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Angebotsdarstellung

Good Practice

Veröffentlichung: 2007

"Mit den Augen des anderen" Integrationsprojekt für Menschen mit psychischen Behinderungen

Kurzbeschreibung mit Zielen und Maßnahmen

Vor dem Hintergrund der oft existierenden Ausgrenzung von psychisch behinderten jungen Menschen sowie jungen Menschen, die aufgrund eines Unfalles, ihrer Dickleibigkeit bzw. anderer gesundheitlicher Beeinträchtigungen benachteiligt sind, wurde das Integrationsprojekt „Mit den Augen des anderen“ entwickelt. Über unterschiedliche gesundheits- und freizeitorientierte Angebote erhalten die Teilnehmerinnen und Teilnehmer Gelegenheit, ihre persönlichen Stärken und Schwächen zunächst in einem geschützten Raum auszuprobieren, um darüber ihr Selbstwertgefühl zu stärken und einen Weg zurück in die Gesellschaft zu finden. Die jungen Erwachsenen werden direkt in ihrer aktuellen Lebenswelt, zum Beispiel betreute Wohn- und Arbeitsstätten, abgeholt und für eine Teilnahme am Projekt motiviert. Über eine Förderung im Rahmen des Programms LOKAST werden gesundheitsfördernde und beschäftigungsfördernde Aspekte in diesem Projekt zusammengefasst. Die Teilnehmenden werden befähigt, aktiv und selbstbestimmt ihre Zukunft zu gestalten.


Kontakt

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Telefon: -

E-Mail: ernaehrung(at)amz-jena.de


Weitere Ansprechperson

Frau Kathrin Schönherr
Ernst-Abbe-Platz 3-4
07749 Jena (Thüringen)

Telefon: 03641 / 574555

E-Mail: ernaehrung(at)amz-jena.de


Projektträger

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Hintergrund

Junge Menschen mit Behinderungen nehmen ihr Anderssein sehr genau wahr. Sie erleben ihre Behinderung zum Teil bestimmend für ihr Leben. Vielfach steht die Beschäftigung mit dem, was sie nicht können, mehr im Vordergrund, als das, was sie als junge Männer und Frauen mit ihren spezifischen Bedürfnissen ausmacht. Sie erfahren oft, dass sie aufgrund ihrer Behinderung von ihrer Umgebung stigmatisiert werden und von der Teilnahme am gesellschaftlichen Leben ausgeschlossen werden. Auch das im Mai 2002 in Kraft getretene „Gleichstellungsgesetz für Menschen mit Behinderungen“ hat nicht dazu geführt, dass Menschen mit Behinderungen in der Realität gleichberechtigt sind, die Ausgrenzung aufgehoben ist, Beteiligung am gesellschaftliche Leben stattfindet und ein selbstbestimmtes Leben im Mittelpunkt steht. Behinderte junge Menschen wachsen zum Teil getrennt von der Lebenswelt Gleichaltriger auf. Dem Projekt liegt die Beobachtung der Kooperationspartner zugrunde, dass über die Therapie hinausgehend junge Erwachsene Lebensräume und zwischenmenschliche Begegnungen benötigen, um Isolation und Einsamkeit zu überwinden. Ein Großteil der Teilnehmenden erlebt sich bereits über Jahre hinweg als „Problemfall“. Ihr Lebensweg ist in Akten dokumentiert, diagnostiziert und wird in Supervisionen besprochen. Ihr Selbstwertgefühl als Voraussetzung für die eigenverantwortliche und selbstbestimmte Steuerung von Lebensprozessen ist jedoch zum Großteil aufgrund ihrer Biografie gering ausgeprägt. Ein Gefühl von der eigenen Person kann nur entwickelt werden, wenn der bzw. die Einzelne erlebt, dass er/sie in seiner/ ihrer Individualität akzeptiert wird und in der Gemeinschaft wahrgenommen wird – nicht als Akte, Fall oder Problem, sondern als Persönlichkeit.


