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Angebotsdarstellung

Good Practice

Veröffentlichung: 2006

Gesundheitsförderung mit benachteiligten Jugendlichen im IB Hirschfelde

Kurzbeschreibung mit Zielen und Maßnahmen

Gesundheitsförderung mit benachteiligten Jugendlichen im Bildungszentrum Hirschfelde des Internationalen Bundes (IB) ist der Schwerpunkt dieses Projekts. In einem berufsspezifischen Setting bietet der IB als Bildungsträger die Möglichkeit eines ganzheitlichen gesundheitsfördernden Ansatzes, der sowohl die Verhältnisse als auch das Verhalten der benachteiligten Jugendlichen berücksichtigt.

Ziel des Projekts ist es, gesundheitsförderliche Anliegen in der Bildungseinrichtung in den Mittelpunkt zu rücken. Neben der Vermittlung gesundheitsbezogener Themen geht es dabei insbesondere um die Stärkung von Potenzialen und Kompetenzen mit dem Ziel einer verbesserten Gesundheit der Jugendlichen und einer langfristigen Veränderung in Bezug auf Risikoverhalten. Darüber hinaus spielen die Kooperation und Vernetzung aller Beteiligten eine zentrale Rolle.

Mit verschiedenen Maßnahmen der Gesundheitsförderung werden die Gesundheitskompetenzen gestärkt und die Jugendlichen für eine gesunde Lebensweise sensibilisiert. Es werden dabei personen- sowie verhältnisbezogene Maßnahmen realisiert. Dadurch ist es gelungen, gesundheitsförderliche Themen dauerhaft zu bearbeiten und in Form von Regelangeboten über den Projektzeitraum hinaus in den Tagesstrukturen der Institution zu verankern. Bei dem Projekt handelt es sich um eine Kooperation der AOK Sachsen und des IB Hirschfelde


Kontakt

Frau Ina Thiemann
Sachsenstr. 20
02763 Zittau (Sachsen)

Telefon: 03583 / 7915611

E-Mail: ina.thiemann(at)ib.de


Projektträger

AOK Sachsen - Die Gesundheitskasse
Flachsspinnereistr. 5
02788 Hirschfelde


Hintergrund

Das Bildungszentrum Hirschfelde ist eine überbetriebliche Ausbildungsstätte für lernbehinderte Jugendliche, die vielfach weitere (z. B. körperliche) Beeinträchtigungen aufweisen. Ein Großteil der Jugendlichen kommt zudem aus sozial schwachen Familien, hat keinen Schulabschluss und verfügt nur über geringe soziale Kompetenzen. Die Einrichtung liegt in einer Region, die durch eine weit unter dem Durchschnitt liegende Bevölkerungsdichte (80 Einwohner/ km2 – im Vergleich Freistaat Sachsen: 241 Einwohner/km2) gekennzeichnet ist. Viele Jugendliche verlassen die Region und gehen zur Ausbildung in die alten Bundesländer. Besonders schwierig gestaltet sich vor diesem Hintergrund die Ausbildungssituation für benachteiligte Jugendliche. Ziel der Förderung und Ausbildung im IB ist es, den Jugendlichen durch gezielte Unterstützung und spezielle Konzepte eine dauerhafte berufliche und soziale Integration zu ermöglichen. Die meisten Jugendlichen sind während ihrer Berufsvorbereitung oder Ausbildung in einem Wohnheim (Internatsbetrieb) mit Vollverpflegung und ganztägiger Betreuung untergebracht.

Entstehung des Projekts
Im Rahmen der Auswertung eines Workshops der Abteilung Gesundheitsförderung der AOK Sachsen (Filiale Zittau) wurden erste konzeptionelle Gedanken für ein Projekt zur Gesundheitsförderung mit sozial Benachteiligten verfasst, um in der strukturschwachen Region Akzente zu setzen. Dabei wurde das Bildungszentrum Hirschfelde – Ausbildungsstätte für lernbehinderte und benachteiligte Jugendliche – als Partner für die Umsetzung gesundheitsfördernder Maßnahmen laut § 20 SGB V ausgewählt.

Nach Kontaktaufnahme zwischen Vertreterinnen und Vertretern der AOK sowie Sozialpädagoginnen und -pädagogen des IB Bildungszentrums wurde das Projekt seitens der AOK vorgestellt und es fand ein erster Gedankenaustausch zur Projektdurchführung statt. Die Grundlagen für die Arbeit am Projekt „Gesundheitsförderung“ wurden in Form einer Rahmenvereinbarung festgelegt. Die Projektdurchführung erfolgte im Zeitraum 2002 bis 2005.

