Zum Hauptinhalt springen
Logo vom Kooperationsverbund Gesundheitliche Chancengleichheit und Site-Slogan: Aktiv für Gesundheit und Chancengleichheit (Link zur Startseite)
Angebotsdarstellung

Archiv

Good Practice

Veröffentlichung: 2008

Nürnberger Netzwerk Bewegungspädagogik

Kurzbeschreibung mit Zielen und Maßnahmen

Bewegungskompetenz ist eine elementare Grundlage aller Bildungsprozesse. Die Bedeutung der Bewegungserziehung für Unfallprävention und Gesundheitsvorsorge ist unumstritten.

Ziele des Projektes sind die Förderung der Bewegungsentfaltung der Kinder in den beteiligten Krippen und Kindergärten im Alter von ca. zwei bis sechs Jahren sowie die Ermutigung der Kinder bei der Entfaltung ihrer Bewegungsfähigkeiten. Wichtig ist dabei die Unfallprävention durch Schulung der Selbstsicherungsfähigkeit, Sicherheit und Stabilität der Kinder, zum Beispiel durch Gleichgewichtstraining und Verbesserung des Bewegungsgeschicks. Die ErzieherInnen erhalten eine bewegungspädagogische Weiterbildung zur Durchführung des Ansatzes in ihren Einrichtungen.

Die Einrichtungen bekommen die Möglichkeit, den Bewegungsansatz in ihren Alltag zu integrieren. Durch praktisches Testen bei gleichzeitiger pädagogischer Begleitung über sechs Monate kann der Ansatz vom gesamten Team erkannt, erlernt und umgesetzt werden.

Als Datengrundlage werden Daten aus der Sozialraumanalyse, Kenntnisse der Einrichtungen, der Nürnberger Armutsbericht und die Auswertung der Schuleingangsuntersuchung zusammengeführt. Beispielsweise ergaben sich aus den knapp 4.000 Einschulungsuntersuchungen im Jahr 2003 15,8 Prozent überprüfungsbedürftige Befunde im Hinblick auf motorische Koordinationsstörungen. Kooperationspartner sind das Institut für Sportwissenschaft und Sport der Friedrich-Alexander-Universität Erlangen-Nürnberg, der Gemeindeunfallversicherungsverband Bayern, die Berufsgenossenschaft für Gesundheitsdienst und Wohlfahrtspflege und die Techniker Krankenkasse. Das Projekt wird fachlich-pädagogisch von der Hengstenberg-Pikler-Gesellschaft e.V. betreut und vom Gesundheitsamt Nürnberg organisiert.


Kontakt

Frau Birgitta Rabenstein
Burgstraße 4
90403 Nürnberg (Bayern)

Telefon: 0911 / 2312238

E-Mail: birgitta.rabenstein(at)stadt.nuernberg.de

Website: http://www.gesundheit.nuernberg.de


Projektträger

Gesundheitsamt Stadt Nürnberg
Burgstr. 4
90403 Nürnberg


Hintergrund

Aufgrund beengter Lebensräume und verkehrsreicher Straßen haben immer weniger Kinder die Möglichkeit, sich in ihrer Bewegung frei zu entfalten. Es besteht nur noch selten die Gelegenheit, auf Bäume zu klettern, über Stämme zu balancieren und über Gräben zu springen. Zunehmende Haltungsschäden, Verhaltensauffälligkeiten und Einschränkungen der Bewegungs- und Konzentrationsfähigkeit sind die Folgen.

In den letzten Jahrzehnten hat die Technisierung der Umwelt und die zunehmende Nutzung neuer Medien auch bei Kindern zu einem veränderten Freizeitverhalten geführt. Dies ist mit deutlichen Einschränkungen ihrer Bewegungserfahrungen im Alltag verbunden. Folgen dieses Bewegungsmangels zeigen sich in der Zunahme von Haltungs- und Koordinationsstörungen und einer abnehmenden Ausdauer.

Kindergärten und -krippen können einen wesentlichen Beitrag leisten, die notwendigen Entfaltungsimpulse für eine gesunde Entwicklung der Kinder zu geben.

