03.07.2024
6. Fachgespräche Gute Praxis konkret
„Gute Praxis konkret – Wirkungsorientierung in der Gesundheitsförderung“
Felix Koller, HAGE - Hessische Arbeitsgemeinschaft für Gesundheitsförderung e.V.
Schlagwörter:Good Practice, Gesundheitsförderung
Ziel der Veranstaltung war es, das Konzept der Wirkungsorientierung für die praktische Arbeit in der Gesundheitsförderung und Prävention aufzuarbeiten. Mit Beispielen aus der Praxis und Raum für Gespräche sowie Reflektion der eigenen Arbeit sollte der Ansatz der Wirkungsorientierung für die Teilnehmenden transparent und anwendbar gemacht werden.
Eine wirkungsorientierte Arbeitsweise ist auch in der Gesundheitsförderung und Prävention hilfreich und wichtig. Mit dem Ansatz der Wirkungsorientierung wird das Ziel verfolgt, Maßnahmen der soziallagenbezogenen Gesundheitsförderung so strukturiert und systematisch zu gestalten, dass vorab anvisierte Wirkungen erreicht und belegt werden können. In den Good Pracitce-Kriterien des Kooperationsverbundes Gesundheitliche Chancengleichheit findet sich dieser Ansatz auch an verschiedenen Stellen wieder. Unter anderem in den Kriterien „Qualitätsmanagement“ und „Belege für Wirkungen und Kosten“.
Eine Einführung in das Konzept der Wirkungsorientierung und eine differenzierte Begriffsbestimmung erfolgte durch Sebastian Ottmann, Leiter des Kompetenzzentrums ‚Wirkungsorientierung in der Sozialen Arbeit‘ am Institut für Praxisforschung und Evaluation an der evangelischen Hochschule Nürnberg. Wirkungsorientierung ist eine Haltung, bei der vom Ergebnis von Angeboten bzw. Projekten anfangend gedacht wird. Dabei ist ein Prozess der Organisationsentwicklung erforderlich, der unter Beteiligung der Mitarbeitenden verschiedener Ebenen erarbeitet werden muss. Somit ist Wirkungsorientierung mehr als die reine Analyse von Wirkungen. Um diesen aufwendigen Prozess niedrigschwelliger in der Praxis anwenden zu können, stellte Herr Ottmann die Idee der Ankerwirkmodelle vor. Dadurch müssen Wirkmodelle nicht komplett neu entwickelt werden und können für bestimmte Arbeitsbereiche übernommen und individuell angepasst werden. Um sich in der Praxis der Frage nach erzielten Wirkungen anzunähern, kann die Methode der Wirkungsplausibilisierung hilfreich sein.
Manuela Dorsch, PHINEO gAG und Initiative Kommune 360°, beschäftigte sich in ihrem anschließenden Vortrag mit der Frage, wie Wirkungsorientierung im kommunalen Setting in der Netzwerkarbeit gelingen kann. Im Bereich der Kommunikation und Vernetzung besteht die Herausforderung der Wirkungsbeurteilung in der Komplexität des Systems an sich, welche durch die Arbeitsorganisation und Prozessgestaltung unterschiedlicher Akteur*innen (Zivilgesellschaft, Politik, Verwaltung) bestimmt ist.
Da die verschiedenen Ebenen diversen Einflüssen unterliegen, kann die Betrachtung einer Einzelmaßnahme zur Reduzierung der Komplexität hilfreich sein. Die dadurch identifizierten Versorgungslücken oder Kommunikationsdefizite innerhalb des Systems können als Ansatzpunkte für Veränderungen genutzt werden. Voraussetzung dafür ist eine solide und umfassende Analyse des Problems bzw. der Ausgangslage.
Am Nachmittag gab Dr. Sarah Mümken von der HAGE e.V. einen Einblick in die Wirkungsorientierung bei dem Landesprogramm ‚Präventionsketten Hessen‘. Sie veranschaulichte, wie Wirkung bereits in der Planungsphase für die Programmumsetzung mitgedacht werden sollte und unterstreicht dabei die Wirkungslogik. Zentrale Erkenntnis ihrer Arbeit ist, dass Wirkung bei der Zielgruppe eine vorherige Wirkung auf Strukturebene voraussetzt. In der Praxis sind somit kleinschrittige Änderungen auf kommunaler Verwaltungsebene grundlegend für greifbare Veränderungen in der Lebenswelt von Kindern und Jugendlichen. Kleine Teilziele, wie die steigende Bekanntmachung der Kinderrechte oder die Transparenz von Angeboten, bilden diese notwendige vorangestellte Wirkung ab. Offenheit, eine gelebte Fehlerkultur und die Ausrichtung von Maßnahmen im Hinblick auf die gewünschten Wirkungen werden als Gelingensfaktoren für ein wirkungsorientiertes Projekt genannt.
Auch Kerstin Kowalewski berichtete aus ihrer praktischen Arbeit. Die Referentin aus dem Gesundheitsamt des Landkreises Marburg-Biedenkopf ist u.a. die Koordinatorin des Modellprojektes dezentrale Präventionsberaterin, das sich der Herausforderung der flächendeckenden Erreichbarkeit von Menschen aller Lebensphasen im ländlichen Raum widmet. Um das modellhafte Vorgehen der dezentralen Präventionsberatung in dem Landkreis evaluieren und bewerten zu können, wird eine Wirkungsanalyse mithilfe des Fortschrittsdiagramms durchgeführt. Das ursprünglich für die Präventionskettenarbeit von der LVG & AFS Nds & HB entwickelte digitale Praxistool soll so für die Präventionsberatung im ländlichen Raum angepasst werden. Dafür werden erzielte Fortschritte durch geeignete Einzelindikatoren eines angepassten Analysebogens ermittelt und abgebildet. Übergeordnetes Ziel ist die Erarbeitung eines Leitfadens für dezentrale Gesundheitsförderung.
Die letzte Phase der Veranstaltung gab Raum für Austausch und Diskussionen zwischen den Teilnehmenden. Als Anregung dienten verschiedene Thementische, die durch die Referent*innen betreut wurden. In der Diskussion bei Herr Ottmann ging es Schwerpunktmäßig um die Anwendbarkeit von Wirkungsmodellen in der Praxis. Dabei wurde auf die Subjektivität qualitativer Wirksamkeitsindikatoren eingegangen und auf die Frage, ob messbare Wirkungen eindeutig auf eine bestimmte Ursache (z.B. die eigene Maßnahme oder das eigene Projekt) zurückführbar sind. Frau Kowalewski gab vertiefte Einblicke in die modifizierten Evaluationstools ihrer Arbeit und ging gemeinsam mit Frau Kerber (HAGE) im Gespräch mit den Teilnehmenden auf praxisnahe Herausforderungen und Limitationen ein. Im Austausch mit Frau Dr. Mümken stand die Relevanz der Wirkungslogik und die Übertragung auf die eigene Berufspraxis der Teilnehmenden im Fokus des Thementisches.
Den Abschluss der Fachgespräche bildete Herr Ottmann mit einem Impuls zu konkreten nächsten Schritten für die Umsetzung einer wirkungsorientierten Arbeitsweise in der Praxis.
Die Dokumentation der Veranstaltung sowie die Präsentationsfolien finden Sie hier.