29.07.2020
Angebote zur Gesundheitsförderung in der Ausnahmesituation Corona-Pandemie: Ein Blick auf erste Erfahrungsberichte
Geschäftsstelle Kooperationsverbund Gesundheitliche Chancengleichheit
Schlagwörter:Corona, Gesundheitsförderung, Hamburgische Arbeitsgemeinschaft für Gesundheitsförderung e. V.
Die Geschäftsstelle des Kooperationsverbundes und die Koordinierungsstellen Gesundheitliche Chancengleichheit (KGC) bilden Praxisbeispiele zum Umgang mit der Corona-Pandemie auf dem Austauschportal inforo ab. Insgesamt sind bisher bereits über 30 Beiträge entstanden. Diese werden laufend in dem Dossier „Praxisbeispiele zum Umgang mit Corona“ gebündelt.
In dem Dossier findet sich eine Vielfalt an Angeboten, mit denen soziale Nähe trotz physischer Distanz hergestellt wird. Vereine und Initiativen, die in den unterschiedlichsten Bereichen angesiedelt sind, haben kreative Lösungen entwickelt, um die Teilhabe der Menschen und den Erhalt ihrer Gesundheit im Kiez, im Stadtteil, in der Kommune oder auch bundesweit zu fördern. Neben den viel besprochenen digitalen Formaten werden dafür auch das Telefon, die Post und der persönliche Zugang unter Einhaltung der Abstandsregelungen intensiv genutzt.
Beispielhaft sei auf das „Silbertelefon“ hingewiesen, ein Gesprächsangebot für ältere Menschen. Bisher war das Silbertelefon nur innerhalb Berlins erreichbar. Mittlerweile wurde es jedoch für ganz Deutschland freigeschaltet und ist täglich von 8.00 bis 22.00 Uhr vertraulich und kostenfrei erreichbar.
Ebenfalls an die ältere Generation richtet sich die „Überraschungspost“, die von der Caritas bzw. dem Quartiersmanagement im hessischen Wetzlar wöchentlich verschickt wird.
Die Pandemiesituation hat Anbieter auch dazu gebracht, das Spektrum bestehender Maßnahmen zielgerecht zu erweitern. Ein Beispiel hierfür: Das kostenfreie Präventionsprogramm "Gutes Sehen" unterstützt stationäre Pflegeeinrichtungen in Bayern dabei, die Bedürfnisse sehbeeinträchtigter und blinder Seniorinnen und Senioren in den Blick zu nehmen. Angeregt durch die Corona-bedingten Besuchsbeschränkungen in Pflegeeinrichtungen, wurde das Programm nun um eine E-Learning-Plattform, sowohl für die Mitarbeitenden in den Einrichtungen als auch für Angehörige, erweitert.
Nach den ersten zwei bis drei Monaten Laufzeit dieser Angebote erhält die Fachöffentlichkeit nun erste Erkenntnisse, wie sie genutzt werden und welche Bedarfe auf Seiten der Anbieter und der Nutzerinnen und Nutzer sichtbar geworden sind. Diese „Lessons learned“ ergänzen mittlerweile viele der inforo-Praxisbeiträge.
Große Hilfs- und Spendenbereitschaft
In vielen Beiträgen wird wiedergebeben, was wir alle in vielerlei Hinsicht in den letzten Monaten erleben durften: Die Bereitschaft, Menschen in erschwerten Lebenssituationen mit Geld- und Sachspenden und praktischen Hilfen zu unterstützen, war insbesondere in der ersten Zeit der Pandemie überwältigend groß. Das zeigt sich auch bei der Initiative „Das Westend tafelt - Freiwillige versorgen auf der Schwanthalerhöhe Bedürftige mit warmem Essen“ oder dem „Gabenzaun für Bedürftige in der Corona-Krise“ der Schweinfurter Kindertafel.
Einigen Erfahrungsberichten ist zu entnehmen, dass die Angebote zur Unterstützung in der Anfangszeit die Nachfrage sogar überstiegen.