Von der Hengstenberg-Pikler-Gesellschaft wurden Bewegungsmaterialien entwickelt, die als vielseitige und bewegliche Bauelemente aus Buche Massivholz (z.B. Rutsch- und Kippelbrett, 240 cm x 220 cm x 260 cm; Balancierstange, ca. 190 cm lang, Ø 4,5 cm) einzeln oder miteinander kombiniert eingesetzt werden können. Kinder werden dazu angeregt, selbstständig ihre Bewegungsfähigkeiten zu entdecken und zu entwickeln. Im Mittelpunkt steht die „behutsame bewegungspädagogische Unterstützung des kindlichen Eroberungs- und Bewegungsdranges“ nach Hengstenberg und Pikler. Die aus diesem Ansatz entstandenen Bewegungsmaterialien dienen als vielseitige und bewegliche Bauelemente. Sie bieten den Kindern einerseits die Möglichkeit, sich Bewegungslandschaften zu bauen, die ihrem Mut und ihrer Geschicklichkeit Raum bieten und dadurch Selbstbewusstsein und Standhaftigkeit fördern. Andererseits müssen sich die Kinder in ihrem Bewegungsverhalten mit allen ihren Sinnen auf die „Lebendigkeit“ der Bewegungslandschaft (z.B. Kippelbrett, Rutsch- und Schaukelbrett) einstellen. Dadurch finden sie ein inneres und äußeres Gleichgewicht. Gleichzeitig hilft das Material den Kindern, ihr Risikoverhalten auszuloten, es selbstverantwortlich zu dosieren und dadurch die Fähigkeit zur Selbstsicherung zu erwerben. Der Hengstenberg´sche Spiel- und Bewegungsansatz stellt eine wichtige und notwendige Ergänzung zum herkömmlichen Psychomotorik-Trainingsangebot dar.

Die Projekteinrichtungen (städtische und freie Kindertagesstätten) liegen überwiegend in innerstädtischen, verdichteten Wohnbereichen und haben daher einen hohen Anteil an Kindern aus sozial schwachen Familien und Familien mit Migrationshintergrund.

Das Projekt wird durch das Institut für Sportwissenschaft und Sport der Friedrich-Alexander-Universität Erlangen-Nürnberg evaluiert. Das Nürnberger Netzwerk Bewegungspädagogik wird mit insgesamt 22.200 Euro finanziert durch den Gemeindeunfallversicherungsverband Bayern, die Berufsgenossenschaft für Gesundheitsdienst und Wohlfahrtspflege und die Techniker Krankenkasse. Die fachlich-pädagogische Betreuung liegt bei der Hengstenberg-Pikler-Gesellschaft e.V., die organisatorische Betreuung beim Gesundheitsamt Nürnberg.


Vorgehen

Das Nürnberger Netzwerk Bewegungspädagogik wurde im Frühjahr und Sommer 2006 als eine Kooperation des Gesundheitsamtes Nürnberg, der Aktive Kinderwerkstatt gGmbH, der Fachakademien in Nürnberg (evangelische bzw. städtische Fachakademie für Sozialpädagogik) und der Hengstenberg-Pikler-Gesellschaft e.V. entwickelt. Die Projektleitung liegt bei der Hengstenberg-Pikler-Gesellschaft. Im Anschluss an eine Informationsveranstaltung des Gesundheitsamts Nürnberg im Oktober 2006 für alle Nürnberger Krippen und Kindergärten haben sich insgesamt neun Krippen und elf Kindergärten mit zusammen 777 Kindern für eine Teilnahme an dem Projekt gemeldet.

Die Verzahnung verschiedener Komponenten schafft eine optimale Voraussetzung für eine erfolgreiche Umsetzung dieser herausfordernden Bewegungsarbeit. Dazu gehört sowohl Alltagserfahrung als auch Selbsterfahrung der ErzieherInnen (z.B. im Rahmen des Sportunterrichts an den Fachakademien), der Erfahrungsaustausch zwischen den Kindergärten und krippen und die fachliche Reflexion über die Arbeit mit den eingesetzten Bewegungsmaterialien, bei der PädagogInnen bzw. TherapeutInnen mitwirken, die in der Regel telefonisch zur Verfügung stehen. Nach sechs Monaten entscheiden die Einrichtungen dann darüber, ob sie mit dem Material weiterarbeiten wollen.

