Veröffentlichung: 2007
Kinder Stärken! - Resilienzförderung in der Kindertagesstätte
Kurzbeschreibung mit Zielen und Maßnahmen
Seit einigen Jahren wird bei der Förderung kindlicher Entwicklung der Blick zunehmend auf die Stärken und die seelischen Widerstandskräfte (Resilienz) gelegt. Resilienz wird definiert als die psychische Widerstandsfähigkeit von Kindern gegenüber biologischen, psychologischen und psychosozialen Entwicklungsrisiken. Die Sichtweise ist damit nicht länger defizitorientiert, sondern es stehen die Stärken und Ressourcen jedes einzelnen Kindes im Vordergrund. Dabei wird von dem Kind als aktivem Bewältiger und Mitgestalter seines eigenen Lebens ausgegangen. Es hat sich gezeigt, dass die gezielte Förderung von Selbstwert und Selbstwirksamkeit, Selbststeuerungsmöglichkeiten, sozialer Kompetenz und Problemlösefähigkeit generell die Bewältigung von Übergängen, Krisen und Problemen verbessert sowie zur Gesundheitsförderung beiträgt; der Entstehung von Verhaltensauffälligkeiten wird entgegengewirkt. Entscheidend ist dabei, ob die Lebenssituation, die Lernmöglichkeiten und die Beziehungserfahrungen der Kinder in den ersten Lebensjahren als Schutzfaktoren wirken.
Dies bildet den Hintergrund für ein Projekt, das vom 01.08.2005 bis 31.07.2007 im Zentrum für Kinder- und Jugendforschung (ZfKJ) an der Evangelischen Fachhochschule Freiburg unter der Leitung von Prof. Dr. Fröhlich- Gildhoff durchgeführt wurde. Das Ziel des Projekts bestand darin, den Kindern präventiv unterschiedliche Wege aufzuzeigen, wie sie mit belastenden Situationen erfolgreich umgehen und diese meistern können.
Das Projekt verfolgte einen ganzheitlichen Ansatz und setzte auf vier Ebenen an:
1. gezielte Gesundheitsförderung der Kinder,
2. Unterstützung der Eltern durch Kurse und Beratung,
3. Fortbildung und Begleitung der Erzieherinnen und Erzieher,
4. Vernetzung der Einrichtung mit anderen unterstützenden Institutionen.
Das Projekt wurde in jeweils zwei Kindertagesstätten der Stadt Freiburg und des Landkreises Breisgau-Hochschwarzwald durchgeführt. Finanziert wurde das Konzept von der „Aktion Mensch“ mit Unterstützung der Stadt Freiburg sowie dem Landkreis Breisgau-Hochschwarzwald.
Von 2008 bis 2010 wurde ein Nachfolgeprojekt mit ähnlichen Inhalten in KiTas in Berlin, Frankfurt und in der Region Südbaden umgesetzt. Hier lag der Schwerpunkt auf Einrichtungen in Stadtteilen mit besonderen Problemlagen, wie z.B. ein hoher Anteil von Armut betroffenen Familien.
Kontakt
Frau Maike Rönnau-Böse
Bugginger Str. 38
79114 Freiburg (Baden-Württemberg)
Telefon: 0761 / 4781224
E-Mail: roennau-boese(at)eh-freiburg.de
Website: http://www.zfkj.de
Projektträger
Zentrum für Kinder- und Jugendforschung an der Evangelischen Hochschule Freiburg
Bugginger Str. 38
79114 Freiburg
Hintergrund
Die Zahl der Kinder mit Verhaltensauffälligkeiten, sozialen und gesundheitlichen Problemen steigt an. Studien zeigen, dass ca. 18 % der Kinder bei Schulbeginn Verhaltensauffälligkeiten aufweisen (Erhart et al. 2006).
