21.04.2015
Gesund aufwachsen - Welche Bedeutung kommt dem sozialen Status zu?
GBE kompakt 1-2015 vom Robert Koch-Institut veröffentlicht
Thomas Lampert, Robert Koch-Institut
Schlagwörter:Forschung, Kindesentwicklung, Studie
Die Gesundheitsberichterstattung des Bundes (GBE) berichtet kontinuierlich über die gesundheitliche Situation der Bevölkerung in Deutschland. Die Auswirkungen von Armut und sozialer Ungleichheit auf die Gesundheit stellen dabei einen Schwerpunkt dar. Die vorliegenden Daten zeigen, dass viele chronische Erkrankungen und Beschwerden in sozial benachteiligten Bevölkerungsgruppen verstärkt vorkommen. So kann z.B. bei Diabetes und Herzinfarkt von einem 2- bis 3-fach erhöhtem Erkrankungsrisiko gesprochen werden. Auch psychische Erkrankungen wie Depression und Angststörungen sind in sozial benachteiligten Bevölkerungsgruppen stärker verbreitet. Der mit der höheren Krankheitslast einhergehende Verlust an Lebenszeit, lässt sich, betrachtet man die mittlere Lebenserwartung bei Geburt, bei Männern mit elf, bei Frauen mit acht Jahren beziffern.
Wie lange wir leben und ob wir bis ins hohe Alter gesund sind oder schon früh mit gesundheitlichen Problemen zu tun haben, hängt entscheidend davon ab, in welche Verhältnisse wir hineingeboren werden und wie wir aufwachsen. Kinder und Jugendliche stellen deshalb eine der wichtigsten Zielgruppen der Prävention und Gesundheitsförderung dar. Der Gesundheitsberichterstattung kommt in diesem Zusammenhang die Aufgabe zu, regelmäßig belastbare Daten zur gesundheitlichen Situation der heranwachsenden Generation in Deutschland zur Verfügung zu stellen. Große Bedeutung kommt dabei der Studie zur Gesundheit von Kindern und Jugendlichen in Deutschland (KiGGS) zu, die erstmals in den Jahren 2003 bis 2006 durchgeführt und mit einer neuerlichen Erhebung in den Jahren 2009 bis 2012 fortgeführt wurde. Zum diesjährigen Kongress Armut und Gesundheit, der Anfang März in Berlin stattfand, wurden die Ergebnisse der Studie zusammenfassend dargestellt und dabei ein besonderes Augenmerk auf den Einfluss des sozialen Status gelegt, der in der KiGGS-Studie über Angaben der Eltern zu ihrer Bildung, beruflichen Stellung und Einkommenssituation erfasst wird.
Daten belegen deutlichen Zusammenhang zwischen Gesundheit und sozialer Lage
Die Ergebnisse zeigen zunächst, dass die große Mehrheit der Kinder und Jugendlichen in Deutschland gesund aufwächst. Dies gilt auch für die Heranwachsenden aus Familien mit niedrigem Sozialstatus. Andererseits weisen sie auf zum Teil ausgeprägte soziale Unterschiede in der Gesundheit von Kindern und Jugendlichen hin. Fragt man die Eltern nach dem allgemeinen Gesundheitszustand ihrer Kinder, dann bewerten 11% derjenigen aus der niedrigen Statusgruppe diesen als nur mittelmäßig, schlecht oder sehr schlecht. In der mittleren und hohen Statusgruppe sind es hingegen nur 6% bzw. 3%.
Auch das Risiko für psychische Auffälligkeiten, einschließlich ADHS und Essstörungen, ist in den statusniedrigen Gruppen deutlich erhöht, und zwar um mehr als das Dreifache (34%, 19%, 10%). Im Gesundheitsverhalten sind ebenfalls erhebliche Unterschiede zuungunsten der Heranwachsenden aus der niedrigen Statusgruppe festzustellen, z.B. hinsichtlich Bewegungsmangel, Übergewicht, Rauchen und auch den Ernährungsgewohnheiten. Ein niedriger Sozialstatus geht zudem mit einer geringeren Inanspruchnahme der Gesundheitsvorsorge einher. Beispiele sind hier die Krankheitsfrüherkennungsuntersuchungen für Kinder, die sogenannten U-Untersuchungen, und die zahnärztlichen Kontrolluntersuchungen.
Die aktuellen Ergebnisse der KiGGS-Studie unterstreichen damit einmal mehr die Bedeutung einer früh ansetzenden Prävention und Gesundheitsförderung, die auch Kinder und Jugendliche aus sozial benachteiligten Bevölkerungsgruppen erreicht. