12.12.2011
Gemeinsames Handeln für mehr Gesundheit
Schlaglichter aus der Online-Diskussion
Lena Kückels, bis Mitte 2017: Gesundheit Berlin-Brandenburg
Holger Kilian, MPH, Gesundheit Berlin-Brandenburg
Schlagwörter:Diskussion, Netzwerk, Prävention
„Gemeinsames Handeln für mehr Gesundheit: (Wie) funktioniert das?“ Diese Frage gab am 23.11.2011 den Startschuss für die zweite Online-Diskussion auf der Internetplattform www.gesundheitliche-chancengleichheit.de. Vernetzung über Ressortgrenzen oder Professionen hinweg ist ein Thema, das zunehmend an Bedeutung in der Gesundheitsförderung gewinnt. Wir wissen: Vernetzung bietet eine Reihe von Chancen, wie beispielsweise einen integrierten Handlungsansatz oder eine sektorenübergreifende Zusammenarbeit, aber Vernetzung kostet auch. Daher stellen sich immer wieder die Fragen, ob sich dieser Aufwand lohnt und wie eine wirklich zielführende Vernetzung funktionieren kann. Was also brauchen wir konkret, damit mehr Zusammenarbeit gelingt?
Die Diskussion fand rund um das 9. Kooperationstreffen der Partner im Kooperationsverbund „Gesundheitsförderung bei sozial Benachteiligten“ am 30.11.2011 statt und schloss am 07.12.2011 mit insgesamt 16 Beiträgen. Die Originalbeiträge finden Sie hier.
Netzwerkarbeit als Chance?
„Voneinander wissen. Miteinander handeln!“ Dies war das „heimliche“ Motto der Diskussion. Für viele der Diskutantinnen und Diskutanten ist Vernetzung und Netzwerkarbeit der Schlüssel, um Prävention und Gesundheitsförderung weiter voran zu treiben. In Augsburg zum Beispiel werden Vernetzungen genutzt, um „soziale Benachteiligungen auszugleichen und gesundheitliche Chancengleichheit […] ohne Stigmatisierung zu fördern“, wie Ulrich Storr schreibt. Auch in anderen Beiträgen wird von Netzwerkarbeit direkt aus der Praxis berichtet. So sind für Martina Hartmann aus dem Netzwerkverbund REGSAM in München, einem Good Practice-Beispiel, zahlreiche Aspekte der Vernetzung wichtig: „Der Austausch, das Wissen um die anderen Einrichtungen und Kolleg/innen im Stadtteil, das gemeinsame Handeln verbessern nicht nur die Angebotsqualität. Sie tragen auch zur Entlastung der einzelnen Mitarbeiter/innen bei, weil Probleme gemeinsam angegangen werden können.“
Netzwerkarbeit bietet die Chance ressortübergreifend zu arbeiten, was gerade Kindern und Jugendlichen zu Gute kommen kann, wie Guido Glück aus dem Projekt „Hilfe für Fritz“ berichtet. Er sieht Vernetzung als einen wichtigen Faktor, „damit Auffälligkeiten und Störungen in der Entwicklung frühzeitig erkannt werden können und effektiver Hilfe geleistet werden kann.“ Gerade für gesundheitsfördernde Projekte, die sich die gesundheitsgerechte Gestaltung von Lebenswelten zum Ziel gesetzt haben, spielen Kooperations- und Vernetzungsbeziehungen beispielsweise zum Sozial- oder Bildungsbereich eine zentrale Rolle.
Doch Vernetzung funktioniert nur dauerhaft, wenn der Nutzen für alle Partner sichtbar wird. So ist die klare Aussage von Ursula Latka-Kiel von der Münchener Aktionswerkstatt G’sundheit, „Arbeiten für gemeinsame Ziele bringt allen Beteiligten etwas“. Nepomuk Derksen betont die Wichtigkeit von Vernetzung, da diese „ein besonders großes, menschlich und materiell hochrentables Innovationspotential“ bereit hält. Besonders stellt er dabei die Vernetzung der Räume zwischen den „in den letzten Jahrzehnten zunehmend hoch spezialisierten und voneinander getrennten „Säulen-Strukturen“ in den Mittelpunkt. Nicht nur „Profis“ sollten enger zusammen arbeiten. Aus Hans Wolters Sicht liegt in der Vernetzung von Professionellen und Laien eine Chance, die Bürgerbeteiligung und die Sozialraumentwicklung einer „Gesunden Stadt“ voranzutreiben.
Kritischer sieht es Manfred Pallentin. Er stellt fest, Netzwerkarbeit, die beim unverbindlichen Informationsaustausch stehen bleibt, macht derzeit keinen Sinn, weil „weit und breit kaum etwas an produktiver Veränderung zu erkennen“ sei. Es braucht seiner Meinung nach eine zielführende Veränderung, damit Netzwerke effektiv und effizient arbeiten können.