Vorgehen

Das Projekt „Mit den Augen des anderen“ ist darauf ausgerichtet, dass bei arbeitslosen, sozial benachteiligten und psychisch erkrankten Jugendlichen und jungen Erwachsenen das Selbstwertgefühl und ihre eigene Persönlichkeit gestärkt wird und sie sich besser in ihr soziales Umfeld integrieren können.

Ziel ist es, dass die Angesprochenen lernen, sich so zu akzeptieren und wertzuschätzen wie sie sind und ihre eigenen Ressourcen erkennen. Weiterhin spielt die Befähigung zur selbstständigen Arbeitssuche eine große Rolle. Das geschieht wie folgt: in differenzierten Workshops wurden über einen Zeitraum von acht Monaten ein- bis zweimal wöchentlich individuelle Fähigkeiten der Teilnehmerinnen und Teilnehmer aufgedeckt und gestärkt sowie ihnen neue Kenntnisse vermittelt. Ein zentrales Thema der Workshops war gesunde Ernährung. Mit einem praxisnahen und nicht belehrenden Angebot wurde über das gemeinsame Zubereiten einer Mahlzeit ein Zugangsweg zu den Teilnehmerinnen und Teilnehmern geschaffen, um sie für ihre eigene Gesundheit zu sensibilisieren. Gleichzeitig sollten die allgemeinen Haushaltskompetenzen und die wirtschaftlichen Kompetenzen der Teilnehmenden gestärkt werden. Anliegen war die Übertragbarkeit in den Alltag der jungen Erwachsenen, das heißt die Anwendung der gelernten Inhalte für den eigenen privaten Haus- halt und Lebensbereich. Mit dem Zubereiten einer gesunden Mahlzeit wurde den Teilnehmerinnen und Teilnehmern vermittelt, wie gesunde Ernährung (Vollwertkost nach DGE) preiswert zubereitet werden kann. Folgende hierfür subjektive Voraussetzungen bei den Teilnehmenden wurden gefördert:
- Vorhandensein von Kenntnissen und Fertigkeiten in der Nahrungsmittelzubereitung,
- Wissen um gesunde Ernährung, Haltbarmachung und Verwertung von Nahrungsmitteln, Kochen und Haushaltstricks, um sich gesund und preiswert zu ernähren,
- Verzicht auf industriell gefertigte Produkte.

Weitere Themen des Projekts waren Stressbewältigung und Entspannungstechniken, bewegungs- und erlebnisorientierte Angebote wie zum Beispiel Aqua-Training, Schwimmen, Nordic Walking, Klettern und Tanzimprovisation. Mit diesen Angeboten erhielten die Teilnehmerinnen und Teilnehmer über die sportliche Betätigung hinaus die Gelegenheit, bestehende Frustrationen zum Ausdruck zu bringen und abzubauen. Ein dritter Themenkomplex, der im Rahmen des Projekts bearbeitet wurde, war ein Bewerbungs- und Kommunikationstraining sowie der Erwerb von Grundkenntnissen im Umgang mit dem PC.

Die Angebote wurden jeweils von Mitarbeitern des Gesundheitszentrums Jena-Vital (Gesundheitsförderung Jena e.V.) in Kooperation mit externen Referentinnen und Referenten durchgeführt.


Good Practice in

Niedrigschwellige Arbeitsweise

Die Zielgruppe des Projekts ist zum Teil durch gesundheitliche und soziale Benachteiligungen gekennzeichnet. Einige Teilnehmerinnen und Teilnehmer waren hoch adipös bzw. schwerbehindert. Die Teilnehmenden wurden über unterschiedliche Zugangswege auf das Projekt und eine Teilnahme hin angesprochen und motiviert. Der persönliche Kontakt zu den jungen Erwachsenen stand hierbei im Mittelpunkt. Die Projektträger arbeiteten hierbei mit der Aktion Wandlungswelten Jena e.V. zusammen, einem Verein, der über das Angebot unterschiedlicher Wohnformen psychisch kranken Menschen Lebens- und Wohnraum außerhalb einer Klinik erschließt. Weitere Kooperationspartner waren der Sozialverband VdK Hessen-Thüringen. Teilnehmerinnen und Teilnehmer wurden auch über Behindertenwerkstätten und die Zusammenarbeit mit freien Betreuern und Betreuerinnen gewonnen. Bei dem Projekt handelte es sich um ein freiwilliges, offen strukturiertes Gruppenangebot. Über die wöchentlich stattfindenden Workshops wurden die Teilnehmenden kurz vorher jeweils noch einmal per SMS oder Telefon informiert. Trotz der sehr offenen Struktur des Angebots konnte zum Teil, das heißt themenabhängig, eine hohe Kontinuität der Teilnahme erreicht werden.