Die Bewegungsentfaltung der Kinder in den beteiligten Krippen und Kindergärten wird gefördert. Die Schulung der Selbstsicherungsfähigkeit der Kinder beugt Unfällen vor, indem sie durch Gleichgewichtstraining beispielsweise lernen, wie sie sich verhalten, wenn es wacklig wird, wie sie fallen sollen und wie sie mehr Sicherheit und Stabilität bekommen. Die ErzieherInnen erhalten eine bewegungspädagogische Weiterbildung im Rahmen eines eintägigen Einführungskurses, der die Grundlagen des Spiel- und Bewegungskonzepts nach Hengstenberg und Pikler erarbeitet. Weiterhin gibt es einen Vertiefungstag, an dem sich die TeilnehmerInnen weiter in den pädagogischen Ansatz einarbeiten, ihre Erfahrung vertiefen und sich über die in der Einrichtung gemachten Erfahrungen austauschen können. Hier werden Impulse für die weitere Arbeit gegeben, zum Beispiel mit Eltern. Der Ansatz wird durch spezielle Bewegungsmaterialien und Qualifikation des Personals in die Struktur der Einrichtungen eingebunden. Das Projekt soll außerdem den Bewegungsmangel bei Kindern verhindern, die Entwicklung fördern sowie Beruhigung und Konzentration schenken. Es ist kommunikationsfördernd, gleicht Defizite aus, stärkt das Selbstbewusstsein und kommt jedem Kind zugute. Der von Hengstenberg entwickelte Bewegungsansatz möchte Kinder dazu anregen, selbstständig ihre Bewegungsfähigkeiten entdecken und entwickeln zu können. Kindergärten und -krippen, die sich die Ausstattung nicht leisten können, werden von einer privaten Stiftung unterstützt. Derzeit werden sieben Innenstadt-Einrichtungen mit größtenteils sozial benachteiligten Kindern gefördert.

Die Elemente der ersten Projektphase bestehen aus zwei ganztägigen Fortbildungen für jeweils zwei ErzieherInnen der beteiligten Kindergärten und Krippen sowie der Organisation von Austauschtreffen. Die Kindergärten können das Bewegungsmaterial ausleihen. Die Geräte haben einen Wert von jeweils ca. 1.750 bzw. 2.500 Euro, die Leihgebühr beträgt für Kindergärten 500 Euro, für Krippen 350 Euro. Bei Übernahme der Geräte wird die Leihgebühr voll auf den Kaufpreis angerechnet. Es besteht die Möglichkeit, dass der Gemeindeunfallversicherungsverband Bayern, die Berufsgenossenschaft für Gesundheitsdienst und Wohlfahrtspflege sowie die Techniker Krankenkasse den überwiegenden Anteil der Kosten übernehmen. Die Evangelische Fachakademie für Sozialpädagogik wird ebenfalls mit den Bewegungsmaterialien auf Leihbasis für zwei Jahre ausgestattet, damit der Ansatz in den Unterricht für ErzieherInnen an den beiden Fachakademien einbezogen wird. SchülerInnen der Fachakademie können Praktika in Einrichtungen des Projekts absolvieren. Eine Evaluation wird über das Institut für Sportwissenschaft und Sport der Universität Erlangen durchgeführt. Hierfür werden in vier Testkindergärten und vier Kontrollkindergärten jeweils ca. zehn Kinder im Alter zwischen vier und fünf Jahren (insgesamt 57 bzw. 53 Kinder) zweimal sportmotorischen Tests unterzogen. Außerdem wird eine Prozess- und Strukturevaluation des Projekts durch Befragung des pädagogischen Personals durchgeführt. Eine zusätzliche Dokumentation erfolgt über eine Dissertation und zwei Diplomarbeiten, wobei die durch die Fachhochschule betreute Diplomarbeit speziell die Netzwerkentstehung bei den Krippen dokumentieren und unterstützen soll.

