Multiplikatorenkonzept
Definition
Ein Multiplikatorenkonzept legt im Rahmen der Konzeption der Maßnahme fest, welche Personen oder Personengruppen mit welcher Methodik systematisch in die Umsetzung einer Maßnahme eingebunden und für diese Aufgabe qualifiziert werden. Das Konzept orientiert sich an den jeweiligen Lebensbedingungen in den Lebenswelten der Zielgruppen (Zielgruppenbezug, Setting-Ansatz).
Die Arbeit der Multiplikationspersonen sollte in den vorhandenen Strukturen der Lebenswelt (z. B. einer Nachbarschaft oder einer Kita) verankert sein. In der Gesundheitsförderung aktive Institutionen und die dort tätigen Fachkräfte können die jeweiligen Zielgruppen meist nur in begrenztem Umfang direkt erreichen. Deshalb sind sie in der Regel auf Multiplikationspersonen angewiesen. Gründe sind z. B. begrenzte personelle und finanzielle Ressourcen oder eingeschränkte Zugangsmöglichkeiten. Multiplikationspersonen haben daher eine wichtige Brückenfunktion bei der Vermittlung von Informationen und Kompetenzen.
Multiplikationspersonen arbeiten gemeinsam mit den Beteiligten (Partizipation) am Aufbau von deren Kompetenzen (Empowerment). Dies geschieht mit dem Ziel, in den jeweiligen Lebenswelten besser auf die dort vorhandenen, die Gesundheit beeinflussenden Faktoren einwirken zu können (vgl. auch Welche Faktoren haben Einfluss auf die Gesundheit? im Infokasten: Was ist soziallagenbezogene Gesundheitsförderung? der Einleitung). Sie sind Ansprechpersonen für die Bedürfnisse der Zielgruppen und können nach einer entsprechenden Qualifizierung selbst die Schaffung gesundheitsfördernder Lebenswelten unterstützen, beispielsweise indem sie Eltern-Cafés organisieren oder die kommunale Vernetzung fördern.
Als Multiplikationspersonen kommen sowohl bestimmte Berufsgruppen (z. B. Lehrkräfte, Ärztinnen und Ärzte, Sozialarbeiterinnen und Sozialarbeiter) in Frage als auch in der Lebenswelt der Zielgruppen akzeptierte und gut vernetzte Personen. Die Multiplikationspersonen sind oft in einer ähnlichen Lebenssituation wie die Zielgruppen der Maßnahme, z. B. ältere Menschen, Menschen mit Migrationshintergrund, Personen mit einer Behinderung oder Personen mit der gleichen sexuellen Identität. Sie fungieren daher als Schlüsselpersonen zu denjenigen Zielgruppen, zu denen beruflich Tätige oft nur schwer Zugang finden.
Der Multiplikationsbegriff steht für eine Vermittlungsrolle bei der Kommunikation zwischen Personen sowie für gemeinsame Lernprozesse bei der Entwicklung gesundheitsfördernder Lebenswelten.

Stufen des Kriteriums „Multiplikatorenkonzept”
Erläuterung der Stufen
Stufe 1 Multiplikationspersonen werden gewonnen
Die Mitarbeitenden einer Maßnahme sprechen potenzielle Multiplikationspersonen mit der Bitte an, einen Beitrag zur Gesundheitsförderung für die Zielgruppen und mit deren Beteiligung zu leisten. Nach erfolgter Zusage werden sie gebeten, die angestrebten Ziele und die dafür geplanten Maßnahmen so weit wie möglich zu unterstützen.
Beispiel Stufe 1
Ein Wohlfahrtsverband will es älteren türkischsprachigen Menschen mit Demenz ermöglichen, möglichst lange zu Hause wohnen zu bleiben. In den Blick genommen werden auch die pflegenden Angehörigen. Potenzielle Multiplikationspersonen werden über Aushänge, E-Mail-Verteiler und Anzeigen in Zeitungen angesprochen. Mit interessierten Personen führen die Koordinierenden der Maßnahme dann ein persönliches Erstgespräch.
Stufe 2 Multiplikationspersonen werden geschult
In der Konzeption der Maßnahme ist festgelegt, dass ausgewählte Multiplikationspersonen auf Grundlage eines Schulungskonzepts gezielt fortgebildet werden. Die Finanzierung ist gesichert. Die Schulung gewährleistet, dass die Multiplikationspersonen mit den Zielen, den durchzuführenden Maßnahmen und möglichen Problemen vertraut sind, um die Arbeit so gut wie möglich unterstützen zu können.
Beispiel Stufe 2
Im Rahmen einer Basisqualifizierung zum Thema „Migration und Demenz“ (mit einem Umfang von 40 Stunden) werden potenzielle Multiplikationspersonen auf ihre häuslichen Betreuungseinsätze bei türkischsprachigen Menschen mit Demenz vorbereitet. Themen der Schulung – auf der Basis eines erprobten Schulungskonzepts – sind Grundlagen zum Krankheitsbild Demenz, zur kultursensiblen Aktivierung und zur Situation pflegender Angehöriger. Die Schulung wird, gemäß den gesetzlichen Bestimmungen, von Fachkräften durchgeführt. Neben der häuslichen Betreuung übernehmen die qualifizierten Multiplikationspersonen Aufgaben in der Organisation und Moderation eines betreuten Gruppenangebots.
