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04.11.2011

Bewegungsförderung in Lebenswelten

Fachtagung in Düsseldorf stellt aktuelle Erkenntnisse aus Forschung und Praxis vor

Gunnar Geuter, bis Ende 2012: Zentrum für Bewegungsförderung Nordrhein-Westfalen
Franziska Faselt, Sächsische Landesvereinigung für Gesundheitsförderung e.V.

Schlagwörter:Bewegungsförderung, Fachtagung, GP-Projekte, Setting, Veranstaltungsbericht

Am 18. Ok­to­ber 2011 richtete das Zen­trum für Bewegungsförderung Nordrhein-Westfalen im Landesinstitut für Ge­sund­heit und Ar­beit des Landes Nordrhein-Westfalen (LIGA.NRW) in Ko­o­pe­ra­ti­on mit dem Mi­nis­te­ri­um für Ge­sund­heit, Eman­zi­pa­ti­on, Pfle­ge und Al­ter des Landes Nordrhein-Westfalen die Fachtagung „Bewegungsförderung in Lebenswelten“ aus. 230 Teil­neh­merinnen und Teil­neh­mer folgten der Ein­la­dung. Die nun­mehr dritte Fachtagung des Zen­trums für Bewegungsförderung widmete sich der Bewegungsförderung in unterschiedlichen Lebenswelten (Settings) und diskutierte aus­führ­lich den aktuellen Erkenntnisstand zu Bewegungsförderung bei so­zi­al be­nach­tei­lig­ten Menschen.



Frau Barbara Steffens, Mi­nis­te­rin für Ge­sund­heit, Eman­zi­pa­ti­on, Pfle­ge und Al­ter des Landes Nordrhein-Westfalen, sprach zur Präventionspolitik in Nordrhein-Westfalen als In­ves­ti­ti­on in die Le­bens­qua­li­tät. Sie betonte den hohen Stel­len­wert von Ge­sund­heits­för­de­rung und Krankheitsprävention im Sinne einer präventiven Gesamtpolitik. Zudem verdeutlichte sie die Not­wen­dig­keit, verhaltens- und verhältnispräventive Ansätze der Bewegungsförderung mit­ei­nan­der zu verschränken und ziel­grup­pen­spezi­fi­sche, bedürfnisgerechte Maß­nah­men zu eta­blie­ren, um dem Bewegungsmangel er­folg­reich begegnen zu kön­nen.

Prof. Dr. Alfred Rütten und Annika Frahsa von der Uni­ver­si­tät Erlangen-Nürnberg stellten aktuelle nationale und internationale Forschungsergebnisse und Projekterfahrungen zur För­de­rung körperlicher Ak­ti­vi­tät bei so­zi­al be­nach­tei­lig­ten Menschen vor. Sie betonten zu­nächst, dass die Ursachen für den starken Zu­sam­men­hang von so­zi­aler Be­nach­tei­li­gung und Be­we­gung differenziert zu be­trach­ten sind und sich so­wohl durch das Verhalten, als auch die Verhältnisse be­grün­den las­sen. Demnach wird das Be­we­gungsverhalten von Menschen so­wohl durch individuelle (Gesundheits-)Kompetenzen (Verhaltensaspekt) als auch durch bewegungsförderliche (oder -hinderliche) Rah­men­be­din­gung­en in der jeweiligen Lebens­welt (Ver­hältnis­aspekt) determiniert.
Rütten und Frahsa plädierten in ihrem Bei­trag auch auf der politischen Ebe­ne für ei­ne integrierte Sichtweise. Sie betonten da­bei die Schlüsselrolle von Politik bei der Be­we­gungsförderung (nicht nur) mit so­zi­al be­nach­tei­lig­ten Menschen und verdeutlichten, dass die politischen Handlungsfelder „Prä­ven­ti­on“ und „In­te­gra­ti­on“ bei die­ser spezifischen Ziel­grup­pe eng verzahnt wer­den müs­sen. Ausgehend von diesem In­te­gra­ti­onsgedanken leiteten sie theoretisch fun­diert drei zentrale Gütekriterien für Inter­ven­tionen mit so­zi­al be­nach­tei­lig­ten Menschen ab:

  • Kriterium I: Integrierte Betrachtung (Verhaltens- und Verhältnisorientierung unter Berücksichtigung von Kontextfaktoren)
  • Kriterium II: Beteiligung (von Zielgruppe, politischen Entscheidungsträgern, Experten und Forschung)
  • Kriterium III: Befähigung (sowohl der Zielgruppe als auch aller Beteiligten auf der politischer Ebene)

Aufbauend auf diesen zentralen Erfolgsfaktoren stellten die Referenten als Bei­spiel für praktische Um­set­zung das Pro­jekt „Bewegung als Investition in die Gesundheit - BIG“ vor.