Ein Informationsaustausch ist über Info-Briefe an die Einrichtungen gewährleistet.

Von den Einrichtungen gibt es überwiegend positive Rückmeldungen, die meisten werden mit den Materialien zukünftig weiterarbeiten. Erfolge, die durch die Verwendung der Bewegungsmaterialien erzielt wurden, sind beispielsweise, dass Kinder sich selbst sehr gut einschätzen können und sich oft mehr zutrauen. Die Kinder überfordern sich nicht, erkennen ihre Grenzen, sind ausdauernd beim Überwinden neuer Herausforderungen und haben eine große Frustrationstoleranz bei Misserfolgen.


Good Practice in

Settingansatz

Bereits die Schulung der ErzieherInnen und die feste Einbindung der Bewegungsmaterialien in den Krippen- und Kindergartenalltag bedeutet eine dauerhafte strukturelle Veränderung in den Einrichtungen. Dazu ergänzend werden durch die Qualifikation des Personals weitere Anreize für eine längerfristige Arbeit mit dem Bewegungsmaterial und -ansatz geschaffen. Die Qualifikation ist sichergestellt durch die Einbindung des pädagogischen Ansatzes in die Ausbildung an den Fachakademien, Praktika in den Einrichtungen und eine Vernetzung zwischen den Einrichtungen, die am Projekt teilnehmen. Die angehenden Erzieherinnen und Erzieher können über ihre Eigenerfahrung Zugang zur Bewegungsentfaltung der Kinder finden. Das Projekt geht damit in seiner Wirkung deutlich über Ansätze hinaus, die sich nur auf einzelne dieser Elemente beziehen.

Zahlreiche Elemente der Bildungsempfehlung des Bayerischen Bildungs- und Erziehungsplans für Kinder in Tageseinrichtungen finden sich in diesem Projekt wieder, zum Beispiel:
- Bewegungserfahrungen sammeln,
- motorische und koordinative Fähigkeiten und Fertigkeiten erproben und verfeinern,
- eigene körperliche Grenzen erkennen und durch Üben erweitern,
- Körpergefühl und bewusstsein entwickeln,
- Selbstwertgefühl durch mehr Bewegungssicherheit steigern,
- Selbstwirksamkeit erfahren durch selbstständiges Lösen von Bewegungsaufgaben,
- Bewegungsfreude und Aktivitätsbereitschaft erhalten,
- Neugier auf neue Bewegungsabläufe und motorische Herausforderungen entwickeln,
- Teamgeist und Kooperation bei gemeinsamen Bewegungsaufgaben ausbauen,
- Freude an der gemeinsamen Bewegung mit anderen erwerben,
- Üben von Rücksichtnahme, Fairness und Verantwortungsbereitschaft,
- Konzentration auf bestimmte Bewegungsabläufe,
- Fantasie und Kreativität durch Ausprobieren neuer Bewegungsideen,
- Problemlösungsstrategien durch den Umgang mit Bewegungsalternativen entdecken,
- Stärkung des Haltungsapparates u.a.

Die Qualifikation der ErzieherInnen in der Begleitung der Kinder bei ihrer Bewegungsentwicklung spielt im Bayerischen Bildungs- und Erziehungsplan eine zentrale Rolle. Bewegungskompetenz ist eine elementare Grundlage aller Bildungsprozesse. Darüber hinaus ist die Bedeutung der Bewegungserziehung für Unfallprävention und Gesundheitsvorsorge unumstritten. Durch die Integration des Ansatzes in die Einrichtung wird langfristig die Entwicklung und die Gesundheit der Kinder gefördert, ebenso die Selbstsicherungskompetenz der Kinder. Unfallverhütung steht im Vordergrund und das Selbstbewusstsein der Kinder wird gestärkt. Die Kinder werden durch den Bewegungsansatz zu mehr Bewegung motiviert. Einige Einrichtungen haben die „Bewegungsbaustelle“ dauerhaft eingerichtet und es besteht für die Kinder täglich die Möglichkeit, diese zu nutzen. Andere Einrichtungen führen ein- oder zweimal wöchentlich Bewegungsstunden in Kleingruppen nach dem Hengstenberg-Konzept durch.

