04.04.2018
Beitrag zum Thema "Gesundheit im Alter ein Menschenrecht"
Claudia Mahler, Deutsches Institut für Menschenrechte
Schlagwörter:Gesundheit, Menschenrechte, Ältere
Das Recht auf Gesundheit endet nicht mit einem bestimmten Höchstalter, sondern steht allen Menschen aufgrund ihrer Menschenwürde zu. Gerade im Hinblick auf die Rechte älterer Menschen gibt es hier allerdings Verbesserungspotential zum Schutz älterer Menschen sowie der Stärkung des Themas in der Gesundheitspolitik. Dazu beitragen würde besonders der Zuschnitt auf die gesundheitlichen Bedarfe älterer Menschen.
Recht auf Gesundheit
Das Menschenrecht auf ein Höchstmaß an körperlicher und geistiger Gesundheit ist in Art. 12 des Sozialpakts geregelt. Darüber hinaus ist das Recht auf Gesundheit in weiteren internationalen Konventionen, die beispielsweise die Rechte von Frauen und Menschen mit Behinderung genauer ausgestalten, ebenfalls verankert. Der Expertenausschuss, der für die Einhaltung der Normen des Sozialpakts zuständig ist, hat für das Recht auf Gesundheit vier Kernelemente in seiner Allgemeinen Bemerkung zum Recht auf Gesundheit ausgearbeitet. Gesundheitseinrichtungen, Medikamente und Dienstleistungen müssen entsprechend auch für ältere Menschen verfügbar, zugänglich und annehmbar sein. Ebenso muss Qualität geboten werden, um die Substanz des Rechtes auf ein Höchstmaß an körperlicher und geistiger Gesundheit zu erfüllen.
Für einen menschenrechtlichen Ansatz müssen Politik und Gesetze mit den bestehenden menschenrechtlichen Verpflichtungen des Staates im Einklang sein. Handlungen und Strategien werden an Menschenrechten ausgerichtet und an den menschenrechtlichen Vorgaben gemessen.
Menschenrechte und menschenrechtliche Prinzipien müssen folglich auch Grundlage für die Weiterentwicklungsprozesse in der Senioren- und Gesundheitspolitik sein. Menschenrechte sind Ansprüche jedes einzelnen Menschen gegen den Staat: auf Achtung, Schutz und Gewährleistung der menschenrechtlich geschützten Freiheiten. Der einzelne Mensch muss daher als Rechtsträgerin bzw. Rechtsträger im Mittelpunkt staatlicher Politik stehen. Der Menschenrechtsansatz verlangt, dass Menschen in verletzlichen Lebenslagen nicht diskriminiert werden und die Möglichkeit eines selbstbestimmten Lebens haben.
Ältere Personen haben dieselben Menschenrechte wie alle anderen Menschen, dies folgt aus ihrem Menschensein - ihrer Menschenwürde. Die Menschenrechte gelten für alle Menschen unabhängig von ihrem Alter, ihrer Nationalität, ihrer „Rasse“, ihrer Ethnizität, ihrer Sprache, ihres Geschlechts und ihrer sexuellen Orientierung.
Artikel 1 der Allgemeinen Erklärung der Menschenrechte (AEMR) von 1948 legt fest, “Alle Menschen sind frei und gleich an Würde und Rechten geboren“.
Die AEMR ist das erste Dokument der Vereinten Nationen, das die Menschenrechte umfassend vereint. Einige Jahre später wurden diese Rechte in bindende internationale Verträge, den Internationalen Pakt über bürgerliche und politische Rechte (UN Zivilpakt)1 und den Internationalen Pakt über wirtschaftliche, soziale und kulturelle Rechte (UN Sozialpakt)2, gegossen. Diese menschenrechtlichen Verträge wurden stetig weiterentwickelt und für unterschiedliche Gruppen in verletzlichen Lebenslagen eigene menschenrechtliche Verträge geschaffen. So wurden beispielsweise für Frauen (Übereinkommen zur Beseitigung jeder Form von Diskriminierung der Frau)3 oder jüngst für Menschen mit Behinderung (UN-Behindertenrechtskonvention)4 Konventionen mit einem besonderen Zuschnitt entwickelt, die die spezifischen Problemlagen der Gruppe sichtbar machen.
