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08.08.2017

Gemeinsam. Gerecht. Gesund

Kongress Armut und Gesundheit nimmt den Health in all Policies-Ansatz in den Blick

Maren Janella, Gesundheit Berlin-Brandenburg

Schlagwörter:Armut und Gesundheit, Gesundheitspolitik, Kongresse

Auf­ruf zur Beteiligung - Call for Ab­stracts

Im kommenden Jahr findet der Kon­gress Ar­mut und Ge­sund­heit am Diens­tag und Mitt­woch, 20. und 21. März 2018 statt, wie­de­rum an der Technischen Uni­ver­si­tät Ber­lin. Schwer­punkt ist das The­ma Health in all Policies.

Noch bis zum 9. Ok­to­ber 2017 haben Sie Ge­le­gen­heit, ein Ab­stract einzureichen, um das Kon­gressprogramm des kommenden Jahres aktiv mit zu ge­stal­ten.

Nähere Informationen fin­den Sie auf der Website www.armut-und-gesundheit.de.

Der bundesweite Kon­gress Ar­mut und Ge­sund­heit hat es sich zum Ziel ge­setzt, an­hand von Beiträgen aus Pra­xis, Politik und Wis­sen­schaft herauszuarbeiten, wie so­zi­al bedingte Ungleichheiten in Ge­sund­heitschancen wirk­sam und nach­hal­tig abgebaut wer­den kön­nen. Mit zentralen Impulsen für gesundheitspolitische Stra­te­gien trägt der Kon­gress das Ziel der gesundheitlichen Chan­cen­gleich­heit durch einen konstruktiv angelegten Di­a­log in das öffentliche Be­wusst­sein der Fachöffentlichkeit und da­rü­ber hinaus. Der An­satz des Health in all Policies (HiaP) soll im Kon­gressjahr 2018 im Mit­tel­punkt der Diskussionen ste­hen. Ziel wird es sein, die­ses Kon­zept in­halt­lich wei­ter zu ent­wi­ckeln und einen konkreten Dis­kus­si­ons­bei­trag zu diesem Them­en­kom­plex zu ent­wi­ckeln.

Was bedeutet eigentlich "Health in all Policies"?

„Ge­sund­heit in al­len Politikfeldern verankern“ beschreibt das Ziel, den As­pekt Ge­sund­heit in al­le Politikfelder hineinzutragen, um Ge­sund­heit und Le­bens­qua­li­tät der Be­völ­ke­rung auf einer brei­ten Ba­sis wirk­sam zu för­dern. Das bedeutet, dass strukturelle Voraussetzungen für diese Verankerung geschaffen (z. B. politikfeldübergreifende Arbeitszusammenhänge) und die Entscheidungsprozesse ent­spre­chend neu ausgerichtet wer­den müs­sen.

Der Health in All Policies-Ansatz setzt ein komplexes Zusammenwirken verschiedener Ebe­nen voraus:

Unterschieden wer­den die fünf Gestaltungs- bzw. Umsetzungsebenen:


 

  • Globale Ebene
  • Europäische Union
  • Bund
  • Land
  • Kommune

sowie die verschiedenen Politikbereiche:

  • Ge­sund­heit
  • Umwelt
  • Soziales
  • Bildung
  • Arbeit/Wirtschaft
  • Finanzen
  • Verkehr
  • Verteidigung
  • Stadtentwicklung

Hieran zei­gen sich be­reits die ersten Herausforderungen:

  • auf wel­chen Ebe­nen findet (po­li­tische) Steu­e­rung statt?
  • wie wer­den Entscheidungsprozesse ausgestaltet und Verantwortlichkeiten zugesprochen (Fö­de­ra­lis­mus)?
  • wo er­ge­ben sich hieraus Sy­ner­gien und Anknüpfungspunkte (Entscheidungshebel?)
  • wer hat wel­che (originären) Zu­stän­dig­keit­en?
  • wo er­ge­ben sich hier Schnitt­men­gen?
  • wie be­hal­ten Ressorts ih­re po­li­tische Ei­gen­stän­dig­keit bzw. Iden­ti­tät, wenn viele Themen (u.a. Ge­sund­heit) Querschnittsthemen sein sollen, um po­li­tisch „punkten“ zu kön­nen (weitere Querschnittsthemen sind z. B. In­te­gra­ti­on/Inklusion)?
  • wie wer­den Interessenkonflikte ausgehandelt?
  • wie kann man den Auf- und Aus­bau paralleler Strukturen vermeiden?
  • wel­cher Be­reich verfügt über wel­che Res­sour­cen?
  • wel­che systematischen und inhaltlichen Logiken sind handlungsleitend?
  • wie er­klä­ren sich bestimmte Zusammenhänge und kön­nen diese in verbindliches po­li­tisches Handeln überführt wer­den? (Evidenz als po­li­tische Richt­schnur)