Multiplikatorenkonzept

Das Multiplikatorenkonzept ist dadurch gesichert, dass das Material der Fachakademie für Sozialpädagogik für zwei Jahre zur Verfügung gestellt und in der Ausbildung der ErzieherInnen eingesetzt wird. So können diese bereits erste Erfahrungen damit sammeln.

Für PraktikantInnen besteht die Möglichkeit, das Material im Rahmen ihres Praktikums in teilnehmenden Einrichtungen kennen zu lernen und auszuprobieren.

Durch die Zusammenarbeit des Gesundheitsamts mit den Kindergärten und tagesstätten vor Ort wird das Projekt durch deren Medien, Öffentlichkeitsarbeit und Mundpropaganda bekannt gemacht. Beispielsweise berichten die Einrichtungen auf ihren Internetseiten über die Verwendung des Bewegungsansatzes und die Mitwirkung im Projekt. Neben der Evaluation in vier Test- und vier Kontrollkindergärten, in denen sportmotorische Tests stattfanden, wird eine Prozess- und Strukturevaluation des Projekts durchgeführt. Eine zusätzliche Dokumentation erfolgt über eine Dissertation und zwei Diplomarbeiten, wobei die durch die Fachhochschule betreute Diplomarbeit speziell die Netzwerkentstehung bei den Krippen dokumentieren und unterstützen soll, indem die beteiligten Einrichtungen zusammengeführt und vernetzt werden. Die Sicherung der Projektergebnisse dient ebenfalls dem Multiplikatorenkonzept des Projekts. Bevor die Einrichtungen das Material erhalten, findet eine Schulung statt, in der über die Hengstenberg-Pikler-Gesellschaft für jeweils zwei ErzieherInnen unter anderem eine Aufbauanleitung und eine Einführung in den Umgang mit dem Material gegeben wird. Nach zwei bis drei Monaten wird eine Vertiefungsschulung für die ErzieherInnen, die bereits mit dem Material arbeiten, durchgeführt.

Als erster Erfolg für die Multiplizierbarkeit zeigt sich, dass im Nachgang zu bereits erfolgten Schulungen nun auch Schulungen in anderen Einrichtungen des gleichen Trägers stattfinden.

Im Rahmen des Netzwerks wird einmal jährlich eine Fachtagung veranstaltet, an der von ein bis zwei Einrichtungen ihre Erfahrungen weitergegeben und diskutiert werden. Zudem gibt es einen regelmäßigen Erfahrungsaustausch im Netzwerk, dem bisher 40 Einrichtungen angehören. Ebenso werden Austauschtreffen während des Projekts organisiert.

