Veröffentlichung: 2008
Rück(g)rat- Ergonomie und Bewegung in Kita und Schule
Kurzbeschreibung mit Zielen und Maßnahmen
Bei Kindern ist eine steigende Tendenz von Haltungsschwächen und Bewegungsauffälligkeiten festzustellen. Zugleich sind die körperlichen Belastungen der pädagogischen Fachkräfte in Kindergarten und Schule überdurchschnittlich hoch. Untersuchungen haben gezeigt, dass der Anteil an Muskel-Skelett-Erkrankungen bei Erzieherinnen im Vergleich zur Gesamtbevölkerung um 49 Prozent erhöht ist (Buch und Frieling, 2001). Das Projekt Rück(g)rat setzt deshalb im gesamten Setting an und bezieht alle Akteure der Lebenswelten Kita und Schule ein. Kinder, Pädagoginnen und Pädagogen sowie Eltern werden für die Bedeutung von Bewegung, Körperhaltung und Ergonomie im Alltag sensibilisiert, um Erkrankungen des Muskel-Skelett-Systems vorzubeugen. Da Kindertagesstätten und Schulen sehr unterschiedliche Voraussetzungen haben, wird das Konzept nach einer individuellen Bedarfsanalyse den Bedingungen der Einrichtung angepasst. Es setzt sowohl auf verhaltens- als auch auf verhältnispräventiver Ebene an und verfolgt einen Organisationsentwicklungsansatz. Die pädagogischen Fachkräfte werden in diesem Rahmen als Multiplikatorinnen und Multiplikatoren ausgebildet und befähigt, die Inhalte des Projektes auch im Anschluss weiter zu führen.
Entwickelt wurde Rück(g)rat von der Landesvereinigung für Gesundheitsförderung in Kooperation mit der Unfallkasse und der Techniker Krankenkasse in Schleswig-Holstein. Im Rahmen des Modellprojektes wurde Rückgrat in vier Kindertagesstätten durchgeführt und anschießend in Schleswig-Holstein verbreitet. Im Jahr 2009 erfolgte die Übertragung auf den Grundschulbereich und 2010 wurde das Projekt Rück(g)rat- Ergonomie und Bewegung auch in einer Berufsschule durchgeführt.
Die Evaluation hat gezeigt, dass es sich um ein effizientes Konzept handelt, das besonders auch sozial benachteiligte Kinder und Familien durch Angebote in Stadtteilen mit besonderem Entwicklungsbedarf gut erreichen kann.
Dokumente zur Darstellung des Angebotes
Kontakt
Frau Dorothea Wilken-Nöldeke
Seekoppelweg 5a
24113 Kiel (Schleswig-Holstein)
Telefon: 0431 - 71 03 87 - 23
E-Mail: wilken-noeldeke(at)lvgfsh.de
Website: https://lvgfsh.de/gesund-aufwachsen/servicebuero-kita/rueckgrat/
Weitere Ansprechperson
Frau Sabine Hoffmann-Steuernagel
Flämische Straße 6-10
24103 Kiel (Schleswig-Holstein)
Telefon: 0431 / 94294
E-Mail: hoffmann-steuernagel(at)lvgfsh.de
Projektträger
Landesvereinigung für Gesundheitsförderung in Schleswig-Holstein e.V.
Seekoppelweg 5a
24113 Kiel
Hintergrund
In unserer „sitzenden“ und von Medien geprägten Gesellschaft leiden auch Kinder schon unter Übergewicht und Bewegungsmangel und den damit verbundenen gesundheitlichen Risiken und Folgeerscheinungen. Untersuchungen zufolge haben 20% der Kinder im Alter von 11 bis 16 Jahren wöchentlich Rückenschmerzen. Bereits 36% der Grundschülerinnen und -schüler weisen leichte Haltungsschwächen, 37% deutliche Fehlhaltungen und Koordinationsstörungen auf. Bei 16% der Befragten waren bereits beginnende Haltungsschäden festzustellen (Kempf, 2004). Auch wenn ein Großteil der Kinder im Alter von 3 bis 10 Jahren 1x pro Woche Sport treibt, kommen die Kinder, die sich nicht sportlich betätigen, überproportional häufig aus Familien mit niedrigem Sozialstatus und mit Migrationshintergrund – so die Ergebnisse des Kinder- und Jugendgesundheitssurvey (KIGGS).
