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Angebotsdarstellung

Good Practice

Veröffentlichung: 2006

Sport gegen Gewalt, Intoleranz und Fremdenfeindlichkeit

Kurzbeschreibung mit Zielen und Maßnahmen

In den letzten Jahren ist das Thema Gewalt bei Kindern und Jugendlichen immer mehr ins Zentrum des öffentlichen Interesses gerückt. Es wird davon ausgegangen, dass Gewalt durch Verhältnisse begünstigt wird, in denen Erwerbsarbeit und wirtschaftliche Sicherheit fehlen, Familienbeziehungen belastet sind und wenig Aussicht auf eine Besserung der Lebenssituationen besteht. Das Projekt „Sport gegen Gewalt“ des Landessportverbandes Schleswig-Holstein hat zum Ziel, die soziale Kompetenz und den Teamgeist – besonders von gefährdeten Kindern und Jugendlichen – durch sozialpädagogisch angeleitete Sportangebote nach Fair-Play-Regeln zu fördern und auf diese Weise die Gewaltbereitschaft zu reduzieren. Inzwischen sind über 60 Projektgruppen in Schleswig-Holstein dauerhaft eingerichtet, die insbesondere in sozialen Brennpunkten einen wichtigen gewaltpräventiven Beitrag leisten. Das Projekt erreicht sowohl „Durchschnittsjugendliche“ als auch gefährdete Kinder und Jugendliche. Viele der Teilnehmenden haben einen Migrationshintergrund.

Dokumente zur Darstellung des Angebotes


Kontakt

Herr Klaus Michael Pötzke
Landessportverband Schleswig-Holstein
Winterbeker Weg 49
24114 Kiel (Schleswig-Holstein)

Telefon: 0431 / 6486137

E-Mail: klausmichael.poetzke(at)lsv-sh.de

Website: http://www.lsv-sh.de/sport-gegen-gewalt


Weitere Ansprechperson

Frau Gabriele Hübner
Winterbeker Weg 49
24114 Kiel (Schleswig-Holstein)

Telefon: 0431 / 6486189

E-Mail: gabriele.huebner(at)lsv-sh.de


Projektträger

Landessportverband Schleswig-Holstein
Winterbeker Weg 49
24114 Kiel


Hintergrund

Auch wenn aktuelle Forschungsergebnisse insgesamt keine bzw. nur eine geringe Zunahme der Gewaltbereitschaft von Jugendlichen belegen, bietet dies keinen Anlass zur Beruhigung: Jugendliche Gewalt ist an Schulen und andernorts vorhanden, und es lässt sich mitunter eine zunehmende Brutalität, ein Abbau von Fairness gegenüber dem Opfer sowie ein Sinken von Hemmschwellen beobachten. Die Veränderung von Aggression und Gewalt bei Kindern und Jugendlichen ist demzufolge eher qualitativ als quantitativ zu beschreiben (Hurrelmann 1995, Weiß 2000).

Für die Entstehung von aggressivem und gewalttätigem Verhalten von Kindern und Jugendlichen gibt es vielfältige theoretische Erklärungsansätze. Es wird jedoch mehrheitlich davon ausgegangen, dass Gewalt durch Verhältnisse begünstigt wird, in denen Erwerbsarbeit und wirtschaftliche Sicherheit fehlen, Familienbeziehungen belastet sind und wenig Aussicht auf eine Besserung der Lebenssituationen besteht. Gewaltpräventive Konzepte orientieren sich vielfach an der Grundannahme des Sozialforschers Klaus Hurrelmann, dass Gewalt als ein Symptom für fehlende soziale Kompetenz angesehen werden kann. Entsprechend arbeiten diese Konzepte zielorientiert an der Stärkung des Selbstwertgefühls und der Verbesserung des Sozialverhaltens. Sportbetonte Angebote bieten eine gute Möglichkeit, um gefährdete Jugendliche zu erreichen und zu integrieren.

Im Rahmen der „Sozialen Offensive des Sports“ hat der Landessportverband Schleswig-Holstein 1994 mit Unterstützung der Landesregierung das Projekt „Sport gegen Gewalt, Intoleranz und Fremdenfeindlichkeit“ ins Leben gerufen. Diese sichert seit Beginn des Projekts die Basisfinanzierung; Hauptsponsor des Projekts ist die WOBAU-Wohnungsverwaltung.