Ziel war es u. a., die Jugendlichen beim verantwortungsvollen Umgang mit der eigenen Gesundheit und der Gesundheit anderer zu unterstützen und sie zu befähigen, Fragen von Gesundheit und Wohlbefinden mit ihrem Alltag und ihren Lebensbedingungen zu verknüpfen, zum Beispiel durch Angebote und Durchführung von Kursen (Fitnesstanzgruppe oder Sportaktivitäten wie Schwimmen, Kegeln, Volleyball). Dabei orientierte sich das Projekt an den Alltagsrealitäten der lernbehinderten Jugendlichen und setzte auf Kooperation der Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter der Bildungseinrichtung (Multiplikatorinnen und Multiplikatoren).


Vorgehen

Das Projektvorgehen stellt eine Kombination zwischen personenbezogenen verhaltensändernden Maßnahmen (Verhaltensansatz), Multiplikatorenschulung und der Verbesserung der strukturellen Verhältnisse (Settingansatz) dar.

Die Maßnahmen betrafen vier Handlungsbereiche (Bewegung, Stressabbau, Ernährung, Suchtprävention), die als Ausgangspunkte für verschiedene Aktionen, Teilprojekte und Gruppenstunden dienen. Darüber hinaus wurde weiterhin eine Veränderung der bestehenden Verhältnisse angestrebt (Settingansatz).

Zur Steuerung der Maßnahmeumsetzung diente ein „Arbeitskreis Gesundheit“, dem insgesamt vier Gesundheitszirkel zugeordnet waren. Die personelle Zusammensetzung der Gesundheitszirkel durch psychologische und sozialpädagogische Fachkräfte, durch Internatsleitung, Ausbilderinnen und Ausbilder, Lehrkräfte sowie Ernährungsberaterinnen und -berater sollte einen bedarfsorientierten Ansatz garantieren.

Die Gesundheitszirkel arbeiteten zu folgenden Themen:
- Gesundheitszirkel 1: Arbeitsplatzbezogene Gesundheitsförderung,
- Gesundheitszirkel 2: Freizeitbezogene Gesundheitsförderung,
- Gesundheitszirkel 3: Erhöhung der Eigenkompetenz,
- Gesundheitszirkel 4: Dokumentation und Öffentlichkeitsarbeit.

Nach einer Analyse der Ist-Situation (insbesondere durch Befragung der Jugendlichen zu ihren gesundheitlichen Problemen) sowie der Auswertung der Ergebnisse wurde ein Katalog für personenbezogene Maßnahmen (Entwicklung und Förderung von personalen Ressourcen), bedingungsbezogene Maßnahmen (Gestaltung gesundheitsfördernder Ausbildungsinhalte und -bedingungen) sowie organisationsbezogene Maßnahmen (Tagesaufbau- und Ablaufgestaltung in der Einrichtung) erstellt.

Bei der Umsetzung des Projekts galt es, alle Bereiche des Bildungsprozesses (praktische Ausbildung, theoretische Ausbildung und sozialpädagogische Begleitung) einzubeziehen und entsprechende gesundheitsfördernde Maßnahmen zu organisieren.

Schwerpunkte waren insbesondere der Arbeitsschutz, die gesunde Körperhaltung bei der Arbeit (Sitzen und Stehen), rückengerechtes Tragen und Heben von Lasten, eine gesundheitsgerechte Arbeitsgestaltung, die Analyse der Werkstätten und Arbeitsplätze unter gesundheitsfördernden Aspekten, das Einüben von Techniken zur Stressbewältigung, (z. B. Entspannungs-, Konzentrations- und Bewegungsübungen), Bewerbungstraining und Typberatungen, die Vermittlung sozialer und fachlicher Kompetenzen (Konfliktbewältigung, Selbsteinschätzung, Selbstwahrnehmung), soziale Beratung und Krisenintervention, Projekte der Suchtprävention sowie der Umgang mit Gefühlen und die Förderung des Selbstwertgefühls.


Good Practice in

Settingansatz

Zahlreiche Maßnahmen der Gesundheitsförderung für benachteiligte Jugendliche haben gezeigt, dass diese Zielgruppe schwer zu erreichen ist. Während Arbeitnehmerinnen und Arbeitnehmer gut über das betriebliche Setting eingebunden werden können, mangelt es zur Einbeziehung von benachteiligten Jugendlichen häufig an entsprechenden Voraussetzungen. Mit dem Bildungszentrum Hirschfelde stand jedoch ein geeignetes Setting zur Verfügung. Durch eine Verknüpfung von Maßnahmen sowohl zur Verhältnis- als auch zur Verhaltensprävention war zudem die Möglichkeit eines ganzheitlichen Ansatzes gegeben.

