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Angebotsdarstellung

Good Practice

Veröffentlichung: 2014

Gesund und fit 50+

Kurzbeschreibung mit Zielen und Maßnahmen

Das Projekt „Gesund und fit 50+“ entstand in Kooperation der Quartiersarbeit Weingarten (Stadt Freiburg) mit dem örtlichen Sportverein Weingarten. Weitere Kooperationspartner sind verschiedene Ämter der Stadt, vor allem Sozialdezernat und Gesundheitsamt.

Das Konzept „Gesund und fit 50+“ wurde gemeinsam mit den Bewohnerinnen und Bewohnern eines nach Sanierung wieder neu bezogenen Hochhauses entwickelt. Durch soziale Begleitmaßnahmen, die der gesamten Nachbarschaft zu Verfügung stehen, zielt das Projekt „Gesund und fit 50+“ darauf ab, eine gelingende Nachbarschaft von Jung und Alt zu fördern: „Wohnverwandtschaften“ ergänzen bzw. ersetzen familiäre Netzwerke. Für ältere Bewohnerinnen und Bewohner werden niedrigschwellige Bewegungsangebote geschaffen, jüngere Bewohnerinnen und Bewohner des Quartiers werden als Sportmentorinnen und Sportmentoren geschult. Das Quartiersbüro direkt im Hochhaus dient als Anlaufstelle für Kontakte, Anfragen und Anregungen aus der Bewohnerschaft, ist zentral gelegen und für alle gut zu erreichen.


Kontakt

Frau Christel Werb
Quartiersarbeit Weingarten-West
Bugginger Straße 50
79114 Freiburg (Baden-Württemberg)

Telefon: 0761 / 4760697

E-Mail: qa(at)forum-weingarten.de

Website: http://www.forum-weingarten.de


Projektträger

Quartiersarbeit Weingarten-West des Forum Weingarten e.V.
Bugginger Straße 50
79114 Freiburg


Hintergrund

Der Freiburger Stadtteil Weingarten wurde 1960 von der Freiburger Stadtbau GmbH errichtet. Hier leben knapp 10.700 Menschen, das sind fünf Prozent der Freiburger Bevölkerung (Statistisches Jahrbuch 2013 der Stadt Freiburg). Der Stadtteil Weingarten ist geprägt durch zahlreiche Hochhäuser und den im Vergleich zum restlichen Freiburger Raum hohen Ausländeranteil. So hat fast jede/r Vierte der Einwohnerinnen und Einwohner einen Migrationshintergrund (Freiburg insgesamt knapp 14 Prozent). Sie kommen überwiegend aus der Türkei, aus Italien, Serbien und Montenegro sowie der Russischen Föderation. Rechnet man die Zahlen der eingebürgerten Personen und der deutschen Aussiedlerinnen und Aussiedler dazu, hat knapp die Hälfte der Bewohnerinnen und Bewohner einen Migrationshintergrund (Statistisches Jahrbuch 2013 der Stadt Freiburg).

20 Prozent der Bewohnerinnen und Bewohner von Weingarten sind 65 Jahre und älter (Freiburg: 16%). Hierunter befinden sich viele finanzschwache Seniorinnen und Senioren. 21,6 Prozent der Weingartener Bürgerinnen und Bürger leben in Bedarfsgemeinschaften, die Leistungen nach dem SGB II beziehen („Hartz IV“; Freiburg: 7,2%) (Statistisches Jahrbuch 2013 der Stadt Freiburg).
Das 16-stöckige Hochhaus in der Bugginger Straße wurde 2009 im Rahmen des Bundesprogramms „Soziale Stadt“ als Passivhochhaus saniert. Für die Maßnahme mussten alle Bewohnerinnen und Bewohner ausziehen. Die Quartiersarbeit, die seit vielen Jahren im Stadtteil existiert, richtete nach der Sanierung ein Büro im Haus ein. Da es zu keiner Vertreibung finanzschwacher Mieterinnen und Mieter kommen sollte wurde darauf geachtet, kleine Wohneinheiten zu bauen. Aus 90 wurden 138 Wohnungen, zwei Drittel davon kleine 2-Zimmer-Wohnungen. 30 Wohnungen sind barrierefrei. Da nur wenige der Altmieterinnen und Altmieter zurückgezogen sind, entstand mit der Neubelegung der Wohnungen eine neue Hausgemeinschaft.

