Veröffentlichung: 2008
Lebenslust - Leibeslust
Kurzbeschreibung mit Zielen und Maßnahmen
Medienberichte der letzten Jahre, Erfahrungen aus der praktischen Ernährungsberatung sowie Rückmeldungen von Multiplikatorinnen und Multiplikatoren aus Fortbildungsveranstaltungen zeigen, dass der Anteil essgestörter Kinder und Jugendlicher in den letzten Jahren zugenommen hat und weiter steigt. Insbesondere Kinder aus sozial benachteiligten Familien sind überdurchschnittlich oft übergewichtig wie die Ergebnisse des Kinder- und Jugendgesundheitssurvey (KiGGS) belegen. Um diese Kinder mit präventiven Maßnahmen frühzeitig zu erreichen, ist es wichtig, die alltägliche Lebenswelt der Kinder mit einzubeziehen z.B. Kindertageseinrichtungen und Schulen, Pädagogen und Eltern, die eine Vorbildfunktion für die Kinder haben. Das Projekt „Lebenslust-Leibeslust“ verfolgt das Ziel, durch Fortbildung und Beratung der Multiplikatorinnen und Multiplikatoren in den Institutionen Orientierungshilfen und Maßnahmen für ein positives Essverhalten anzubieten, die Entscheidungsfähigkeit der Kinder in Bezug auf Ernährung zu fördern und alternative Handlungsmöglichkeiten mit problematischen Essenssituationen im Kindergartenalltag aufzuzeigen. Die Ergebnisse der Modellphase des Projektes belegen, dass bei einer klaren Festlegung von Regeln das Essverhalten der Kinder deutlich verbessert wird. Gefährdete Kinder können gezielt in der Lebensmittelauswahl unterstützt und damit latente Essstörungen bereits im Vorfeld abgefangen werden. Die persönliche und fachliche Kompetenz der einzelnen Mitarbeiterinnen wird gestärkt und fördert und erleichtert somit die Arbeit des gesamten Teams.
Dokumente zur Darstellung des Angebotes
Kontakt
Frau Sabine Hoffmann-Steuernagel
Flämische Str. 6-10
24103 Kiel (Schleswig-Holstein)
Telefon: 0431 / 94294
E-Mail: hoffmann-steuernagel(at)lvgfsh.de
Website: http://www.lvgfsh.de
Projektträger
Landesvereinigung für Gesundheitsförderung in Schleswig-Holstein e.V.
Seekoppelweg 5a
24113 Kiel
Hintergrund
Die Zahl der Kinder und Jugendlichen mit einem problematischen oder bereits gestörten Essverhalten hat in den letzten Jahren zugenommen und steigt weiter. Dies wird durch die aktuellen Ergebnisse des bundesweiten Kinder- und Jugendgesundheitssurveys (KIGGS) eindrucksvoll belegt. Die KIGGS-Studie zeigt darüber hinaus, dass das Ernährungswissen übergewichtiger Kinder mangelhaft ist. Neben dem zunehmenden Problem der sich häufig im Jugendalter manifestierenden Essstörungen in Form von Anorexia nervosa, Bulimia nervosa, Binge eating und latenter Esssucht steht auch die steigende Zahl der bereits im Grundschulalter adipösen Kinder immer mehr im Blickpunkt. In Schleswig-Holstein gelten derzeit 10% der Jungen und 11% der Mädchen zum Zeitpunkt der Einschulung als übergewichtig, 4,5% der einzuschulenden Jungen und 4,2 % der Mädchen sind bereits adipös (Ministerium für Soziales, Gesundheit, 2004). Übergewicht birgt Gesundheitsrisiken, die nicht nur für die Kinder und deren Familien eine enorme Belastung darstellen, sondern auch hohe Behandlungskosten und damit eine zunehmende Belastung der Volkswirtschaft mit sich bringen. Da der Anteil übergewichtiger Kinder in Familien mit niedrigem sozioökonischem Status deutlich höher liegt als in Familien mit einem hohen Bildungsniveau, bietet neben dem Setting Kindertageseinrichtung das Setting Grundschule ideale Voraussetzungen für eine frühe Ansprache besonders auch der problematischen Zielgruppen.
