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Angebotsdarstellung

Good Practice

Veröffentlichung: 2006

Kontaktladen Mecki

Kurzbeschreibung mit Zielen und Maßnahmen

Medizinische Grundversorgung im Kontaktladen

Mit dem Leben auf der Straße sind zahlreiche Risiken verbunden. Folge für die Betroffenen ist ein schlechter körperlicher Allgemeinzustand bis hin zur Verelendung. Um diesem Prozess entgegenzuwirken, kombiniert der Kontaktladen „Mecki“ die Methoden und Hilfestellungen von sozialer Arbeit mit verschiedenen Angeboten zur gesundheitlichen Grundversorgung in einer im Lebensraum der Zielgruppe angesiedelten Anlaufstelle. Wohnungslosen, Durchreisenden und Trebegängerinnen bzw. Trebegängern wird über die niedrigschwellig gestaltete Anlaufstelle der Weg in das allgemeine soziale und gesundheitliche Versorgungssystem geebnet. Dadurch wird das Risiko einer Chronifizierung von Erkrankungen verringert und eine Verstetigung der defizitären gesundheitlichen und sozialen Versorgungslage vermindert. Der Kontaktladen ist Teil eines Verbundsystems ambulanter sozialer und gesundheitlicher Hilfen und nutzt deren Ressourcen zur Integration Wohnungsloser in die bestehenden Hilfs- und Unterstützungssysteme.


Kontakt

Frau Veronika Horn
Raschplatz 8c
30161 Hannover (Niedersachsen)

Telefon: 0511 / 3480264

E-Mail: ZBS-klmecki(at)dw-h.de


Projektträger

Diakonisches Werk gGmbH, Zentrale Beratungsstelle für Menschen in besonderen sozialen Schwierigkeiten
Berliner Allee 8
30175 Hannover


Hintergrund

Zu den zahlreichen gesundheitlichen Risikofaktoren, denen Wohnungslose ausgesetzt sind, gehören insbesondere unzureichende und unregelmäßige Ernährung, wenig Schlaf, unzureichende Kleidung sowie unhygienische Verhältnisse. Die Folgen sind ein schlechter körperlicher und auch psychischer Allgemeinzustand bis hin zur Verelendung. Sind wohnungslose Menschen durch Krankheiten zusätzlich geschwächt, so ist auch ihr ohnehin labiles Versorgungsgefüge gefährdet. Menschen in dieser Notlage leiden besonders unter der sozialen und gesundheitlichen Benachteiligung sowie unter dem erschwerten Zugang zum sozialen und gesundheitlichen Hilfs- und Versorgungssystem. Neben der unklaren Finanzierung bei der Inanspruchnahme von Dienstleistungen stellen Scham, der Wunsch nach Anonymität und gesellschaftliche Ablehnung große Hürden für sie dar. Daher sind für die gesundheitliche Versorgung Wohnungsloser sowohl mobile als auch ortsgebundene Behandlungsorte notwendig, die im „Lebensraum Straße“ integriert sind. Je nach Standort erreichen sie sowohl Männer als auch Frauen dieser spezifischen Zielgruppe.

In Hannover leben je nach Jahreszeit ca. 200 bis 400 Wohnungslose auf der Straße. Dazu gehört auch ein Anteil Durchreisender aus anderen (Bundes-) Ländern, wobei die Behandlung ausländischer Wohnungsloser häufig wegen ungeklärtem Versicherungsstatus im Herkunftsland besondere Probleme beinhaltet und auch unabhängig von Sprachbarrieren viel Zeit für Recherchen benötigt. Im Jahr 2005 hatten außerdem ca. 2500 Personen keine eigene Wohnung und lebten in den verschiedenen Notunterkünften der Stadt. (Angaben der Zentralen Beratungsstellen [ZBS] des Diakonischen Werks und des Amts für Stadterneuerung und Wohnen.)

