03.09.2012
Die Zeit ist reif für ein Präventionsgesetz
Paritätischer warnt vor wachsender Gesundheitskluft und fordert Präventionsgesetz
Gwendolyn Stilling, Der Paritätische Wohlfahrtsverband
Schlagwörter:Armut, Nachhaltigkeit, Prävention, Qualität, Setting
Vor einer wachsenden Gesundheitskluft in Deutschland warnt der Paritätische Wohlfahrtsverband und appelliert in einem offenen Brief an Bundesgesundheitsminister Bahr, ein Präventionsgesetz auf den Weg zu bringen, um für alle Menschen gleiche Chancen auf ein möglichst gesundes und möglichst langes Leben zu schaffen. Die Lebenserwartung dürfe in Deutschland nicht länger vom Geldbeutel abhängen. Ein entsprechendes Gesetz zur Gesundheitsförderung müsse alle relevanten Akteure in die Pflicht nehmen, Qualitätsstandards sichern und eine verlässliche Finanzierung garantieren.
"Die gesundheitliche Chancenungleichheit in Deutschland ist skandalös. Die ärmsten 20 Prozent der Bevölkerung sterben im Durchschnitt zehn Jahre früher als die reichsten 20 Prozent. Bei ihnen brechen chronische Erkrankungen früher aus und verlaufen deutlich schwerwiegender", kritisiert Verbandsvorsitzender Prof. Dr. Rolf Rosenbrock. Schon im Kindergarten manifestierten sich die ungleichen Gesundheitschancen: "Kinder aus sozial benachteiligten Familien sind nachweislich häufiger von physischen oder psychosozialen Problemen betroffen, die ihr gesamtes weiteres Leben beeinträchtigen können. Dieser Zustand ist beschämend und in einem der reichsten Länder der Welt untragbar."
Der Verband fordert die Einführung eines eigenen Bundesgesetzes für nicht-medizinische Primärprävention und Gesundheitsförderung, um bereits erprobte Ansätze zu verstetigen und flächendeckend umzusetzen. "Wir brauchen mehr als Aufklärungs- und Informationskampagnen oder die medizinische Verhinderung von Krankheit durch Impfungen. Wir brauchen zielgruppenspezifische Maßnahmen, die dort ansetzen, wo die Menschen sind", fordert Rosenbrock. Erforderlich seien Maßnahmen der betrieblichen Gesundheitsförderung, Gesundheitsprogramme in Kindertageseinrichtungen, kultursensible Programme, die auch Migrantinnen und Migranten erreichen sowie Ansätze der Gesundheitsförderung im Stadtteil und in Wohn- und Betreuungseinrichtungen. "Die Projektitis in diesem Bereich muss ein Ende haben und endlich durch dauerhafte Strukturen ersetzt werden."
Dies sei nicht zuletzt ein Gebot ökonomischer Vernunft. "Jeder Euro, den wir heute in wirkungsvolle Prävention investieren, zahlt sich auch finanziell langfristig aus durch eine Entlastung der Sozialsysteme. Jeder Tag, den wir weiter warten, ist volkswirtschaftlich betrachtet, vergeudetes Geld", warnt Gesundheitsökonom Rosenbrock. Es gebe kein Erkenntnisproblem, sondern ein Handlungsdefizit. "Der Minister ist in der Bringschuld."
Den genauen Wortlaut des Briefes können Sie hier (PDF-Dokument, 98 KB) einsehen.
Der Paritätische Wohlfahrtsverband ist mit über zehntausend selbständigen Mitgliedsorganisationen einer der größten Spitzenverbände der Freien Wohlfahrtspflege in Deutschland. Er ist Partner im Kooperationsverbund „Gesundheitsförderung bei sozial Benachteiligten“.