29.04.2013
Gestorben wird überall - Krankheit, Tod und Trauer in Einrichtungen der Wohnungslosenhilfe
Petra Hofrichter, Koordinierungsstelle Gesundheitliche Chancengleichheit Hamburg
Schlagwörter:Gesundheitsversorgung, Regionaler Knoten, Wohnungslose
Am 18. April nahmen über 130 Fachkräfte und Ehrenamtliche an der Veranstaltung „Gestorben wird überall - Krankheit, Tod und Trauer in Einrichtungen der Wohnungslosenhilfe“ im Hamburger Bestattungsforum Ohlsdorf teil. Veranstalter der Tagung war der Arbeitskreis „Wohnungslosigkeit und Gesundheit“ der Koordinierungsstelle Gesundheitliche Chancengleichheit Hamburg.
Wohnungslose sterben jung und einsam
Wenn Wohnungslose versterben, sind sie noch jung: ihr durchschnittliches Todesalter liegt bei 46,5 Jahren - drei Jahrzehnte früher als bei medizinisch gut versorgten Bürgerinnen und Bürgern. Rund 32% der verstorbenen Wohnungslosen werden tot in den Unterkünften gefunden, jeder Vierte stirbt auf der Straße. Mal kommt ihr Tod plötzlich, mal geht dem Sterben ein längerer Leidensprozess voran, dem die Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter der Wohnungslosenhilfe häufig hilflos gegenüberstehen. Denn nicht nur, dass die Menschen die Hilfe häufig ablehnen, das gesundheitliche Versorgungssystem auf diese besondere Gruppe Menschen nicht eingestellt ist und eher ausgrenzt - auch im Stellenschlüssel der Wohnungslosenhilfe ist Sterben nicht vorgesehen. So entstehen Situationen, in denen die Sterbenden, aber auch die Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter allein gelassen sind. Im Jahr 2011 veröffentlichte der Arbeitskreis die Broschüre „Sterbende Menschen begleiten“. Die Resonanz war groß und machte deutlich: Eine Veröffentlichung reicht nicht aus, es braucht Begegnung und Austausch, um eine multiprofessionelle Zusammenarbeit zu unterstützen. Diese Tatsachen bewogen den Arbeitskreis zu dieser besonderen Veranstaltung an einem besonderen Ort.
Arbeitskreis Armut und Gesundheit Niedersachsen (Hrsg.): Strategien gegen Kinderarmut - Impulse für die Praxis (2008). Hannover: Regionaler Knotenpunkt Niedersachsen. (PDF-Datei, 430 kB)
„Stimmt, Herr Meyer kommt gar nicht mehr!“ - mit ihrem Einführungsvortrag machte Dr. Frauke Ishorst-Witte klar, dass bei einer großen Anzahl von Todesfällen zuvor keine Diagnosen gestellt wurden. Trotz einer zunehmenden Verschlechterung des Gesundheitszustandes findet keine adäquate Behandlung und Begleitung statt. Am Ende kommt der Tod scheinbar überraschend, für Bekannte oder MitarbeiterInnen dadurch erkennbar, dass der Mensch nicht mehr auftaucht. Ist die Diagnose einer unheilbaren und zum Tode führenden Erkrankung bekannt, stellt sich die Frage nach einer weiteren Betreuung - doch: Wie kann eine dem Sterbenden gerecht werdende Palliativ- und Sterbebegleitung vor Ort stattfinden? Dr. Ishorst-Witte machte klar, dass man dazu ambulante Sterbebegleitung und die Möglichkeit einer palliativ-medizinischen Versorgung in den Wohnunterkünften braucht. Von Seiten des Komplementärsystems wurde die Kooperationsbereitschaft bereits signalisiert, was jetzt noch fehlt sei eine aktive und gut ausgestattete Wohnungslosenhilfe!