Vom 1.9.2001 bis zum 1.9.2004 erhob das Zentrum für Qualität und Management im Gesundheitswesen der niedersächsischen Ärztekammer 4162 Arztkontakte in den verschiedenen Anlaufstellen im Stadtgebiet. (Zusätzlich fällt eine erheblich höhere Anzahl an Kontakten zu der Krankenschwester im Kontaktladen „Mecki“ an.) Behandlungsanlässe stellen in der Gesamtzielgruppe zur Zeit (das heißt: 3. Quartal 2004 bis 1. Quartal 2006) Herz-/Kreislauf- Erkrankungen (13 %), Hauterkrankungen (12,1 %), Verletzungen/Vergiftungen (11,5 %) und Atemwegserkrankungen (10,9 %) dar. Die wohnungslosen Frauen in dieser Klientel sind in der Regel jünger als die Männer. Der Anteil der Frauen unter den Behandlungsfällen in den mobilen und den ortsgebundenen Behandlungsorten für wohnungslose Menschen in Hannover liegt bei 22,4 %.

Dabei handelt es sich häufig um Erkrankungen (Erkältungskrankheiten, Allergien, Infektionen), für die nichtverschreibungspflichtige Medikamente verordnet werden. Seit Einführung der Gesundheits- und Sozialreformen stellen daher Zuzahlungen – zum Beispiel für nichtverschreibungspflichtige Medikamente, aber auch für Krankenhausaufenthalte – ein erhebliches finanzielles (und in Folge ein gesundheitliches) Problem für Wohnungslose dar. Häufig werden Rezepte aus finanzieller Not nicht eingelöst, was zu einer Verschlechterung des Gesundheitszustands bzw. zu einer Chronifizierung von Erkrankungen führt.


Vorgehen

An dieser Stelle setzt das Angebot des Kontaktladens „Mecki“ an. Der Anlaufpunkt wurde vor 21 Jahren vom Diakonischen Werk – Stadtverband für Innere Mission – Hannover e.V. gegründet. Das Ladenlokal, das den Kontaktladen beherbergt, befindet sich in unmittelbarer Nähe des Hauptbahnhofs in Hannover.

Der Kontaktladen ist Ausgangspunkt für aufsuchende Straßensozialarbeit und zugleich Anlaufstelle für Personen in besonderen gesundheitlichen und sozialen Notlagen. Von Armut betroffene Menschen erhalten nicht nur basale Hilfen wie Schlafsack, Essen und Kleidung, sondern auch eine medizinische Grund- oder Erstversorgung. Personell wird das Konzept des Kontaktladens durch drei Sozialarbeiterinnen bzw. Sozialarbeiter und eine Krankenschwester umgesetzt. Zudem findet seit 1999 einmal pro Woche eine ärztliche Sprechstunde statt. Da die Anlaufstelle den Teil eines Verbundsystem aus weiteren ambulanten Hilfen darstellt, ist die einfache Vermittlung zu anderen Hilfs- und Versorgungsmöglichkeiten garantiert. Diese Vorgehensweise erleichtert nicht nur den Zugang, sondern trägt auch zur Beseitigung der grundlegenden Ursachen der Gesundheitsprobleme der Zielgruppe bei. Täglich suchen durchschnittlich 90 Personen die Einrichtung auf.

Die basalen Hilfsangebote des Kontaktladens erstrecken sich von warmen Getränken, die zum Selbstkostenpreis abgegeben werden, bis hin zur kostenlosen Versorgung mit Schlafsäcken, Kleidung und Hygieneartikeln. Zudem haben die Gäste die Möglichkeit, die sanitären Einrichtungen und das Telefon des Kontaktladens zu nutzen. Durch die Befriedigung dieser Grundbedürfnisse ist es den Klientinnen und Klienten möglich, weiterführende Hilfen anzunehmen. Diese bestehen hauptsächlich in der Weitervermittlung der Klientinnen und Klienten an andere Hilfs- und Versorgungsangebote wie Beratungsstellen, medizinisch/pflegerische Einrichtungen, Ämter und Behörden.

Der zweite grundlegende Baustein des Kontaktladenkonzepts besteht aus der Bereitstellung einer kostenlosen medizinischen Erst- oder Grundversorgung sowie einer Gesundheitsberatung. Die Krankenschwester im Kontaktladen leistet Erste Hilfe, reinigt und versorgt Wunden und führt verschiedene Hygienemaßnahmen durch. Die Pflegekraft berät hinsichtlich gesundheitsfördernden Verhaltens. Des Weiteren weist sie auf das medizinische Hilfesystem außerhalb des Kontaktladens hin, motiviert die Patientinnen und Patienten, medizinische/pflegerische Betreuung anzunehmen und fungiert als vermittelnde Instanz zwischen Klient bzw. Klientin und Gesundheitssystem. Im Falle einer Einweisung in eine stationäre Einrichtung sorgt die Krankenschwester für eine hygienische Ausstattung ihrer Klientinnen und Klienten und besucht diese auf Wunsch in der Klinik. Außerdem besteht eine enge Zusammenarbeit mit der KuRVe, einer in Hannover gelegenen Krankenwohnung für Wohnungslose.