Kooperationspartner des Projektes „Gesund und fit 50+“ sind der örtliche Sportverein und verschiedene Ämter der Stadt, vor allem das Sozialdezernat und das Gesundheitsamt. Das Quartiersmanagement arbeitet mit allen Einrichtungen des Quartiers zusammen. Im Bereich Gesundheit wurden die Kooperationen noch ergänzt durch: Seniorenbüro der Stadt Freiburg, Gesundheitsamt, Krankenkassen, Apotheke, Ärzte und Physiotherapeuten des Stadtteils. Außerdem werden Bürgermentorinnen und -mentoren, Treffpunkt Freiburg (Netzwerk bürgerschaftliches Engagement), Bauherrin Freiburger Stadtbau GmbH sowie Landschaftsplaner und Architekten einbezogen. Vernetzt und verbunden ist die Quartiersarbeit Weingarten-West mit allen sozialen Einrichtungen des Stadtteils. Über verschiedene Arbeitskreise transportiert sie das Projekt in alle wichtigen Stadtteilgremien.

Unter dem Titel „Generationendialog in der Praxis – Bürger initiieren Nachhaltigkeit“ haben die Bundesregierung und der Rat für Nachhaltige Entwicklung 2009 die „Wohnverwandtschaften“ als Leuchtturmprojekt ausgezeichnet. Im Jahr 2012 wurde das Projekt „Gesund und fit 50+“ im Rahmen des Großen Präventionspreises des Ministeriums für Arbeit, Sozialordnung, Familien und Senioren des Landes Baden-Württemberg und der Stiftung für gesundheitliche Prävention Baden-Württemberg mit dem Sonderpreis Senioren ausgezeichnet. Mit dem Preisgeld wird das Projekt fortgeführt, die Öffentlichkeitsarbeit verstärkt und ein lokales Bündnis Gesundheit gegründet.


Ziele und Zielgruppen

Nach der Sanierung zum Passivhaus sollen im Hochhaus in der Bugginger Straße attraktive und bezahlbare Wohnungen insbesondere für ältere Menschen geschaffen werden, gleichzeitig soll der soziale Zusammenhalt gestärkt und ein aktiver Lebensstil der Bewohner/innen gefördert werden. Das Projekt „Gesund und fit 50+“ unterstützt diesen Ansatz, indem es Seniorinnen und Senioren Bewegungsmöglichkeiten und Informationsveranstaltungen rund um Fragen zum gesunden Altern anbietet. Bewegungsgelegenheiten im Stadtteil sollen neben persönlicher Fitness vor allem ein gesundes Leben bis ins hohe Alter unterstützen, die Kommunikation im Quartier fördern und zu gelingenden Nachbarschaften beitragen.

Zielgruppe des Projektes „Gesund und fit 50+“ sind die Bewohnerinnen und Bewohner des Quartiers im Freiburger Stadtteil Weingarten-West. Der Stadtteil ist durch einen hohen Anteil an Menschen mit Migrationshintergrund gekennzeichnet (vgl. Hintergrund). Sehr häufig sind die Menschen alleinerziehend, verfügen über ein geringes Einkommen und/oder beziehen Arbeitslosengeld II bzw. Leistungen der Grundsicherung im Alter. In der Bewohnerschaft des Hochhauses finden sich überdurchschnittlich viele Seniorinnen und Senioren, oft allein lebend.


Vorgehen

Grundlage: „Wohnverwandschaften“

Kennzeichnend für das Leben und Wohnen im Hochhaus in der Bugginger Straße ist das Konzept der „Wohnverwandtschaften“, das im Rahmen der Bewohnerbeteiligung entwickelt wurde und das Ziel hat, die neue Hausgemeinschaft bereits vor Einzug aufzubauen und zu unterstützen. Seit Oktober 2009 begann die Quartiersarbeit damit, den Interessentinnen und Interessenten im Rahmen von „Baustellengesprächen“ eine Musterwohnung zu zeigen und für das Konzept zu werben. Mehr als 300 Interessierte nutzten das Angebot, an 15 Terminen die Wohnungen zu besichtigen, Fragen zu stellen, Änderungsvorschläge zu machen und potenzielle Nachbarinnen und Nachbarn kennen zu lernen.