Ziel des Projekts „Sport gegen Gewalt, Intoleranz und Fremdenfeindlichkeit“ ist es, Kinder und Jugendliche mit dem „Fair-Play-Gedanken“ des Sports zu konfrontieren und mithilfe gemeinsam erarbeiteter Gruppenregeln kooperative Formen der Konfliktbewältigung zu erlernen. Im Vordergrund steht nicht der Wettkampf, sondern Fairness, Spaß und Gemeinschaftsgefühl. Auf diese Weise sollen Teamgeist und die soziale Kompetenz der Einzelnen gefördert und die Gewaltbereitschaft reduziert werden. Gleichzeitig wird durch Bewegung das Körpergefühl verbessert und ein gesundes Aktivitäts- und Leistungsverhalten gefördert. Die Projektmitarbeiterinnen und -mitarbeiter sind pädagogische Fachkräfte mit Lizenzen für Trainer bzw. Trainerinnen und Übungsleiter bzw. -leiterinnen, die regelmäßig zu bestimmten Themen fortgebildet werden (z. B. Konfliktmoderation, Umgang mit Drogen, sexueller Missbrauch, Erweiterung von sportfachlichen Kompetenzen in Zusammenarbeit mit den Landesfachverbänden – zum Beispiel Judo, Aikido, Karate, Tischtennis, Volleyball etc.).

Das Konzept „Sport gegen Gewalt, Intoleranz und Fremdenfeindlichkeit“ des Landessportverbandes Schleswig-Holstein setzt in sozialen Brennpunkten mit Angeboten an, die Sozialarbeit und Sport verknüpfen, und leistet einen wichtigen Beitrag zur soziallagenbezogenen Gesundheitsförderung im Handlungsfeld Gewaltprävention.

Aktualisierung zum Hintergrund (Stand: 10/2011)
Seit dem Jahr 2000 hat die Landesregierung Schleswig-Holstein das Projekt „Sport gegen Gewalt, Intoleranz und Fremdenfeindlichkeit“ auf unbestimmte Dauer angelegt und übernimmt seitdem die gesamte Finanzierung. Die WOBAU-Wohnungsverwaltung ist seit 2008 kein Sponsor des Projektes mehr.


Vorgehen

In Zusammenarbeit mit zahlreichen Partnern und Partnerinnen aus der Jugend- und Sozialarbeit wurden inzwischen 85 niedrigschwellige, regelmäßig stattfindende Sportprojektgruppen in Schleswig-Holstein eingerichtet. Bei der Implementierung der Projektgruppen wurden die meisten sozialen Brennpunkte im Land berücksichtigt. In Abstimmung mit den Kooperationspartnern und -partnerinnen sowie nach Interessenschwerpunkten der Jugendlichen wurden vor allem Ballsportangebote wie Streetball, Fußball, Basketball sowie offene Spiel- und Sportangebote und Selbstverteidigungskurse wie Judo, Karate und Aikido eingerichtet, die von sozialpädagogischen Fachkräften mit Übungsleiterlizenzen durchgeführt werden.

Seit 1998 werden zusätzlich jeweils im Sommer so genannte Fair & Fun-Touren organisiert. Unter dem Motto „100% you“ finden jährlich drei bis vier Sommerevents statt (siehe www.lsv-sh.de/fairandfun).

Für die Kinder und Jugendlichen gibt es dann einen Tag lang ein reichhaltiges Programm: Dazu gehören Trendsportangebote wie Streetball, Breakdance, Hip-Hop, Soccer oder Floorball, Kreativecken, Selbstverteidigungsangebote, Akrobatik und Livemusik durch örtliche Jugendbands. Außerdem finden landesweit Sonderveranstaltungen wie Midnight-Streetball, Sportfeste und Turniere statt.

Das Projekt „Sport gegen Gewalt, Intoleranz und Fremdenfeindlichkeit“ ist für alle Kinder, Jugendlichen und Heranwachsenden in den jeweiligen Stadtteilen und Wohnorten im Alter von sechs bis 20 Jahren zugänglich, Zielgruppenschwerpunkt sind sozial benachteiligte, gewaltbereite oder verhaltensauffällige Kinder und Jugendliche, die besonders mit Angeboten in sozialen Brennpunkten erreicht werden (Kiel-Diedrichsdorf, Schleswig-Friedrichsberg, Neumünster-Innenstadt, Rendsburg-Mastbrook, Kiel-Gaarden und Elmschenhagen).