Das medizinische Hilfsangebot der Krankenschwester nehmen täglich durchschnittlich 14 Personen an. Die zusätzlich einmal wöchentlich stattfindende ärztliche Sprechstunde dient der qualitativen Verbesserung der medizinischen Versorgung. Es können Krankenhauseinweisungen vorgenommen und Medikamente verordnet werden. Die ärztlichen Leistungen werden über die Krankenversicherung der Betroffenen abgerechnet. Existiert keine Krankenversicherung, so geht bei deutschen Personen das Sozialamt in Vorleistung. In vielen Fällen erfährt der Kontaktladen jedoch nicht, wer die Kosten trägt. Werden diese nicht übernommen, kann das ggf. zu einem vorzeitigen Abbruch der Behandlung führen. Die pflegerischen Leistungen werden derzeit ausschließlich durch den Träger des Kontaktladens „Mecki“ bzw. aus dem Haushalt des Projekts finanziert, ebenso die Personalkosten der Krankenschwester.

Die Gesamtfinanzierung des Kontaktladens wird derzeit mit dem überörtlichen Träger der Sozialhilfe (Land Niedersachsen) verhandelt. Es zeichnet sich eine Kürzung der Mittel ab, sodass das bisherige Konzept nicht in vollem Umfang aufrechterhalten werden kann. Die Krankenkassen sollen für die pflegerischen und medizinischen Leistungen herangezogen werden.


Good Practice in

Niedrigschwellige Arbeitsweise

Die Arbeitsweise der Beschäftigten sowie die besonderen strukturellen Gegebenheiten des Kontaktladens, das heißt: die Prinzipien aufsuchender Straßensozialarbeit und der Standort in Nähe des Hauptbahnhofs, zeichnen das Angebot als niedrigschwellig aus. Der Laden hat keine Pforte, und eine gut einsehbare Fensterfront wirkt außerdem einladend. Die Räumlichkeiten können von der Zielgruppe auch unabhängig von den konkreten Hilfeangeboten als Schutzraum genutzt werden. Um Betroffenen mögliche Schwellenängste zu nehmen, wurde das Ladenlokal in einem üblichen Lebensraum der Zielgruppe verortet. Neue Gäste werden durch die Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter persönlich begrüßt und eingeführt. Bei Sprachbarrieren fungieren andere Gäste des Ladens als Übersetzerinnen und Übersetzer. Die morgendlichen Öffnungszeiten (8.00–10.00 Uhr) kommen dabei den Bedürfnissen der Klientinnen und Klienten entgegen, die auf der Straße schlafen und in der Regel ihren Schlafplatz sehr früh verlassen müssen. Dieses Angebot gilt von Montag bis Samstag und an besonderen Feiertagen wie Ostern oder Weihnachten. Außerhalb der Öffnungszeiten arbeiten die Beschäftigen des Kontaktladens in der Straßensozialarbeit.

Die Unterstützungsangebote kommen nur auf Wunsch der Klientinnen und Klienten zustande. Werden die Angebote der Sozialarbeiterinnen und -arbeiter oder der Krankenschwester angenommen, zieht dies keine Verpflichtungen für die Klientinnen und Klienten nach sich. Ihre Anonymität bleibt gewahrt. Ist ihr Vertrauen gewonnen, wird ihnen die Vermittlung an weiterführende Beratungsstellen, Ämter und Einrichtungen der medizinischen/pflegerischen Versorgung angeboten. Damit die Vermittlung gelingt, motivieren die Sozialarbeiterinnen und -arbeiter sowie die Krankenschwester nachdrücklich dazu, Veränderungswünsche in die Tat umzusetzen. Um Schwellenängste abzubauen, beschreiben sie die zu erwartenden bürokratischen Handlungsabläufe und begleiten Betroffene bei Bedarf zu den entsprechenden Stellen.

Empowerment

Personen aus dem Milieu der Zielgruppe leiden häufig unter einem geringen Selbstwertgefühl. Daher ist im Konzept des Kontaktladens „Mecki“ die Stärkung der Selbsthilfepotenziale und die Förderung von Eigeninitiative grundlegend verankert.