„Sterben ist immer biografisch und einzigartig, in die Lebensverhältnisse und persönlichen Zustände eingebunden“ machte Prof. Dr. Annelie Keil von der Universität Bremen deutlich und bekräftigte die Aussagen ihrer Vorrednerin: „Die Orte, wo wir leben, müssen auch die Orte sein, wo wir sterben können (wenn wir es wollen)“ - darauf müssen Wohnungslosenhilfe, Hospize und Palliative-Versorgung reagieren.
- Am 16. April 2007 gab es eine 2. Gesprächsrunde zur Zielsetzung von Bundes- und Landesebene. An der Diskussion über Beteiligung und Strukturen des Regionalen Knotens Bayern nahmen Vertreter aus dem Bayerischen Staatsministerium für Umwelt, Gesundheit und Verbraucherschutz, den Krankenkassenverbänden, dem Landesamt für Gesundheit und Lebensmittelsicherheit, dem Öffentlichen Gesundheitsdienst und den Wohlfahrtsverbänden in Bayern teil.
- Am 19. März 2007 führte der Regionale Knoten Bayern eine Diskussionsrunde mit Mitarbeitern aus Landrats- und Gesundheitsämtern, Regierungen, Krankenkassenverbänden und Wohlfahrtsverbänden durch. Es wurde zur gesundheitsbezogenen Prävention bei sozialer Benachteiligung aus Sicht der Gesetzlichen Krankenkassen, der Wohlfahrtsverbände, der Regierungen und des Öffentlichen Gesundheitsdienstes diskutiert.
- Am 29. Januar 2007 fand eine Gesprächsrunde mit Vertretern aus dem Bayerischen Staatsministerium für Umwelt, Gesundheit und Verbraucherschutz, den Krankenkassenverbänden, dem Bayerischen Landesamt für Gesundheit und Lebensmittelsicherheit, den Wohlfahrtsverbänden, dem Öffentlichen Gesundheitsdienst in Bayern statt; es ging um Perspektiven der Zusammenarbeit zwischen dem "Regionalen Knoten" und den verschiedenen Institutionen.
- Am 5. Oktober 2006 führte der Regionale Knoten Bayern eine Gesprächsrunde mit den Krankenkassenverbänden in Bayern in der Landeszentrale für Gesundheit in Bayern e.V. durch. Im Vordergrund standen die Berichterstattung über die bisherige Organisation und Tätigkeit des Regionalen Knotens. Ferner wurde über gemeinsame Ziele, weitere Perspektiven und Vorgehensweisen diskutiert.
- Am 13. Juli 2006 fand eine Informations- und Diskussionsrunde für Mitarbeiter in Landrats- und Gesundheitsämtern in der Landeszentrale für Gesundheit in Bayern e. V. statt. Die Schwerpunkte waren u.a. die Diskussion über das Thema "Gesundheitsförderung bei sozial Benachteiligten", die Möglichkeiten für eine gemeinsame Aufgabenbewältigung und aktuelle Tätigkeiten. Des Weiteren wurde über bestehende Ressourcen sowie regionale Kooperationsmöglichkeiten debattiert.
- Am 9. Februar 2006 gab es eine Mitteilung an Landratsämter, kommunale Gesundheitsämter, freie Wohlfahrtsverbände, Selbsthilfeorganisationen sowie Mitglieder der Landeszentrale für Gesundheit in Bayern e.V., um über den "Regionalen Knoten Bayern" und seine Ziele und Aktivitäten zu informieren.
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Was ist zu tun, wenn Betroffene jede Hilfe ablehnen? Wie können Wohnungslose beim Sterben begleitet werden? Tod und Trauer in der Wohnungslosenhilfe, Lebensqualität bis zum Schluss? Sterben Wohnungslose anders - oder nicht? Wer begräbt Herrn Meyer, wenn er kein Obdach hat?
Zu diesen Themen wurden in Workshops gearbeitet. Ein kollegialer Austausch zum Thema Sterben in der Einrichtung und Entwicklung eines Leitbildes sowie ein Spaziergang über den Ohlsdorfer Friedhof - Synonym für Sterben, Tod und Trauer - vervollständigten das Programm.