Aktualisierung zum Vorgehen (Stand: 10/2011)
Aktuell bestehen in Schleswig-Holstein 80 regelmäßige Sportjugendgruppen (Stand: Oktober 2011). Das Konzeptelement der jährlich stattfindenden Sommerevents ist seit 2008 unter dem Titel „Integrative Sportfeste“ fester Bestandteil des Programms.


Good Practice in

Niedrigschwellige Arbeitsweise

Die Teilnahme sowohl an den kontinuierlichen Angeboten von „Sport gegen Gewalt“ als auch an den Events und der Fair & Fun-Tour ist kostenlos. Es gibt keine Verpflichtung für die Kinder und Jugendlichen, regelmäßig teilzunehmen oder sich durch eine Mitgliedschaft an das Projekt zu binden. Sie können selbst entscheiden, wann und wie oft sie mitmachen möchten. Die Projektgruppen von „Sport gegen Gewalt“ stellen für Kinder und Jugendliche wohnortnahe Angebote mit kurzen Wegen dar, die die Freizeitmöglichkeiten in ihrem unmittelbaren Lebensumfeld erweitern.

Der niedrigschwellige Zugangsweg wie auch der partizipative Ansatz im Sinne einer basisorientierten Jugendarbeit, der den Heranwachsenden ein Mitspracherecht bezüglich der Angebotsauswahl vor Ort ermöglicht, sind wichtige Faktoren für die Attraktivität des Projekts. Durch das Projekt werden zunehmend Jungen erreicht (im Zeitraum von 1995 bis 1998 hat sich der Anteil der Mädchen auf 15 % halbiert). Da aus den Jugendstudien bekannt ist, dass in erster Linie Jungen zur offenen gewalttätigen Konfliktaustragung neigen, kann dies als erfreuliches Ergebnis betrachtet werden. Der Anteil von Kindern mit Migrationshintergrund liegt bei etwa einem Drittel.

Aktualisierung zur Niedrigschwelligen Arbeitsweise (Stand: 10/2011)
Der Anteil an teilnehmenden Kindern mit Migrationshintergrund am Projekt liegt in einigen Städten mittlerweile sogar bei deutlich über 50 Prozent. Gleichwohl sind die Angebote von „Sport gegen Gewalt, Intoleranz und Fremdenfeindlichkeit“ grundsätzlich koedukativ, d.h. sie sind für Jungen und Mädchen geeignet.

Dokumentation und Evaluation

Das Projekt „Sport gegen Gewalt, Intoleranz und Fremdenfeindlichkeit“ wurde 1995 und 1998 durch die Christian-Albrechts-Universität Kiel, Institut für Pädagogik, jeweils unter der leitenden Fragestellung nach der gewaltpräventiven Wirkung des Projekts evaluiert. Im Jahr 1995 wurden 25 Projektgruppen schriftlich befragt. Das Hauptergebnis der Untersuchung wurde unter dem Titel „Sport allein bringt’s nicht“ zusammengefasst. Gewaltpräventiv wirkt Sport nur in Verbindung mit pädagogischen Interventionen.

Bei der zweiten Evaluation im Jahr 1998 wurden 189 Kinder und Jugendliche und 22 Projektmitarbeiterinnen und -mitarbeiter mittels Fragebogen befragt. Darüber hinaus erfolgte eine Telefonbefragung von 16 Projektfachkräften sowie eine „Vor-Ort-Evaluation“ in fünf Projektgruppen. Da die gewaltpräventive Wirkung von kurzzeitpädagogischen Maßnahmen nicht ursächlich und auf direktem Weg empirisch nachgewiesen werden kann, musste sich die Evaluation auf die Betrachtung einzelner Indikatoren beziehen, die es plausibel machen, dass gewaltpräventive Aspekte wahrscheinlich sind.

