02.07.2012
Die soziale Spaltung in deutschen Großstädten nimmt zu
Vergleichsstudie zu 19 deutschen Großstädten
Antje Seidel-Schulze, Deutsches Institut für Urbanistik (Difu)
Jan Dohnke, Deutsches Institut für Urbanistik (Difu)
Schlagwörter:Armut, Soziale Stadt, Sozialraum, Stadtentwicklung, Studie
Zwar ist die Arbeitslosigkeit in deutschen Städten insgesamt rückläufig, die sozialräumliche Spaltung zwischen Arm und Reich (Segregation) nimmt jedoch zu. Insbesondere die Kinderarmut konzentriert sich zunehmend in bestimmten Stadtteilen. Eine Verdrängung der von Armut betroffenen Haushalte mit Kindern in die Großwohnsiedlungen am Stadtrand ist mittlerweile nachweisbar. Dies betrifft insbesondere Städte im Norden, Westen und Osten Deutschlands.
Diese alarmierende Entwicklung wird aus einem Städtevergleich deutlich, den das Deutsche Institut für Urbanistik (Difu) in Kooperation mit Prof. Dr. Hartmut Häußermann (†) im Auftrag des Ministeriums für Wirtschaft, Energie, Bauen, Wohnen und Verkehr (MWEBWV) des Landes Nordrhein-Westfalen durchgeführt hat. In einem Kooperationsprojekt mit 19 deutschen Großstädten (Berlin, Bremen, Dortmund, Düsseldorf, Frankfurt/Main, Halle, Hamburg, Heidelberg, Karlsruhe, Köln, Koblenz, Leipzig, Mainz, Mannheim, München, Nürnberg, Oberhausen, Saarbrücken und Stuttgart) wurde die Entwicklung der Jahre 2007 und 2009 miteinander verglichen. Untersucht wurde die Situation der Arbeitslosigkeit, der Kinderarmut und des Anteils der Bevölkerung mit Migrationshintergrund im Hinblick auf eine Ungleichverteilung innerhalb einer Stadt.
Die Ungleichverteilung lässt sich in den untersuchten Städten in unterschiedlichem Ausmaß nachweisen: am wenigsten in Frankfurt/Main, München, Stuttgart, Karlsruhe sowie Oberhausen und Mainz. Im Mittelfeld liegen Düsseldorf, Heidelberg, Koblenz, Mannheim, Nürnberg und Saarbrücken. Am stärksten konnte die Ungleichverteilung in Berlin, Bremen, Dortmund, Hamburg, Halle, Köln und Leipzig beobachtet werden.
In fast allen Städten gibt es Stadtteile, in denen die Kinderarmut entgegen der allgemeinen Entwicklung noch weiter ansteigt. Diese Stadteile liegen meist am Stadtrand und sind durch eine Bebauung mit Großwohnsiedlungen oder Gebäuden der 1950er-/1960er-Jahre gekennzeichnet. Zu vermuten ist, dass sich Aufwertungsprozesse derzeit innerstädtisch vollziehen und zu dieser Entwicklung beitragen.
Während Ungleichverteilung und Spaltung im Zusammenhang mit Kinderarmut teilweise weiter ansteigen, konnten im Zusammenhang mit Arbeitslosigkeit oft Angleichungen zwischen den Stadtteilen festgestellt werden. Dies könnte allerdings im starken Ausbau gering bezahlter und prekärer Arbeitsverhältnisse begründet liegen - Kinderarmut ist mittlerweile ein wesentlich verlässlicherer Indikator für den Umfang sozialer Problemlagen in Städten.
Für die Politik ergibt sich daraus Handlungsbedarf in mehrfacher Hinsicht: Es ist notwendig, diese Entwicklungen künftig laufend zu beobachten, mögliche Negativentwicklungen frühzeitig zu erkennen und ihnen entgegenzuwirken. Gebiete, in denen der Anteil benachteiligter Menschen konstant hoch ist bzw. weiter steigt, benötigen eine dauerhafte Förderung - nicht zuletzt erbringen diese Integrationsleistungen für die Gesamtstadt. Die Programme der Städtebauförderung, insbesondere „Soziale Stadt“ haben vor diesem Hintergrund eine besondere Bedeutung.
Es ist aber auch wichtig, den Blick für die Gesamtstadt zu stärken: Soziale, demographische und wirtschaftliche Entwicklungen sind eng miteinander verknüpft und im Sinne einer solidarischen Politik und eines friedlichen Miteinanders für die Gesamtstadt zu steuern. Zentraler Bestandteil hierbei ist die Wohnungspolitik. Bezahlbaren Wohnraum für benachteiligte Bevölkerungsgruppen bereitzustellen, ist eines der wichtigsten Instrumente, um der Konzentration von Armut in einzelnen Stadtteilen sowie der Verdrängung armer Menschen an den Stadtrand entgegenzuwirken.
Das Buch zur Studie
Jan Dohnke, Antje Seidel-Schulze und Hartmut Häußermann: Segregation, Konzentration, Polarisierung - sozialräumliche Entwicklung in deutschen Städten 2007-2009. Bd. 4/2012. 140 S. ISBN 978-3-88118-507-3, Schutzgebühr 18,- Euro
Nähre Informationen zum Buch finden Sie sierung-sozialraeumliche.html" target="_blank">hier. Sie können das Buch direkt beim Difu per Mail bestellen.
Das Difu ist Mitgliedsorganisation im Kooperationsverbund Gesundheitliche Chancengleichheit und die Bundestransferstelle für das Programm Soziale Stadt. Hier lesen Sie eine aktuelle Mitteilung zur Verwaltungsvereinbarung Städtebauförderung 2012.