Das Projekt „Lebenslust - Leibeslust“ wurde von der Landesvereinigung für Gesundheitsförderung in Kooperation mit der Deutschen Gesellschaft für Ernährung S-H und einer freiberuflichen Oecotrophologin entwickelt und wird seit 2003 mit großem Erfolg in 24 Kindertageseinrichtungen und auch aufgrund der konkreten Nachfrage in sechs Mutter-Kind-Kureinrichtungen durchgeführt. Es wird als ein Leitprojekt im Rahmen der Kampagne des schleswig-holsteinischen Sozialministeriums „Optikids – kinderleicht“ aktuell in sieben Kitas in der sozial eher schwachen Modellregion Neumünster angeboten und zusätzlich evaluiert. Bisher wurden 1787 Kindergarten-Kinder sowie 207 pädagogische und hauswirtschaftliche Mitarbeiterinnen erreicht. Nach einer Anschubfinanzierung durch verschiedene Krankenkassen (Barmer, TK, IKK, Dräger & Hanse, TK, Landwirtschaftliche KK, GEK) wird die Durchführung des Programmes inzwischen insbesondere durch die Techniker Krankenkasse finanziert. 2007 wurde das Programm auf den Schulbereich zugeschnitten und wird zunächst in fünf Grundschulen und einer Gesamtschule erprobt.
Mit dem Programm werden alle Kinder erreicht, unabhängig von ihrem individuellen Sozial- und Gewichtsstatus. Zielsetzung des Projektes ist es, durch entsprechende Beratung und Fortbildung der Multiplikatorinnen und Multiplikatoren, zu denen auch die Eltern gehören, die Kinder in ihrem Essverhalten soweit zu unterstützen, dass keine Essverhaltensstörungen entstehen und eine Verschiebung des Gewichtes der Kinder in einen problematischen BodyMassIndex-Bereich (oberhalb der 90er Perzentile) verhindert wird. Neben dem primärpräventiven Ansatz hat das Projekt zugleich auch eine Frühwarn-Funktion: es werden in ihrem Essverhalten auffällige Kinder, die übergewichtig sind, gezielt wahrgenommen und an entsprechende Therapieangebote verwiesen.
Aktualisierung zum Hintergrund (Stand: 08/2011)
Aktuelle Untersuchungsergebnisse des Kinder- und Jugendärztlichen Dienstes von 2009 zeigen, dass im Rahmen von Einschulungsuntersuchungen in Schleswig-Holstein der Anteil übergewichtiger und adipöser Kinder leicht abnimmt. Es sind Rückgänge um 0,2 bis 0,7% in Bezug auf Adipositas und Übergewicht bei Mädchen und Jungen im Vergleich zum Jahr 2004 zu verzeichnen (Ministerium für Arbeit, Soziales, Gesundheit, 2008/2009).
Auch hinsichtlich der Verbreitung des Projektes haben sich Veränderungen ergeben. Seit 2008 hat sich die Zahl der teilnehmenden KiTas am Projekt „Lebenslust – Leibeslust“ von 24 auf 69 erhöht. Zudem erweiterte sich die Umsetzung auf eine zusätzliche Mutter-Kind-Kureinrichtung. Die Zahl der erreichten Kinder stieg somit von 1.787 auf 6.057 an, sowie die der pädagogischen und hauswirtschaftlichen Mitarbeiterinnen von 207 auf 654. Des Weiteren wird das Projekt zunehmend im Grundschulbereich durchgeführt. Während es in der Erprobungsphase fünf Grundschulen vorbehalten war, wurde das Projekt mittlerweile in 21 Grundschulen umgesetzt.