Prof. Dr. Henning Allmer vom Köl­ner In­sti­tut für angewandte Gesundheitswissenschaften „ge­sund e.V.“ stellte in seinem Vortrag zentrale verhaltensregulierende Aspekte des Bewegungsverhaltens vor. Im Zen­trum sei­nes Beitrages standen die vielen Fa­cet­ten von individueller Mo­ti­va­ti­on auf dem Weg von einem inaktiven zu einem aktiven Le­bens­stil. So stellte er an­hand ei­nes Prozessmodells der Ver­haltens­ände­rung vor, dass

  • einem Verhalten zunächst eine Intention vorausgeht,
  • die ihrerseits die Grundlage für eine Absicht darstellt,
  • der dann zunächst ein Vorsatz folgt,
  • bevor sich das tatsächliche Verhalten anschließt.

Auf diesem „lan­gen Weg vom Wol­len zum Tun“ bie­ten sich jedem Einzelnen viele Barrieren. Diese müs­sen mit Hilfe von Stra­te­gien der Verhaltensänderung überwunden wer­den. Bei der Interventionsplanung von ver­haltens­orien­tier­ter Be­we­gungs­för­de­rung kann es fol­ge­rich­tig hilfreich sein, die unterschiedlichen Pha­sen mit ihren adaptiven Stra­te­gien zu be­ach­ten. Ergänzend zu diesem stark ko­gni­tiv geprägten Mo­dell betonte der Re­fe­rent, dass individuelles Ver­hal­ten nicht nur kopf­gesteuert, son­dern in großem Maße auch emotional reguliert ist. „Sich mit­rei­ßen zu las­sen“ ist einer der erfolg­ver­sprechend­sten Wege hin zu einem aktiven Le­bens­stil.

Gunnar Geuter vom Zen­trum für Bewegungsförderung Nordrhein-Westfalen im LIGA.NRW präsentierte die am LIGA.NRW neu entwickelten Pos­ter mit Bewegungsempfehlungen für die Ge­sund­heit von Kin­dern, Ju­gend­li­chen und Er­wach­se­nen. Er merkte an, dass aktuelle Bewegungsempfehlungen in der Be­völ­ke­rung noch zu we­nig be­kannt sind und in der Fach­welt noch zu sel­ten rezitiert wer­den. Gleichzeitig betonte er, dass die am LIGA.NRW entwickelten Materialien in umfangreichere Rahmenprogramme zur Bewegungsförderung mit verhaltens- und verhältnispräventiven Kom­po­nen­ten eingebunden wer­den sollten, da Informationsvermittlung al­lein be­kann­ter­ma­ßen nur be­grenzt wirk­sam ist.

In den sich anschließenden sie­ben Fachforen, wel­che sich unterschiedlichen Lebenswelten verschiedener Ziel­grup­pen widmeten, stellten je­weils meh­re­re Ex­per­ten aktuelle wissenschaftliche Evidenzen so­wie Projektansätze vor. Die Teil­neh­merinnen und Teil­neh­mer diskutierten zu den Lebenswelten Kita, Schule, Be­trieb, Arbeitsförderung, Kom­mu­ne, Sportverein so­wie Pflegeeinrichtung zentrale Herausforderungen der Bewegungsförderung. Die lebensweltbezogenen Praxis­beispiele wurden im Rahmen einer Poster­aus­stellung allen Teil­neh­mern zu­gäng­lich gemacht.

Die Fachtagung leistete einen wertvollen Beitrag zur ressortübergreifenden Zusammenarbeit von Akteurinnen und Akteuren im Bereich der Bewegungsförderung. Eine Onlinedokumentation der Fachtagung mit weiterführenden Infomationen ist unter folgendem Link abrufbar. Hier können Sie auch die Bewegungsempfehlungen für die Gesundheit als Poster sowie die Präsentationen der Referentinnen und Referenten abrufen. Gegen Ende des Jahres 2011 ist zudem eine umfangreiche und erweiterte Tagungsdokumentation geplant.

Gunnar Geuter und Franziska Faselt

Weitere Informationen zum Good Practice-Projekt "Bewegung als Investition in die Gesundheit - BIG" finden Sie in unserer Praxisdatenbank.

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