25.02.2014
Dauerhaft ist nicht genug!
Das Good Practice-Kriterium „Innovation und Nachhaltigkeit“
Lotte Kaba-Schönstein, Hochschule Esslingen
Holger Kilian, MPH, Gesundheit Berlin-Brandenburg
Schlagwörter:Good Practice, Nachhaltigkeit
Warum hat eigentlich der beratende Arbeitskreis des Kooperationsverbundes Gesundheitliche Chancengleichheit zwei auf den ersten Blick so gegensätzliche Begriffe wie Innovation und Nachhaltigkeit in ein Good Practice-Kriterium zusammengefasst? Was wird darunter in der Gesundheitsförderung verstanden und was verbindet diese beiden Begriffe?
„Nachhaltigkeit“ in der Gesundheitsförderung?
„Nachhaltigkeit“ hat sich vom Prinzip der nachhaltigen Forstwirtschaft des 18. Jahrhunderts zu einem Leitbild für die unterschiedlichsten Politikbereiche des 21. Jahrhunderts entwickelt: Nachhaltige Entwicklung, nachhaltige Umweltpolitik, nachhaltiges Wirtschaftswachstum, nachhaltige Stadtentwicklung und nachhaltige Gesundheitsförderung. In dieser Nachhaltigkeitsvielfalt gibt es einen gemeinsamen Kern: Er lässt sich auf die Begriffe „Dauerhaftigkeit“, „Beständigkeit“ und „Verantwortung gegenüber den nachfolgenden Generationen“ bringen.
Was bedeutet dies für die Gesundheitsförderung? Hier hat „Nachhaltigkeit“ vor allem zwei zentrale Bedeutungen: Zum einen geht es immer um nachhaltige Wirkungen. Also um möglichst lang anhaltende, sich vielleicht sogar selbst verstärkende, positive gesundheitliche Effekte. Diese nachhaltigen Wirkungen sind nicht von der zweiten Bedeutung des Begriffes zu trennen, den nachhaltigen Strukturen. Gesundheit ist immer (auch) eine Folge der Rahmenbedingungen. Wenn diese nicht dauerhaft und stabil gesundheitsförderlich gestaltet werden, ist kaum mit nachhaltigen Wirkungen zu rechnen. Zentrale Konzepte der Gesundheitsförderung wie der Setting-Ansatz oder die WHO-Strategie „Health in All Policies“ orientieren sich an diesem Verständnis. Sie zielen auf dauerhafte strukturelle Veränderungen, um isolierte Aktionen und das Problem der „Projektitis“ in der Gesundheitsförderung zu überwinden.
Was verbindet „Innovation“ mit „Nachhaltigkeit“?
Ein Bestandteil dieser nachhaltigen Strukturen können Angebote der Gesundheitsförderung sein, die langfristig, finanziell und personell gut abgesichert durchgeführt werden. Dieses Verständnis von Nachhaltigkeit als „dauerhafte Sicherung des Angebotes“ ist für die Anbieter von Gesundheitsförderung besonders wichtig, um ihre Arbeit auf einer verlässlichen Basis fortführen zu können. Doch langfristig gesicherte Arbeit alleine ist nicht genug. Gesundheitsförderliche Interventionen müssen immer wieder an die sich ändernden Bedingungen angepasst werden. Deshalb hat der beratende Arbeitskreis für das entsprechende Good Practice-Kriterium das Begriffspaar „Innovation und Nachhaltigkeit“ gesetzt.
Sowohl „Innovation“ als auch „Nachhaltigkeit“ sind keine Werte an sich. Wenn innovative Angebote nach einer ersten „Anschubphase“ auslaufen und enttäuschte Erwartungen, aber keine nachhaltigen Ergebnisse hinterlassen, ist für die Betroffenen wenig gewonnen. Mehrfach erlebte „Projekte-Strohfeuer“ können wichtige Beteiligte sogar nachhaltig entmutigen. Doch auch das Gegenteil ist nicht wünschenswert: Gut abgesicherte, langfristig arbeitende Angebote, die Jahr für Jahr die gleichen Themen und Routinen behalten, laufen Gefahr, an den aktuellen und konkreten Bedarfslagen und Problemen vor Ort vorbeizusehen. Die Herausforderung besteht deshalb darin, innovative Ansätze und nachhaltige Strukturen in ein Gleichgewicht zu bringen, so dass sich sowohl aus Innovation längerfristige Perspektiven entwickeln können, als auch die gut ausgestatteten, kontinuierlichen Angebote immer wieder ihre Praxis überprüfen und neue Themen, Handlungsansätze und Partnerschaften berücksichtigen.
Was innovativ ist, lässt sich nur vor dem Hintergrund der jeweiligen lokalen Bedingungen bestimmen. Wichtig ist, dass die Arbeit vor Ort neue Impulse bekommt. Wenn neue Themen erschlossen, noch nicht genutzte Methoden erprobt oder bislang nicht beteiligte Partner eingebunden werden, können dies wichtige Innovationen sein. Und vielleicht auch ein Schritt in Richtung Nachhaltigkeit, die sich durch (finanz)starke Partner herstellt, aber auch über gut dokumentierte Konzepte und eine hohe Akzeptanz bei den Menschen vor Ort.
Ein Beispiel guter Praxis
Ein Beispiel? Im Good Practice-Projekt „Eigenwillig“ hat das Hamburger Familienplanungszentrum (FPZ) das Angebot gezielt für Menschen mit Lernschwierigkeiten erweitert und es nach Ende der Projektlaufzeit in das Regelangebot integrieren können.
Zur Einstimmung auf das Thema des diesjährigen Kongresses Armut und Gesundheit, „Gesundheit nachhaltig fördern“, bildet der Kooperationsverbund Gesundheitliche Chancengleichheit mit dem vorliegenden Artikel exklusiv einen Beitrag des derzeit im Druck befindlichen Print-Newsletters 1-2014 ab.
Die druckfrische Version des Print-Newsletters mit dem Schwerpunktthema Nachhaltigkeit überreichen wir Ihnen gerne auf der Satellitenveranstaltung „Zusammen wachsen“ (12. März) und auf dem Kongress Armut und Gesundheit (13./14. März, beides in der Technischen Universität Berlin).
Hier finden Sie eine ausführliche Materialsammlung zum Thema „Nachhaltigkeit“.