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Angebotsdarstellung

Good Practice

Veröffentlichung: 2009

Kooperationseinrichtung Kleeblatt

Kurzbeschreibung mit Zielen und Maßnahmen

Die Erfurter Kooperationseinrichtung „Kleeblatt“ ist eine sozialpädagogische Fördereinrichtung für Kinder, die wegen seelischer Behinderung mit Beeinträchtigungen im Lernen und Verhalten im öffentlichen Schulsystem scheitern. Meist stammen sie aus Familien mit niedrigem Sozialstatus. Einzelunterricht und eine intensive sonderpädagogische Betreuung leiten die Kinder dazu an, ihre Ressourcen zu entdecken und zu mobilisieren. Die Einrichtung trägt maßgeblich dazu bei, die Gesundheit der Kinder und Jugendlichen zu verbessern. Zum einen geschieht dies durch die Steigerung psychosozialer Kompetenzen was ihnen u. a. Sicherheit gibt, zum anderen sind sie meist wesentlich entspannter weil zum Beispiel der Alltag strukturierter ist. Dies soll ihnen ermöglichen, später wieder in die alte Schule zurückzukehren. Ihr Alltag wird durch das Lernen im Kleeblatt, das ganz auf ihre individuellen Bedürfnisse ausgerichtet ist, stabilisiert. Etwa 80 Prozent der Schülerinnen und Schüler, die größtenteils aus sozialbenachteiligten Familien stammen, können nach der (Re-) Integrationsphase wieder in die Regelschule entlassen werden. Die Arbeit erfolgt multiprofessionell.

Die Einrichtung erfüllt den Rechtsanspruch auf Eingliederungshilfe bei gesundheitlicher Beeinträchtigung, der Kindern und Jugendlichen nach § 35a SGB VIII zusteht, und schließt Lücken in vorhandenen Betreuungssystemen. Getragen wird das „Kleeblatt“ von Jugendamt, Schulamt Mittelthüringen und Amt für Bildung der Stadt Erfurt sowie der Arbeiterwohlfahrt AJS gGmbH.

Dokumente zur Darstellung des Angebotes


Kontakt

Herr Heiko Skamradt
Stadtweg 06
99099 Erfurt (Thüringen)

Telefon: 0361 / 51150810

E-Mail: kleeblatt(at)awo-thueringen.de

Website: http://www.awo-ajs-thueringen.de


Projektträger

AWO Alten-, Jugend- und Sozialhilfe (AJS) gGmbH
Juri-Gagarin-Ring 160
99084 Erfurt


Hintergrund

Die Zahl der Kinder und Jugendlichen mit Beeinträchtigungen im Lernen und Verhalten und mit seelischer Behinderung oder in der Gefahr einer solchen Behinderung ist hoch. Aus dem Zwölften Kinder- und Jugendbericht der Bundesregierung (BFSFJ, 2005) geht hervor, dass immer mehr Kinder und Jugendliche von Verhaltensproblemen, emotionalen Problemen und Hyperaktivitätsproblemen betroffen sind. So zeigen 11,9 Prozent der Mädchen und 17,6 Prozent der Jungen Probleme im Verhalten und 9,7 Prozent der Mädchen beziehungsweise 8,6 Prozent der Jungen emotionale Probleme. Bei den Hyperaktivitätsproblemen liegen die Werte bei den Mädchen mit 4,8 Prozent und bei den Jungen mit 10,8 Prozent mehr als doppelt so hoch (KiGGS-Studie, 2007). Die Gründe hierfür sind zum einen in der sozialen Situation der Kinder und Jugendlichen und zum anderen in den fehlenden Ressourcen und Möglichkeiten der Familien zu finden. Die Diagnosen korrelieren mit einem niedrigen Sozialstatus. Kinder aus Familien mit niedrigem Sozialstatus zeigen häufiger Sprachauffälligkeiten, psychomotorische Defizite, psychiatrische Erkrankungen sowie emotionale und soziale Störungen. Die Werte für psychische Probleme betragen bei Befragten mit hohem sozioökonomischen Status etwa 8,1 Prozent. Demgegenüber liegen die Werte bei mittlerem und niedrigem Sozialstatus bei 13,4 und 23,2 Prozent (KiGGS-Studie, 2007).