Kontakt-Angebote werden stark genutzt
Die psychologische Beratung für geflüchtete Menschen per Telefon in Niedersachsen kann angeben: „Stand Juni 2020 haben über 500 Menschen das Angebot der telefonischen Beratung genutzt.“
Aus dem Stadtteil-Gesundheitszentrum Veddel in Hamburg wird berichtet: „Wir konnten die Personen mit Bedarfen sehr gut und gezielt vermitteln. Über 200 Personen tauschen sich im Online-Verteiler zu aktuellen Alltagsfragen aus und stehen zum Teil auch für Übersetzungen zur Verfügung. Es entsteht eine neue Qualität der Vernetzung und der Beziehungen untereinander (…).“
Die Koordinatorin der „Überraschungspost“ in Wetzlar berichtet: „Die Resonanz auf die Briefe war sehr positiv, die Seniorinnen waren erfreut, dass in dieser besonderen Zeit an sie gedacht wurde.“ Sie kann sogar auf einen Zugewinn an Nutzerinnen blicken: „Wir konnten Seniorinnen mit unserem Angebot erreichen, die wir mit unseren bisherigen Angeboten nicht erreicht haben.“
Weiterführung, Verstetigung und Anpassung der Angebote
Vielerorts wird versucht, Angebote, die gut angenommen wurden, weiterführen zu können und an die aktuellen Gegebenheiten anzupassen.
Bei „Silbernetz“ wird das so reflektiert: „Die Herausforderung war und ist, die unglaublich zahlreichen, spontanen Unterstützungsangebote aufzugreifen und wirksam einzubinden (…). Die zweite Herausforderung ist, die Erfahrungen der letzten Monaten mit den Wirkungen der Isolation auf unsere Zielgruppe zu erfassen, auszuwerten und in einen behutsameren und intelligenteren Umgang mit der möglichen zweiten Welle und/oder der nächsten Pandemie und den dann notwendig erscheinenden Maßnahmen einfließen zu lassen.“ Noch in diesem Jahr soll über eine mögliche Ausweitung von Silbernetz in andere Bundesländer beraten werden (Mehr Informationen dazu hier).
Ein weiteres Projekt, das bereits weitergedacht wird, sind die "Balkonkonzerte". Dieses inklusive Musikprojekt stieß auf eine enorme Nachfrage, so dass das Format in abgeänderter Form auch im Herbst und Winter weitergeführt werden soll. Hierbei ist unter anderem entscheidend, dass es dann in den Einrichtungen auch Räumlichkeiten gibt, die dem Hygiene-Konzept der Veranstaltenden entsprechen.
Zudem wird der grundsätzliche „Bedarf nach kultureller Abwechslung gerade bei Menschen, die in sozialen Einrichtungen leben“, gesehen: „Als Risikogruppe werden diese sich noch eine lange Zeit einer emotional und psychisch belastenden Ausnahmesituation stellen müssen. Gewohnte außerhäusliche kulturelle Aktivitäten (…) sind als Ausgleich aktuell nur sehr eingeschränkt möglich (…). Deswegen sind neue Konzepte und Formate gefragt, um kulturelle und soziale Teilhabe für Menschen in schwierigen sozialen Situationen unter den gegebenen Bedingungen umzusetzen.”
Eine Verstetigung von Angeboten, die in der Corona-Situation ins Leben gerufen wurden, dürfte leichter möglich sein, wenn sie in längerfristige oder Regelangebote integriert sind. Diese günstige Bedingung ist beispielsweise in Quartiersmanagements, Mehrgenerationenhäusern, Volkshochschulen, bei Stadtteilmüttern oder in Einrichtungen, die sich am Vernetzungsprojekt „Verzahnung von Arbeits- und Gesundheitsförderung“ beteiligen, gegeben.
Die erfolgversprechenden Praxisbeispiele finden Sie auf dem Austauschportal für Fachkräfte inforo.
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