Ein Steuerungsgremium sicherte die Beteiligung verschiedener Gruppen (hier Gesundheitszirkel) an den Entscheidungen der Schulleitung. Die Umsetzung des Maßnahmekatalogs basierte u. a. auf der Mitarbeit und dem Einsatz mehrerer Akteurinnen/Akteure bzw. Institutionen. Neben der pädagogischen und internen Ebene des IB waren auch Externe wie zum Beispiel Gesundheitsamt, Bundesgrenzschutz, Berufsgenossenschaft, Ärztinnen und Ärzte, Sportvereine u. a. beteiligt. Die Maßnahmen orientierten sich an den Zielgruppen und dem Bedarf. Die Schwerpunkte lagen insbesondere in folgenden Bereichen:
- Entwicklung von Angeboten zur Reduzierung von Bewegungsmangel (z. B. Einrichtung eines Volleyballplatzes zur Nutzung in ausbildungsfreien Zeiten, im Internat und auch für sportliche Angebote innerhalb der Ausbildungszeit; organisierter Fußballcup in jedem Ausbildungsjahr mit reger Beteiligung in verschiedenen Ausbildungsklassen; regelmäßige Rückenschule sowie verschiedene sportliche Angebote im Freizeitbereich wie Walking, Schwimmen, Tanzkurs);
- Förderung eines gesunden Ernährungsverhaltens (Gruppenstunden zu verschiedenen Themen; Entwicklung ernährungsbewusster Speisepläne; kostenloses Teeangebot über den gesamten Ausbildungstag; Kurse zur Gewichtsreduzierung);
- Stärkung der Fähigkeit zur Stressbewältigung (Angebote zu Entspannungsmethoden; Schaffung entspannender Lern- und Lebenssituationen);
- Suchtprävention (Durchführung von Antisuchtprogrammen; Teilnahme an Nichtraucherkampagne; Kontakte zu externen Partnerinnen und Partnern, zum Beispiel Beratungsstellen, Polizei);
- weitere gesundheitsbezogene Angebote (Grippeschutzimpfungen, jährliche Gesundheitschecks über das Gesundheitsmobil der AOK; Multiplikatorenschulungen; Entwicklung von Gesundheitszirkeln).

Nachhaltigkeit

Bezogen auf Berufsschulen, berufsbildende Förderschulen und staatlich anerkannte Ersatzschulen hat das Projekt in der Region Modellcharakter – nicht nur für die Schülerinnen und Schüler, sondern auch für das pädagogische Personal sowie im Hinblick auf die Beteiligung zahlreicher Kooperationspartnerinnen und -partner.

Durch die Bildung des Steuerungsgremiums und die kontinuierliche Arbeit der Gesundheitszirkel, zum Teil auch über die Projektdauer hinaus, ist es gelungen, gesundheitsförderliche Themen dauerhaft zu bearbeiten und nachhaltig in der Institution zu verankern. Mithilfe von Maßnahmekatalogen stellen die Gesundheitszirkel die Regelmäßigkeit und Langfristigkeit der angebotenen Kurse sicher. Durch die Bemühungen, die Angebote auch zeitlich in den Freizeitrahmen einzuordnen, konnten möglichst viele Jugendliche teilnehmen. Viele im Projektverlauf aufgebaute sportliche Aktivitäten werden nach dem Abschluss des Projekts weiterhin angeboten und wahrgenommen. Die Durchführung eines Sportfests ist inzwischen regelmäßig in das Jahresprogramm der Einrichtung integriert.

Niedrigschwellige Arbeitsweise

Das Projekt war ausgerichtet auf die Zielgruppe „benachteiligte Jugendliche“, insbesondere Jugendliche aus sozial schwachen Familien, die in ihrer Lernfähigkeit beeinträchtigt sind und häufig zusätzlich Behinderungen aufweisen. Diese sind in der Phase ihrer Berufsvorbereitung bzw. Berufsausbildung im Bildungszentrum Hirschfelde größtenteils in einem Wohnheim mit einer Kapazität von 90 Plätzen bei Vollverpflegung und ganztägiger Betreuung untergebracht. Dadurch konnte die Zielgruppe mit den Projektmaßnahmen in ihrem unmittelbaren Lebensumfeld erreicht werden.