Die Langzeitfolgen psychischer Probleme sind besonders für Kinder schwer wiegend, da diese sich in einer sensiblen Entwicklungsphase befinden. Für den Bildungserfolg gelten Wohlbefinden und Zufriedenheit als ausschlaggebende Faktoren. Besonders Kindern aus sozial benachteiligten Familien bleiben damit Bildungs- und Lebenschancen versagt (BDP, 2007).

Kinder werden laut Konzeption in der Einrichtung „Kleeblatt“ von der ersten bis zur sechsten Klasse beschult. Sie können aber teilweise auch bis zu 15 Jahre alt sein und sind dann meist aus pädagogischen Gründen versetzt (siehe Abbildung 1; Abbildungen zur Good Practice-Beschreibung).

Die Kinder zeigen hauptsächlich Störungen im Sozialverhalten, hier vor allem oppositionelles, aufsässiges bis aggressives Verhalten, weiterhin Aufmerksamkeitsstörungen (ADHS) und emotionale Störungen. Sie weisen ebenfalls eine geringe psychische Belastbarkeit, Affektlabilität, Steuerungsschwäche, Leistungsversagen oder -verweigerung und Schulangst auf, wobei die Ausprägungen auf einer Skala von akut bis chronisch beschrieben werden können.

Die Kinder sind aufgrund ihrer Lebensverhältnisse und Beziehungen den Alltagsanforderungen häufig nicht gewachsen. Oftmals werden wesentliche Bedürfnisse zum Beispiel nach emotionaler Bindung, Sicherheit, Kreativität, Partizipation, Identität unzureichend befriedigt. Teilweise fehlen den Kindern grundlegende Alltagskompetenzen wie regelmäßiges Waschen und Essen. Damit fehlen auch die Grundlagen für ein normales Lernen.

Das Projekt ist aufgrund des Anliegens einer Arbeitsgruppe aus verschiedenen Fachbereichen im Jugendamt entstanden. Ziel war es, für seelisch behinderte Kinder im Grund- und Regelschulalter, die momentan im öffentlichen Schulsystem scheitern, eine auf individuelle Bedürfnisse ausgerichtete Einrichtung zu schaffen.

Im Erfurter „Kleeblatt“ werden die Kinder nach § 27 ff. des Kinder- und Jugendhilfegesetzes (SGB VIII) sozialpädagogisch gefördert und nach der Thüringer Schulordnung unterrichtet. Die Teilhabe am Leben in der Gesellschaft gilt bei Kindern und Jugendlichen, deren seelische Gesundheit länger als sechs Monate von dem als für das Lebensalter typischen Zustand abweicht, als eingeschränkt. Der Rechtsanspruch, der Kindern und Jugendlichen nach § 35a SGB VIII auf Eingliederungshilfe bei gesundheitlicher Beeinträchtigung zusteht, wird durch die Einrichtung realisiert. Kinder, denen es zeitweise nicht möglich ist, in einer Grund-, Regel- oder Förderschule zu lernen, werden im „Kleeblatt“ individuell beschult. Darüber hinaus erfolgt eine sonderpädagogische Förderung. Die Betreuung geht dabei weit über die Beschulung und sonderpädagogische Förderung hinaus.

Die Einrichtung „Kleeblatt“ entstand aus der Zusammenarbeit von vier Institutionen und erhielt daraus seinen Namen. Beteiligt sind das Staatliche Schulamt der Stadt Erfurt, das Jugendamt der Stadt Erfurt, das Amt für Bildung der Stadt Erfurt und die Arbeiterwohlfahrt AJS gGmbH. Die Räumlichkeiten des „Kleeblatt“ befinden sich in einem alten Schulgebäude in Erfurt und liegen etwas vom Stadtzentrum entfernt in einer ruhigeren Wohngegend.