Ein wichtiger Meilenstein war die „Stockwerksbörse“ im Oktober 2010. Rund 100 potentielle Mieterinnen und Mieter trafen sich an 16 „Stockwerks-Tischen“. Die Teilnehmenden konnten sich an ihre „Wunschwohnung“ setzen und die möglichen Stockwerksnachbarinnen und -nachbarn kennen lernen. Moderatorinnen und Moderatoren begleiteten das Kennenlernen und den Austausch über Wünsche und Erwartungen an die zukünftige Nachbarschaft. Am Ende der Veranstaltung stand ein Belegungsplan, auf dem die Teilnehmenden sich für ihre jeweiligen Wunschwohnungen eintragen konnten. Dieser Plan war die Grundlage für die endgültige Belegung der Wohnungen durch die Freiburger Stadtbau GmbH.

Kurz vor der Einzugsphase (März bis Mai 2011) lud die Quartiersarbeit alle Mieterinnen und Mieter zu separaten Stockwerkstreffen ein. So konnten sich die künftigen Nachbarinnen und Nachbarn bereits vor dem Einzug kennen lernen. Es wurden Ideen für gemeinsame Aktivitäten gesammelt und eine kleine Tauschbörse entwickelt. Jedes Stockwerk wählte eine/n Stockwerkssprecherin bzw. Stockwerksprecher, die sich ca. alle sechs Wochen treffen und Anregungen / Anliegen der Bewohner/innen über die Quartiersarbeit an die Sprecherräte und den Vermieter weitergeben.

Bedarfsbestimmung und Vorbereitung des Aktivplatzes

Das Projekt „Gesund und fit 50+“ kann auf diesen Strukturen aufbauen. Es begann im Sommer 2010 mit einer Umfrage unter den Interessent/innen, die in die sanierten Wohnungen des Hochhauses einziehen sollten. Die Umfrage zur Neugestaltung des „Gartens“ hinter dem Hochhaus wurde im Rahmen von Bürgerversammlungen durch die Quartiersarbeit und Studierende der Evangelischen Fachhochschule Freiburg durchgeführt. Das Votum war eindeutig: Kein Rasen, kein Kinderspielplatz, sondern ein Senioren-Aktivplatz sollte auf der Grünfläche hinter dem Hochhaus in der Bugginger Straße entstehen. Bewegungselemente sollten den vielen älteren Mieterinnen und Mietern Raum geben, sich im Freien zu treffen und gemeinsam bewegen zu können. Umfragen bei Bürgerversammlungen zeigten weiterhin den Wunsch der Bewohnerinnen und Bewohner, dass der Senioren-Aktivplatz fachlich angeleitet werden soll. Vor diesem Hintergrund wurden Sportmentorinnen und Sportmentoren ausgebildet.

Eine Planungsgruppe aus Quartiersarbeit, Bewohnerschaft und örtlicher Sportgruppe unter Beteiligung eines Lehrers für Gesundheitssport erarbeitete daraufhin das Rahmenkonzept „Gesund und fit 50+“. Im Zuge der Recherche besichtigte die Planungsgruppe auch eine Anlage in Karlsruhe und erarbeitete einen Entwurf, wie eine entsprechende Umsetzung vor Ort aussehen könnte.

Aufbau des Aktivplatzes und Schulung von Sportmentor/innen

Nach Finanzierungszusage der Freiburger Stadtbau GmbH, auf deren Gelände der Platz liegt, wurden in einem ersten Schritt zwei Geräte angeschafft und der Platz hergerichtet. Sponsoren finanzierten zwei weitere Geräte. Im September 2011 wurde der Senioren-Aktivplatz offiziell eingeweiht. Mit den vorhandenen Geräten können die Bewohnerinnen und Bewohner die Schulterbeweglichkeit trainieren oder auf einer Bank mit vorgeschalteten Pedalen im Sitzen Fahrradfahren. Um die Kommunikation zu fördern sind die Geräte so angeordnet, dass die Nutzer/innen sich während der Übungen unterhalten können. Beobachtungen zeigen, dass bisher der Senioren-Aktivplatz meist in Gemeinschaft (zwei und mehr Personen) genutzt wird und damit zur Pflege freundschaftlicher und nachbarschaftlicher Beziehungen beiträgt. Wenn weitere Sponsoren gefunden sind, sollen weitere Geräte angeschafft werden.

