpunkte des Angebotes
- Ernährung
- Kommunale Strategie / Netzwerkarbeit
Das Angebot wird hauptsächlich in folgenden Lebenswelten umgesetzt
- Stadt / Stadtteil / Quartier / Kommune
Qualitätsentwicklung
Wie dokumentieren Sie Ihre Arbeit? (z.B. Konzepte, Handreichung)
Quelle der Veröffentlichung/URL: Gelbe Reihe der BzgA
Stand
26.10.2011