17.05.2012
Angehörige von Demenzkranken unterstützen
Interview mit Michael Bellwinkel (BKK Bundesverband)
Michael Bellwinkel, ehem. GKV Spitzenverband, BKK Bundesverband; bis 2019 Mitglied des Beratenden Arbeitskreises des Kooperationsverbundes
Schlagwörter:Interview, Wettbewerb
Der BKK Bundesverband und der Kooperationsverbund „Gesundheitsförderung bei sozial Benachteiligten“ haben in diesem Jahr den Preis „Vorbildliche Praxis 2012: Nicht erkrankt und doch betroffen - Unterstützungsangebote für Angehörige von Demenzkranken“ ausgeschrieben. Zahlreiche Angebote und Maßnahmen haben sich um den Preis beworben. Über den BKK-Preis „Vorbildliche Praxis 2012“ und das Engagement des BKK Bundesverbandes für „Gesundheitsförderung bei älteren Menschen“ sprach Marco Ziesemer (Gesundheit Berlin-Brandenburg, Geschäftsstelle des Kooperationsverbundes „Gesundheitsförderung bei sozial Benachteiligten“) mit Herrn Michael Bellwinkel (BKK Bundesverband).
Der BKK Bundesverband hat auch in diesem Jahr den Wettbewerb „Vorbildliche Praxis“ durchgeführt. Im Mittelpunkt standen Unterstützungsangebote für Angehörige von Menschen mit Demenz. Warum haben Sie sich gerade für diese Zielgruppe entschieden?
Bellwinkel: Der BKK Bundesverband hat am 22. September 2011 den 10. BKK Selbsthilfetag unter das Motto „Nicht erkrankt und doch betroffen - Angehörige in der Selbsthilfe“ gestellt und damit eine enorme Resonanz ausgelöst. Das war für uns der Anlass, nachdem wir den Selbsthilfe-Aspekt bei dieser Veranstaltung intensiv diskutiert hatten, uns auch mit den präventiven Ansätzen zu diesem Thema auseinander zu setzen.
Wir gehen davon aus, dass diese Zielgruppe in jeder Hinsicht bisher zu wenig Aufmerksamkeit bekommen hat. Das hat sicherlich auch damit zu tun, dass Angehörige insbesondere von Dementen zeitlich derart gebunden sind, dass sie tatsächlich kaum die Zeit haben, sich in Selbsthilfegruppen mit Gleichbetroffenen zu organisieren und damit auch stärker auf sich aufmerksam zu machen. Das schließt ein, dass sie auch für sich selbst, für ihr Wohlbefinden und den Erhalt der eigenen Gesundheit zu wenig tun. Deshalb sind Angebote in der Prävention wichtig, die diese besondere Situation berücksichtigen und darauf eingehen. Durch den Wettbewerb ist es gelungen, eine Vielzahl sehr gelungener Praxisbeispiele aufzuspüren.
In diesem Jahr haben sich insgesamt 129 Projekte aus dem gesamten Bundesgebiet am Wettbewerb beteiligt. Dies ist deutlich mehr als in den Vorjahren. Welchen Beitrag kann der Wettbewerb „Vorbildliche Praxis“ für die Gesundheitsförderungslandschaft leisten?
Bellwinkel: Wettbewerbe wie die vom BKK Bundesverband in diesem Jahr zum sechsten Mal ausgelobte „Auszeichnung für vorbildliche Gesundheitsförderung“ bieten die Möglichkeit, eine größere Öffentlichkeit auf Themen aufmerksam zu machen, die bislang noch zu wenig beachtet wurden, und sie dadurch nach vorne zu bringen. Mein Eindruck ist, dass wir mit den Wettbewerbsthemen 2010 „Gesund im Alter - Selbstbestimmt wohnen und aktiv bleiben“ und 2009 „Gesundheitsförderung bei sozial benachteiligten älteren Menschen“ dazu beigetragen haben, dass die Gesundheitsförderung bei älteren Menschen deutlich stärker in den Fokus der unterschiedlichsten Akteure gerückt ist. D.h. mit der Auswahl der Wettbewerbs-Themen können wir ganz konkrete Impulse setzen, auf Defizite hinweisen und zugleich anhand der eingereichten Praxisbeispiele ganz viele praktische Lösungen anbieten, die von Interessierten leicht aufgegriffen werden können. Um diesen Prozess der Verbreitung guter Praxis zu befördern, hat der BKK Bundesverband die wichtigsten Beiträge des letzten Wettbewerbs in der Praxishilfe „Gesund im Alter - Selbstbestimmt wohnen und aktiv bleiben“ zugestellt.
Insgesamt wurden drei Preisträger im Rahmen des Wettbewerbs „Vorbildliche Praxis 2012“ ausgezeichnet. Wie unterstützen die diesjährigen Preisträger die pflegenden Angehörigen bei ihrer schwierigen und kräftezehrenden Aufgabe?
Bellwinkel: Angesichts der 129 Einsendungen ist uns in diesem Jahr die Auswahl der drei Preisträger nicht leicht gefallen. Das Auswahlverfahren hat gezeigt, dass es ein gewissen State-of-the-art an Unterstützungsangeboten besteht. Die Preisträger stehen somit immer auch stellvertretend für eine Vielzahl guter Praxisbeispiele. Das Angebot NADiA aus Köln macht ganz klar den Präventionsgedanken sichtbar. Das Projekt hat zum Ziel, mit einem Bewegungsprogramm die körperliche Leistungsfähigkeit zu erhalten und die Alltagskompetenzen zu verbessern. Die Angehörigenberatung e.V. in Nürnberg besteht bereits seit 25 Jahren. Ihre vielfältigen, innovativen Angebote, wie Angehörigengruppen und -kurse, Beratungs- und Betreuungsangebote, Bewegung und Sport für sowohl Menschen mit Demenz als auch für deren Angehörige haben sich in der Stadt etabliert. Der Seniorentreff „Jute Stuw“ in Mettmann ist besonders für an Demenz erkrankte Menschen und deren Angehörige konzipiert und dient dem Aufbau und Erhalt von sozialen Beziehungen sowie der Steigerung der Lebensqualität. Besonders vorbildhaft ist die Betonung des Bürgerschaftliche Engagements. Die drei Preisträger-Projekte machen deutlich, was es braucht, um pflegenden Angehörigen zu unterstützen, nämlich: Aufbau von nachhaltigen Strukturen, niedrigschwelliges Vorgehen, Hilfe zur Selbsthilfe und Stärkung des bürgerschaftlichen Engagements.
Vielen Dank für das Gespräch!
Die Fragen stellte Marco Ziesemer.
Das Interview mit Michael Bellwinkel ist zuerst im Info_Dienst für Gesundheitsförderung erschienen. Die Publikation wird von Gesundheit Berlin-Brandenburg herausgegeben und erscheint mehrmals im Jahr in gedruckter Form. Möchten Sie den Info_Dienst kostenlos beziehen, dann schicken Sie eine E-Mail an sekretariat(at)gesundheitbb.de.