Betrachtet man die gesundheitliche Situation von Erzieherinnen und Erziehern am Arbeitsplatz Kindergarten, wird erkennbar, dass sie während ihrer Arbeitszeit erheblichen Belastungen durch Lärm, Arbeiten in ungünstigen Körperhaltungen und durch psychosoziale Faktoren ausgesetzt sind. 27% der Ausfallzeiten des Personals in Kindergärten sind durch Rückenleiden verursacht. Der Anteil an Muskel-Skelett-Erkrankungen gegenüber der Gesamtbevölkerung ist in diesem Zusammenhang um 49% erhöht (Buch und Frieling, 2001).
In Kooperation und mit finanzieller Unterstützung des Ministeriums für Soziales, Gesundheit, Familie, Jugend und Senioren, der Techniker Krankenkasse und der Unfallkasse Schleswig-Holstein wurde von der Landesvereinigung für Gesundheitsförderung im Jahr 2005 das Modellprojekt „Rück(g)rat“ initiiert. Ziel dieses Projektes ist die Vorbeugung von Erkrankungen des Muskel-Skelett-Systems bei Kindern und Erwachsenen im Setting Kindertagesstätte. Durch eine ausreichende und gezielte Bewegungsförderung sowie eine ergonomische - also den Bedürfnissen des Menschen angepasste - Gestaltung der Umwelt sollen die gesundheitlichen Risikofaktoren der Kinder und Erwachsenen in Kindertageseinrichtungen reduziert werden.
In 2006 wurde „Rück(g)rat“ im Rahmen des Modellprojektes in vier Kindertagesstätten in Schleswig-Holstein durchgeführt und begleitend evaluiert. Einer der beteiligten Kindergärten liegt in einem sozialen Brennpunkt in Kiel und betreut rund 100 Kinder, die alle durch das Projekt erreicht werden konnten. Die zentralen Ergebnisse der Evaluation lauten: Die Kinder nehmen die Informationen wissbegierig auf und übertragen diese in den Alltag. Die Bewegungsangebote werden freudig angenommen. Die Erzieherinnen bekommen neue Anregungen für die Arbeit mit den Kindern und setzen diese um. Hinweise für Verhaltens- und Verhältnisänderungen für den Erhalt der eigenen Gesundheit werden angenommen und umgesetzt. Die Eltern bewerten die angebotenen Informationen als „interessant“ und das Projektthema als „wichtig“.
Seit 2007 wird „Rück(g)rat“ als feststehendes Programm angeboten und wurde in diesem Jahr in neun Kindertagesstätten durchgeführt.
Aktualisierung zum Hintergrund (Stand: 12/2011)
Auch Lehrende an Schulen sind durch ihren Beruf gesundheitlichen Belastungen ausgesetzt. Die Lehrertätigkeit gehört zu den vorwiegend psychisch belastenden Berufstätigkeiten. Laut Versorgungsbericht der Bundesregierung (2001) erreichen 72% aller Lehrerinnen und Lehrer nicht die Regelaltersgrenze, davon 50% wegen psychischer Ursache. Aber auch das Muskel-Skelett-System ist bei Lehrenden durch die Arbeit am Bildschirm, das Heben und Tragen schwerer Taschen und nicht zuletzt durch Stress und Lärm stark beansprucht.
Während das Programm „Rück(g)rat“ zunächst Kindertageseinrichtungen vorbehalten war, erfolgte im Jahr 2009 die Übertragung auf den Grundschulbereich. Bis Ende 2011 führten insgesamt 74 Einrichtungen (Kitas, Grundschulen und eine Berufsschule) das Programm durch.
Vorgehen
Das Projekt „Rück(g)rat“ hat die Gesunderhaltung aller Akteure der Lebenswelt Kindertagesstätte zum Ziel. Das Programm beinhaltet eine Reihe von Maßnahmen, die dazu beitragen, Kinder und Erwachsene für die Bedeutung von Ergonomie und Körperhaltung zu sensibilisieren, dadurch frühzeitig Belastungen zu reduzieren und - arbeitsbedingten - Erkrankungen vorzubeugen. Damit die Veränderungen und Maßnahmen auch langfristig nachhalten, werden alle Beteiligten, d.h. die Kinder, Erzieherinnen und Erziehern und die Eltern mit einbezogen.