Nachhaltigkeit

Das Nürnberger Netzwerk Bewegungspädagogik zeichnet sich dadurch aus, dass in ihm in besonderer Weise eine nachhaltige Wirkung über die Projektdauer hinaus gesichert werden soll. Dies geschieht durch die Schulung der ErzieherInnen und die feste Einbindung der Bewegungsmaterialien in den Krippen- und Kindergartenalltag und damit die dauerhafte strukturelle Veränderung in den Einrichtungen. Die Einbindung des pädagogischen Ansatzes in die Ausbildung der ErzieherInnen an den Fachakademien und Praktika in den teilnehmenden Einrichtungen sichern eine längerfristige Arbeit mit dem Bewegungsmaterial und dem Bewegungsansatz. Das Projekt geht in seiner Wirkung deutlich über die Ansätze hinaus, die sich nur auf einzelne dieser Elemente beziehen. Mit vorgeschriebenen Übungen und Korrekturen von außen kann meist keine wesentliche, anhaltende Verbesserung von Haltungsschäden erzielt worden, da die Kinder bereits eine scheue, entmutigte Verhaltensweise entwickelt hatten. Der Ansatz im Projekt berücksichtigt den engen Zusammenhang zwischen der Bewegungsentwicklung und der Persönlichkeitsentfaltung. So können Kinder erlernen, eine Beziehung zwischen dem zu schaffen, was sie in der Bewegungsstunde mit dem Material üben und dem, was sie zu ihrer freien Entfaltung im täglichen Leben nötig haben. Unterstützt wird die Nachhaltigkeit des Projekts durch den Aufbau eines Netzwerks durch das Gesundheitsamt Nürnberg. Unter den derzeit 40 Einrichtungen sind solche aus dem Projekt und andere Nürnberger Einrichtungen, die bereits mit den Bewegungsmaterialien arbeiten. Das Netzwerk soll künftig noch ausgeweitet werden. Ziel ist der dauerhafte Einsatz der Materialien und des pädagogischen Ansatzes sowie die Qualitätssicherung. Elemente des Netzwerks sind der gegenseitige Erfahrungsaustausch, Weiterbildungen und Vertiefungen des pädagogischen Ansatzes sowie eine stärkere Verknüpfung mit der Ausbildung an den Fachakademien. Die erste Projektphase ist bereits abgeschlossen. Sie lief von Februar bis Juli 2007. Die meisten Einrichtungen übernehmen das Material und arbeiten mit dem Ansatz weiter.

Im Anschluss an das über Drittmittel finanzierte Projekt findet nun ein Folgeprojekt statt. Damit befasste sich ein Fachtag im April 2008, der vom Gesundheitsamt Nürnberg in Kooperation mit Fachkräften der Universitäten Bayreuth und Erlangen, der Unfallkasse Nord aus Hamburg sowie der Hengstenberg-Pikler-Gesellschaft organisiert wurde. Bei diesem neuen Projekt werden über eine neu gegründete Stiftung sieben Einrichtungen aus der Innenstadt gefördert, die sich das Material selbst nicht leisten könnten und die vorwiegend Kinder aus sozial schwachen Familien und Familien mit Migrationshintergrund betreuen. Die Stifter hierfür wurden vom Gesundheitsamt Nürnberg gesucht.


Gesammelte Erfahrungen (Lessons Learned)

In der Projektphase des „Nürnberger Netzwerks Bewegungspädagogik“ hat es sich besonders bewährt, dass die Erzieher/-innen durch Fortbildungen und durch praktisches Ausprobieren bei gleichzeitiger Beratung von Fachkräften über sechs Monate an die Arbeit mit den Hengstenberg-Bewegungsmaterialien herangeführt wurden. So konnte das Personal in den Kitas ausreichend qualifiziert, und der Ansatz in die Struktur der Einrichtung eingebunden werden. Für eine gelingende Umsetzung von Bewegungskonzepten in Kitas ist daher zu empfehlen, zu Beginn genügend Zeit in die Qualifizierung und Betreuung der Mitarbeiter/-innen zu investieren.

Die Erfolge des Bewegungskonzeptes spiegeln sich auch in den Ergebnissen der Evaluation wider, die im Jahr 2007 durch das Institut für Sportwissenschaft und Sport der Universität Erlangen erfolgte. Hierbei wurden die Wirkungen der Bewegungsmaterialien nach Hengstenberg auf die motorische Leistungsfähigkeit der Kinder im Vergleich zu Kontrollgruppen untersucht. Es wurden sowohl motorische Tests durchgeführt als auch die subjektive Einschätzung der Erzieher/-innen in Bezug auf das Bewegungsverhalten der Kinder erfragt.

Bei der Auswertung der Testdaten zeigte sich die Tendenz, dass die motorische Leistungsfähigkeit der Kinder in den Hengstenberg-Kitas sich im Untersuchungszeitraum verbesserte - jedoch sind die Ergebnisse statistisch nicht signifikant. Die deutlichsten Fortschritte in der motorischen Entwicklung durch die Arbeit mit den Hengstenberg-Materialien erzielten Kinder mit einem niedrigen Ausgangsniveau. Auch die Erzieher/-innen beobachten deutliche positive Veränderungen der Kinder, z.B. Veränderungen im Bewegungsverhalten sowie im kognitiven und sozialen Verhalten der Kinder. Nach Aussage der Erzieher/-innen wirken die Kinder mutiger, gewandter und motorisch geschickter. Das Kita-Personal berichtet zudem von einem anhaltenden Interesse der Kinder an den Hengstenberg-Materialien – auch noch sechs Monate später (Rothe & Pfeifer, 2008).