Vorgehen
„Lebenslust - Leibeslust“ beinhaltet sechs Module und wird in einem Zeitraum von sechs bis 12 Monaten in Kindertagesstätten und Grundschulen durchgeführt. Im Mittelpunkt steht dabei die individuelle Beratung der einzelnen Tageseinrichtungen und Schulen und die Fortbildung der jeweiligen Teams mit dem Ziel einer individuell angepassten Organisationsentwicklung durch eine Oecotrophologin und eine geschulte Kraft aus dem Bereich der betrieblichen Gesundheitsförderung.
Methodischer Schwerpunkt des Programmes ist das Angebots- und Entscheidungsmodell, das die Kinder darin unterstützt, selbstbestimmt und bewusst zu entscheiden, ob, was und wieviel der angebotenen Nahrungsmittel sie essen möchten. Im Rahmen des Projektes lernen die Kinder eine Vielfalt an frischen und gesunden Lebensmitteln kennen, aus der sie auswählen können. Darüber hinaus werden sie in ihrer Sinneswahrnehmung und ihrem Körperbewusstsein gestärkt und in ihrer Entscheidungsfähigkeit trainiert. Um den Kindern diesen Lernprozess zu ermöglichen, sind die Gestaltung der Esssituationen, das Nahrungsangebot und die aufgestellten Regeln von Seiten der Erzieherinnen und Erzieher von zentraler Bedeutung. Das Grundprinzip des Modells der geteilten Verantwortung, d.h. die Erzieherinnen machen das Angebot und die Kinder treffen die Entscheidung, ermöglicht allen Beteiligten im Alltag der Kindertagesstätte ein wesentlich entspannteres und positiveres Esserlebnis als dies bei immer wiederkehrenden Auseinandersetzungen am Essenstisch der Fall ist.
Modul 1: Einführungsfortbildung
Dies ist eine eintägige kita- bzw. schulinterne Fortbildungsveranstaltung für das gesamte Team bzw. Kollegium, bei der aus Gründen der Vernetzung und des Austausches untereinander sowie zur Kostensenkung möglichst zwei Kindertageseinrichtungen oder Schulen zusammengefasst werden. Zu den inhaltlichen Schwerpunkten dieser Fortbildung gehören:
- Sensibilisierung der Erwachsenen der Einrichtung für das eigene Essverhalten und ihre Vorbildfunktion
- Informationen zur bedarfsgerechten Kinderernährung
- Einflussfaktoren auf die Entwicklung des Essverhaltens und Auffälligkeiten
- Ziele und Maßnahmenplanung
- Vorbereitung der Gründung eines einrichtungsinternen Arbeitskreises
Modul 2: Entwicklung und Aufbau einer geeigneten Kommunikationsstruktur, Koordination und Vernetzung
Hierzu findet eine individuelle Beratung und Begleitung der Kindertageseinrichtung oder Schule, verteilt auf ca. 9 Folgemonate, statt. Wesentliche Bausteine dieses Moduls sind die Gründung eines Arbeitskreises / Qualitätszirkels, Erarbeitung gemeinsamer Ziele und deren Durchführungsmaßnahmen, Festlegung der Zuständigkeiten, Öffentlichkeitsarbeit, Koordinierung und Vernetzung aller beteiligten Gruppen, Besprechung von „Problemfällen“ und Verweis an andere Einrichtungen, Erarbeitung individueller Materialien und die Dokumentation des Projektes.
Modul 3: Auswertungstagung
Im Rahmen einer gemeinsamen Auswertung werden die Ergebnisse der Projektdurchführung präsentiert und es findet ein Erfahrungsaustausch untereinander statt. Zentrale Fragestellungen sind hierbei: Welche Veränderungen wurden beim Essverhalten beobachtet? Was lief gut? Welche Schwierigkeiten sind aufgetaucht? Was könnte bei der Projektdurchführung verbessert werden? Hier können erneut zwei Kindertageseinrichtungen oder Schulen zusammengefasst werden. Es werden Perspektiven hinsichtlich einer eigenständigen Fortführung bzw. Weiterentwicklung des Projektes in der Schule oder Tageseinrichtung erarbeitet. Den teilnehmenden Institutionen werden nach dem Ende des Projektdurchlaufes weiterhin Unterstützung in Form von 1x jährlich stattfindenden Nachtreffen angeboten.