Begleitend zur Einrichtung des Aktivplatzes wurde in Zusammenarbeit mit dem Lehrer für Gesundheitssport der Sportgruppe Weingarten ein Ausbildungskonzept für Bewegungs-Mentorinnen und -Mentoren erarbeitet. Jüngere sportliche Frauen oder Männer bieten als Sportmentorinnen und Sportmentoren verschiedene Sport- und Bewegungsübungen an (vgl. hierzu Abschnitt „Multiplikatorenkonzept“).

Zusätzlich zu den Angeboten der Sportmentorinnen und Sportmentoren bietet die Quartiersarbeit im Stadtteil regelmäßig Veranstaltungen und Kurse zu gesundheitsrelevanten Themen an. Es finden regelmäßig beispielsweise verschiedene Informationsabende zu den Themen Gesundheit, Ernährung, Bewegung, Kommunikation und geistige Fitness im Alter statt. Mit Unterstützung des Gesundheitsamtes organisierte die Quartiersarbeit 2012 vier saisonale Kochnachmittage unter Anleitung einer Ernährungsberaterin. Im Herbst 2012 fand der erste Gesundheitstag auf dem Else-Liefmann-Platz im Zentrum von Weingarten-West statt. Für die Planungen sind die Quartiersarbeit, die Volkshochschule Freiburg e.V. und das Gesundheitsamt verantwortlich. Ziel und Zweck des Erlebnistages „Gesundheit“ waren neben Informationen zum Projekt die Bekanntmachung der Sportmentorinnen und Sportmentoren. Im Zentrum der Informationsstände war Platz für wechselnde Schnuppersequenzen der bisher ausgebildeten Sportmentorinnen, an denen sich die Bewohnerinnen und Bewohner des Freiburger Stadtteils Weingarten beteiligen konnten. Der zweite Gesundheitstag fand im September 2013 statt.

Gemeinsam mit dem Nachbarschaftstreff der Diakonie Südwest nutzt die Quartiersarbeit die Räume des Quartierstreffs im Erdgeschoss des Hauses, die auch der Bewohnerschaft als Bewohnertreff zur Verfügung stehen. Die Angebote des Nachbarschaftstreffs (Offenes Café, Mittagstisch, Frauen-Sprach-Treff u.a.) werden auch von Hausbewohnerinnen und Hausbewohnern genutzt. Familienfeste können ebenfalls in den Räumen stattfinden. Außerdem haben die Bewohnerinnen und Bewohner bereits eigene Aktivitäten entwickelt: beispielsweise gehören dazu eine internationale Kochgruppe und Feste im Jahreslauf. Die Bewegungsangebote und -kurse sowie der Seniorenaktivplatz sind direkt vor Ort, im Garten bzw. im Erdgeschoss des Hauses, angelegt.


Good Practice in

Settingansatz

Der Setting-Ansatz der Gesundheitsförderung ist auf die gesundheitsgerechte Gestaltung von Lebenswelten ausgerichtet. Er umfasst neben der strukturellen Verankerung gesundheitsorientierter Maßnahmen (z.B. durch verbindliche Vereinbarungen oder bauliche Veränderungen) auch die Stärkung individueller Kompetenzen und die aktive Einbindung aller Betroffenen in die Entwicklungsprozesse und deren Umsetzung. Diese Faktoren sind im Projekt „Gesund und fit 50+“ realisiert und können im Projektverlauf weiter entwickelt werden.