Stufe 3 Multiplikationspersonen werden systematisch betreut und fortgebildet
Die in die Maßnahme eingebundenen Multiplikationspersonen werden kontinuierlich betreut und regelmäßig fortgebildet. Damit wird gewährleistet, dass eventuell auftretende Probleme bei der Arbeit vor Ort schnell erkannt und gelöst werden können. Auch die verwendeten Materialien (z. B. Handbücher) werden als Teil dieses Fortbildungszyklus ständig aktualisiert. Die Arbeit der Multiplikationspersonen wird in Zusammenarbeit mit den Mitarbeitenden kontinuierlich und systematisch evaluiert. Dies gewährleistet, dass Schulungs- und Unterstützungsangebote fortlaufend angepasst und verbessert werden können. Die im Rahmen der Evaluation erhaltenen Rückmeldungen ermöglichen zudem, die Maßnahme fortlaufend an sich verändernde Rahmenbedingungen anzupassen.
Beispiel Stufe 3
Ein ambulanter Betreuungsdienst für Menschen mit Demenz führt mit den Multiplikationspersonen viermal im Jahr Reflexionsgespräche und bedarfsgerechte Fortbildungen durch. Dort reflektieren sie ihre persönlichen Erfahrungen und verknüpfen das Gelernte mit der Praxis. Zudem erhalten sie Einblick in relevante gesellschaftliche Zusammenhänge und wissenschaftliche Erkenntnisse, z. B. zum Krankheitsbild Demenz. Erfahrungen aus dem gemeinsamen Austausch werden genutzt, um die Maßnahme kontinuierlich weiterzuentwickeln. Fortbildung und Betreuung tragen außerdem zur Motivation der Multiplikationspersonen bei.
Stufe 4 Die Arbeit der Multiplikationspersonen wird systematisch evaluiert Und Das Multiplikatorenkonzept angepasst
Die Arbeit der Multiplikationspersonen wird in Zusammenarbeit mit den Mitarbeitenden kontinuierlich und systematisch evaluiert. Dies gewährleistet, dass Schulungs- und Unterstützungsangebote fortlaufend angepasst und verbessert werden können. Die im Rahmen der Evaluation erhaltenen Rückmeldungen ermöglichen zudem, die Maßnahme fortlaufend an sich verändernde Rahmenbedingungen anzupassen.
Beispiel Stufe 4
Fachkräfte einer wissenschaftlichen Einrichtung begleiten die Umsetzung des Multiplikatorenkonzeptes zur Betreuung türkischsprachiger Menschen mit Demenz. Sie stellen die Erfahrungen und Rückmeldungen der Multiplikationspersonen sowie der Fachkräfte des Trägers der Maßnahme auf der Basis eines wissenschaftlichen Erhebungsinstrumentes zusammen. Daneben moderieren sie einen gemeinsamen Entwicklungsprozess für die Fortschreibung des Multiplikatorenkonzeptes. Neben den fachlichen Inhalten werden vor allem die Anforderungen an den Träger der Maßnahme diskutiert (u. a. hinsichtlich Finanzierung und Qualität).
Weiterführende Literatur:
BACKES, H.; LIEB, CH. (2024): Peer Education. In: Leitbegriffe der Gesundheitsförderung. www.leitbegriffe.bzga.de/alphabetisches-verzeichnis/peer-education
BLÜMEL, ST; LEHMANN, F.; HARTUNG, S. (2024): Zielgruppen, Multiplikatorinnen und Multiplikatoren. In: Leitbegriffe der Gesundheitsförderung. www.leitbegriffe.bzga.de/alphabetisches-verzeichnis/zielgruppen-multiplikatorinnen-und-multiplikatoren
GEGEN VERGESSEN – FÜR DEMOKRATIE E.V. (Hrsg.) (2019): lebensweltnah & partizipativ – Mit Peer Education gesellschaftliche Vielfalt und Demokratie fördern. https://www.ufuq.de/online-bibliothek/lebensweltnah-partizipativ-mit-peer-education-gesellschaftliche-vielfalt-und-demokratie-foerdern/
Weitere Materialien zum Good Practice-Kriterium Multiplikatorenkonzept:
- Arbeitshilfen GUTE PRAXIS KONKRET zum Good Practice-Kriterium Multiplikatorenkonzept. Erfahrungen und Beispiele guter Praxis der Gesundheitsförderung mit älteren Menschen (2019).
- Good Practice Video: Multiplikatorenkonzept, Projekt „Fitness für Kids – Frühprävention im KiTa- und Grundschulalter“, Landeszentrale für Gesundheit Bayern e. V.
- Good Practice Video: Mulitplikatorenkonzept, Projekt „Mit Migranten für Migranten (MiMi), Landeszentrale für Gesundheit Bayern e. V.
- Hier finden Sie Praxisprojekte, die das Kriterium Multiplikatorenkonzept erfüllen.