02.08.2012
Bildungschancen vor Ort
Neue Studie der Caritas benennt Faktoren, die die Schulabgängerquote beeinflussen
Verena Liessem, Deutscher Caritasverband, Referat Sozialpolitik
Schlagwörter:Armut, Bildung, Eltern, Erwerbslosigkeit, Kommunen, Netzwerk, regionale Akteure, Schule, Sozialraum, Studie
Im Jahr 2009 verließen bundesweit 7,2 Prozent der Jugendlichen die Schule ohne einen Hauptschulabschluss. Dabei ist die Quote der Schulabgänger/innen ohne Hauptschulabschluss örtlich und landesweit sehr unterschiedlich. Während sie in Baden-Württemberg und Bayern bei ca. 6 Prozent liegt, beträgt sie in Mecklenburg-Vorpommern 16 Prozent. Und örtlich variiert die Quote noch stärker: Im Landkreis Forchheim (Bayern) verlassen 2,4 Prozent der Schüler/innen die Schule ohne einen Hauptschulabschluss, in Wismar 26,6 Prozent.
Auch innerhalb eines Bundeslandes streuen die örtlichen Quoten der Schulabgänger/innen ohne Hauptschulabschluss erheblich. Die betroffenen Jugendlichen haben nur eingeschränkte Perspektiven und sehen sich mit vielfältigen Problemen konfrontiert. Ohne Hauptschulabschluss sind die Chancen auf einen Ausbildungsplatz schlecht. Und ohne Ausbildung hat man nur geringe Aussichten auf einen (guten) Arbeitsplatz. Auch die Gesundheit leidet: Arme, Arbeitslose und Menschen mit geringer Bildung sind im Durchschnitt kränker als der Rest der Bevölkerung.
Stärkste Einflussfaktoren: Anteil der Förderschulen und Arbeitslosenquote
Der Deutsche Caritasverband hat in Zusammenarbeit mit dem Rheinisch-Westfälischen Institut für Wirtschaftsforschung (RWI) untersucht, welche Faktoren vor Ort Einfluss auf die Zahl der Schulabgänger/innen ohne Hauptschulabschluss nehmen. Konkret: Welche Gegebenheiten vor Ort gehen mit einer hohen Zahl von Jugendlichen ohne Hauptschulabschluss einher? In einer anschließend durchgeführten Caritas-Befragung wurde ergründet: Wie kann es Kommunen gelingen, Jugendliche darin zu unterstützen, den Hauptschulabschluss zu erreichen?
In der Studie wird folgendes statistisch nachgewiesen: Einen entscheidenden Einfluss auf die Quote der Schulabgänger/innen ohne Hauptschulabschluss haben sowohl der Anteil der Förderschüler/innen als auch die Arbeitslosenquote vor Ort. Das heißt: Sind in einem Ort anteilig mehr Schüler/innen auf Förderschulen, sind dort auch mehr Jugendliche ohne Hauptschulabschluss zu erwarten. Dasselbe gilt für die Arbeitslosigkeit. Neben diesen beiden Faktoren, aber in wesentlich geringerem Maße, wirken sich der Anteil der Beschäftigten ohne abgeschlossene Berufsausbildung, der Anteil ausländischer Schüler/innen und das Bruttoinlandsprodukt pro Kopf auf die Quote der Schulabgänger/innen ohne Hauptschulabschluss aus. Auch die Bundeslandzugehörigkeit eines Kreises oder einer Stadt hat erheblichen Einfluss. Das lässt die Vermutung zu, dass sich die unterschiedlichen Schulsysteme entsprechend auswirken. Deswegen sollte eine Diskussion darüber beginnen, wie Schulpolitik gestaltet sein könnte, damit es weniger Schulabgänger/innen ohne Hauptschulabschluss gibt.
Keinen Einfluss auf die Quote der Schulabgänger/innen ohne Hauptschulabschluss hat die Verschuldungssituation einer Stadt oder eines Kreises, der Anteil der Schüler/innen, die eine Hauptschule besuchen und Stadt- /Landunterschiede.
Erfolgsfaktoren
In einem zweiten Schritt wurden Städte und Kreise identifiziert, die eine bessere Quote an Schulabgänger/innen ohne Hauptschulabschluss aufweisen, als nach den statistischen Untersuchungsergebnissen zu erwarten gewesen wäre. Caritas-Fachleute aus diesen Städten und Kreisen wurden nach ihrer Einschätzung zu den Erfolgsfaktoren vor Ort befragt.
Die - fast überall genannten - Erfolgsfaktoren waren:
- Politischer Wille: Entscheidende Akteure vor Ort setzen sich aktiv für sozial benachteiligte Kinder und Jugendliche ein und investieren in Lösungen.
- Kooperation: Es existieren gute Absprachen und eine geregelte sowie koordinierte Zusammenarbeit zwischen Schule, Schulamt, Jugendamt,den örtlichen Behörden, den Jobcentern, Verbänden, der freien Wohlfahrtspflege oder örtlichen Unternehmen.
- Begleitung der Kinder, Jugendlichen und Familien: Schulsozialarbeit, frühe Lernförderung, eine intensive Begleitung „gefährdeter“ Schüler/innen, Angebote der Berufsorientierung in Zusammenarbeit mit Unternehmen und eine gute Familien- und Elternarbeit schon vom frühen Kindesalter an sind Elemente, Kinder, Jugendliche und ihre Familien zu unterstützen.
- Sozialraumorientierung: Treffen der Kooperationspartner auf Ebene des Sozialraums, vernetzte Angebote der sozialen Arbeit, beispielsweise in Jugendzentren oder Familienzentren, und aktive Schulen im Quartier wurden ebenfalls als hilfreich genannt.
Die einzelnen Städte und Kreise bieten eine Vielfalt von Programmen an und die Vorgehensweisen sind im Einzelfall unterschiedlich. Es gibt also mehrere Wege, zum Ziel zu gelangen und kein einzelnes Programm, das als Allheilmittel eingesetzt werden kann. Die Erhebung und die Studie sollen dazu beitragen, dass auf allen Ebenen darüber diskutiert wird, wie die Situation der betroffenen Jugendlichen vor Ort und im Schulsystem verbessert werden kann und mehr Schulabschlüsse erreicht werden können.
Die genauen Ergebnisse der Studie, die Vorgehensweise und die Anteile der Schulabgänger/innen ohne Hauptschulabschluss in den einzelnen Kreisen und kreisfreien Städten finden Sie hier.