04.02.2014
Armut und Gesundheit im Alter
Auswirkungen prekärer Lebenslagen im Alter auf die gesundheitliche Chancengleichheit.
Marisa Elle, Gesundheit Berlin-Brandenburg
Schlagwörter:Armut, Dokumentation, Ältere
„Das Problem ist der graue Alltag!“ Die Aussage aus einer Befragung älterer Betroffener in Niedersachsen zum Leben in Armut macht deutlich, dass die individuelle Lebenssituation eines Menschen eng mit dem Wohlbefinden und der Gesundheit verbunden ist. Armut ist gerade im Alltag äußerst belastend. Die wenigen finanziellen Ressourcen schränken Handlungsspielräume und Teilhabechancen am gesellschaftlichen Leben stark ein. Das betrifft wesentliche Bereiche des Lebens sowie Freizeitaktivitäten, Betroffene fühlen sich häufig isoliert und zurückgelassen.
Armutslagen führen dazu, dass Menschen vielseitige Benachteiligungen erfahren. Multiple Belastungen im Alter, wie eine eingeschränkte Gesundheit und/oder Pflegebedürftigkeit, nehmen zu, Bewältigungsressourcen werden geringer. In der Folge verstärken sich die Auswirkungen von Armut im Alter. Der Unterstützungsbedarf in dieser Lebensphase steigt an, Familie, Freunden und Nachbarschaft kommt dabei eine primäre Rolle zu.
Doch was ist, wenn diese Unterstützungsmöglichkeiten nicht zur Verfügung stehen? In Brandenburg leben Kinder und Enkelkinder häufig nicht mehr vor Ort, Freundschaften zu pflegen ist aufgrund schwindender Infrastruktur nicht leicht und die Nachbarn sind auch nicht jünger geworden und benötigen ggf. selbst Hilfe. Wie kann ein gutes und gesundes Älterwerden unter diesen Bedingungen dennoch gelingen?
Armut im Alter - ein Thema für Brandenburg
Neben Kindern und Jugendlichen sind in Brandenburg auch zunehmend ältere Menschen gefährdet und betroffen. So seien Ältere eine bedenklich stark wachsende Gruppe was die Armutsgefährdung anbelangt, so Almuth Hartwig-Tiedt, Staatssekretärin für Umwelt, Gesundheit und Verbraucherschutz des Landes Brandenburg in ihrem Grußwort im Rahmen der Fachtagung „Armut im Alter - ein Thema für Brandenburg?!“ am 18.11.13 in Potsdam. Dabei machte sie bereits zu Beginn der Veranstaltung deutlich: „Ja, dass soll auf Anhieb gesagt sein: Es ist ein Thema für Brandenburg.“ Die mit zunehmender Altersarmut verbundenen Herausforderungen seien aktuell und zukünftig eine ressortübergreifende Aufgabe von Gesundheit und Soziales und nur mit vielen Partnerinnen und Partnern gemeinsam anzugehen.
Viele ältere Menschen machen sich Sorgen und haben Angst vor der Zukunft und der im Rentenalter bevorstehenden finanziellen Situation. Reicht die Rente? Die Zusammenhänge und Auswirkungen prekärer Lebenslagen im Alter machte Dr. Antje Richter-Kornweitz (Landesvereinigung für Gesundheit und Akademie für Sozialmedizin Niedersachsen e. V.) in ihrem Fachvortrag deutlich. Unter dem Motto „Strukturen schaffen und Beziehungen stiften“ erläuterte sie zudem Möglichkeiten zur Stärkung der Teilhabe im Alter.
Auch Andreas Kaczynski (Der Paritätische Landesverband Brandenburg) bestätigte die Zunahme prekärer Lebenslagen bei älteren Menschen im Land, insbesondere mit Blick auf die zukünftig in Rente gehende Generation der sogenannten „Babyboomer“. Zurückzuführen sei das auf teils kritische Erwerbsbiografien und die daraus folgende verminderte Bildung privater Rücklagen. Gerade in Ostdeutschland tragen anhaltende geringe Löhne, Brüche durch Erwerbslosigkeit und die (Neu)Aufnahme teils prekärer Beschäftigungsformen zu einer Verschärfung der Einkommens- und damit Lebenssituation im Alter bei.
