04.08.2011
Die Good Practice-Kriterien fassbar machen!
Wie setze ich Partizipation und Empowerment in der Praxis um?
Klaus D. Plümer, Health Promotion & Public Health Consultant
Antje Richter-Kornweitz, ehem. Landesvereinigung für Gesundheit und Akademie für Sozialmedizin Niedersachsen Bremen e.V.
Schlagwörter:Empowerment, Good Practice, GP-Konkretisierung, Kommentar, Qualitätsentwicklung
Partizipation und Empowerment - dies sind zentrale Kriterien guter Praxis („Good Practice“) in der Gesundheitsförderung und soziallagenbezogenen Prävention. Für Akteure, die Projekte planen und umsetzen wollen, besteht die Herausforderung darin, diese Kriterien für die eigene Arbeit zu nutzen und anzuwenden.
Anbieter von gesundheitsfördernden Angeboten und Maßnahmen sind nicht nur zunehmend damit konfrontiert, die Qualität ihrer Aktivitäten nachweisen zu müssen, sie sollten vor allem auch selbst ein Interesse daran haben, Informationen zur Wirksamkeit ihrer Programme und den effektiven Einsatz ihrer Ressourcen verfügbar zu haben. Die vom Kooperationsverbund „Gesundheitsförderung bei sozial Benachteiligten“ entwickelten Kriterien guter Praxis („Good Practice“) bieten Akteuren und Praktiker/innen gleichermaßen die Möglichkeit, ihre Arbeit inhaltlich selbstkritisch zu reflektieren. Die Anwendung dieser konsentierten Qualitätskriterien für die eigene Arbeit erfordert allerdings eine gewisse, aber dafür ertragreiche Anstrengung.
In Zusammenarbeit mit Expertinnen und Experten aus Gesundheitsförderung und Prävention hat der bundesweite Kooperationsverbund damit begonnen, die Kriterien guter Praxis zu konkretisieren und praxisorientiert auf dieser Internetplattform darzustellen. Ziel ist es, den Nutzerinnen und Nutzern der Website zu vermitteln, welche Herausforderungen und Stolpersteine zu kalkulieren sind, sowie Anregungen für die Planung und Umsetzung von Projekten in ihrem Handlungsfeld anzubieten. Ausgewählte Praxisbeispiele geben hier einen Einblick in die gesundheitsfördernde Praxis in verschiedenen Kontexten.
Die ersten Konkretisierungen für die Good Practice-Kriterien Partizipation und Empowerment wurden für die Zielgruppen „Kinder und Jugendliche“, „Ältere Menschen“ und „Arbeitslose“ als auch zum Setting „Stadtteil/Quartier“ auf die Website des Kooperationsverbundes online gestellt.
Beide Kriterien gehören zu den Kernelementen gesundheitsfördernder Praxis, sie bilden wichtige Bausteine des vom Kooperationsverbund entwickelten Good Practice- Kriterienkatalogs
Partizipation ist als handlungsleitendes Prinzip präventionsorientierter Gesundheitsförderung in der Ottawa Charta verankert. Grundannahme dafür ist, dass Projekte umso wirkungsvoller und nachhaltiger sind, wenn die Zielgruppe von vornherein aktiv in den Umgestaltungs- und Veränderungsprozess miteinbezogen wird. Partizipation bedeutet daher nicht nur Teilnahme, sondern aktive Teilhabe der Zielgruppe in allen wesentlichen Fragen der Lebensgestaltung. Dabei gilt es, die vorhandenen Kompetenzen der Menschen nicht nur zu berücksichtigen, sondern ihre Vorstellungen und Perspektiven von Beginn an aktiv bei der Planung und Umsetzung gesundheitsfördernder Aktivitäten mit einzubeziehen. Gesundheitsfördernde Praxis bedeutet, den Menschen Raum zu geben, ihre eigenen Bedürfnisse und Wünsche zu formulieren und sie zu befähigen, eigene Ideen und Vorstellungen Gestalt annehmen zu lassen, gegebenenfalls sie dabei anwaltschaftlich zu unterstützen.
Ein Beispiel für gelungene Partizipation zeigt das Projekt „NAIS - Neues Altern in der Stadt Bruchsal“. Hier entwickeln Ehrenamtliche, junge und alte Bürger und Bürgerinnen in Kooperation mit öffentlichen Einrichtungen, der Verwaltung, Kirchen und Gewerbetreibenden politische Konzepte und Strukturen für die Beteiligung und Aktivierung älterer Menschen. Unter dem Dach von NAIS sind zahlreiche Gremien und Angebote, wie der Seniorenrat Bruchsal, Kultur- und Gesundheitsaktivitäten sowie Aktionstage und Informationsveranstaltungen, versammelt.
Partizipation hängt immer auch eng mit der Befähigung (Empowerment) der Zielgruppe zusammen. Es geht um Strategien und Maßnahmen, die geeignet sind, den Grad der Handlungsautonomie und Selbstbestimmung im Leben der Menschen zu erhöhen. Empowerment ist als ein wechselseitiger Lernprozess zu verstehen, der neue Handlungsspielräume eröffnet. Menschen entdecken und entwickeln eigene oder kollektive Ressourcen, sie erschließen sich so neue Erfahrungen und erlernen neue Fähigkeiten. Dies unterstützt und stärkt das soziale Miteinander in der Nachbarschaft oder im Quartier ebenso wie es dazu beiträgt, tragfähige Potenziale für Veränderungsprozesse auszubilden.
Ein Beispiel für gelungenes Empowerment ist das Trainingsprogramm „Aktive Bewältigung von Arbeitslosigkeit (AktivA)“. Hier wird u.a. der Umgang mit frei verfügbarer Zeit bei Arbeitslosen thematisiert. Freie Zeit kann bei manchen als Stress wahrgenommen werden. Sie kann aber auch als Ressource betrachtet werden, die für die Entwicklung neuer Perspektiven, Informationsbeschaffung und Weiterqualifikation genutzt wird. Im Programm AktivA wird die bisherige Wochenplanung der Teilnehmenden dokumentiert, dann werden gemeinsam Möglichkeiten erarbeitet, um ein Gleichgewicht zwischen notwendigen und angenehmen Aktivitäten, körperlichen und geistigen Aktivitäten sowie individuellen und gemeinsamen Aktivitäten herzustellen. Das entsprechende Modul schließt mit der Planung von zwei konkreten Aktivitäten je Teilnehmer/in ab, die als erste Schritte zu einer selbstgestalteten Aktivitätenplanung dienen.