Das Jugendamt übernimmt die finanzielle Versorgung über eine bewilligte Hilfe zur Erziehung im Rahmen eines Hilfeplanverfahrens für den Einzelfall, das Amt für Bildung stellt die räumliche Ausstattung zur Verfügung und beteiligt sich zudem an den Sachkosten. Das Staatliche Schulamt setzt das schulische Personal ein. Der Arbeiterwohlfahrt (AWO AJS gGmbH) als freiem Träger der Einrichtung obliegt sowohl die organisatorische, betriebswirtschaftliche und personelle wie auch die konzeptionelle, qualitative und inhaltliche Ausgestaltung der Einrichtung. Die AWO greift dabei auf hochqualifiziertes und multiprofessionelles Personal zurück: Grund-, Regelschul- und Förderschullehrerinnen, eine Musiktherapeutin, Erzieherinnen und Erzieher, sonderpädagogische Fachkräfte, eine Heilpädagogin/Spieltherapeutin, eine Motologin sowie Ergo-/Reitherapeuten und -therapeutinnen arbeiten als Team zusammen.


Ziele und Zielgruppen

Kinder und Jugendliche, die aufgrund seelischer Behinderung im Lernen beeinträchtigt sind und deshalb im öffentlichen Schulsystem scheitern, sind die Zielgruppe des Projektes. Die Teilnahme mit der individuellen Förderung soll es ihnen ermöglichen, stabil zu werden und später in die Herkunftsschule zurückzukehren. Den Kindern und Jugendlichen fehlt es an vielen Alltagskompetenzen, die für die herkömmliche Beschulung grundlegend sind. Hier setzen die Maßnahmen der Einrichtung an.


Vorgehen

Im Vorfeld der Aufnahme einer Schülerin oder eines Schülers in die Einrichtung kommt es zu Gesprächen mit dem Jugendamt, den Eltern, dem Kind, Lehrkräften und dem Mobilen Sonderpädagogischen Dienst (MSD) der Herkunftsschule sowie gegebenenfalls mit Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter medizinischer Einrichtungen. In der Regel werden vor der Aufnahme auch Gutachten eingeholt. Dazu zählen sozialpädagogische Diagnosen, ein Genogramm/Soziogramm, therapeutische Vorbefunde und ein Auftrag vom Jugendamt sowie die Schülerakte und Auskünfte zum Schulweg seitens der Schule. Anschließend findet eine Aufnahmekonferenz unter Beteiligung des Jugendamtes, der Herkunftsschule, der Eltern und Vertreter von „Kleeblatt“ statt. In einer Probephase, die der Aufnahme- und Eingewöhnung dient, werden zur Erarbeitung eines individuellen Förderungsplans eine Aufnahmediagnostik durchgeführt und Entscheidungen und Prognosen gefällt. Diese fließen in den individuellen Hilfeplan ein. Darin werden sonder- und sozialpädagogische Förderschwerpunkte festgelegt. Weiter erfolgt eine Orientierung an der Gesamtstundenzahl der Thüringer Schulordnung. Der Hilfeverlauf wird kontinuierlich in der Hilfeplanfortschreibung dokumentiert. So soll langfristig die geplante reibungslose Integration in den Alltag der Herkunftsschule gefördert werden. Ziel ist eine Annäherung des Verhaltens der Kinder an das Normverhalten, zur späteren Integration in die (Herkunfts-) Schule. Die Kinder transferieren ihre erlernten Kompetenzen in ihr soziales Umfeld und ihre alltäglichen Lebensräume wie Familie, Horte, Spielplätze und Vereine. In der Hilfeplanfortschreibung werden Integrationsumfang und -bedingungen sowie der Beginn mit den Eltern, dem Kind und den Pädagoginnen und Pädagogen besprochen und dokumentiert. Die (Re-) Integration in die Schule erfolgt letztendlich nach der ganzheitlichen Stabilisierung der Persönlichkeit der Schülerinnen und Schüler. Die Erfolgsquote nach der (Re-) Integrationsphase liegt bei 80 Prozent. Dazu finden pädagogische Beratungen zwischen der Schulleitung und Beratungslehrkräften der Integrationsschule sowie den Pädagoginnen und Pädagogen des „Kleeblatt“, weiterhin Elterngespräche und eine Klassenkonferenz statt. Die Integrationslehrkräfte werden zudem in das Projekt eingeladen. Zum einen werden dabei die Ressourcen dokumentiert, zum anderen wird der Förderplan zur Integration in die (Herkunfts-) Schule fortgeschrieben. In der Ablösephase wird die Eigenverantwortung wenn nötig durch niedrigschwellige Hilfen gestützt. Abschließend erfolgen eine Nachbetreuung und ein Abschlussgespräch, das die Hilfe durch das „Kleeblatt“ beendet.