Eine eigene Konvention mit speziellem Zuschnitt für ältere Menschen gibt es bisher nicht. Daraus resultiert auch die geringe Sichtbarkeit von älteren Menschen im derzeitigen System des Menschenrechtsschutzes. Dies könnte sich aber durch ein neues Instrument verändern, wie es derzeit in der Offenen Arbeitsgruppe der Vereinten Nationen zu den Rechten Älterer besprochen wird.
Bedeutung für die Zielgruppe der älteren Menschen
Ein erhöhtes Auftreten von chronischen Krankheiten und Behinderung ist mit zunehmendem Lebensalter feststellbar. Diese vermehrt auftretenden Erkrankungen führen zu finanziell höheren Belastungen des Einzelnen und des Gesundheitssektors. Rationalisierungs- und Rationierungsdiskussionen im Gesundheitswesen werden daher in Zeiten eines Demografischen Wandels oft miteinander verbunden. Dabei nimmt der Kosten- beziehungsweise Einsparungsfaktor einen hohen Stellenwert ein. Dennoch darf dies nicht dazu führen, dass medizinische Leistungen für Ältere aus Kostengründen nicht gewährt werden. Solche Überlegungen sind aus menschenrechtlicher Sicht bedenklich. Diese Besonderheiten für Ältere werden, aber im bestehenden Überprüfungsverfahren kaum angesprochen, da weder Staaten noch zivilgesellschaftliche Organisationen darüber berichten und daher die Probleme Älterer nicht sichtbargemacht werden. Daraus resultiert auch, dass die entsprechenden Ausschüsse zur Überprüfung der Implementierung des Rechts auf Gesundheit beispielsweise kaum Empfehlungen dazu aussprechen.
Menschenrechtsansatz in der Politik für ältere Menschen
Jedem Menschen wird von Seiten der Vertragsstaaten aus dem Sozialpakt das Recht auf Gesundheit zuerkannt. Der Zugang zu diesem Individualrecht muss diskriminierungsfrei gewährt werden. Dies deckt sich mit der These des 6. Altenberichts5, dass der Vielfältigkeit der Älteren mit individuellen Maßnahmen im Gesundheitswesen begegnet werden muss. Es gilt hierbei klarer einzuschätzen, welche Wirkung und Bedeutung vorherrschende und teilweise veraltete und realitätsferne Altersbilder auf die medizinische Versorgung haben.
Ebenso ist noch festzustellen, dass sich ältere Menschen ihrer Rechte nicht bewusst sind und diese daher auch nicht einfordern.
Der Staat hat die Verpflichtung, die Bedarfe älterer Menschen in die Aus- und Weiterbildung von Personen im Gesundheitswesen und in Pflegeeinrichtungen zu integrieren. Hier wäre wünschenswert, wenn menschenrechtliche Ansätze in die Curricula der Pflegeausbildung beispielsweise integriert würden, daraus würde sich dann ein Paradigmenwechsel ergeben können. Sodass der Ältere als Rechtsträger und nicht mehr als Mensch der Fürsorge bedarf gesehen wird. So würde die gleiche diskriminierungsfreie Versorgung gewährleistet werden. Diese Maßnahmen müssen mit klaren langfristigen Politiken zur Langzeitpflege einhergehen. Um die Anwendung eines menschenrechtsbasierten Ansatzes für das Gesundheitswesen in Anspruch nehmen zu können, muss auch Personal im Gesundheits- und Pflegewesen menschenrechtlich geschult werden.