Die Angebote des Projekts (Gesundes Essen, Aqua-Fitness, Nordic Walking, Kletterwand) können von den Teilnehmerinnen und Teilnehmern kostenfrei genutzt werden. Es besteht die Möglichkeit für die Teilnehmenden, über das Projekt hinaus einzelne Bewegungsangebote weiterhin zu nutzen.

Empowerment

Die Planung der einzelnen Veranstaltungen erfolgte monatlich gemeinsam mit den Teilnehmerinnen und Teilnehmern, bezugnehmend auf ihre Wünsche und Bedürfnisse jeweils in Abstimmung mit der Gruppe. In den bewusst sehr unterschiedlich und breit angelegten Themenbereichen der Workshops sollten die Teilnehmerinnen und Teilnehmer mehr über ihre Stärken und Schwächen erfahren, neue Interessen herausfinden, aber auch ihre persönlichen Grenzen mit dem zentralen Ziel der Selbststärkung kennen lernen. Wissensvermittlung und praktisches Ausprobieren wurden durch reflektierende Diskussionen begleitet. Mit dem Herausfinden der individuellen Kompetenzen und Stärken der jungen Heranwachsenden war eine Förderung der Lern- und Leistungsbereitschaft verbunden. Das Projekt bot den Rahmen, sich selbst auszuprobieren und Erfahrungen zu machen, die aufgrund der sozialen und gesundheitlichen Benachteiligungen ohne Unterstützung der Teilnehmenden (organisatorischer Rahmen, finanzielle Förderung etc.) nicht möglich wären. Neben dem Gruppenangebot bestand für die jungen Männer und Frauen immer die Möglichkeit, individuelle Beratung und Unterstützung in Anspruch zu nehmen.

Nachhaltigkeit

Das Projekt verknüpft in besonderer Weise den Ansatz der Gesundheitsförderung mit einer beschäftigungsfördernden Maßnahme. Die Wahrung und Stärkung der persönlichen Gesundheitsressourcen wird immer mehr zu einem Essential in der Berufs- und Beschäftigungsfähigkeit.

Die Projektträger, der Verein Gesundheitsförderung e.V. Jena, die Deutsche Gesellschaft für Ernährung e.V., Sektion Thüringen, und die Thüringer Sozialakademie setzten das Projekt über das Förderprogramm „LOKAST – Lokales Kapital für soziale Zwecke in Thüringen“ gemeinsam mit der Gesellschaft für Arbeits- und Wirtschaftsförderung (GfAW) im Auftrag des Freistaates Thüringen aus Mitteln der Europäischen Sozialfonds um. Ziel von LOKAST ist es, kleine soziale Initiativen zu fördern, die benachteiligte Menschen wieder in Arbeit bringen bzw. auf den ersten und zweiten Arbeitsmarkt vorbereiten. Das Programm zielt auf eine Reduktion von Jugend- und Langzeitarbeitslosigkeit ab. Hauptsächlich sollen mit LOKAST-Projekten arbeitslose Jugendliche und alleinerziehende Mütter, Migrantinnen und Migranten, Behinderte und langzeitarbeitslose Empfänger des ALG-II integriert werden. Die Durchführung eines gesundheitsfördernden Projekts im Rahmen einer beschäftigungsfördernden Maßnahme wurde vor folgendem Hintergrund möglich: die Fähigkeit zu einem konstruktiven Umgang mit Veränderungs- und Wandlungsprozessen wächst nicht selbstständig, sondern muss gefördert werden. Dies ist auch Aufgabe der Gesundheitsförderung. Eine mangelnde Kompetenz im Umgang mit Veränderungen kann zu gesundheitlichen Störungen und Beeinträchtigungen der Arbeitsfähigkeit führen. Arbeitnehmerinnen und -nehmer müssen über fachliche, methodische und personale Kompetenz verfügen, gesundheitsbewusst beruflich zu handeln; berufliche Kompetenz schließt auch die Fähigkeit zur Prävention ein. Benachteiligte Jugendliche weisen ein geringes verfügbares Handlungsrepertoire auf, mit dem sie ihre persönlichen, beruflichen und privaten Ziele finden, ernsthaft verfolgen und erreichen können.