Diese Probleme sind häufig mit der sozialen Situation sowie den Ressourcen und Möglichkeiten der Eltern verbunden. Schon beim Schuleintritt bestehen zum Teil deutliche Unterschiede in der Sprachfähigkeit, den sozialen Kompetenzen, der Fähigkeit zur Emotionsregulation, der Leistungsmotivation und den kognitiven Fähigkeiten zwischen Kindern aus unterschiedlichen sozialen Zusammenhängen (vgl. Smith et al. 1997). Besonders Kinder aus Familien mit niedrigem sozioökonomischem Status oder mit Kumulationen von Problemlagen haben deutlich geringere Bildungschancen (vgl. BMBF 1998; OECD 2004) und weisen eher Verhaltensauffälligkeiten auf.
Eltern mit einer Vielzahl sozialer und psychischer Probleme haben einen besonders hohen Unterstützungsbedarf – zugleich sind diese Eltern/Familien mit herkömmlichen Programmen schlecht zu erreichen. Besonderer Unterstützungsbedarf besteht in Stadtteilen, in denen viele arme Familien oder solche mit einer Vielzahl von Problemen leben, weil hier das Risiko von sozialer Exklusion und geringen Bildungschancen am höchsten ist (vgl. Becker 2003). Diese Stadtteile zeichnen sich zum Beispiel durch eine Häufung von Problemlagen aus, wie eine schlechte Versorgungsinfrastruktur, mangelnde Freizeitangebote für Kinder und Jugendliche, hohe Arbeitslosigkeit, hoher Anteil von Alleinerziehenden und verschiedene kulturelle Bevölkerungsgruppen. Die Bewohner dieser Stadtteile sind dadurch auf mehreren Ebenen benachteiligt: ökonomisch – aufgrund fehlender Qualifikation ist die Aussicht auf einen Arbeitsplatz eher gering – sowie kulturell und sozial, weil sie zu vielen Möglichkeiten und Angeboten keinen Zutritt haben (Becker et al. 2002).
Mit der AWO-/ISS-Studie (Holz et al. 2006) wurden Schutzfaktoren ermittelt, die trotz dauerhafter Armut eine positive Entwicklung der Kinder begünstigen. Diese und viele weitere Ergebnisse zeigen, dass vor allem über die Erziehungsqualität die psychische Widerstandsfähigkeit (Resilienz) beim Kind
gefördert werden kann.
Die Sichtweise ist damit nicht länger defizitorientiert, es stehen vielmehr die Stärken und Ressourcen jedes einzelnen Kindes im Vordergrund. Dabei wird von dem Kind als aktivem Bewältiger und Mitgestalter seines eigenen Lebens ausgegangen.
Ziel der Resilienzförderung ist, dass es den Kindern gelingt, mit konkreten belastenden Ereignissen umzugehen, aber auch, die Entwicklungsaufgaben in verschiedenen Lebensabschnitten angemessen zu bewältigen. Die positive Bewältigung von Krisen, Belastungen und Entwicklungsaufgaben – eine besondere Bedeutung haben hier Übergänge, zum Beispiel von der Familie in den Kindergarten oder vom Kindergarten in die Schule – wirkt sich positiv auf die weitere Entwicklung aus.
Als wesentliche protektive Faktoren, die die Widerstandskraft von Kindern gegenüber Belastungen stärken und die Bewältigungsfähigkeit von Krisensituationen verbessern, wurden unter anderem identifiziert:
- mindestens eine stabile emotionale Beziehung zu einer primären Bezugsperson (im optimalen Fall ein Elternteil oder andere Personen aus dem Umfeld wie nahe Verwandte und Erzieherinnen bzw. Erzieher),
-Bindungsfähigkeit und die Realisierung „feinfühligen“ Verhaltens durch die Bezugspersonen, um sicheres Bindungsverhalten zeigen zu können,
- emotional warmes, offenes, aber auch klar strukturierendes Erziehungsverhalten der Bezugspersonen (eine besonders positive Bedeutung hat hier ein autoritativer bzw. demokratischer Erziehungsstil; vgl. Wustmann 2004),
- soziale Unterstützung außerhalb der Familie,
- soziale Modelle, die angemessenes Bewältigungsverhalten in Krisensituationen zeigen, Kinder ansprechen und ermutigen,
- frühe Möglichkeiten, Selbstwirksamkeitserfahrungen machen zu können und positive internale Kontrollerwartungen/-überzeugungen herauszubilden,
- damit verbunden: Selbstvertrauen, positiver Selbstwert, positives Selbstkonzept,
- kognitive Kompetenzen, die angemessen angeregt werden müssen,
- gute oder zumindest sichere sozioökonomische Bedingungen (vgl. hierzu Werner 2000; Opp et al. 2007).