Modul 4: Unterstützung bei der Elternarbeit
Die Wirkung das Projektes kann nachhaltig verbessert werden, wenn auch die Eltern, die die Esssituationen im häuslichen Umfeld häufig als extrem stressbelastet schildern, bezüglich des Bausteins „Angebot und Entscheidung“ geschult werden. Durch Elterninformation/-schulung sowie Eltern-Kind-Aktionen, z.B. Eltern-Kind-Kochkurse, gemeinsame Buffets etc. werden die Eltern für die Thematik sensibilisiert und es wird den Eltern ein guter Einblick in das Essverhalten ihrer Kinder außerhalb ihres Einflussbereiches ermöglicht. Zusätzlich erhalten Lehrkräfte, Erzieherinnen und Erzieher im Zuge solcher Angebote meist einen wesentlich entspannteren Zugang zu den Eltern.
Modul 5: Unterstützende Angebote aus den Bereichen Bewegung / Entspannung
Hier findet eine Zusammenarbeit mit der Sportjugend Schleswig-Holstein und örtlichen Sportvereinen sowie der Unfallkasse Schleswig-Holstein statt. Es sollen Schnupperangebote in den Kitas und Schulen gemacht werden, um Anreize für die Teilnahme an regelmäßigen Vereinsangeboten zu schaffen.
Modul 6: Weitervermittlung
Familien mit bereits übergewichtigen Kindern bzw. in ihrem Essverhalten auffälligen Kindern werden über Beratungs- oder Kursangebote vor Ort (z.B. individuelle Ernährungsberatung über die Deutsche Gesellschaft für Ernährung, Fördekids o.ä.) informiert bzw. direkt dorthin vermittelt.
Aktualisierung zum Vorgehen (Stand: 08/2011)
Während die Module 1 bis 5 obligatorisch durchgeführt werden, ist das Modul 6 nur bei Bedarf vorgesehen.
Good Practice in
Settingansatz
Für das Projekt „Lebenslust - Leibeslust“ wurden als Settings Kindertageseinrichtung und Schule gewählt. Da der Anteil übergewichtiger Kinder in Familien mit einem niedrigen sozioökonomischen Status deutlich höher liegt als in Familien mit einem hohen Bildungsniveau, bieten Ansätze wie diese, ideale Voraussetzungen besonders gefährdete Zielgruppen frühzeitig zu erreichen. Bei der Durchführung des Projektes in sozial benachteiligten Regionen, wie dies in Neumünster im Rahmen von „Optikids – Kinderleicht“ der Fall ist, werden überdurchschnittlich viele dieser Kinder erreicht, ohne dabei stigmatisiert zu werden.
Im Rahmen des Organisationsentwicklungsansatzes werden für die Implementierung von „Leibeslust“ einrichtungsinterne Arbeitskreise gebildet. Gemeinsam mit der Projektleitung entwickeln die Teams in Kita und Grundschule auf der Basis des Angebots- und Entscheidungsmodells von „Lebenslust - Leibeslust“ ein maßgeschneidertes Esskonzept (Angebotsformen, Essregeln, Lebensmitttelauswahl etc.) für die Institution. Durch die Weiterbildung der beteiligten Fachkräfte und die verantwortliche Beteiligung einzelner Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter an der Projektgestaltung wird eine nachhaltige Einbindung der Thematik und der Erwerb praktischer Handlungskompetenzen im Bereich Ernährung in den Lebenswelten der Kinder erreicht, die eine dauerhafte Arbeitsgrundlage zur Prävention von Essstörungen gewährleistet.