Wie im Abschnitt „Vorgehen“ beschrieben, gliedert sich das Projekt in vielfältige Aktivitäten zur Entwicklung und Stärkung einer guten Nachbarschaft (z.B. Quartiersarbeit, Konzept „Wohnverwandtschaften“) ein und ergänzt diese insbesondere um die Aspekte „Bewegung“ und „Gesundheit“. Dies ist wichtig, um die Entwicklung isolierter Angebote zu vermeiden, die leicht an den Bedürfnissen und der Lebenswirklichkeit derjenigen vorbei geplant werden, denen sie zu Gute kommen sollen. Mit dem Aktivplatz für Seniorinnen und Senioren konnte im unmittelbaren Umfeld des Hochhauses Bugginger Straße ein Angebot geschaffen werden, das jederzeit und ohne größeren Aufwand (Kosten, Wegezeiten, Mitgliedschaften) in Anspruch genommen werden kann, welches das Wohnumfeld für ältere Menschen deutlich aufwertet und neben der individuellen Fitness auch die sozialen Kontakte fördert. Positiv zu bewerten ist auch die Einbindung lokaler Gewerbetreibender, die als Sponsoren einzelner Trainingsgeräte auftreten. Bemerkenswert ist in diesem Zusammenhang auch, dass es sich hier um den stadtweit ersten Senioren-Aktivplatz handelt.

Die Sportmentorinnen und Sportmentoren unterstützen die Nutzung des Aktivplatzes und bieten zusätzlich Kurse zur Steigerung der individuellen Fitness an, die ebenfalls im unmittelbaren Umfeld der Hochhaus-Bewohnerschaft angeboten werden. Wie im Abschnitt „Lessons Learned“ beschrieben wird, soll die Nutzung dieser Angebote durch die Bewohnerinnen und Bewohner noch verbessert werden, indem die Sportmentorinnen und Sportmentoren – die möglichst selbst im Quartier leben – persönlich ihre Angebote unter den Bewohnerinnen und Bewohnern des Hochhauses bekannt machen und weitere Teilnehmerinnen und Teilnehmer gewinnen.

Diese durch die Aktivitäten der Quartiersarbeit eng miteinander verbundenen Elemente der Entwicklung einer aktiven Nachbarschaft bieten gute Ansatzpunkte für weitere Schritte in Richtung auf die Entwicklung einer gesundheitsgerechten Lebenswelt insbesondere für ältere Menschen.

Partizipation

Die aktive Beteiligung der Bewohnerinnen und Bewohner an den Entscheidungen zur Planung und Umsetzung dieser Aktivitäten ist fester Bestandteil der Entwicklungen im Quartier (vgl. unten: Bürgerversammlungen, Sprecherrat und Sanierungsbeirat). Wie im Abschnitt „Vorgehen“ beschrieben, werden die Bewohnerinnen und Bewohner aktiv in die Gestaltung ihrer Lebensbedingungen einbezogen, angefangen bei der Auswahl ihrer Nachbarschaften (vgl. Projekt „Wohnverwandtschaften“). Auch die Entwicklung des Aktivplatzes ist Ergebnis einer Bedarfserhebung bei den Bewohnerinnen und Bewohnern des Hochhauses, die sich gegen eine Standard-Lösung (Spielplatz, Grünfläche) entschieden und die Konzeptions- und Umsetzungsphase aktiv begleiteten.

Die Anregung für das Projekt stammte von den Bewohnerinnen und Bewohnern selbst, sie sind auch Bestandteil der Planungsgruppe und arbeiten an der Fortgestaltung der Projektkonzeption mit. Die Bürgerbeteiligung in Weingarten-West und der Bugginger Straße ist wie folgt strukturiert:

- Bürgerversammlungen: ca. ein- bis zweimal im Jahr finden Versammlungen zu aktuellen Themen (z.B. geplante Nachverdichtung des Stadtteils, Gesundheitsthemen) statt.
- Sprecherrat: 12 Bewohnerinnen und Bewohner des Quartiers, gewählt von der Bewohnerschaft, haben Stimmrecht im Sanierungsbeirat.
- Sanierungsbeirat: Gremium aus Stadtbau, Stadt Freiburg, Fraktionen, Quartiersarbeit mit Vorsitz, Sprecherräte, Kirchen und Bürgerverein.