Die systematische Förderung dieser Faktoren führt zu einer generellen Stärkung der Resilienz. Dieser sogenannte Mehrebenenansatz (Verhaltens- und Verhältnisorientierung) beinhaltet zugleich wesentliche Elemente der Gesundheitsförderung mit Kindern und deren Familien.
Kindertagesstätten sind diejenigen gesellschaftlichen Institutionen, die Kinder als Erste und über längere Zeiträume in ihrer Entwicklung intensiv begleiten; zugleich haben sie dadurch die Chance, Zugänge zu den Eltern bzw. Familien zu erhalten. Es ist daher sinnvoll, in Kindertagesstätten systematisch die Widerstandsfähigkeit von Kindern gegenüber psychischen Belastungen und Beeinträchtigungen zu stärken und ihnen bessere Bewältigungsmöglichkeiten bei Krisen zu vermitteln. Ansatzpunkte finden sich auf drei Ebenen:
- bei den Kindern direkt,
- bei den Eltern (primären Bezugspersonen) der Kinder und
- im weiteren sozialen Umfeld.
Vorgehen
Das Konzept „Kinder stärken! – Resilienzförderung in der Kindertagesstätte“ wurde in Kooperation mit den Erziehungsberatungsstellen der Stadt Freiburg und des Landkreises Breisgau-Hochschwarzwald umgesetzt. Je zwei Kindertageseinrichtungen aus der Stadt Freiburg und dem Landkreis Breisgau- Hochschwarzwald nahmen als Durchführungs-Kindertageseinrichtungen am Projekt teil. Die Einrichtungen liegen jeweils in unterschiedlichen sozialen Umfeldern: Eine städtische Kita liegt in einem Stadtteil mit besonderem Entwicklungsbedarf, 45 % der Kinder kommen aus Migrantenfamilien. Der größte Teil der Kinder kommt aus Familien mit geringem Einkommen. Die zweite städtische Einrichtung wird zu 50 % von Familien aus dem Mittelstand besucht, 30 % aus der Unter- und 20 % aus der Oberschicht. Die Anzahl der Kinder, deren Familien von Armut bedroht sind,
liegt bei 49 %. In beiden städtischen Einrichtungen liegt der Anteil der Alleinerziehenden bei 30 %.
Die Kinder in den zwei Kindertageseinrichtungen aus dem Landkreis Breisgau- Hochschwarzwald kommen zu 80 % aus der Mittelschicht. Der Anteil der Familien, die vom Sozialamt unterstützt werden, ist gering und auch Kinder mit Migrationshintergrund sind eher selten. Der Anteil der Alleinerziehenden ist geringer als in der Stadt. Die angegebenen Daten wurden durch den Selbstevaluations- und Reflexionsbogen für Kindertageseinrichtungen (SERKi) (Fröhlich-Gildhoff und Glaubitz 2006; Fröhlich-Gildhoff et al. 2007) erhoben. Für die Durchführung des Projekts waren zwei Dipl.-Sozialpädagoginnen des Zentrums für Kinder- und Jugendforschung als zusätzliche Personalkapazität mit je acht Stunden pro Kita tätig.
Die Durchführung erfolgte auf vier Ebenen:
1. Die Erzieherinnen und Erzieher wurden von Beginn an in die Arbeit einbezogen. Sie erhielten Fortbildungen, wie sie die Stärken und Fähigkeiten der Kinder in der Alltagsarbeit und als Institution unterstützen und fördern können und begleiteten die dafür zusätzlich eingesetzten Sozialpädagoginnen in den Trainingskursen. Außerdem fanden einmal im Monat Fallsupervisionen mit den Erziehungsberatungsstellen statt, in denen fokussierter auf problematische Fälle eingegangen werden konnte.