Die positive Bilanz der Projektarbeit trug dazu bei, dass das die Ansätze des Pilotprojekts „Nürnberger Netzwerk Bewegungspädagogik“ nun unter dem Namen „Bewegter Kindergarten“, gefördert durch die Bouhon Stiftung, weitergeführt werden.


Literatur

Armutsbericht der Stadt Nürnberg, 2004.

Bayerisches Landesamt für Gesundheit und Lebensmittelsicherheit (Hrsg.): Ergebnisse der Schuleingangsuntersuchung zum Schuljahr 2004/2005, Statistisch epidemiologischer Bericht; Erlangen, Mai 2006.

Bewegung als Gegenstand pädagogischer Intentionen: Leib und Bewegung sind Ansatzpunkt eines ganzheitlichen Erziehungskonzepts von Herz, Kopf und Hand. Die \"Trennung von Geist und Bewegung ... führt zur Spaltung der kindlichen Persönlichkeit. Der Sinn, den wir in die Bewegung legen, ist ein viel tieferer, der nicht nur die motorischen Funktionen unseres Körpers betrifft, sondern der den ganzen Menschen in seinen korrespondierenden Ausdrucksmöglichkeiten erfasst\" (MONTESSORI 1988, 18/19).

Brandt et al. 1997; Kleine 1997; Weineck et al. 1997; Dordel 1998; Klaes et al. 2001.

Die menschliche Bewegung als Medium bzw. als Bildungsinstrument: Nach JAKEL (1997) ist Sich - Bewegen ein Medium hinsichtlich der Entwicklung der Sprache (sich sprechend mitteilen), der sozialen Integration, der Kognition (etwas wissen, verstehen) und Emotion (sich fühlen) sowie der Sensorik (etwas wahrnehmen).

Ergebnisse der Schuleingangsuntersuchungen 1999-2004, Nürnberg.

Gesundheitsamt der Stadt Nürnberg: Basisbericht zum Gesundheitszustand der Nürnberger Bevölkerung, Januar 2006.

Rothe, D. & Pfeifer, K. (2008). Evaluation des Nürnberger Netzwerks Bewegungspädagogik – Ein Pilotprojekt zur Untersuchung von Wirkungen der Bewegungsförderung nach Hengstenberg in Nürnberger Kindertagesstätten. Institut für Sportwissenschaft und Sport der Universität Erlangen- Nürnberg.


Laufzeit des Angebotes

Beginn: September 2007

Abschluss: kein Ende geplant


Das Angebot richtet sich insbesondere an folgende Altersgruppen

  • 1 bis 3 Jahre
  • 66 bis 79 Jahre
  • 4 bis 5 Jahre

Das Angebot umfasst geschlechtsspezifische Angebote für

  • Keine geschlechtsspezifischen Angebote

Multiplikatorinnen und Multiplikatoren

Pädagogisches Personal in Kindertagesstätten.


Kooperationspartnerinnen und Kooperationspartner

Jugendamt, Sportservice


Schwerpunkte des Angebotes

  • Bewegungs- und Mobilitätsförderung
  • Stressbewältigung
  • Psychische Gesundheit

Das Angebot wird hauptsächlich in folgenden Lebenswelten umgesetzt

  • Kindertageseinrichtung / Kindertagespflege

Qualitätsentwicklung

Wie dokumentieren Sie Ihre Arbeit? (z.B. Konzepte, Handreichung)

Es liegt keine Dokumentation vor.

Es ist kein Ergebnisbericht vorhanden.

Die Qualitätsentwicklung und Ergebnissicherung sind nicht in ein Qualitätsmanagementsystem eingebunden.


Stand

30.03.2015

… zurück zur Übersicht