Die verschiedenen Angebote waren zeitlich und örtlich (Wohnheim) so angelegt, dass sie bequem genutzt werden konnten. Die Teilnahme war zumeist kostenfrei und unbürokratisch. Die breite Angebotspalette, die durch die Beteiligung zahlreicher Partner gewährleistet werden konnte, erwies sich in diesem Zusammenhang als sehr vorteilhaft. Die AOK Sachsen finanzierte und finanziert Maßnahmen, insbesondere durch Bereitstellung von Personal- und Sachleistungen (z.B Sportgeräte), das IB stellte Räume und Personal zur Verfügung. Darüber hinaus wurden verschiedene Angebote des Gesundheitsamtes wahrgenommen wie die Durchführung eines Gesundheits-Check-ups für die Auszubildenden (Teilnehmerzahlen von 219 bzw. 287), Arbeitsplatzbegehungen, eine arbeitsplatzbezogene Rückenschule mit ca. 100 Teilnehmerinnen und Teilnehmern, Grippeschutzimpfungen sowie Aktionen zum Tag der Zahngesundheit. Zudem fand auch ein Angebot des Bundesgrenzschutzes zur Selbstverteidigung großen Anklang.


Gesammelte Erfahrungen (Lessons Learned)

Das Projekt „Gesundheitsförderung mit benachteiligten Jugendlichen“ im Bildungszentrum Hirschfelde des Internationalen Bundes (IB) setzte auf die freiwillige Teilnahme von Jugendlichen an Aktivitäten zur Förderung einer gesunden Lebensweise. Zum Teil gestaltete es sich jedoch schwierig, die jungen Menschen für die Maßnahmen zu begeistern, da sie selbst oft keinen Bedarf dafür sahen. Probleme der Teilnahmebereitschaft ergaben sich auch, wenn das Angebot mit Kosten verbunden war oder außerhalb der Ausbildungszeiten stattfand. Zur Erreichbarkeit der Jugendlichen bietet es sich daher an, gesundheitsförderliche Aktivitäten kostenlos anzubieten und diese als festen Bestandteil im Bildungszentrum zu etablieren. Zudem empfiehlt es sich, den Erlebnis- und Freizeitcharakter der Aktivitäten zu betonten. Jugendliche für eine Teilnahme zu gewinnen, indem die gesundheitsfördernden Aspekte der Angebote hervorgehoben werden, erwies sich als nicht zielführend.

Das Projektziel, Gesundheitsförderung in den Ausbildungsalltag des Bildungszentrums im Sinne des Settingansatzes zu integrieren, ist im Rahmen der Projektlaufzeit größtenteils nicht gelungen. Gründe hierfür sind vor allem der wenig flexible Ausbildungsablauf (vorgegeben durch den Ausbildungsplan) sowie die langen Praktikumsphasen, zu denen die Jugendlichen nicht im Bildungszentrum anwesend sind. Als problematisch wird rückblickend bewertet, dass für die Umsetzung der gesundheitsfördernden Angebote keine zusätzlichen Personalstellen zur Verfügung standen, was für eine kontinuierliche gesundheitsförderliche Arbeit mit den Jugendlichen hinderlich war. Punktuelle Aktivitäten, wie z.B. die jährliche Durchführung eines Sportfestes, konnten hingegen dauerhaft in das Jahresprogramm der Einrichtung integriert werden. Um gesundheitsförderliche Aktivitäten nachhaltig im Bildungszentrum aufzunehmen, muss die Gesundheitsförderung im pädagogischen Konzept verankert werden.


Laufzeit des Angebotes

Beginn: Juli 2001

Abschluss: 2018


Welche Personengruppe(n) in schwieriger sozialer Lage wollen Sie mit Ihrem Angebot erreichen?

  • Personen mit niedriger Schulbildung (z.B. Personen ohne qualifizierten Schulabschluss)

Das Angebot richtet sich insbesondere an folgende Altersgruppen

  • 15 bis 17 Jahre
  • 18 bis 29 Jahre

Das Angebot umfasst geschlechtsspezifische Angebote für

  • Keine geschlechtsspezifischen Angebote

Schwerpunkte des Angebotes

  • Bewegungs- und Mobilitätsförderung
  • Ernährung
  • Sucht

Das Angebot wird hauptsächlich in folgenden Lebenswelten umgesetzt

  • Betrieb / Arbeitsplatz

Qualitätsentwicklung

Es ist kein Ergebnisbericht vorhanden.

Die Qualitätsentwicklung und Ergebnissicherung sind nicht in ein Qualitätsmanagementsystem eingebunden.


Stand

28.05.2024

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