Vernetzung um der Vernetzung Willen?
Muss Vernetzung immer sein, oder macht es manchmal mehr Sinn, darauf zu verzichten? Und welche Kosten sind mit Vernetzung verbunden? Ute Dicks und Christine Merkel stellen fest, dass Vernetzung nicht von selbst funktioniert, denn „für Vernetzung benötigt man Personal und Zeit - und somit Geld.“ Da Vernetzung kein Selbstzweck ist, sollte bei der Entwicklung von Netzwerk-Aktivitäten immer berücksichtigt werden, die vorhandenen Strukturen nicht zu überlasten, warnen sie. Jörg Marwede von Gesundheit, Fitness und Sport e.V. schließt sich der Meinung an, dass Netzwerkarbeit mit Kosten verbunden ist. Für ihn stellt der Aufbau eines Netzwerkes „einen langfristigen Prozess dar, der viel Geduld und Arbeitskraft fordert.“ Auch Volker Falkenstein, Koordinator des Good Practice-Projekts „Neues Altern in der Stadt“ (NAIS) in Bruchsal, weiß, dass mit Vernetzung gewisse Kosten verbunden sind, denn „Expertenbegleitung und finanzielle Ressourcen sind unterstützend notwendig“ beim Aufbau eines Netzwerkes (zum vollständigen Statement).
Gelingende Netzwerkarbeit, wie funktioniert das?
Neben finanziellen Ressourcen braucht gelingende Netzwerkarbeit auch personelle Ressourcen. Uta Maercker, Koordinatorin des Regionalen Knoten Thüringen, versteht darunter Ressourcen „sowohl in Form von Zeit als auch in Form von Know-How.“ (zum vollständigen Statement) Nur dadurch können Synergien geschaffen und die vorhandenen Ressourcen gebündelt werden. Durch negative Erfahrungen und parallel arbeitende Netzwerke kann eine Netzwerkmüdigkeit entstehen. Mit dem richtigen Know-How der Praktikerinnen und Praktiker kann diese vermieden werden. Dieser Ansicht schließt sich Sigrid Michel an. Für sie steht eine geschickte Moderation im Vordergrund, um der Netzwerkkonkurrenz entgegen zu wirken. Martina Hartmann betont die Bedeutung professioneller Netzwerk-Arbeit, die sowohl Partizipationsmöglichkeiten für alle wichtigen Akteure als auch den Nutzen für die einzelnen Netzwerkpartner im Blick behält. Durch ein Projekt für Qualitätsentwicklung für lokale Netzwerkarbeit der Arbeiterwohlfahrt ist Astrid Petermann zu der Erkenntnis gekommen, dass Vernetzung zum einen klare Aufgaben- und Ressourcenverteilungen braucht und zum anderen Netzwerkarbeit „ein permanenter Lern- und Steuerungsprozess“ ist und kein Selbstläufer, wie oft angenommen.
Netzwerkarbeit gelingt in Hamburg-Lurup durch das „bewusste Gestalten eines Begegnungsraumes, der zwischen allen Beteiligten personale, qualitative und nachhaltige Verbindungen herstellt“, berichten Margret Roddis, Sabine Tengeler und Rainer Kirstätter. In diesem Zusammenhang macht Helmut Hildebrandt deutlich, dass „erfolgreiche Gesundheitsförderung immer einen größeren Blick auf die systemische Grundstruktur bewahren und ihr Handeln durch die Aktivierung der zwischen den Säulen befindlichen bürgergesellschaftlichen Räume zusätzlich unterstützen sollte“. Am Beispiel “Gesundes Kinzigtal“ kann gezeigt werden, dass enge Kooperationen mit den Vereinen, Kommunen und sozialen Einrichtungen aufgebaut wurden, um dadurch erfolgreiche Gesundheitsförderung vor Ort leisten zu können.
Für mehr Gesundheit braucht es gemeinsames Handeln
Immer wieder wurde betont, wie wichtig Know-How, Professionalität und ausreichend Zeit für eine effiziente und effektive Netzwerkarbeit sind. Dazu gehört auch, dass die Kosten als notwendiger Bestandteil des Prozesses eingeplant werden. Prävention und Gesundheitsförderung brauchen die Chancen und Möglichkeiten, die Netzwerkarbeit bietet, deswegen kann gesagt werden: Gemeinsames Handeln für mehr Gesundheit lohnt sich!
Der Kooperationsverbund „Gesundheitsförderung bei sozial Benachteiligten“ bedankt sich bei allen Diskutantinnen und Diskutanten für ihre Beiträge!