Diskussion und Erfahrungen
Im Anschluss diskutierten u.a. Vertreterinnen und Vertreter des Seniorenrates Brandenburg, des Landesverbandes der Tafeln sowie der Pflege über ihre Erfahrungen mit dem Thema, Unterstützungsmöglichkeiten sowie die konkrete Situation Betroffener. Dabei wurde deutlich, dass das gesellschaftliche Bewusstsein von Armutslagen in der Bevölkerung noch nicht ausreichend vorhanden ist. Auch Akteurinnen und Akteure aus den Bereichen Gesundheit, Soziales, Pflege und Senior/innen seien weiter zu informieren und zu sensibilisieren.
Die Aspekte aus den Fachbeiträgen und Diskussionen wurden am Nachmittag aufgegriffen und in Fachforen vertieft. Referent/innen berichteten von ihrer Arbeit, ihren gesammelten Erfahrungen und kamen mit dem Publikum ins Gespräch.
Abschließend wurde der Veranstaltungstag von Prof. Dr. Annelie Keil (Gesundheitswissenschaften und Krankenhausforschung in Biografie und Lebenswelt, Bremen) zusammengefasst. Das aufmunternde und motivierende Abschlussstatement zeigte, dass die Lebensspanne Alter Potenziale und Herausforderungen bietet. Sie bestärkte alle Teilnehmer/innen in der Weiterarbeit am Thema.
Eine ausführliche Dokumentation der Veranstaltung steht demnächst als Print-Version zur Verfügung.
Die Koordinierungsstelle Gesundheitliche Chancengleichheit Brandenburg wird das Thema Armut im Alter und deren Auswirkungen auf das Wohlbefinden und die Gesundheit in 2014 weiter vertiefen. Ziel ist es u.a. in Kooperation mit der Landesarmutskonferenz Brandenburg Empfehlungen für die Verbesserung der sozialen und gesundheitlichen Chancengleichheit im Alter zu erarbeiten.
Weiterführende Materialien
- Dr. Antje Richter-Kornweitz, Landesvereinigung für Gesundheit und Akademie für Sozialmedizin Niedersachen e.V.: Das Problem ist der graue Alltag!“ - Auswirkungen prekärer Lebenslagen auf die Gesundheit älterer Menschen(PDF-Datei 675kB)
- Andreas Kaczynski, Der Paritätische Landesverband Brandenburg, Landesarmutskonferenz Brandenburg: Altersarmut - für Brandenburg (k)ein Thema!?(PDF-Datei 191kB)
- Anna Küster, Pastorin St.-Johannis-Kirchengemeinde Lüchow: Ergebnisse der Studie „Armut in ländlichen Räumen“ des Sozialwissenschaftlichen Instituts der EKD(PDF-Datei 116kB)
- Marianne Bischoff, Volkssolidarität Kreisverband Uckermark: Beratung & Begleitung - Unterstützungsangebot für Betroffene (LINK zum Projekt Ehrenamtliche Sozialbegleiter)
- Dr. Ingrid Witzsche, Akademie 2. Lebenshälfte im Land Brandenburg e.V.: Arm an Arbeit = Arm im Alter? - Auswirkungen von Langzeitarbeitslosigkeit(PDF-Datei 114kB)
- Veranstaltungsflyer (PDF-Datei 600kB)
Hören Sie hier die Beiträge von:
- Marianne Bischoff, Volkssolidarität Kreisverband Uckermark: Beratung & Begleitung - Unterstützungsangebot für Betroffene.
- Prof. Dr. Annelie Keil, Gesundheitswissenschaften und Krankenhausforschung in Biografie und Lebenswelt, Bremen: Über das Salz in der Suppen des biografischen Lebens! Armut ist mehr als ein Mangel und Alter kein sinnloser Abgesang.