Insgesamt konnte resümiert werden, dass die Ziele des Projekts, gemessen an den zur Verfügung stehenden Ressourcen, überwiegend erreicht werden. Es werden sowohl „Durchschnittsjugendliche“ als auch gefährdete Kinder und Jugendliche etwa im Verhältnis 3:1 erreicht. Etwa ein Drittel der Teilnehmenden hat Migrationshintergrund, in einzelnen Orten (z.B. Kiel und Rendsburg) liegt der Anteil sogar bei 70–90 %. Mehr als die Hälfte bis drei Viertel der Teilnehmerinnen und Teilnehmer geben an, in der Gruppe gelernt zu haben, besser miteinander auszukommen, Rücksicht auf Schwächere zu nehmen, neue Freundinnen und Freunde kennen gelernt zu haben, in der Clique auch mal ihre Interessen zurückzustellen und Freundinnen bzw. Freunden zu helfen, auch wenn es Probleme bereitet. Ein ebenso großer Teil der Kinder und Jugendlichen sagt von sich, Streit kooperativ zu bewältigen, sich nach einem Foul meistens zu entschuldigen und in der Gruppe wenig Konflikte zu haben. Insgesamt herrsche ein kameradschaftlicher Teamgeist in der Projektgruppe. Aus Sicht der Projektmitarbeiterinnen und -mitarbeiter finden wahrnehmbare Verhaltensänderungen in Richtung auf gewaltreduziertes Verhalten bei einer Vielzahl der Kinder und Jugendlichen statt. Diese schreiben sie vor allem der Gruppenatmosphäre einschließlich der Achtung vor den Gruppenregeln im Sinne des Fairplays zu.


Laufzeit des Angebotes

Beginn: Dezember 1993

Abschluss: kein Ende geplant


Welche Personengruppe(n) in schwieriger sozialer Lage wollen Sie mit Ihrem Angebot erreichen?

  • Personen mit niedriger Schulbildung (z.B. Personen ohne qualifizierten Schulabschluss)
  • Geflüchtete
  • Migrant/-innen in schwieriger sozialer Lage

Das Angebot richtet sich insbesondere an folgende Altersgruppen

  • 6 bis 10 Jahre
  • 11 bis 14 Jahre
  • 15 bis 17 Jahre

Das Angebot umfasst geschlechtsspezifische Angebote für

  • Keine geschlechtsspezifischen Angebote

Multiplikatorinnen und Multiplikatoren

Sportvereine, Fachverbände, Projektmitarbeiterinnen und Projektmitarbeiter an den verschiedenen Standorten


Kooperationspartnerinnen und Kooperationspartner

Sportvereine, Schulen, Jugendeinrichtungen, Stadtteilkonferenzen


Schwerpunkte des Angebotes

  • Gewaltprävention
  • Stärkung sozialer Kompetenzen
  • Soziale Teilhabe (Integration, Inklusion)
  • Stadtteil-/ Gemeinwesenarbeit, Nachbarschaftsnetzwerke
  • Kommunale Strategie / Netzwerkarbeit

Das Angebot wird hauptsächlich in folgenden Lebenswelten umgesetzt

  • Stadt / Stadtteil / Quartier / Kommune
  • Sonstiges: Sportvereine; Jugendzentren, Schulen

Qualitätsentwicklung

Was machen Sie, um die Qualität Ihres Angebotes weiterzuentwickeln?

Regelmäßige Fortbildungen für Projektmitarbeiterinnen und Projektmitarbeiter in sportlichen, politischen und sozialen Themenbereichen;
Fachliche Beratung und Vor-Ort-Besuche der Projekte durch die Projektleitung

Welche Erfahrungen haben Sie bei der Qualitätsentwicklung Ihres Angebotes gemacht?
Welche Stolpersteine haben Sie festgestellt?

Die Qualitätsentwicklung ist abhängig von:
- der individuellen Befähigung der Mitarbeiter und Mitarbeiterinnen
- der Vernetzung mit Vereinen, Schulen und sozialen Trägern

Schwierigkeiten liegen in:
- Fluktuation in der Mitarbeiterschaft durch Arbeitsmarktsituation

Wie dokumentieren Sie Ihre Arbeit? (z.B. Konzepte, Handreichung)

Konzepte, Faltblatt, Jahresberichte mit Pressespiegel,
Presseveröffentlichungen in Verbandszeitschrift

Quelle der Veröffentlichung/URL: Landessportverband Schleswig-Holstein

Es ist bereits ein Ergebnisbericht vorhanden.

Titel des Berichts bzw. Kurzbeschreibung: Bericht der Evaluation des Projektes \'Sport gegen Gewalt, Intoleranz und Fremdenfeindlichkeit\' von Sielert/Grenz,CAU Kiel, 1998/99

Quelle der Veröffentlichung/URL: Christian-Albrechts-Universität zu Kiel, Prof. Sielert, Institut für Pädagogik, 1999

Die Qualitätsentwicklung und Ergebnissicherung sind nicht in ein Qualitätsmanagementsystem eingebunden.


Stand

11.05.2021

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