Die Durchführung des „Rück(g)rat“-Projektes in einem Kindergarten dauert ca. neun Monate und besteht aus sechs Bausteinen:
1. Begehung des Kindergartens (2-4 Stunden)
Bei der Begehung werden die Voraussetzungen und Bedürfnisse der einzelnen Einrichtungen geklärt (z.B. Ausstattung, Bewegungsangebote, Arbeitszeiten, Sitzzeiten der Kinder und des Personals etc.). Dazu werden persönliche Gespräche mit den Mitarbeiterinnen und Mitarbeitern geführt, ergonomische Probleme abgeschätzt und eine Situationsanalyse vorgenommen, die in einem Kurzbericht festgehalten wird, so dass eine individuelle Anpassung der Maßnahmen an die Gruppenstruktur vorgenommen werden kann.
2. Informationsabend für Eltern, Erzieherinnen und Erzieher (2 Stunden)
Im Rahmen dieser Veranstaltung werden das Projekt, seine Hintergründe, Ziele und Inhalte erläutert sowie die Bedeutung von Ergonomie und Bewegung für die kindliche Entwicklung und Möglichkeiten zur Prävention von Bewegungs- und Haltungsauffälligkeiten erarbeitet. Mithilfe einer Checkliste erhalten die Eltern die Möglichkeit, ihre eigenen Gewohnheiten und die häuslichen Bedingungen im Hinblick auf die Thematik zu reflektieren.
3. Kinderrückenschule für Vorschulkinder (7x1 Stunde)
Inhaltliche Schwerpunkte der Kinderrückenschule sind das Wahrnehmen und Bewerten der eigenen Körperhaltung sowie Bewegungs- und Wahrnehmungsförderung. Durchgeführt wird sie von einem Physiotherapeuten bzw. einer Physiotherapeutin mit der Zusatzqualifikation „Rückenschullehrer/ Rückenschullehrerin“. Der letzte Termin findet zeitlich verzögert im Sinne einer „Refresher“- Veranstaltung statt. Im Sinne der Nachhaltigkeit werden diese Einheiten von einer Mitarbeiterin bzw. einem Mitarbeiter aus der Einrichtung begleitet.
4. Bewegungsförderung für die 3-5 Jährigen (6 x1 Stunde)
Dieser Baustein fördert auf spielerische Weise die motorische Entwicklung der Kinder. Insbesondere die motorischen Grundfähigkeiten wie Gleichgewicht, Reaktion, Koordination und die Oberflächen- und Tiefensensibilität werden angeregt, um eine gute Körperwahrnehmung zu ermöglichen.
5. Erzieherfortbildung (3x3 Stunden)
Die Erzieherinnen und Erzieher werden geschult, die eigenen körperlichen Belastungen an ihrem Arbeitsplatz zu erkennen und Möglichkeiten der Verhaltens- und Verhältnisprävention zu entdecken und erproben.
6. Das Rückenfest (3 Stunden)
Das Rückenfest bildet den Abschluss des Projektes für den gesamten Kindergarten und findet vorzugsweise am späten Nachmittag oder am Wochenende statt, damit möglichst viele Eltern daran teilnehmen können. Das Angebot reicht von Bewegungsaktivitäten bis zu Informationen über ergonomische Gestaltung von künftigen Schülerarbeitsplätzen.
7. Zusatzmodul bei Bedarf: Eltern-Kind-Kurs „Bewegte Familie“ der Techniker Krankenkasse außerhalb der Kindergartenzeit
Aktualisierung zum Vorgehen (Stand: 12/2011)
Um auch den Bedürfnissen von Kindern unter 3 Jahren sowie der Kinder über sechs Jahren zu entsprechen, wurden die o.g. Bausteine für dieses Setting Kita um zwei optionale Angebote erweitert. Somit gibt es mittlerweile die „Bewegungsförderung für die Krippenkinder“ und die „Kinderrückenschule für Hortkinder“.