Dies macht sich in der täglichen Arbeit vor allem bei Maßnahmen zur Wiedereingliederung betroffener Personen in das soziale System bemerkbar. Die Vermittlungsarbeit der Beschäftigten ist ein in sich abgestufter Prozess. Er reicht von der Unterstützung bei Behördengängen bis zur unkomplizierten Weitergabe von Adressen. Bei diesen Hilfestellungen wird zu jedem Zeitpunkt das Ziel der schrittweisen Verselbstständigung der Adressaten und Adressatinnen im Auge behalten.

Weitgehende Unterstützung im gesundheitlichen Bereich bietet die Krankenschwester an. Um zu verhindern, dass Wohnungslose aus Angst oder Scham über ihren körperlichen Zustand oder wegen fehlender Ausstattung einen dringend notwendigen Krankenhausaufenthalt nicht antreten, unterstützt die Krankenschwester diese, sich hinsichtlich der dafür nötigen Unterlagen und Ausstattung zu organisieren. Für die Zeit nach dem Klinikaufenthalt werden Verhaltensregeln besprochen und gemeinsam mit den Betroffenen Unterkunftsmöglichkeiten geregelt. Während der täglichen Arbeit im Kontaktladen werden auch Diätvorschläge bei bestimmten Krankheiten unterbreitet oder allgemeine Ernährungs- und Hygienehinweise zum Beispiel zur Wundversorgung gegeben. Bei Auswahl und Intensität der Hilfestellung orientieren sich die Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter des Kontaktladens an den subjektiven Voraussetzungen und Fähigkeiten der jeweiligen Klientinnen und Klienten. Im Einzelfall wird mit Betroffenen über ein adäquates und der Situation angemessenes Verhalten gesprochen. Ziel ist in jedem Fall die Stärkung der Selbsthilfekräfte durch ein auf die individuellen Fähigkeiten abgestimmtes Vorgehen.

Den Gästen des Kontaktladens werden Ressourcen in Form instrumenteller Hilfen wie die kostenlose Benutzung des Telefons, Fahrkarten für öffentliche Verkehrsmittel, Stadtpläne sowie weiteres Informationsmaterial zur Verfügung gestellt, damit sie notwendige Arztbesuche oder Behördengänge wahrnehmen können. Auf Wunsch findet anfangs auch eine Begleitung zum Beispiel durch Sozialarbeiterinnen bzw. -arbeiter oder die Krankenschwester statt. Ziele sind die Unterbringung in einer Wohnung bzw. eine wohnungsähnliche Unterbringung, die Wiedereingliederung in das allgemeine Gesundheits- und Sozialsystem und im weiteren Verlauf die soziale Integration. Der Anteil der Unterbringungen hat in den letzten beiden Jahren nach Angaben der Niedersächsischen Ärztekammer vom Februar 2006 deutlich zugenommen. Der Anteil der Frauen, die integriert werden, übersteigt dabei den der Männer.


Laufzeit des Angebotes

Beginn: 1985

Abschluss: kein Ende geplant


Welche Personengruppe(n) in schwieriger sozialer Lage wollen Sie mit Ihrem Angebot erreichen?

Menschen in schwieriger sozialer Lage stellen keine besondere Zielgruppe des Angebotes dar.


Das Angebot richtet sich insbesondere an folgende Altersgruppen

  • 18 bis 29 Jahre
  • 30 bis 49 Jahre
  • 50 bis 65 Jahre

Das Angebot umfasst geschlechtsspezifische Angebote für

  • Keine geschlechtsspezifischen Angebote

Schwerpunkte des Angebotes

  • Prävention von Infektionskrankheiten (Impfen)
  • Unfall-/ Sturzprävention
  • Multimorbidität
  • Stärkung sozialer Kompetenzen
  • Soziale Teilhabe (Integration, Inklusion)

Das Angebot wird hauptsächlich in folgenden Lebenswelten umgesetzt

  • Sonstiges:

Qualitätsentwicklung

Wie dokumentieren Sie Ihre Arbeit? (z.B. Konzepte, Handreichung)

Quelle der Veröffentlichung/URL: Aufsuchende Gesundheitsfürsorge für Obdachlose in Hannover

Es ist bereits ein Ergebnisbericht vorhanden.


Stand

28.05.2024

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