Multiplikatorenkonzept
Unmittelbare Zielgruppen des Programms sind Multiplikatorinnen und Multiplikatoren der Kinder im Alter von 3 bis 10 Jahren in Kindertagesstätten und Grundschulen, aber beispielsweise auch Mitarbeiterinnen in Mutter-Kind-Kur-Heimen. Diese werden im Rahmen des Projektes fortgebildet, um die Kinder in ihrer Entscheidungskompetenz beim Essen soweit zu unterstützen, dass ein gesundes, maßvolles Essverhalten gefördert und auf diese Weise einer Essstörung vorgebeugt wird. Es werden Prinzipien einer kindgerechten Ernährung nach den Empfehlungen der Deutschen Gesellschaft für Ernährung e.V., Basiswissen zu Essverhalten von Kindern und möglichen Ursachen für Fehlernährung sowie Indikatoren zur Erkennung von Essstörungen vermittelt. Weitere Fortbildungsinhalte sind die Schulung von Körper- und Sinneswahrnehmungen, beispielsweise werden die Pädagoginnen und Pädagogen angeregt, ihre eigene Essbiographie und Vorbildfunktion zu reflektieren.
Die Eltern werden im Rahmen eines Elternabends und mit Hilfe eines Infoflyers über die Thematik und den Ansatz des Angebots- und Entscheidungsmodells informiert und bekommen praktische Hilfestellung im Umgang mit schwierigem Essverhalten ihrer Kinder.
Von Seiten der Projektverantwortlichen wird der Aufbau eines landesweiten Multiplikatorinnen-Teams angestrebt. Als Projektdurchführende, die nach der Methode von „Leibeslust-Lebenslust“ geschult werden, kommen Oecotrophologinnen, Fachkräfte aus den Gesundheitsämtern und Fachfrauen für Ernährung in Frage. Es hat sich bewährt, bei der Fortbildung der Pädagoginnen und Pädagogen und der Durchführung des Projektes jeweils zwei Einrichtungen zusammen zu fassen, da diese sich untereinander zusätzlich austauschen und vernetzen können im Sinne einer nachhaltigen Implementierung der Thematik und Methodik in den Einrichtungen.
Aktualisierung zum Multiplikatorenkonzept (Stand: 08/2011)
Zu den Zielgruppen des Projektes gehören auch die unter 3-jährigen Kinder in Kindertagesstätten.
Empowerment
Durch die Fortbildung werden die Pädagoginnen und Pädagogen befähigt, Auffälligkeiten und bereits behandlungsbedürftige Essstörungen zu erkennen und bei Bedarf an professionelle Hilfeeinrichtungen zu verweisen. Viele der Erzieherinnen haben durch das Projekt neue Handlungskompetenzen erworben und das eigene Bewusstsein für Ernährungsfragen gestärkt. Essensentscheidungen konnten nach Durchführung des Projektes gegenüber den Eltern besser pädgaogisch begründet werden. Übergeordnete Zielsetzung des Empowerment-Ansatzes ist es, dass nach der Projektphase die Kindergartenteams bzw. Lehrerkollegien der Grundschule in der Lage sind, die weitere Umsetzung des Projektes in Eigenregie zu übernehmen selbstständig das Essverhalten der Kinder zu beeinflussen. Hierfür dienen auch die jährlich stattfindenden Nachtreffen, bei denen zwischenzeitlich aufgetretene Unklarheiten oder Probleme thematisiert und bearbeitet werden.
Die Evaluation des Modellprojektes hat gezeigt, dass auf Seiten der Kinder ein deutlicher Anstieg der Entscheidungsfähigkeit während der Durchführung erfolgt ist. Von der Phase des „alles haben wollen und sich nicht entscheiden können“ gelang es den Kindern unter Anleitung der Erzieherinnen und Erzieher, Schritt für Schritt auszuwählen und Mengen einzuschätzen. Die Kinder lernten neue Lebensmittel kennen und entwickelten Neugierde, Unbekanntes zu erproben. Im Ergebnis aßen die Kinder besser, das Essen fand in einer ruhigeren Atmosphäre statt und die Tischsitten verbesserten sich. Durch das Projekt wird für die Kinder ein Lernprozess angeregt, Konsumentscheidungen hinsichtlich des Essens reflektiert, selbstbestimmt und qualitätsorientiert zu treffen, der einen nachhaltigen gesundheitsfördernden Effekt erwarten lässt.