Seit der Ausweitung auf Schulen gehören auch Lehrerinnen und Lehrer zu den Beteiligten am Programm „Rück(g)rat“. Einige Bausteine betreffen nur Kindertageseinrichtungen (z.B. der Baustein „Bewegungsförderung für 3-5 Jährige“, der Eltern-Kind-Kurs „Bewegte Familie“ des Zusatzmoduls). Eine weitere Besonderheit je nach Setting ist, dass der Baustein „Kinderrückenschule“ für Schulkinder klassenweise durchgeführt wird, in der Kita hingegen nehmen nur die die fünf- und sechsjährigen Kinder - und wenn vorhanden - die Hortkinder daran teil. Darüber hinaus haben sich vereinzelt die Bezeichnungen der Bausteine geändert, z.B. wurde „Erzieherfortbildung“ in „Teamfortbildung“ umbenannt, denn es gehören nun auch Lehrende an Schulen zur Zielgruppe.
Die Erfahrung zeigt, dass die Durchführung des Programms je nach Größe der Einrichtung variiert und ca. sechs bis zwölf Monate dauert.
Good Practice in
Settingansatz
Das Projekt „Rück(g)rat“ findet im Setting Kindertagesstätte statt. Der Settingansatz beinhaltet Maßnahmen zur Schaffung einer gesunden Umwelt sowie die Integration von Gesundheitsförderung, Bildung und Erziehung in die Prozesse des Alltags. Sozial benachteiligte Personengruppen können mit Angeboten zur Gesundheitsförderung und Prävention in den sog. Settings gut erreicht werden, ohne dabei stigmatisiert zu werden. „Rück(g)rat“ beinhaltet sowohl verhaltenspräventive als auch verhältnispräventive Maßnahmen, die die Kindertagesstätte zu einem gesundheitsförderlichen Ort für alle Beteiligten machen. Neben der Anpassung äußerer Rahmenbedingungen und Angeboten zur Gesundheitsförderung für die pädagogischen Fachkräfte werden diese auch als Multiplikatorinnen und Multiplikatoren ausgebildet. Für die Kinder werden verschiedene Angebote in den Bereichen Ergonomie und Bewegung gemacht. Die konkreten Maßnahmen reichen von Einzelgesprächen mit den Fachkräften, einer mehrtägigen Teamfortbildung über Kinderrückenschule bis hin zu einer Anpassung der Ausstattung und Arbeitsabläufe sowie einer anschließenden Integration neuer Bewegungsangebote in den Kindergartenalltag. Zu diesem Zweck wird zu Beginn des Projektes der Kindergarten besichtigt, um das Projekt optimal auf die jeweiligen Bedingungen vor Ort abzustimmen. Hierbei wird besonders auf die Umgebung, Räumlichkeiten, Ausstattung, Konzeption und Arbeitsweise des Kindergartens geachtet. Es werden persönliche Gespräche mit den Erzieherinnen und Erziehern geführt, um ergonomische Probleme der Einrichtung ermitteln und ggf. Lösungen zu erarbeiten. Darüber hinaus werden alle am Kindergartenalltag Beteiligten für die Bedeutung von Bewegung, Körperhaltung und Ergonomie im Alltag sensibilisiert und geschult und auf diese Weise befähigt, für ihre Gesundheit einen aktiven Beitrag zu leisten. Somit kann durch das Projekt „Rück(g)rat“ das Thema Gesundheitsförderung in den Alltag der jeweiligen Kindergärten nachhaltig integriert werden.
Aktualisierung zum Settingansatz (Stand: 12/2011)
Seit 2009 wird „Rück(g)rat“ über Kitas hinaus auch im Setting Grundschule (und einer Berufsschule) umgesetzt.
Empowerment
Das Projekt „Rück(g)rat“ ermöglicht es den dort tätigen Fachkräften innerhalb des Settings Kindertagesstätte sich im Bereich Bewegung und Ergonomie weiterzubilden und den Arbeitsplatz Kita einerseits und zugleich Lebensraum der Kinder andererseits zu einem gesundheitsförderlichen Ort zu gestalten. Ergonomie ist eine Disziplin der Arbeitswissenschaften und ihr Ziel ist es, die Belastungen am Arbeitsplatz so gering wie möglich zu halten, damit arbeitsbedingte Erkrankungen vermieden werden können. Die Erzieherinnen und Erzieher werden durch das Projekt befähigt, die Verantwortung für ihre eigene Gesundheit zu reflektieren und zu übernehmen. Im Zuge der Einrichtungsbegehung, der Einzelgespräche mit den pädagogischen Fachkräften und der Teamfortbildung lernen die Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter, Risikofaktoren in ihrer täglichen Arbeitsverrichtung zu erkennen und alternative Verhaltensweisen zu entwickeln bzw. äußere Rahmenbedingungen zu verändern, um auf diese Weise ihre Gesundheit zu fördern.