Die Bürgerbeteiligung wird durch die Quartiersarbeit Weingarten-West des Vereins Forum Weingarten 2000 e. V. organisiert und unterstützt.
Die Quartiersarbeit ist mit den Schwerpunktthemen Wohnen und Zusammenleben langjährig in Weingarten-West tätig. In diesem Zusammenhang wurde auch ein Konzept „Prima Klima – Mieterschulung zu gesundem Wohnen“ ausgearbeitet und Seminare durchgeführt. Über die tägliche Arbeit sind der Kontakt mit den Bewohnerinnen und Bewohnern und der Austausch über Probleme direkt und unkompliziert gegeben. Sorgen und Nöte werden mitgeteilt und auch über gesundheitliche Belange wird gesprochen. Statt fester Sprechzeiten hat die Quartiersarbeit ein rundes Fenster als niederschwelliges Kommunikationsmittel. Es lädt ein, spontan vorbeizukommen, spezielle Termine direkt abzustimmen, oder einfach nur der Quartiersarbeit zu winken oder ihr bei der Arbeit zuzusehen. Viele Bewohnerinnen und Bewohner des Quartiers äußerten sich sehr zufrieden mit dieser Variante.

Wird im Hochhaus in der Bugginger Straße eine Wohnung neu belegt, schlägt die Freiburger Stadtbau GmbH den Nachbarinnen und Nachbarn mehrere Bewerberinnen und Bewerber vor. Bei einem von der Quartiersarbeit moderierten Treffen stellen diese sich den Mieterinnen und Mietern des betreffenden Stockwerks vor, die dann gemeinsam entscheiden, wer in die freie Wohnung einziehen soll. Dies stärkt die Verantwortung der Mieterinnen und Mieter für ihr Haus und fördert eine gelingende Nachbarschaft auch bei Mieterwechsel. Dieses Modell der Mietermitbestimmung bei Neubelegung wird in Weingarten schon seit über 15 Jahren erfolgreich praktiziert.
Ein außergewöhnliches Ergebnis der umfassenden Bürgerbeteiligung war der Aufbau des Senioren-Aktivplatzes, der auf eine Befragung durch Studierende der Evangelischen Fachhochschule Freiburg zu Fragen der Gesundheit, der Gestaltung des Außenbereichs und zur Sanierung des Hauses im Jahr 2010 zurückgeht (vgl. Abschnitt „Vorgehen“).

Die Einrichtung eines Concierge /Pförtnerdienstes und einer Gästewohnung sind weitere Ergebnisse der Bewohnerbeteiligung. Die Concierge ist acht Stunden täglich besetzt und sorgt für Sicherheit und eine freundliche Atmosphäre im Eingangsbereich. Die Gästewohnung kann von Gästen der Bewohnerinnen und Bewohner des Hochhauses zu einem günstigen Preis angemietet werden und steht darüber hinaus anderen Mieterinnen und Mietern der Freiburger Stadtbau GmbH zur Verfügung.

Ein weiteres Beispiel für die Bewohnerbeteiligung war ein mit dem Einzug der neuen Mieterinnen und Mieter gestartetes Kunstprojekt. Zwei Künstler wurden beauftragt, mit den Mieterinnen und Mietern individuelle Bilder für die einzelnen Stockwerke zu gestalten, in denen sie ausdrückten, was das Wohnen in der Bugginger Straße für sie bedeutet. In mehreren Treffen wurden Bewohnerinnen und Bewohner kreativ. Die Künstler bearbeiteten die Gemälde durch Montage so, dass jeweils pro Stockwerk ein „Wappen“ entstanden ist. Seit dem Frühjahr 2012 sind die Ergebnisse in den Hausfluren und im Eingangsbereich des Hauses ausgestellt. Das Projekt hat die Bewohnerinnen und Bewohner der einzelnen Stockwerke über ihre alltäglichen Kontakte hinaus zusammengeführt und die Identifikation mit dem Haus und der eigenen Etage gestärkt.