Entwicklungen der UN-Arbeitsgruppe zur Stärkung der Rechte Älterer
Im Jahr 2010 hat die UN-Generalversammlung auf Betreiben von Argentinien und Brasilien mit der Resolution A/Res/65/182 eine Arbeitsgruppe zur Stärkung der Menschenrechte Älterer (Open ended working group on ageing, OEWG-A) ins Leben gerufen. Das Mandat beinhaltet die Überprüfung und Diskussion des bestehenden menschenrechtlichen Rahmens, die Identifizierung und Schließung von Lücken sowie weiterführende Überlegungen bezüglich eines zukünftigen menschenrechtlichen Instrumentes zum Schutz Älterer. In den bisherigen Sitzungen wurden viele Lebensbereiche und menschenrechtliche Gefährdungslagen älterer Menschen ausführlich und mehrfach diskutiert, z. B. Altersdiskriminierung, Pflege und Gewalt gegen Ältere, soziale Sicherheit, Gesundheit und Autonomie. Für die achte Sitzung im Juli 2017 wurden Veränderungen der Sitzungsstruktur beschlossen, so dass die Diskussion auf zwei Themen beschränkt werden soll und diese im Vorfeld durch Hintergrundpapiere vorbereitet werden. Zu den ausgewählten Themen „Altersdiskriminierung und Gewalt“ sowie „Misshandlung und Vernachlässigung Älterer“ wurden die Staaten im Vorfeld aufgefordert nationale Informationen zu den Hintergrundpapieren zuzuliefern. Die Begrenzung der Themen ermöglichte eine Fokussierung, so dass Eckpunkte, identifizierten werden konnten, beispielsweise haben sich im Bereich Diskriminierungsschutz viele dafür ausgesprochen Mehrfachdiskriminierung explizit zu fassen Anhand der besprochenen Eckpunkte wird in der neunten Sitzung weitergearbeitet werden.6 Für die neunte Sitzung in 2018 wurden die Themen Langzeit- und Palliativpflege sowie Autonomie ausgewählt. Aus Sicht einer Nationalen Menschenrechtsinstitution ist das Ziel der Offenen Arbeitsgruppe eine neue Konvention zu den Rechten Älterer zu erarbeiten, da diese den besten Schutz bietet.
Zudem hat sich die Diskussionsgrundlage durch die Entwicklung menschenrechtlicher Instrumente auf regionaler Ebene wie beispielsweise der Interamerikanischen Konvention zum Schutz der Rechte älterer Menschen7 und die Arbeit der Unabhängigen Expertin für die Rechte Älterer (seit 2014 im Amt) geändert. Auch diese Entwicklungen haben zu mehr Klarheit über den Inhalt der Menschenrechte für Ältere beigetragen.
Quellen:
1 Internationaler Pakt über bürgerliche und politische Rechte, abrufbar unter: http://www.institut-fuer-menschenrechte.de/fileadmin/user_upload/PDF-Dateien/Pakte_Konventionen/ICCPR/iccpr_de.pdf.
2 Internationaler Pakt über wirtschaftliche, soziale und kulturelle Rechte, abrufbar unter: http://www.institut-fuer-menschenrechte.de/fileadmin/user_upload/PDF-Dateien/Pakte_Konventionen/ICESCR/icescr_de.pdf
3 Übereinkommen zur Beseitigung jeder Form von Diskriminierung der Frau, abrufbar unter: http://www.institut-fuer-menschenrechte.de/fileadmin/user_upload/PDF-Dateien/Pakte_Konventionen/CEDAW/cedaw_de.pdf
4 Übereinkommen über die Rechte von Menschen mit Behinderungen, abrufbar unter: http://www.institut-fuer-menschenrechte.de/fileadmin/user_upload/PDF-Dateien/Pakte_Konventionen/CRPD_behindertenrechtskonvention/crpd_b_de.pdf
5 https://www.bmfsfj.de/blob/93190/37cc62a3c0c978034dcdc430432c655a/6--altenbericht-eine-neue-kultur-des-alterns-data.pdf
6 Open Ended Working Group on Ageing, https://social.un.org/ageing-working-group/ninthsession.shtml
7 Interamerican Convention on Protecting the Human Rights of Older Persons, http://www.oas.org/en/sla/dil/inter_american_treaties_a-70_human_rights_older_persons.asp