31.01.2013
Frühkindliche Karies bei Kleinkindern im Land Brandenburg
Eine landesweite Studie zur Epidemiologie und zu Risikofaktoren
Gudrun Rojas, Stadt Brandenburg an der Havel, Fachbereich Jugend, Soziales und Gesundheit
Martin Deichsel, Poliklinik für Präventive Zahnheilkunde und Kinderzahnheilkunde, Universitätsklinikum Jena
Karin Lüdecke, Landesamt für Umwelt, Gesundheit und Verbraucherschutz Brandenburg, Abteilung Gesundheit
Roswitha Heinrich-Weltzien, Poliklinik für Präventive Zahnheilkunde und Kinderzahnheilkunde
Schlagwörter:Setting, Soziallage, Studie, Zahngesundheit
Die kritische Sicht auf die Mundgesundheit von Kleinkindern im Alter von 0 bis 3 Jahren hat das Universitätsklinikum Jena veranlasst, die ersten landesweiten zahnärztlichen Untersuchungen dieser Kinder in Kindereinrichtungen des Landes Brandenburg im Rahmen eines Kooperationsprojektes wissenschaftlich zu begleiten. Im Ergebnis des Projektes liegen erstmals Daten für die Altersgruppe der 13 bis 36 Monate alten Kinder zur Verbreitung der frühkindlichen Karies und ihrer Beziehung zum Gesundheitsverhalten und Sozialstatus der Eltern in einem Bundesland der Bundesrepublik Deutschland vor. Sie bestätigen bestehende Präventionsprogramme und geben Impulse für in Planung befindliche Programme. Weiterhin werden Risikofaktoren aufgedeckt, die zur Entstehung der frühkindlichen Karies beitragen. Eine ausführliche Darstellung der Studienergebnisse ist im Bundesgesundheitsblatt Heft 11/12 2012 veröffentlicht worden.
Hintergrund Studienergebnisse
Aus der Literatur ist bekannt, dass die frühkindliche Karies (Early childhood Caries - ECC) weltweit die häufigste chronische Erkrankung bei Kleinkindern ist mit Folgen wie Schmerzen, Keimschädigungen der nachfolgenden bleibenden Zähne oder, als Resultat von Milchzahnextraktionen, ein Platzmangel im bleibenden Gebiss. Darüber hinaus ist die Infektanfälligkeit der Kinder erhöht und es kann zu Sprachstörungen, einem negativen Einfluss auf das schulische Leistungsvermögen und die soziale Kompetenz kommen. Eine umfangreiche Sanierung des Milchgebisses ist im Kleinkindalter oft nur in Allgemeinanästhesie (Narkose) möglich und mit einem hohen Kostenaufwand verbunden.
Mundgesundheit der 13 bis 36 alten Monate Kinder
In 10 Landkreisen/kreisfreien Städten wurden im Schuljahr 2009/10 661 Kinder im Alter von 13 bis 36 Monaten untersucht. 5,3% der Kinder hatten bereits eine klinische Karies und bei 7,4% der Kleinkinder wurde eine beginnende Karies festgestellt. Die 25 bis 36 Monate alten Kinder wiesen häufiger Karies auf als Kinder im Alter von 13 bis 24 Monaten. 2% der Kinder vereinten 52% des Kariesbefalls auf sich. Lediglich 19,9% aller kariösen Zähne waren saniert.
Die Auswertungen ergaben weiterhin, dass Kinder mit Karies signifikant länger die Saugerflasche verabreicht bekamen und öfter nächtlichen Zugang zur Flasche hatten. Die Eltern waren häufiger jünger als 20 Jahre alt und hatten signifikant häufiger einen niedrigen Sozialstatus. Die Kinder wuchsen vielfach mit allein erziehenden Elternteilen auf, waren mehrheitlich erst nach dem 2. Lebensjahr erstmalig beim Zahnarzt und erhielten dort oft keine Aufklärung zur frühkindlichen Karies.
Die Analysen zeigten ebenfalls, dass der Sozialstatus, das Alter des Kindes und die nächtliche Saugerflaschengabe die Hauptrisikofaktoren der ECC sind.
Fazit und Empfehlungen
Die Ergebnisse machen deutlich, dass Präventionsprogramme zur Reduktion der frühkindlichen Karies so früh wie möglich beginnen, flächendeckend aufgebaut und intersektoral ausgerichtet sein sollten, um die gesundheitliche Benachteiligung von Kindern mit niedrigem Sozialstatus zu kompensieren.
Eine Kooperation aller, die das gesunde Aufwachsen von Kleinkindern begleiten, ist bedeutsam. Eltern, Gynäkologen, Kinderärzte, Familienhebammen und Familienpaten, Zahnärztliche Dienste der Gesundheitsämter, Zahnärzte, Erzieher und Kita-Träger bilden hierbei ein Netzwerk. Eine individuelle zahnärztliche Beratung und Aufklärung der Eltern sowie eine Anhebung des Sanierungsgrades der an frühkindlicher Karies erkrankten Kinder sind ebenfalls erforderlich.
In die settingorientierte gruppenprophylaktische Betreuung gem. § 21 SGB V sind Kleinkinder ab dem ersten Milchzahn einzubeziehen. Das tägliche Zähneputzen mit fluoridhaltiger Zahnpasta sollte dabei für alle Kinder ebenso ein Bestandteil der Betreuungskonzepte sein, wie lokale Fluoridierungsmaßnahmen für Kinder der Kariesrisikogruppe. Die nachhaltige Schaffung eines mundgesundheitsförderlichen Umfelds in Kindertagestätten kann gelingen, wie das Präventionsprogramm „Kita mit Biss“ zeigt. Die Förderung der Mundgesundheit und Vermeidung der frühkindlichen Karies sind die Zielrichtungen dieses intersektoralen Präventionsprogramms, in dem Handlungsleitlinien für den Kita-Alltag entwickelt wurden, die sich in der Praxis bewähren. Weiterführende Informationen finden Sie unter www.brandenburger-kinderzaehne.de.