2. Durch die Qualifizierung des Erziehungspersonals und das unmittelbare Anknüpfen am Alltag der Kindertageseinrichtung wurde die Nachhaltigkeit gesichert.
3. Mit allen Kindern der Einrichtungen der Durchführungsgruppe wurde das „Programm zur Prävention und Resilienzstärkung in Kindertageseinrichtungen (PRiK)“ (Fröhlich-Gildhoff, Dörner und Rönnau 2007) durchgeführt. In Ausnahmefällen erhielten darüber hinaus einzelne Kinder spezifische Förderungen bzw. wurde systematisch darauf geachtet, dass eine solche Förderung eingeleitet wurde. Die Entwicklung der Kinder wurde während des Trainings kontinuierlich beobachtet und dokumentiert und an die Eltern und Erzieherinnen bzw. Erzieher zurückgemeldet.
4. Das Programm PRiK umfasst 20 Trainingseinheiten, die im Zeitraum von zehn Wochen (zwei Einheiten pro Woche à 35 bis 45 Minuten) durchgeführt wurden. Am Programm nahmen jeweils acht bis zehn Kinder mit möglichst demselben Entwicklungsstand teil. Das Programm wurde in der Regel von einer Sozialpädagogin bzw. einem Sozialpädagogen als externe Fachkräfte plus einer Erzieherin bzw. einem Erzieher der Einrichtung durchgeführt. Das Trainingsmanual hat folgende Grundthemen: Selbstwahrnehmung, Selbststeuerung, Selbstwirksamkeit, soziale Kompetenz, Umgang mit Stress, Problemlösen. Das Programm ist systematisch evaluiert worden (vgl. Fröhlich-Gildhoff et al. 2007).
Alle Eltern der Durchführungsgruppe erhielten das Angebot, an Elternkursen zur Stärkung der Erziehungskompetenz und zur Unterstützung der Förderung von Resilienz im Alltag der Familien teilzunehmen. Diese Kurse wurden regelmäßig in den Kindertageseinrichtungen angeboten. Sie umfassen sechs Einheiten, die wiederum nach Themen strukturiert sind. An diesen Kursen nahmen jeweils sechs bis zehn Eltern teil; die jeweiligen Sitzungen dauern 90 Minuten. Die Kurse wurden von der externen Fachkraft in der Regel in Zusammenarbeit mit einer Erzieherin bzw. einem Erzieher der beteiligten Kindertageseinrichtung geleitet. Um möglichst viele Eltern erreichen zu können, wurden die Kurse zu verschiedenen Zeiten angeboten und fanden in der Einrichtung selbst statt. Zum anderen wurde eine wöchentliche „offene Familiensprechstunde“ eingerichtet, die für einen Informationsaustausch und für Beratungsgespräche genutzt werden konnte. In regelmäßigen Abständen stand auch die Erziehungsberatungsstelle als Ansprechpartner zur Verfügung.
Zusätzlich wurden die Kindertagesstätten darin unterstützt, sich mit weiteren Einrichtungen im Stadtteil/der Gemeinde zu vernetzen, um die Angebotsprofile abzustimmen und ein systematisches Hilfesystem aufzubauen. Dafür wurden zum Beispiel Ansprechpersonen im Jugendamt eingeladen, ihre Arbeit vorzustellen. Die Erzieherinnen und Erzieher sollten mithilfe von Netzwerkkarten herausfinden, welche Stärken sie bereits im Umfeld haben und welche weitere Unterstützung sie im Sozialraum noch nutzen können.
Good Practice in
Niedrigschwellige Arbeitsweise
Das Projekt zeichnet sich durch seinen besonders niedrigschwelligen Zugang aus. Alle Angebote fanden immer mit den gleichen Bezugspersonen in den Kindertagesstätten selbst statt. Die Zielgruppen des Projekts waren durch dieses Vorgehen gut zu erreichen. Dabei wurden die Eltern zunächst durch persönliche Ansprache der projektverantwortlichen Sozialpädagoginnen erreicht. Mit den Sozialpädagoginnen konnten die Eltern zu den Abhol- und Bringzeiten der Kinder eine Sprechstunde wahrnehmen, bei Bedarf wurde auch die Erziehungsberatungsstelle hinzugezogen. Diese Sprechstunden konnten die Eltern mit oder ohne Anmeldung wahrnehmen. Zusätzlich wurden jederzeit Termine nach Vereinbarung vergeben.