Um Ge­sund­heit in al­le Politikbereiche hereinzutragen gibt es zu­nächst einmal zwei (zu­nächst sehr sim­pel dargestellte) Stra­te­gien:

Ent­schei­dung­en, die in an­de­ren Bereichen getroffen wer­den, haben (z.T. eklatante) Aus­wir­kung­en auf die Ge­sund­heit der Menschen. So hat, nach aktuellen Schät­zung­en, bei­spiels­wei­se der „Dieselskandal“ tausende Todesfälle zur Fol­ge (Deutsches Ärzteblatt 2017). Der Ge­sund­heitsbereich sollte in solche Ent­schei­dung­en stärker einbezogen wer­den. Natürlich stellt sich hierbei die Fra­ge nach den Mög­lich­keit­en und Gren­zen so­wie nach Interessenkonflikten (Be­bau­ung von drin­gend benötigtem Wohn­raum vs. Frei- und Grün­flä­chen). Und es schlie­ßen sich Fra­gen nach den Geltungsbereichen der einzelnen Politikfelder und ihren tatsächlichen Einflussmöglichkeiten an. Selbstverständlich gibt es Herangehensweisen und Modelle, die ei­ne steuernde Wir­kung ein­neh­men sollen: zu nen­nen wä­re hier bei­spiels­wei­se das Health Impact Assessment (HIA, z.B. über­setzt durch den Be­griff „Ge­sund­heitsverträglichkeitsprüfung“). Das Ziel von HIA ist es, Entscheidungsprozesse so zu be­ein­flus­sen, dass die Ge­sund­heit der Be­völ­ke­rung gefördert und Erkrankungsrisiken gemindert wer­den. In Deutsch­land wer­den HIA-Elemente seit den 1980er Jahren vor allem über Umweltverträglichkeitsprüfungen eingeführt.

Eine an­de­re strategische Vorgehensweise ist die stärkere Aus­ei­nan­der­set­zung mit den Logiken und handlungsleitenden Grundsätzen der weiteren Politikbereiche und ihrer Akteur*innen. Zu begreifen, wa­rum bestimmte Ent­schei­dung­en getroffen wer­den und welchen Nutzen die je­weils an­de­ren Ressorts da­von hätten, diese un­ter der Fra­ge­stel­lung der „Ge­sund­heitsverträglichkeit“ (neu) zu hinterfragen, sind hier die ersten Schritte.

Diese Herangehensweise scheint die nachhaltigere Op­ti­on darzustellen, da man die Motive und In­te­res­sen­la­gen in an­de­ren Politikbereichen weniger über po­li­tischen Druck als über wirkliche Über­zeu­gungs­ar­beit verstehen und hieran an­knüp­fen kann. Der Kon­gress möchte ei­nen entscheidenden Bei­trag da­zu leis­ten herauszuarbeiten, was die Zu­sam­men­ar­beit mit dem Ge­sund­heitsbereich den Akteuren aus an­de­ren Feldern kon­kret nützt.

Damit ist auch ein weiterer Auf­trag verbunden, der deut­lich frü­her ansetzt: Ge­sund­heit muss po­li­tisch wer­den, d.h. von an­de­ren Politikfeldern über­haupt erst einmal als po­li­tischer Ge­gen­stand verstanden wer­den. „Die Ge­sund­heit der Be­völ­ke­rung ist ein wichtiges Ziel von Politik“, heißt es im Po­si­ti­ons­pa­pier des Zukunftsforums Public Health (Zukunftsforum 2017). Dies ist die Voraussetzung da­für, über­haupt in ei­ne Verhandlungsposition zu kom­men. Zugleich muss Ge­sund­heit als Be­griff von allen Politikbereichen ähn­lich verstanden wer­den. Hierfür müs­sen Kompetenzen aufgebaut wer­den, um Einflussfaktoren und Wirkmechanismen zu begreifen.