Die Kinder werden bei dem „Rück(g)rat“-Projekt maßgeblich durch die Bausteine „Kinderrückenschule“ und „Bewegte Familie“ mit einer gezielten, auf die jeweilige Altersstufe abgestimmten Wahrnehmungs- und Bewegungsförderung in ihrer Entwicklung unterstützt und für ihren eigenen Körper und ihre Gesundheit sensibilisiert. Im Rahmen dieser Module werden Grundkenntnisse über das menschliche Bewegungssystem vermittelt und auf kindgerechte Weise Impulse für die Wahrnehmung der eigenen Körperhaltung und rückengerechte Bewegungsabläufe gesetzt. Desweiteren werden motorische Grundfähigkeiten wie Gleichgewicht, Reaktion, Koordination und die Oberflächen- und Tiefensensibilität angeregt. So lernen die Kinder z.B. spielerisch in kleinen Geschichten und Rollenspielen ihre Blicke für die Körperhaltung anderer zu schulen und ihre eigene Haltung bewusst wahrzunehmen.
Jeweils eine Erzieherin bzw. ein Erzieher der Einrichtung werden durch die Teilnahme an diesen Angeboten für die Kinder in die Lage versetzt, Informationen und Kenntnisse aus den Bereichen Bewegung und Ergonomie in den Kindergartenalltag zu integrieren und Teile des Bewegungsangebotes mit den Kindern weiter fortzuführen.
Auch die Eltern werden explizit in das Konzept mit eingebunden und können an dem Baustein „Bewegte Familie“ sowie an dem abschließenden Rückenfest teilnehmen. Der Informationsabend zu Beginn des Projektdurchlaufes stärkt neben der Vermittlung von grundlegenden Kenntnissen in den Bereichen Ergonomie und Bewegung die Selbstwahrnehmung des Bewegungsverhaltens der Eltern und das ihrer Kinder.
Aktualisierung zum Empowerment (Stand: 12/2011)
Die Lebenswelt Schule wird im Rahmen des Programms „Rück(g)rat“ seit 2009 ebenfalls berücksichtigt.
Multiplikatorenkonzept
Dem Projekt „Rück(g)rat“ liegt ein Multiplikatorenkonzept zugrunde. Die Erzieherinnen und Erzieher sowie die Eltern der jeweiligen Einrichtung werden in mehreren Unterrichtseinheiten zum Thema Ergonomie und Bewegung geschult. Die Ausbildung wird von speziell fortgebildeten Physiotherapeuten und Physiotherapeutinnen, Diplom-Sportlehrern und Sportlehrerinnen und Motopädagogen und Motopädagoginnen durchgeführt. Im Rahmen dieser Fortbildung werden die Multiplikatorinnen und Multiplikatoren in ihrer Wahrnehmungsfähigkeit für das eigene Bewegungsverhalten und das der Kinder geschult, lernen rückenschonende Verhaltensweisen kennen und werden durch Vermittlung von ergonomischen Aspekten befähigt, Anpassungen der Rahmenbedingungen im Lebens- und Arbeitsalltag in der Kindertagesstätte vorzunehmen. Durch die zusätzliche Teilnahme von mindestens jeweils einer Multiplikatorin bzw. einem Multiplikator an den Angeboten für die Kinder (Kinderrückenschule, Bewegte Familie) können Elemente dieser Projektbausteine anschließend in den Kindergartenalltag integriert und die erworbenen Kenntnisse auch nach Ende des Projektes an die Kinder weitergegeben werden.
Als weitere Multiplikatorinnen und Multiplikatoren dienen auch die Eltern, die im Rahmen einer Abendveranstaltung in das Thema eingeführt werden und im Weiteren durch Hospitation bei den Kinderangeboten und das gemeinsame Rückenfest in das Projekt eingebunden sind. Auf diese Weise kann ein Transfer in das häusliche Umfeld erfolgen, so dass zwischen Kindern und Eltern ein Austausch über die Thematik in Gang gebracht wird und die Eltern in die Lage versetzt werden, einen bewegten und rückengesunden Alltag ihrer Kinder mit zu gestalten.