Gesammelte Erfahrungen (Lessons Learned)
Der Erfolg von „Lebenslust – Leibeslust“ spiegelt sich in Evaluationsergebnissen zum Projekt wieder. Es wird deutlich, dass sich durch das Projekt bei einem Großteil der Beteiligten die Einstellung zum Thema Ernährung verändert hat und das Bewusstsein bei der Lebensmittelauswahl, beim Einkauf und bei der Zubereitung gesteigert wurde. Besonders die Lebensmittelauswahl der Kinder hat sich positiv verändert; sie probieren vermehrt ihnen zuvor unbekannte Lebensmittel. Ihre Auswahl wird breiter, der Anteil an Obst und Gemüse in der Frühstücksdose steigt. Die Gesamtevaluation von 2011 zeigt, dass 41% der befragten pädagogischen MitarbeiterInnen vor allem eine Beruhigung der Essenssituation beschreiben.
Im Rahmen des Projektes hat sich unter anderem der modulare Aufbau bewährt. Mit den aufeinander aufbauenden Modulen wird ein Entwicklungsprozess in den Kitas angestoßen und den Einrichtungen zugleich Raum für eine individuelle Schwerpunktsetzung geboten. Je nach Bedarf kann z.B. das mitgebrachte Frühstück der Kinder, das Frühstücksbuffet, das gelieferte oder selbstgekochte Mittagessen, die Essensgestaltung oder die Elternbeteiligung schwerpunktmäßig bearbeitet werden. Die Eltern-Kind-Aktionen sind eine gute Möglichkeit, den Eltern die Ansätze transparent zu machen und ihnen - gemeinsam mit den Kindern z.B. in Form eines Abschlussfestes/ gemeinsames Kochen oder Backen mehr Handlungskompetenzen zu vermitteln.
Die Elternbeteiligung sowie die Beziehung der pädagogischen MitarbeiterInnen zu den Eltern können hingegen auch eine Herausforderung darstellen. Erfahrungsgemäß ist es schwierig, alle Eltern zur Zusammenarbeit zu bewegen. Eine Hürde ist vor allem, dass häufig aus Sicht der Eltern die Ernährung ihres Kindes als „Privatsache“ angesehen wird und viele Eltern befürchten, es würde Ihnen vorgeschrieben, wie sie ihr Kind zu ernähren haben. Um die Beziehung der pädagogischen MitarbeiterInnen zu den Eltern zu entspannen, ist zu empfehlen, den „erhobenen Zeigefinger“ zu vermeiden, Rollen zu klären (Aufgabe der Kita ist es, den Kindern ein gutes Angebot vorzuhalten, nicht, Eltern zu erziehen) und gemeinsam mit den Eltern zum Wohle der Kinder zu agieren. Das Thema Ernährung birgt zudem ein hohes Konfliktpotential innerhalb eines Kita-Teams, z.B. wenn das Verständnis von einer gesunden Ernährung sehr unterschiedlich ist bzw. die MitarbeiterInnen unterschiedliche Toleranzgrenzen haben. Es ist wichtig, ein gemeinsames Verständnis im Team zu entwickeln. Hierbei nimmt die Referentin eine moderierende Rolle ein.
Das Projekt musste im Laufe der Zeit leicht angepasst werden, denn anders als zunächst angenommen besuchen vermehrt Kinder unter drei Jahren mit eigenständigen Problemstellungen die Einrichtungen. Um diesen gerecht zu werden, wurde eine weitere Teamschulung in den Ablauf integriert.