Eine ganz wesentliche Kritik an dem An­satz lautet, dass die Um­set­zung von HiaP die Rol­le des Ge­sund­heitsbereiches schwä­chen und ihn aus sei­ner Verantwortung ent­las­sen könnte.

Jedoch lie­gen, wie zu­vor dargestellt, ca. 80 % der Einflussfaktoren auf Ge­sund­heit au­ßer­halb des Ge­sund­heitsbereiches. Die Verantwortung für die Ge­sund­heit der Be­völ­ke­rung da­her al­lei­ne auf den Ge­sund­heitsbereich zu über­tra­gen, ist fahr­läs­sig und ignoriert jede Evidenz. Ge­sund­heit zu för­dern oder wie­der herzustellen, ist ei­ne gesamtgesellschaftliche Auf­ga­be, die we­der von Einzelpersonen noch von Bereichen im Al­lein­gang erbracht wer­den kann (noch sollte)! Die Expert*innen auf der 8. Ge­sund­heits­konferenz in Helsinki konnten herausarbeiten, dass gelingende Beispiele im Auf­bau von gesamtpo­li­tischen Stra­te­gien ins­be­son­de­re da­durch gekennzeichnet waren, dass sie ressortübergreifend (als interministerielle Arbeitsgruppe und Steu­e­rung) angelegt waren und die Zivilgesellschaft einbezogen.

Health in all Policies: work in progress?

Als Leit­ge­dan­ke wird Health in all Policies im Public Health-Bereich seit langer Zeit diskutiert. Der Kon­gress Ar­mut und Ge­sund­heit 2018 knüpft an die Themen von 2015 an und geht in konstruktiv angelegten Diskussionen folgenden Fra­gen nach:
Bestandsaufnahme: Wie steht es um die praktische Um­set­zung von HiaP in Deutsch­land?

  • Welche Potenziale und Herausforderungen des HiaP-Ansatzes kön­nen an­hand konkreter Beispiele herausgearbeitet wer­den?
  • Welche Herausforderungen gibt es in der Zu­sam­men­ar­beit der zu­vor beschriebenen vertikalen Ach­se (föderale Struk­tur) und der horizontalen Ach­se (Politikbereiche)?
  • Welche konkreten Anknüpfungspunkte gibt es be­reits zwi­schen der Ge­sund­heitspolitik und an­de­ren Politikbereichen und wie kön­nen diese Er­fah­rung­en ggf. auf an­de­re Politikfelder über­tra­gen wer­den?
  • Gibt es von Sei­ten der vielfältigen Akteur*innen des Kon­gresses konkrete Hand­lungs­empfeh­lun­gen?

Unter dem Mot­to „Gemeinsam.Gerecht.Gesund.“ lädt der Kon­gress Ar­mut und Ge­sund­heit herzlich da­zu ein, Health in all Policies aus dem Blick­win­kel gesundheitlicher Chan­cen­gleich­heit wei­ter zu dis­ku­tie­ren.

Land in Sicht - Satellitentagung am Montag, 19. März 2018

Allzu oft gerät die Per­spek­ti­ve ländlicher Regionen aus dem Blick­feld, wenn wir über den Auf­bau kommunaler Stra­te­gien sprechen. Dabei ste­hen die Akteure vor Ort vor besonderen strukturellen Herausforderungen (Stich­wort: Ent­fer­nung­en, Angebotsstruktur) und haben besondere Res­sour­cen, auf die sie zu­rück­grei­fen kön­nen (Stich­wort: sozialer Zu­sam­men­halt).  „Land in Sicht - Auf­bau von Präventionsketten im ländlichen Raum“ lautet des­halb das Mot­to der kommenden Satellitentagung, die am Mon­tag, den 19. März 2018 eben­falls an der TU Ber­lin stattfindet. Ausgerichtet wird sie vom Ko­o­pe­ra­ti­ons­ver­bund Ge­sund­heit­liche Chan­cen­gleich­heit.  

  • Näheres fin­den Sie in Kür­ze hier.
  • Zur Do­ku­men­ta­ti­on der diesjährigen Satellitentagung ge­lan­gen Sie hier.

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