Nach dem Förderzeitraum im Rahmen des Programms LOKAST soll das Projekt weitergeführt werden.


Gesammelte Erfahrungen (Lessons Learned)

Das Projekt „Mit den Augen des anderen“ konnte zeigen, dass das Zusammenführen von jungen Menschen mit verschiedenen psychischen und körperlichen Behinderungen bzw. Beeinträchtigungen gelingen kann. Die neu entstandenen sozialen Kontakte werden von der Zielgruppe geschätzt und helfen bei der Integration. Gemeinsame Aktivitäten stärken die Jugendlichen individuell und lassen sie über ihre eigenen Fähigkeiten hinauswachsen. Insbesondere niedrigschwellige Angebote des Alltags und gesellschaftliche Aktivitäten, wie z.B. das gemeinsame Kochen, werden von der Zielgruppe gerne angenommen.

Andere Angebote, wie z.B. Bewerbungstraining oder Computerschulungen, werden eher nicht wahrgenommen. Dies mag damit zusammenhängen, dass die eigenen Perspektiven von den Jugendlichen selbst eher schlecht eingeschätzt werden. Überraschend war zudem, dass das Interesse der jungen Menschen an dem Projekt insgesamt geringer ausfiel als erwartet. Es gestaltete sich schwierig, die Zielgruppe für das Angebot zu gewinnen, trotz der aufsuchenden Kontaktaufnahme über entsprechende Organisationen und Fördereinrichtungen (z.B. Behindertenwerkstätten, freie BetreuerInnen). Eine Herausforderung stellte auch die Heterogenität der Gruppe dar, was dazu führte, dass die Interessen und Voraussetzungen der TeilnehmerInnen sehr unterschiedlich waren. Es mussten z.B. ständige Anpassungen der vereinbarten Termine erfolgen, da wegen der Inhomogenität der Gruppe die Flexibilität sehr verschieden war. Da die Interessenslagen und Motivation extrem auseinandergingen, waren immer wieder Motivationsarbeit und Abstimmungen der Inhalte erforderlich.

Es wird daher empfohlen, dass vor der Konzipierung der Projektinhalte eine Eruierung der TeilnehmerInnen stattfindet, daraufhin die Interessen gemeinsam erarbeitet werden - und erst dann das Programm partizipativ mit der Zielgruppe gestaltet wird. Hauptbestandteil sollten auf Grundlage der Erfahrungen des Projektes „Mit den Augen des anderen“ vor allem praktische, alltagsrelevante und einfache Themen sein.

Es ist anzumerken, dass das Projekt zum großen Teil durch ehrenamtliche Initiativen getragen wurde. Um eine nachhaltige Betreuung der Jugendlichen zu gewährleisten, müssten feste Personalstellen zur Verfügung stehen.


Laufzeit des Angebotes

Beginn: Januar 2006

Abschluss: August 2006


Welche Personengruppe(n) in schwieriger sozialer Lage wollen Sie mit Ihrem Angebot erreichen?

Menschen in schwieriger sozialer Lage stellen keine besondere Zielgruppe des Angebotes dar.


Das Angebot richtet sich insbesondere an folgende Altersgruppen

  • 15 bis 17 Jahre
  • 18 bis 29 Jahre

Das Angebot umfasst geschlechtsspezifische Angebote für

  • Keine geschlechtsspezifischen Angebote

Schwerpunkte des Angebotes

  • Bewegungs- und Mobilitätsförderung
  • Ernährung
  • Stressbewältigung

Stand

02.11.2023

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