Ebenso wurden Elternkurse zur Stärkung der Erziehungskraft und zur Unterstützung der Resilienzförderung im Alltag angeboten. Die Inhalte orientierten sich dabei am Bedarf der Eltern. Nach Möglichkeit und Bedarf wurden die Inhalte der Kurse in verschiedene Sprachen übersetzt. Ein wesentlicher Faktor war, dass die Eltern die Personen kannten, die diese Kurse durchführten. Aufgrund des dadurch entstehenden Vertrauensverhältnisses fanden auch immer wieder neue Elternkurse statt. Damit alle Eltern die Möglichkeit hatten, an den Elternkursen teilzunehmen, fanden die Kurse zu verschiedenen Zeiten statt.
Kosten entstanden für die Zielgruppe keine, weil Elternkurse, Sprechstunden, Kindertrainings und Fortbildungen für die Erzieherinnen durch Projektgelder der Aktion Mensch e.V. und Zuschüsse der Stadt Freiburg und des Landkreises Breisgau-Hochschwarzwald finanziert wurden.
Da sich das Projekt an den vor Ort gegebenen Rahmenbedingungen der Kindertagesstätte orientierte, wurden die erwünschten Wirkungen durch die Projektbausteine alltags- und zielgruppennah in den Lebenswelten der Zielgruppe erzeugt.
Multiplikatorenkonzept
Das Projekt zeichnet sich durch ein Multiplikatorenkonzept aus. Die Erzieherinnen bzw. Erzieher wurden während der Laufzeit des Projekts in sechs Fortbildungen in dem Konzept des Programms geschult und haben alle an den Bestandteilen (Kinderkurse, Elternkurse, Fallsupervisionen etc.) aktiv teilgenommen; sie lernten währenddessen, diese Bestandteile selbstständig umzusetzen. Die Projektbausteine wurden in den Kindergartenalltag integriert und nach Projektabschluss durch die Erzieherinnen und Erzieher weitergeführt. Dadurch ist die Nachhaltigkeit des Projekts in der eigenen Einrichtung gesichert. Darüber hinaus wird die gewachsene Kompetenz der Erzieherinnen und Erzieher genutzt, um die Grundprinzipien und Methoden des Konzepts in andere Einrichtungen zu vermitteln. Die Erzieherinnen und Erzieher gehen in andere Einrichtungen ihrer Gemeinde und qualifizieren die dortigen Fachkräfte in der Weise weiter, wie es die externen Fachkräfte in ihrer Einrichtung getan haben. Das heißt, sie führen Kinder- und Elternkurse durch und werden dabei von den Erzieherinnen und Erziehern der „neuen“ Einrichtungen begleitet, damit diese wiederum die Kurse dann auch selbstständig leiten können. Die Erzieherinnen und Erzieher der „Ausgangskindertagesstätten“ werden dabei regelmäßig durch die Sozialpädagoginnen angeleitet und supervidiert, die „neuen“ Einrichtungen erhalten Fortbildungen durch das Zentrum für Kinder- und Jugendforschung.
Innerhalb des Projekts wurde mit den Beratungsstellen der Stadt Freiburg und des Landkreises Breisgau-Hochschwarzwald eng zusammengearbeitet. Beide waren an der Projektkoordination und -planung beteiligt. Aufgrund der engen Zusammenarbeit mit den Beratungsstellen bei der Sprechstunde für die Eltern, bei den Fortbildungen und Fall-Supervisionen für die Erzieherinnen und Erzieher, lernten die Eltern und Fachkräfte die Ansprechpersonen der Beratungsstellen kennen. Dadurch wurde ein Vertrauensverhältnis zwischen Eltern und Beratungsstellen, aber auch zwischen Erzieherinnen bzw. Erziehern und Beratungsstellen aufgebaut, wodurch die Hemmschwelle abgebaut wurde, die Beratungsdienste in Anspruch zu nehmen.