Damit ein derartiges Projekt gelingt, müssen die Kita und das Team grundsätzlich bereit und motiviert sein, aktiv Veränderungen einzugehen. Darüber hinaus ist wichtig, dass sich die Referentinnen des Projektes ihrer moderierenden Rolle bewusst sind.
Literatur
Hoffmann-Steuernagel, Sabine und Dr. Schulze-Lohmann, Petra (2004): Lebenslust – Leibeslust. Ein Pilotprojekt zur Prävention von Essstörungen im Kindergarten. KiTa spezial (1), 45-47
Kurth, B.-M., Robert-Koch-Institut, Symposium zur Studie zur Gesundheit von Kindern und Jugendlichen in Deutschland, Bundesgesundheitsblatt 10 – 2006 (KiGGS-Studie)
Ministerium für Arbeit, Soziales und Gesundheit des Landes Schleswig-Holstein. Bericht über die Untersuchungen des Kinder- und Jugendärztlichen Dienstes in Schleswig-Holstein im Jahr 2008/2009, Kiel
Ministerium für Soziales, Gesundheit, Familie, Jugend und Senioren des Landes Schleswig-Holstein. Bericht über die Untersuchungen des Kinder- und Jugendärztlichen Dienstes in Schleswig-Holstein im Jahr 2004, Kiel
Laufzeit des Angebotes
Beginn: 2002
Abschluss: kein Ende geplant
Welche Personengruppe(n) in schwieriger sozialer Lage wollen Sie mit Ihrem Angebot erreichen?
Menschen in schwieriger sozialer Lage sind ein wichtiger Teil der Zielgruppe, auch wenn sich das Angebot in erster Linie an alle richtet.
- Personen in strukturschwachen Wohnregionen / Quartieren
Das Angebot richtet sich insbesondere an folgende Altersgruppen
- Altersgruppenübergreifend
Das Angebot umfasst geschlechtsspezifische Angebote für
- Keine geschlechtsspezifischen Angebote
Multiplikatorinnen und Multiplikatoren
Dipl.oec.troph.
Kita-Mitarbeiterinnen
Kita-Träger
Hauswirtschaftskräfte
Kooperationspartnerinnen und Kooperationspartner
Deutsche Gesellschaft für Ernährung e.V. (DGE)
Techniker Krankenkasse (TK)
Schwerpunkte des Angebotes
- Ernährung
- Stärkung der individuellen Bewältigungsressourcen (z.B. Life skills, Resilienz)
- Steigerung der Selbstständigkeit / Selbstbestimmung
- Stärkung sozialer Kompetenzen
- Organisationsentwicklung
Das Angebot wird hauptsächlich in folgenden Lebenswelten umgesetzt
- Kindertageseinrichtung / Kindertagespflege
- Schule
Qualitätsentwicklung
Was machen Sie, um die Qualität Ihres Angebotes weiterzuentwickeln?
- regelmäßige Evaluation
- Qualitätstreffen/ Austausch mit beteiligten Akteuren
Welche Erfahrungen haben Sie bei der Qualitätsentwicklung Ihres Angebotes gemacht?
Welche Stolpersteine haben Sie festgestellt?
Stolpersteine können sein: Teamkonflikte, Fluktuation im Team
Wie dokumentieren Sie Ihre Arbeit? (z.B. Konzepte, Handreichung)
Projektkonzept
Evaluationsberichte
Dokumentation
Quelle der Veröffentlichung/URL: Jahresberichte der LVGF, Handreichung
Es ist bereits ein Ergebnisbericht vorhanden.
Das Vorgehen der Qualitätsentwicklung kann ganz unterschiedlich sein. Einiges haben Sie bereits genannt. Welches der folgenden Verfahren wenden Sie zusätzlich an?
Erläuterung
Fragebögen zu Beginn und am Ende des Programmes
Die Qualitätsentwicklung und Ergebnissicherung sind nicht in ein Qualitätsmanagementsystem eingebunden.
Stand
12.03.2015