Multiplikatorenkonzept

Für das Projekt „Gesund und fit 50+“ wurden im Quartier jüngere Menschen persönlich und durch Flyer angesprochen, sich als Sportmentorinnen und Sportmentoren weiterbilden zu lassen. Die Schulungen laufen über sechs Monate jeweils zweimal wöchentlich für 1,5 Stunden und werden von Fachkräften durchgeführt (Lehrer Gesundheitssport, Übungsleiterin Kraft und Balance, Ernährungsfachfrau etc.). Insbesondere Menschen mit Migrationshintergrund wurden gesucht, um die große Gruppe der Migrantinnen und Migranten im Stadtteil besser erreichen zu können. So ließen sich eine Muslima und eine russlanddeutsche Bewohnerin als Sportmentorinnen ausbilden. Die Schulung begann mit acht Sportmentorinnen, fünf erhielten im Dezember 2011 das Zertifikat. Nach Klärung der finanziellen Rahmenbedingungen ist eine erneute Runde geplant, um weitere Sportmentorinnen und Sportmentoren zu schulen.

Geschult wurden verschiedene Sport- und Bewegungsarten, die im Haus und im Umfeld angeboten werden können. Die Ausbildungsschwerpunkte werden im Rahmen der Projektarbeit gemeinsam abgesprochen. Dazu gehören: Nordic Walking, Anleitung des Übungsparcours auf dem Senioren-Aktivplatz, Kraft- und Balancetraining sowie (Sitz )Gymnastik. In den Wintermonaten werden die angehenden Sportmentorinnen und Sportmentoren vor allem in den Indoor-Fitnessbereichen fortgebildet. So können sie auch spezielle Angebote (Sitzgymnastik, Sitztanz, Entspannungsübungen u.a.) für Personen anleiten, die durch Bewegungseinschränkung keine Freiluftangebote nutzen können. Die angehenden Sportmentorinnen und Sportmentoren suchen sich eine Disziplin aus, um ein eigenständiges Angebot zu entwickeln und einen Kurs durchzuführen. Dabei werden sie fachlich unterstützt und begleitet.

Nach Abschluss des Theorieteils der Ausbildung absolvieren die Sportmentorinnen und Sportmentoren ein Praktikum. Unter Anleitung führen sie eigenständig Angebote durch, sammeln Erfahrungen und erhalten fachliche Rückmeldung.

Nach Übergabe eines Zertifikates führen die Sportmentorinnen und Sportmentoren eigene Kursangebote gegen Aufwandsentschädigung durch. Über den örtlichen Sportverein können sich die Sportmentorinnen und Sportmentoren als Übungsleiterinnen und Übungsleiter weiterqualifizieren. Dies ist eine mögliche Option für eine berufliche Perspektive im sportlichen Bereich.
Die ersten Probekurse fanden im ersten Halbjahr 2012 statt. Die zweiten Kurse, die auch im Programm der Volkshochschule angekündigt sind, begannen im September 2012 und werden seitdem kontinuierlich durchgeführt.

Eine fachliche Begleitung (Supervision) und regelmäßige Treffen der Sportmentorinnen und Sportmentoren untereinander werden auch nach Abschluss der eigentlichen Ausbildung weitergeführt, um der Gruppe Bestand zu geben und Erfahrungsaustausch sowie fachlichen Input zu ermöglichen. Die Treffen finden alle sechs bis acht Wochen statt.


Gesammelte Erfahrungen (Lessons Learned)

Das Projekt „Gesund und fit 50+“ ist grundsätzlich auf jeden Stadtteil – insbesondere auf Stadtteile mit besonderem Entwicklungsbedarf – übertragbar. Von Vorteil ist, wenn die Bereitschaft eines Investors, einer Wohnungsbaugesellschaft oder einer Stadtverwaltung vorhanden ist, in die soziale und gesundheitliche Infrastruktur des Wohnquartiers zu investieren.

Die Erfahrungen zeigen, dass es wichtig ist, feste Ansprechpersonen mit vertrauensvollem Verhältnis zu der Zielgruppe, z.B. Quartiersarbeiterinnen und Quartiersarbeiter, zu haben.
Die Sportmentorinnen und Sportmentoren sind Schlüsselpersonen für die Kontaktaufnahme zur Zielgruppe. Im Rahmen des Projektes „Gesund und fit 50+“ konnte allerdings festgestellt werden, dass die Sportmentorinnen und Sportmentoren diese Aufgabe noch zu wenig übernehmen. Wünschenswert ist, dass sie auch im direkten persönlichen Kontakt Werbung für ihre Sport- und Bewegungskurse machen.