Aktualisierung zum Multiplikatorenkonzept (Stand: 12/2011)
Auch Lehrerinnen und Lehrer gehören seit 2009 zu den Multiplikatoren des Programms „Rück(g)rat“.
Gesammelte Erfahrungen (Lessons Learned)
Die unmittelbaren positiven Rückmeldungen von Eltern, Kindern und pädagogischen Fachkräfte, die das Projekt „Rück(g)rat“ durchgeführt haben, sind eine Bestätigung dafür, dass die Inhalte sehr gut ankommen. Die Ergebnisse der schriftlichen Befragung von Eltern und pädagogischen Fachkräften nach Projektabschluss spiegeln ebenfalls die Zufriedenheit und Sensibilisierung aller Beteiligten wieder. Der Settingansatz des Projektes hat sich besonders bewährt, um alle Akteure einer Einrichtung für das Thema Prävention von Erkrankungen des Muskel-Skelett-Systems zu sensibilisieren. Über bestimmte Projektbausteine, wie z.B. Elternabende, das Rückenfest oder den Eltern-Kind-Kurs „Bewegte Familie“ werden auch die Eltern einbezogen, wobei die Beteiligung von sozial benachteiligten Familien etwas geringer ist im Vergleich mit Eltern aus besseren sozialen Kontexten. Die beliebtesten Projektinhalte sind die Kinderbausteine und die Teamfortbildung. Kinder nehmen z.B. die Kinderrückenschule und den damit verbundenen Besuch der Referentinnen und Referenten sehr begeistert auf. Auch die Teamfortbildung ist ein sehr wichtiger Baustein, da Pädagoginnen und Pädagogen in dessen Rahmen Zeit haben, sich einmal ausschließlich mit ihrer eigenen Gesundheit zu beschäftigen.
Zum Erfolg von „Rück(g)rat“ trägt zudem bei, dass die Durchführung des Projektes mit den Einrichtungen individuell abgestimmt wird. Zu Beginn erfolgen eine Begehung vor Ort sowie die Erörterung der jeweiligen Bedürfnisse, woraufhin Schwerpunkte festgelegt werden. Die Bausteine können nicht nur individuell in der Reihenfolge, sondern auch zeitlich flexibel an die Bedarfe der Kita bzw. der Schule angepasst werden. Beispielsweise ist die Teamfortbildung für drei Abende á drei Stunden konzipiert, kann jedoch auf Wunsch auch als Teamtag stattfinden, an dem die Einrichtung dann geschlossen wird.
Eine Schwierigkeit stellt die oftmals verzögerte Zusammenarbeit mit den Einrichtungen gegen Ende des Projektes dar, wenn die Zulieferung von Dokumentationsmaterialien (Fragebögen von Eltern und Pädagoginnen bzw. Pädagogen) und ein Projektabschlussbericht erforderlich sind. Um die Mithilfe und Eigenverantwortung der teilnehmenden Einrichtungen zu stärken, werden inzwischen schriftliche Kooperationsvereinbarungen getroffen, in denen wesentliche Rahmenbedingungen des Projektes (wie z.B. die Mithilfe bei der Dokumentation, Einhalten von Terminen) festgelegt sind.
Generell ist es empfehlenswert, die Pädagoginnen und Pädagogen als Expertinnen und Experten ihrer Lebenswelt zu begreifen. Die externen Referentinnen und Referenten des Projektes sollten den Einrichtungen als Coach zur Seite stehen und einfühlsam mit möglichen Spannungen im Team oder mit besonderen Bedürfnissen umgehen. Ebenso ist es ratsam, alle Akteure einer Einrichtung vorab gut über das Vorhaben zu informieren, da die Entscheidung für das Projekt von allen Beteiligten getragen werden sollte. Die Projektinhalte flexibel an vorhandene Bedarfe anzupassen ist ein weiterer wichtiger Aspekt für eine gelingende Umsetzung.