Dokumentation und Evaluation
Das Projekt wurde bezogen auf die Prozesse und die Ergebnisse bzw. Effekte in einem Kontrollgruppendesign und einer Prä-Post-Untersuchung evaluiert. Dabei wurden quantitative und qualitative Forschungsmethoden eingesetzt und es wurde versucht, Prozesse und Ergebnisse aus mehreren Perspektiven (Kinder, Eltern, Erzieherinnen und Erzieher, beteiligte Fachkräfte) zu analysieren.
Es fanden Untersuchungen mit allen am Projekt teilnehmenden Kindern, Eltern und Erzieherinnen bzw. Erziehern (278 Kinder, 44 Erzieherinnen/ Erzieher) und einer Kontrollgruppe (188 Kinder, 51 Erzieherinnen/Erzieher) zu drei Zeitpunkten (zu Beginn, nach 6 Monaten und bei Projektende nach 18 Monaten) statt.
Soziostrukturelle Daten der Einrichtungen wurden mittels des standardisierten Fragebogens SERKi (Selbstevaluations- und Reflexionsfragebogen für Kindertageseinrichtungen [Fröhlich-Gildhoff und Glaubitz 2006, 2007]) erhoben.
Die Erzieherinnen und Erzieher wurden hinsichtlich ihrer pädagogischen Haltung und ihrer Erwartungen an das Projekt mittels eines standardisierten Fragebogens befragt.
Das Verhalten der Kinder wurde mittels des Fragebogens VBV (Verhaltensbeurteilungsbogen für Vorschulkinder, vgl. Döpfner et al. 1993) von Erzieherinnen bzw. Erziehern und Eltern beurteilt. Darüber hinaus wurde der Entwicklungsstand der Kinder mit einem normierten Instrument (Wiener Entwicklungstest, WET [Kastner-Koller und Deimann 2002]) und ebenso die Einschätzung des Selbstkonzepts mittels eines solchen Instruments (SKF – Selbstkonzept-Fragebogen für [Vorschul-]Kinder, vgl. Fröhlich-Gildhoff et al. 2007) erhoben.
Die Eltern wurden hinsichtlich ihrer erzieherischen Haltung und ihrer Erwartungen an das Projekt gleichfalls mit einem standardisierten Instrument befragt. Parallel wurden alle Prozessschritte und -elemente während der Laufzeit des Projekts sehr sorgfältig dokumentiert und protokolliert. Dies betraf die Trainings mit den Eltern, die Elternkurse, die Fallbesprechungen, die Familiensprechstunden, die Sitzungen der Projektsteuerungsgruppe sowie den Reflexionsbesuch der Projektleitung in den Kindertageseinrichtungen. Die Daten wurden inhaltsanalytisch ausgewertet.
Die Ergebnisse beider Untersuchungszeitpunkte (t1 und t2) zeigen positive Tendenzen:
In der Auswertung der zur Verfügung stehenden Instrumente der Prozessevaluation (Protokolle der Trainingsprogramme, Interviews mit Erzieherinnen bzw. Erziehern und Eltern) zeigte sich, dass das Programm bei allen beteiligten Zielgruppen auf eine äußerst gute Resonanz gestoßen ist. Es konnten konkrete positive Veränderungen bei den Kindern beobachtet werden, die Zusammenarbeit zwischen Eltern und den Fachkräften der Kindertageseinrichtungen verbesserte sich, und das Projekt förderte – als „Nebeneffekt“ – positiv die Teamentwicklung in den Kindertageseinrichtungen.
Die Ergebnisse der standardisierten und normierten Testverfahren weisen darauf hin, dass sich der Selbstwert der Kinder in der Durchführungsgruppe im Vergleich zum Ausgangszeitpunkt und zur Kontrollgruppe verbessert hat. Die kognitive Entwicklung veränderte sich ebenfalls positiv bei den Kindern der Durchführungs- und Entwicklungsgruppe gegenüber Ausgangszeitpunkt und Kontrollgruppe.