Im Projektverlauf muss frühzeitig begonnen werden, die potentiellen Teilnehmerinnen und Teilnehmer auf den Kurs aufmerksam zu machen und Interesse zu wecken. Im Projekt „Gesund und fit 50+“ hat sich gezeigt, dass zum Teil zu spät mit der Werbung begonnen wurde.

Bei den Sportmentorinnen und Sportmentoren ist nun geplant, den Aspekt „Zeitmanagement“ in die Schulung einzubinden. Eine Kontaktaufnahme zu den Kursteilnehmerinnen und Kursteilnehmern im Haus, um sie zu den Kursen abzuholen, aber auch die Idee „Jede/r bringt eine/n mit“ ist in der Praxis bisher schwer umzusetzen.

Das Thema Gesundheit spielt in den Gremien des Stadtteils und im Haus insgesamt eine untergeordnete Rolle, es gibt zu viele Themen, die die Menschen im Stadtteil jeweils noch viel unmittelbarer und direkter treffen und betreffen (Mieterhöhungen, Sanierungen, Nachverdichtungen etc.). So gestaltet sich die Akquise der der Teilnehmer/innen für die Sport- und Bewegungskurse weiterhin schwierig – zum Jahresende 2013 finden drei Kurse mit durchschnittliche jeweils sechs bis sieben Teilnehmer/innen statt. Erfreulich gestaltet sich die Nutzung des Senioren-Aktivplatzes: Bei erträglichem Wetter wird der Senioren-Aktivplatz regelmäßig genutzt, z.B. auf dem Weg zum Einkauf.


Literatur

Amt für Bürgerservice und Informationsverarbeitung der Stadt Freiburg im Breisgau: Statistisches Jahrbuch 2013 der Stadt Freiburg.

URL: www.freiburg.de/pb/site/Freiburg/get/540035/statistik_veroeffentlichungen_Jahrbuch_2013-NIEDRIG.pdf (Stand: 29.01.2014)


Laufzeit des Angebotes

Beginn: Juni 2011

Abschluss: kein Ende geplant


Welche Personengruppe(n) in schwieriger sozialer Lage wollen Sie mit Ihrem Angebot erreichen?

Menschen in schwieriger sozialer Lage sind ein wichtiger Teil der Zielgruppe, auch wenn sich das Angebot in erster Linie an alle richtet.

  • Personen mit sehr niedrigem Einkommen (z.B. Personen im Niedriglohnsektor, Personen mit niedrigen Rentenbezügen)
  • Personen in strukturschwachen Wohnregionen / Quartieren
  • Sozial isolierte und / oder vereinsamte Personen

Das Angebot richtet sich insbesondere an folgende Altersgruppen

  • 66 bis 79 Jahre
  • 50 bis 65 Jahre

Das Angebot umfasst geschlechtsspezifische Angebote für

  • Keine geschlechtsspezifischen Angebote

Schwerpunkte des Angebotes

  • Bewegungs- und Mobilitätsförderung
  • Psychische Gesundheit
  • Bürgerschaftliches Engagement
  • Stadtteil-/ Gemeinwesenarbeit, Nachbarschaftsnetzwerke
  • Kommunale Strategie / Netzwerkarbeit

Das Angebot wird hauptsächlich in folgenden Lebenswelten umgesetzt

  • Stadt / Stadtteil / Quartier / Kommune

Qualitätsentwicklung

Was machen Sie, um die Qualität Ihres Angebotes weiterzuentwickeln?

- wöchentliches Blitzlicht mit den Mentorinnen

Welche Erfahrungen haben Sie bei der Qualitätsentwicklung Ihres Angebotes gemacht?
Welche Stolpersteine haben Sie festgestellt?

- Terminfindungsschwierigkeiten, um möglichst viele Personen zu erreichen
- das Wetter, besonders über die Wintermonate

Wie dokumentieren Sie Ihre Arbeit? (z.B. Konzepte, Handreichung)

Es liegt keine Dokumentation vor.

Es ist kein Ergebnisbericht vorhanden.

Die Qualitätsentwicklung und Ergebnissicherung sind nicht in ein Qualitätsmanagementsystem eingebunden.


Stand

24.05.2018

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