Literatur
Buch, M. und Frieling, (2001). Belastungs- und Beanspruchungsoptimierung in Kindertagesstätten. Universität Kassel, 2001.
Deutsche Angestellten Krankenkasse, Bundesverband der Unfallkassen, GUV Westfalen-Lippe (Hrsg.) (2006): Lehrergesundheit- Baustein einer guten gesunden Schule.
Kempf, H.-D (2004). Rückenschule für Kinder. Die Säule, 04.
Landesvereinigung für Gesundheitsförderung e.V. Schleswig-Holstein, Techniker Krankenkasse, Unfallkasse Schleswig-Holstein (2007): Rück(g)rat – Ergonomie und Bewegung im Kindergarten. Kiel.
Laufzeit des Angebotes
Beginn: September 2005
Abschluss: kein Ende geplant
Welche Personengruppe(n) in schwieriger sozialer Lage wollen Sie mit Ihrem Angebot erreichen?
Menschen in schwieriger sozialer Lage sind ein wichtiger Teil der Zielgruppe, auch wenn sich das Angebot in erster Linie an alle richtet.
- Personen mit niedrigem beruflichen Status (z.B. ungelernte Arbeiter/-innen)
- Personen mit sehr niedrigem Einkommen (z.B. Personen im Niedriglohnsektor, Personen mit niedrigen Rentenbezügen)
- Personen mit niedriger Schulbildung (z.B. Personen ohne qualifizierten Schulabschluss)
- Migrant/-innen in schwieriger sozialer Lage
Das Angebot richtet sich insbesondere an folgende Altersgruppen
- Altersgruppenübergreifend
Das Angebot umfasst geschlechtsspezifische Angebote für
- Keine geschlechtsspezifischen Angebote
Multiplikatorinnen und Multiplikatoren
Physiotherapeuten mit Zusatzqualifikationen im Bereich Kinderrückenschule, Rückenschule und Psychomotorik sowie einer Einweisung in das Programm.
Kooperationspartnerinnen und Kooperationspartner
Unfallkasse
Schwerpunkte des Angebotes
- Bewegungs- und Mobilitätsförderung
- Betriebliche Gesundheitsförderung
- Organisationsentwicklung
- Sonstiges: Verhältnisprävention/Ergonomie
Das Angebot wird hauptsächlich in folgenden Lebenswelten umgesetzt
- Kindertageseinrichtung / Kindertagespflege
- Schule
- Familie
Qualitätsentwicklung
Was machen Sie, um die Qualität Ihres Angebotes weiterzuentwickeln?
Regelmäßige Treffen mit den Multiplikatorinnen.
Reflektiongespräche mit den Einrichtungen.
Auswertung schriftlicher Befragungen.
Welche Erfahrungen haben Sie bei der Qualitätsentwicklung Ihres Angebotes gemacht?
Welche Stolpersteine haben Sie festgestellt?
Überbeanspruchung der Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter von Kitas und Schulen kann den maximalen Profit von der Durchführung des Programmes einschränken.
Voraussetzung für ein gutes Projektgelingen sind intensive Vorgespräche über den Zeitumfang des Programmes sowie die Akzeptanz des ganzen Kita- bzw. Schulteams.
Wie dokumentieren Sie Ihre Arbeit? (z.B. Konzepte, Handreichung)
Schriftliche Dokumentation für jede einzelne Einrichtung.
Es ist bereits ein Ergebnisbericht vorhanden.
Das Vorgehen der Qualitätsentwicklung kann ganz unterschiedlich sein. Einiges haben Sie bereits genannt. Welches der folgenden Verfahren wenden Sie zusätzlich an?
Erläuterung
Am Ende des Programmdurchlaufes wird in jeder einzelnen Einrichtung eine Evaluation durchgeführt.
Welche Methoden werden bei der Selbstevaluation angewendet?
Schriftliche Befragung der Pädagogen und der Eltern.
Reflexionsgespräche mit den Pädagoginnen bei Projektende und im Projektverlauf.
Reflexionstreffen mit den Multiplikatorinnen.
Einrichtungsübergreifende Treffen zum Erfahrungsaustausch mit mehrere Schulen und Kitas.
Die Qualitätsentwicklung und Ergebnissicherung sind nicht in ein Qualitätsmanagementsystem eingebunden.
Stand
28.11.2024