Folglich zeigen sich auf qualitativer wie quantitativer Ebene erstaunlich positive Effekte für den kurzen Durchführungszeitraum und für ein Präventionsprojekt. Dies spricht dafür, dass der intensivierte fachlich pädagogische und psychologische Einsatz auf den verschiedenen Ebenen erfolgreich ist.
Besonders erstaunlich, weil in dieser Weise nicht erwartet, sind die signifikant positiven Effekte auf die kognitive Entwicklung der Kinder. Die spezifische kognitive Förderung war nicht primäres Ziel im Projekt. Andererseits scheinen sich hier indirekte Effekte einzustellen: Die Kinder können durch eine verbesserte Selbststeuerung, durch eine erhöhte Selbstsicherheit, aber auch durch verbesserte Problemlösungsfähigkeiten die angebotenen Inhalte in den Kindertageseinrichtungen – die sich mehr und mehr zu Bildungsinstitutionen entwickeln – aufnehmen. Möglicherweise führt auch ein reflektierteres Verhalten der Eltern dazu, dass die Kinder adäquater in ihren Entwicklungsprozessen unterstützt werden. Insgesamt kann das Programm – sofern sich die Effekte stabilisieren – auch zu einer verbesserten Chancengerechtigkeit führen. So hat sich gezeigt, dass der niederschwellige Zugang des Projekts einen schnelleren Kontakt (auch) zu sozial benachteiligten Familien ermöglicht, sodass diese bessere Unterstützungsmöglichkeiten bekommen können.
Literatur
Becker, H. (2003): Drei Jahre integrierte Stadtentwicklung. Programm Soziale Stadt – Erfahrungen und Perspektiven. In: Planerin, Berlin: Vereinigung für Stadt-, Regional- und Landesplaner (2003), Nr. 2, S. 5–8.
Becker, H., Franke, T., Löhr, R.-P., Rösner, V. (2002): Drei Jahre Programm Soziale Stadt – eine ermutigende Zwischenbilanz. <http://www.sozialestadt.de/veroeffentlichungen/zwischenbilanz> (Stand 08.06.2007).
BMBF – Bundesministerium für Bildung und Forschung (Hrsg.) (1998): Delphi-Befragung 1996/1998. Abschlussbericht zum „Bildungs-Delphi“. Potentiale und Dimensionen der Wissensgesellschaft – Auswirkungen auf Bildungsprozesse und Bildungsstrukturen. Bundesministerium für Bildung und Forschung, Bonn.
Döpfner, M., Berner, W., Fleischmann, T., Schmidt, M. (1993): Verhaltensbeurteilungsbogen für Vorschulkinder (VBV 3–6). Beltz, Weinheim.
Erhart, M., Hölling, H., Schlack, R., Ravens-Sieberer, U. (2006): Verhaltensprobleme und -stärken. In: Bundesgesundheitsblatt – Gesundheitsforschung – Gesundheitsschutz 2006, 49, S. 1225–1232.
Fröhlich-Gildhoff, K., Rönnau, M., Dörner, T., Engel, E.-M., Kraus-Gruner, G. (2007): Selbstkonzeptfragebogen für Vorschulkinder – SKF. Zentrum für Kinder- und Jugendforschung an der EFH Freiburg, Freiburg.
Fröhlich-Gildhoff, K., Glaubitz, D. (2006): Systematische Selbstreflexion als Alternative zum „Kindergarten- TÜV“. Frühe Kindheit, 4, 26–27.
Fröhlich-Gildhoff, K., Dörner, T., Rönnau, M. (2007): Kinder stärken! – Resilienzförderung in der Kindertagesstätte. Reinhardt, München.
Holz, G., Richter, A., Wüstendörfer, W., Giering, D. (2006): „Zukunftschancen für Kinder!?“ – Wirkung von Armut bis zum Ende der Grundschulzeit“. Endbericht der 3. AWO-SS-Studie im Auftrag der Arbeiterwohlfahrt Bundesverband e.V. ISS-Pontifex, 2/2006.
Kastner-Koller, U., Deimann, P. (2002): Wiener Entwicklungstest. Hogrefe, Göppingen.
OECD (2004): OECD measures of total hours worked. OECD Productivity, Paris.