Die Einrichtung bietet den Kindern eine feste Tagesstruktur mit regelmäßigen Abläufen und Unterricht. Den Unterricht gestalten jeweils eine Lehrerin, ein Lehrer gemeinsam mit einer Sozialarbeiterin oder einem Sozialarbeiter nach spezifischen Tages- und Wochenplänen. In einer Gruppe befinden sich nie mehr als sechs Kinder. Der Tag beginnt mit einer offenen Eingangsphase, in der die Kinder ankommen können und sich auf den Unterricht vorbereiten. Die erste von drei Lerneinheiten mit Kernunterricht umfasst auch eine gemeinsame Auswertung der Lerneinheit sowie die Vorbereitung auf die zweite. Nach dem Frühstück und der zweiten Lerneinheit steht „Kreatives Spielen“ auf dem Tagesplan. Das Spiel oder auch „Erlebnissachholen“ findet auf dem Außengelände oder auf Projektfahrten statt, auch bei schlechtem Wetter. Die dritte Lerneinheit bietet die Möglichkeit einer Mittagsruhe, an die sich das Mittagessen anschließt. Hausaufgaben und sozialpädagogische Gruppenarbeit, gemeinsame Vesper und eine offene Schlussphase bilden den Abschluss des Schultages, danach werden viele Kinder durch Fahrdienste wieder nach Hause gebracht. Größere können nach vorübergehend pädagogisch betreutem „Wegetraining“ bereits allein nach Hause gehen. Neben dem Kernunterricht im individuellen kindgerechten Tagesplan stehen wöchentlich Lehrgänge, zum Beispiel zur Verkehrserziehung und zur Fahrradausbildung, oder auch Präsentationen der Kinder zu einem bestimmten Thema auf dem Programm. Dabei liegt dann das Hauptaugenmerk auf der Selbstwertstärkung der Kinder zur seelischen Gesundung. Bei den Angeboten zum Schwimmen, Wandern und anderem ist die Verknüpfung von seelischer und körperlicher Stärkung wichtig.

Die Arbeit mit den einzelnen Kindern setzt immer an den persönlichen Fähigkeiten, Fertigkeiten und Kompetenzen an. Dabei wird großer Wert auf die Wertschätzung der individuellen Kenntnisse und Fähigkeiten gelegt. Das Selbstbewusstsein und das Selbstwertgefühl sollen bestmöglich gefördert und gestärkt werden. Dazu finden regelmäßig Teambesprechungen über die Gegebenheiten und die Möglichkeiten statt. Um die Alltags- und Erziehungskompetenz der Eltern zu fördern, erhalten auch sie die größtmögliche Unterstützung.


