10.07.2024
Dialogreihe „Gesundheitliche Chancengleichheit – Im Gespräch mit Wissenschaft und Praxis“
„Gesundheit und Demokratie: Wie können Gesundheit und Demokratie vor Ort gefördert werden?“
Anna Kleine, bis Ende 2024: HAGE - Hessische Arbeitsgemeinschaft für Gesundheitsförderung e.V.
Schlagwörter:Demokratie, Praxis, Gesundheitliche Chancengleichheit
Die Gesundheit der Bevölkerung wird auch von politischen und gesellschaftlichen Rahmenbedingungen beeinflusst. In Deutschland steht die Demokratie derzeit vor großen Herausforderungen, sodass teamw()rk und die KGC Hessen sich dazu entschieden haben, die erste Dialogreihe im Jahr 2024 dem Thema Gesundheit und Demokratie zu widmen.
Prof. Dr. Dr. Thomas Gerlinger von der Universität Bielefeld verdeutlichte in seinem Vortrag den Zusammenhang zwischen Gesundheitsförderung und der Stärkung demokratischer Prozesse in der Kommune. Dabei ging er auf den Begriff Demokratie als grundlegende Voraussetzung für Gesundheit ein und stellte die Rolle von Gesundheitsförderung für demokratisches Handeln – auch im kommunalen Kontext dar. Prof. Gerlinger erklärte, dass Demokratie mehr als ein parlamentarisches System umfasse, da sich ihre Qualität durch eine umfassende Selbstbestimmung der Bürger*innen in der Gestaltung ihrer Lebenswelten auszeichnet. Im modernen Verständnis von Gesundheitsförderung sind Selbstbestimmung und Partizipation zentrale Ansätze, die nur durch demokratische Institutionen und ein demokratisch organisiertes Gemeinwesen realisiert werden können. Ein zentrales Problem hierbei ist die ungleiche Verteilung der Voraussetzungen für eine aktive Teilnahme, trotz formaler Gleichheit in Wahl- und Mitbestimmungsrechten.
Am Ende betonte Prof. Gerlinger, dass Gesundheitsförderung demokratische Beteiligung als wirksam und nützlich erlebbar machen könne. Eine demokratische Kultur sei dabei entscheidend für die gesundheitsgerechte Gestaltung von Lebensbedingungen, da Betroffene ihre eigenen Belastungen, Bedarfe und Ressourcen am besten kennen. Zudem habe die Erfahrung, Lebensbedingungen aktiv beeinflussen und mitgestalten zu können, positive Auswirkungen auf die psychosoziale Gesundheit. Es sei entscheidend zu beachten, dass die Bereitschaft und Fähigkeit zum selbstbestimmten Handeln nicht vorausgesetzt werden könne, sondern häufig erst durch Unterstützung und Begleitung entwickelt werden müsse. Dieser Prozess, bekannt als Empowerment, zielt darauf ab, Menschen zu befähigen, selbstbestimmt über ihre Gesundheit zu entscheiden und sie bis hin zur Selbstorganisation zu stärken. Somit kann eine selbstbestimmte und partizipative Gesundheitsförderung sowohl demokratische Prinzipien in verschiedenen Lebensbereichen erweitern und vertiefen als auch das Vertrauen in die Demokratie stärken.
Nach dem Vortrag wurde mit den Teilnehmenden diskutiert, welche Voraussetzungen in der Kommune notwendig sind, damit Bürger*innen an der Gestaltung einer gesundheitsförderlichen Gesamtpolitik (Health in All Policies) mitwirken können. Folgende Bedingungen wurden genannt: das Gemeinwohl der Bürgerschaft müsse im Mittelpunkt stehen, die Beteiligungsmöglichkeiten dürften nicht nur auf dem Wahlvorgang begrenzt sein, eine Bereitschaft der kommunalen Akteur*innen sei erforderlich, Bund und Länder müssten finanzielle Mittel für Personal und nachhaltige Rahmenbedingungen bereitstellen. Darüber hinaus sei die Förderung lokaler Netzwerkarbeit wichtig, um Ressourcen zu bündeln und Parallelstrukturen zu vermeiden.
Die Dokumentation der Veranstaltungsreihe einschließlich der Präsentationsfolien der Referent*innen der Terminreihen finden Sie hier.