Opp, G., Fingerle, M. (2007) (Hrsg.): Was Kinder stärkt. 2. Aufl., Reinhardt, München.
Smith, J. R., Brooks-Gunn, J., Klevanov, P. K. (1997): Consequences of living in poverty for young children’s cognitive and verbal ability and early school achievement. In: Duncan, G. J., Brooks-Gunn, J. (Eds.): Consequences of growing up poor. Russell Sage Press, New York, pp. 132–189.
Werner, E. E. (2000): Protective factors and individual resilience. In: Shonkoff, J. P., Meisels, S. J. (Hrsg.): Handbook of early childhood intervention. Cambridge University Press, Cambridge, pp. 115–132.
Wustmann, C. (2004): Resilienz. Widerstandsfähigkeit von Kindern in Tageseinrichtungen fördern. Beltz, Weinheim.
Gesammelte Erfahrungen (Lessons Learned)
Für den nachhaltigen Erfolg des Projektes ist die Veränderung der Haltung der KiTa-MitarbeiterInnen von besonderer Bedeutung. Um die Verankerung einer ressourcenorientierten Sichtweise im Arbeitsalltag der ErzieherInnen zu erreichen, hat es sich besonders bewährt, in einen regelmäßigen Austausch mit dem KiTa-Team zu treten. Im Anschluss an die praktische Umsetzung von Projektbausteinen, welche gemeinsam mit (externen) Sozialpädagoginnen und den Erzieherinnen der jeweiligen KiTa erfolgte, wurden die Inhalte immer gemeinsam reflektiert. Damit wurde die Betrachtung der eigenen Handlungen und Denkweisen geschult und zugleich die Stärkenorientierung innerhalb des KiTa-Teams eingeübt.
Außerdem fanden in regelmäßigen Abständen KiTa-übergreifende Fortbildungen mit den vier teilnehmenden Einrichtungen statt, an denen jeweils 2 bis 3 ErzieherInnen einer KiTa vertreten waren. Diese Konstellation war zwar gut, damit sich die Einrichtungen untereinander kennenlernen. Jedoch ist empfehlenswert, zudem Fortbildungen im Kreise der einzelnen KiTa-Teams durchzuführen. Diese sind nötig, damit die Inhalte alle Mitarbeitenden erreichen - und nicht nur einzelne Personen. Darüber hinaus kann nur so den individuellen Rahmenbedingungen der KiTas Rechnung getragen werden.
Für ein gutes Gelingen des Projektes ist es nicht nur relevant, die KiTa-Leitung für das Vorhaben zu gewinnen, sondern auch das gesamte Team zu überzeugen. Die KiTa-Leitung hat hingegen einen großen Einfluss auf den Verlauf des Projektes. Für nachfolgende bzw. nachahmende Projekte ist zu empfehlen, ein Coaching für die KiTa-Leitung anzubieten. Einen Schwerpunkt sollte hierbei das Thema Projektmanagement bilden.
Laufzeit des Angebotes
Beginn: August 2005
Abschluss: Juli
Welche Personengruppe(n) in schwieriger sozialer Lage wollen Sie mit Ihrem Angebot erreichen?
- Personen in strukturschwachen Wohnregionen / Quartieren
Das Angebot richtet sich insbesondere an folgende Altersgruppen
- 4 bis 5 Jahre
Das Angebot umfasst geschlechtsspezifische Angebote für
- Keine geschlechtsspezifischen Angebote
Multiplikatorinnen und Multiplikatoren
Pädagogische Fachkräfte in Kindertageseinrichtungen
Kooperationspartnerinnen und Kooperationspartner
Erziehungsberatungsstellen
Schwerpunkte des Angebotes
- Stärkung der individuellen Bewältigungsressourcen (z.B. Life skills, Resilienz)
Das Angebot wird hauptsächlich in folgenden Lebenswelten umgesetzt
- Kindertageseinrichtung / Kindertagespflege
Qualitätsentwicklung
Wie dokumentieren Sie Ihre Arbeit? (z.B. Konzepte, Handreichung)
Quelle der Veröffentlichung/URL: Artikel in Fachzeitschrift, Zwischenberichte
Stand
11.03.2015