Good Practice in

Nachhaltigkeit

Das Projekt setzt seinen Schwerpunkt auf Grund- und Regelschulkinder. Auch deren Eltern werden in die therapeutischen Hilfen mit einbezogen, erhalten auch im eigenen Zuhause Erziehungsberatung und sind zu wöchentlichen Treffen im Kleeblatt eingeladen. Im so genannten Pendelheft findet schriftlicher Informationsaustausch zwischen den Eltern und den Mitarbeiterinnen und Mitarbeitern des Kleeblatt statt. Weiterhin erhalten die Eltern Schulungen in Alltagsfragen wie Kochen, Zubereitung von gesundem Frühstück und Körperpflege und darüber hinaus treffen sie sich zu Elternwandertagen und zum Elternfrühstück. Für jedes Kind besteht zum einen ein individueller Hilfeplan in Form einer Vereinbarung zwischen Jugendamt, Eltern und Kind. Zum anderen wird im Alltag auf die Bedürfnisse des Kindes hingearbeitet. Nach dem persönlichen Hilfeplan jedes Kindes, der neben dem Soziogramm und Genogramm die Ressourcen, Stärken und Schwächen enthält, erstellt das Team einen Strukturplan, der neben Lernphasen auch persönliche Bedürfnisse festhält, die im Projekt bearbeitet werden. Zunächst erfolgt eine Anfrage an das Projekt durch das Jugendamt, die Schule oder die Eltern. Je nach Situation der Familie wird auch aufsuchend gearbeitet. Hochengagierte und -qualifizierte Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter arbeiten sehr eng als multiprofessionelles Team zusammen. Die regelmäßige Weiterbildung der einzelnen Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter und der Austausch von Wissen nehmen einen hohen Stellenwert ein. Die Teammitglieder haben zwölf regelmäßige Supervisionstermine jährlich, in Krisensituationen auch umgehend einberufene zusätzliche Termine.

Für jede Schülerin und jeden Schüler wird halbjährlich ein individueller Förder- und Entwicklungsplan erstellt, welchen die Eltern und die Schule erhalten. Darin wird neben der Förderung der sozial-emotionalen Entwicklung entsprechend der aktuellen Bildungssituation die Förderung kognitiver Fähigkeiten geplant. Zudem sind darin sonderpädagogische und sozialpädagogische Förderungsschritte festgehalten.

Für den professionellen Umgang mit Krisen der Kinder und Teammitglieder im Projekt wurden seit 2003 schrittweise folgende Punkte bearbeitet:
- pädagogische Handlungsstrategien im Umgang mit traumatisierten Kindern und Jugendlichen,
- Strategien in Abstimmung mit Kindern und Eltern für unvorhergesehene Krisensituationen,
- Erweiterung der Arbeit mit Eltern auf die aufsuchende Arbeit,
- praktisches Konflikt- und Krisenmanagement,
- pathologische Hintergründe und Krankheitsbilder.

Außer an Weihnachten und eine Woche in den Sommerferien ist eine durchgängige Ferienbetreuung im gesamten Schuljahr gewährleistet.

Ein Aufenthalt im Projekt „Kleeblatt“ vermeidet Manifestationen und Folgeschäden und eine (noch) ungünstigere Entwicklung der Kinder. Das Projekt besteht seit 1997 und wurde von einer Elterninitiative ins Leben gerufen. Die Planung und das Vorgehen wurden ständig hinterfragt, angepasst, überprüft und verbessert. Es wurde damals als erstes seiner Art gegründet, um Kindern und deren Eltern einen Ort zu schaffen, an dem sie mit ihren individuellen Fähigkeiten eine stufenweise (Re-) Integration in das reguläre Schulsystem, bei lebenspraktischen und erzieherischen Hilfen im Umgang mit den medizinischen Diagnosen und deren Besonderheiten im Alltag, erreichen können. Ein weiteres zentrales Projektziel ist es, den Verbleib der Kinder in ihren Herkunftsfamilien zu sichern. Von den bereits 66 Kindern und Jugendlichen, welche seit Bestehen des Projektes im „Kleeblatt“ gefördert und beschult wurden, mussten erst 13 in stationäre Einrichtungen abgegeben werden. Hier sind die Gründe unterschiedlich zu betrachten, auch in Abhängigkeit der vorherigen Auftragslage für den Einzelfall. So haben zum Beispiel Eltern der häuslichen Belastung nicht mehr standhalten können, da sich das Krankheitsbild, etwa wegen hinzukommender Pubertätserscheinungen, erheblich verschlimmert hatte. Es kam auch vor, dass das Jugendamt die Einrichtung von vornherein als Clearingstelle für eine geplante stationäre Aufnahme beauftragt hat, oder die Kinder wurden bei geplanter Inobhutnahme vorübergehend in den Schutzraum „Kleeblatt“ überstellt, bis eine geeignete Pflegestelle gefunden war.

