30.03.2015
Ausgrenzung armer Menschen verursacht Krankheit und frühen Tod!
Gründung eines bundesweiten Bündnisses zur Gesundheitsversorgung nicht bzw. unzureichend krankenversicherter Menschen in Deutschland
Gerhard Trabert, Armut und Gesundheit in Deutschland e.V.
Schlagwörter:Armut, Gesundheitsversorgung
Auf dem 20. Kongress Armut und Gesundheit in Berlin 2015 gründete sich am 6. März ein bundesweites Bündnis zur Gesundheitsversorgung nicht bzw. unzureichend krankenversicherter Menschen in Deutschland. Die Erfahrungen aus den letzten Jahren zeigen, dass es bundesweit immer mehr, sehr heterogen konzipierte, finanzierte und organisierte Initiativen, Vereine bzw. Versorgungsmodelle gibt, die von Armut, Ausgrenzung, sozialer Benachteiligung und Diskriminierung betroffene Menschen medizinisch, gesundheitlich und sozialrechtlich versorgen beziehungsweise beraten.
Kennzeichen der Betroffenengruppen ist häufig ein fehlender Krankenversichertenschutz, ein erschwerter Zugang zur medizinischen Versorgung im Gesundheitsregelsystem als Auswirkung einer gesellschaftsstrukturellen Fehl-, Mangel - und Unterversorgung. Unter den Betroffenen sind insbesondere wohnungslose Menschen, nicht krankenversicherte, sich legal in Deutschland aufhaltende, EU-Bürgerinnnen und Bürger (insbesondere aus Osteuropa), papierlose, illegalisierte Bürgerinnen und Bürger, im Rahmen der Verpflichtungserklärungsregelung legal in Deutschland lebende Flüchtlinge, Asylbewerberinnen und Asylbewerber, Haftentlassene, und insbesondere auch ältere Mitbürgerinnen und Mitbürger, die privat versichert sind/waren und die unverhältnismäßig hohen Krankenkassenbeiträge nicht mehr bezahlen können.
Das Bündnis setzt sich hauptsächlich aus niedrigschwellig, praktisch medizinisch tätigen und/oder sozialrechtlich beratenden Praxen, Ambulanzen, Vereinen und Versorgungsinstitutionen zusammen. Aber auch Ärzteorganisationen, Behörden und Verbände sind Mitbegründerinnen und Mitbegründer des Zusammenschlusses.
Ziel des Bündnisses ist eine betroffenenzentrierte Öffentlichkeitsarbeit. Durch diese Form der Vernetzung und Kooperation erhoffen sich die Mitglieder eine größere bundesweite Bedeutung zu erlangen. Das Bündnis möchte durch Informationen die Öffentlichkeit für Probleme sensibilisieren, Betroffene über ihre sozialen Rechte aufklären und konkrete politische, gesellschaftsstrukturelle Forderungen stellen. Die zum Teil katastrophale Gesundheitsversorgungssituation von vielen in Deutschland lebenden Menschen soll damit nachhaltig verbessert werden.
Der Verein Armut und Gesundheit in Deutschland e.V. betreibt auch das Good-Practice Projekt "Gesundheit jetzt".
Am 06.03.2015 haben die Gründungsmitglieder deshalb auf dem 20. Kongress Armut und Gesundheit in Berlin folgende erste Forderungen an die politisch Verantwortlichen formuliert:
- Einführung einer Krankenkassenkarte für Alle (insbesondere auch für Asylbewerberinnen und Asylbewerber)
- Einführung eines anonymen Krankenbehandlungsscheines für papierlose Menschen (dies wurde auch schon von der deutschen Ärzteschaft auf dem Bundesärztekongress 2014 in Düsseldorf gefordert)
- Schaffung einer bundesweiten, für betroffene Menschen und Multiplikatorinnen und Multiplikatoren zugängliche, Clearingstelle (insbesondere im Hinblick auf den Krankenversichertenstatus ausländischer Bürgerinnen und Bürger (u.a. Polinnen und Polen, Rumäninnen und Rumänen, Bulgarinnen und Bulgaren))
- Implementierung eines „Finanzierungsfonds“ für notwendige Krankenbehandlungen von Menschen die noch nicht in das Regelversicherungssystem integriert sind.
- bundesweite Informationsbroschüren und Mitteilungen für Jedermann/frau über Rechte und Möglichkeiten zur Rückkehr in das vorhandene Gesundheitssystem,- leicht zugänglich und in leicht verständlicher Sprache sowie mehrsprachig verfasst. (Zusammenarbeit mit den Initiativen für „Leichte Sprache“- barrierefrei!)
Weitere Ziele des Bündnisses sind:
- die Schaffung einer gemeinsamen Homepage
- der Erstellung einer Deutschlandkarte mit einer Übersicht zu den regional, vor Ort tätigen Versorgungspraxen, -ambulanzen, -Anlaufstellen
- die logistische Etablierung eines bundesweiten Informationsaustausches (beispielsweise anonymisierte Fallbesprechungen, politisches Vorgehen in den einzelnen Bundesländern, uvm.)
- Austausch von medizinischen Hilfsgütern
Zu den Gründungsmitgliedern gehören:
- Praxis ohne Grenzen Bad Segeberg
- Praxis ohne Grenzen- Medizinische Hilfe Solingen
- Medinetz Dresden e.V.
- Praxis ohne Grenzen OH e.V.
- Kontaktstelle Pflegeengagement Neukölln Berlin
- Praxis Andocken in Hamburg
- Mainzer Modell der medizinischen Versorgung wohnungsloser Menschen (Armut und Gesundheit in Deutschland e.V.)
- „Medizinische Ambulanz ohne Grenzen“ Mainz (Armut und Gesundheit in Deutschland e.V.)
- Berliner AIDS-Hilfe e.V.
Weitere Mitglieder sind:
- "barrierefrei" Tübingen
- offene Praxis SOZIUS- Regionale medizinische Hilfe in Notlagen im Kreis Pinneberg e.V.
- Pastoralpsychologischer Dienst Klinik-und Notfallseelsorge Preetz
- „Street Doc - ärztliche und zahnärztliche Hilfen für Menschen in Notlagen“ Ökumenische Fördergemeinschaft Ludwigshafen GmbH
- "Selbsthilfe und Migration" Berlin, SHZ Neukölln-Süd
- „MedMobil“ Stuttgart- Ärzte der Welt e.V. und Ambulante Hilfe Stuttgart
- Diakonie Hessen
- Diakonisches Werk Offenbach-Dreieich-Rodgau
- „KUB Berlin“ Kontakt- und Beratungsstelle für Flüchtlinge und Migrant_innen e.V.
- MediNetz Bonn e.V.
- Praxis ohne Grenzen - Region Neustadt i.H.e.V
- "AG Medizin und Menschenrechte"/ das Medinetz, Erlangen
- Medinetz Halle/Saale e.V.
- Ärzte der Welt e.V. - Doctors of the World Germany
- Medinetz Mainz e.V.
Beim vorliegenden Text handelt es sich um die Pressemitteilung des Bündnisses,
die am 27.03.2015 erschienen ist.