Finanziert ist das Projekt über die §§ 27 ff SGB VIII, selten auch über den § 35a SGB VIII.

Empowerment

Die persönlichen, familiären und sozialen Ressourcen sind bei psychisch auffälligen Kindern geringer ausgeprägt. Daher ist ihre gesundheitsbezogene Lebensqualität deutlich eingeschränkt. Deshalb ist es sehr wichtig, die vorhandenen Ressourcen nicht nur zu berücksichtigen, sondern verstärkt zu fördern. Häufig fehlen den Kindern Alltagskompetenzen wie regelmäßiges Waschen, gemeinsames Essen, aber auch die Fähigkeit, sich auszudrücken, ihre Bedürfnisse zu äußern und anderes. Die Kinder und Jugendlichen im Projekt kommen nicht ausschließlich aus sozial schwachen Familien, jedoch größtenteils. Soziale Benachteilung besteht auch durch die vorhandene oder drohende seelische Behinderung der Kinder. Im Projekt werden, orientiert am jeweiligen (Entwicklungs-)Stand des einzelnen Kindes, zum Beispiel über Rituale beim Ankommen am Morgen ganz alltägliche Dinge wie Frühstücken und Händewaschen oder das Zubereiten einer gesunden, vollwertigen Mahlzeit eingeübt. Die Kinder lernen dabei, Alltagsfertigkeiten zeitgleich auch im häuslichen Umfeld oder in der Freizeit eigenverantwortlich und selbstbestimmt umzusetzen.

Die schulische Integration in die allgemein bildende Schule und die Reintegration in das Wohnumfeld sind die primären Ziele des Projektes. Wie lange die Kinder und Jugendlichen im Projekt bleiben, richtet sich nach den individuellen Fortschritten im Bezug auf das kognitive und soziale Lernen. Die Verweildauer liegt im statistischen Durchschnitt bei ungefähr zweieinhalb Jahren. Dabei kann es durchaus Einzelfälle geben, welche weit darunter oder auch darüber liegen, da keine adäquate Hilfeleistung gefunden wird. Die effektive Aufenthaltsdauer beträgt zwischen einem und vier Jahren. Ausschlaggebend ist hierbei die halbjährliche Abklärung aller am Hilfeprozess Beteiligten in einer „Kollegialen Fallberatung“. Hier spielt das ganze Netzwerk zusammen, darunter auch die medizinisch-therapeutische Betreuung von beispielsweise an Borderline erkrankten Erziehungsberechtigten. Daraus ergeben sich als Arbeitsaufgaben im „Kleeblatt“:
- die Anbahnung eines kontinuierlichen Schulbesuchs,
- das Erlernen von Gemeinschaftsfähigkeit und Sozialkompetenz,
- die Orientierung an Leistungsanforderungen und Lernzielen der allgemein bildenden Schulen,
- der Aufbau und die Stabilisierung von Lernfreude, -willen und -motivation und
- die Förderung von Erziehungstüchtigkeit der Personensorgeberechtigten beziehungsweise Herkunfts- oder Pflegefamilien.

Die Kinder werden dabei immer in die Planung einbezogen und haben Mitspracherecht in allen Belangen.

Auch die Eltern sind intensiv an der Hilfeplanung beteiligt, werden ernst genommen, durch die aktive Teilhabe an den Entscheidungen in ihren eigenen (Erziehungs-)Kompetenzen bestärkt und ermutigt, ihre Lebenssituation und die ihrer Kinder zu verbessern. Für den Erfolg des Projektes ist die Unterstützung durch die Eltern ausschlaggebend. Erfolgt keine Unterstützung, können die Kinder nicht am Projekt teilnehmen (siehe Abbildung 2; Abbildungen zur Good Practice-Beschreibung).


Gesammelte Erfahrungen (Lessons Learned)

Die Erfahrungen am Projektanfang haben gezeigt, dass der eigentliche Förderunterricht bei neuen Projektteilnehmern und -teilnehmerinnen zunächst in den Hintergrund tritt. Die Offenheit für individuellen Unterricht scheitert bereits an mangelhaft befriedigten Grundbedürfnissen. Zum Beispiel haben die Kinder und Jugendliche nicht ausreichend gefrühstückt oder keine frische und sauber Kleidung an. Des Weiteren fallen die Schülerinnen und Schüler im herkömmlichen Schulunterricht aufgrund ihrer gering ausgeprägten sozialen Kompetenzen auf. Daher ist es notwendig, zunächst mit der Förderung alltäglicher Kompetenzen zu beginnen. Hierbei ist ein sensibles Abwägen zwischen sehr großem Entgegenkommen und Sanktionen notwendig. Ein weiteres zentrales Anliegen ist zudem die Einbeziehung der Eltern, die sich nicht immer unproblematisch zeigt, da oftmals zum Beispiel kein großes Interesse vorhanden zu sein scheint.


Literatur

Bundesministerium für Familie, Senioren, Frauen und Jugend (BFSFJ) (2005). Zwölfter Kinder- und Jugendbericht: Bericht über die Lebenssituation junger Menschen und die Leistungen der Kinder und Jugendhilfe in Deutschland. Bundestags-Drucksache 15/6014. Berlin.

Robert Koch-Institut (2007). Kiggs-Studie. URL: www.kiggs.de (03.05.2009).



Vorstand des Berufsverbandes Deutscher Psychologinnen und Psychologen e.V. (Hrsg.) (2007). Bericht zur Kinder- und Jugendgesundheit in Deutschland. URL: www.bdp-verband.de/bdp/politik/2007/70330_kiju-gesundheitsbericht.html (03.05.2009).


Laufzeit des Angebotes

Beginn: September 1997

Abschluss: kein Ende geplant


Das Angebot richtet sich insbesondere an folgende Altersgruppen

  • 6 bis 10 Jahre
  • 11 bis 14 Jahre

Das Angebot umfasst geschlechtsspezifische Angebote für

  • Keine geschlechtsspezifischen Angebote

Schwerpunkte des Angebotes

  • Gewaltprävention
  • Stärkung der individuellen Bewältigungsressourcen (z.B. Life skills, Resilienz)
  • Bildung
  • Stärkung sozialer Kompetenzen
  • Soziale Teilhabe (Integration, Inklusion)

Das Angebot wird hauptsächlich in folgenden Lebenswelten umgesetzt

  • Kindertageseinrichtung / Kindertagespflege
  • Schule
  • Häusliches Umfeld

Qualitätsentwicklung

Was machen Sie, um die Qualität Ihres Angebotes weiterzuentwickeln?

Es erfolgt eine ständige Weiterbildung der Mitarbeiter und Weiterentwicklung der Methoden der Wissensvermittlung.
Das Konzept der Einrichtung wird ständig weiterentwickelt. Eine Enge Zusammenarbeit aller Kooperationspartner ist Vorraussetzung, um die Qualität zu erhöhen. Es finden regelmäßig Gespräche aller Kooperationspartner statt.

Es ist kein Ergebnisbericht vorhanden.

Das Vorgehen der Qualitätsentwicklung kann ganz unterschiedlich sein. Einiges haben Sie bereits genannt. Welches der folgenden Verfahren wenden Sie zusätzlich an?

Qualitätszirkel

Mitarbeiter der Einrichtung treffen sich zum regelmäßigen Austausch und zur Modifizierung der verschiedenen Qualitätsmanagment-Standarts der Einrichtung bzw. des Trägers(AWO AJS gGmbH). Der Träger hat eine eigene Qualitätsmanagmentabteilung, die alle Standarts kontrolliert und ständig weiterentwickelt.

Die Qualitätsentwicklung und Ergebnissicherung sind in ein Qualitätsmanagementsystem eingebunden.


Stand

06.06.2024

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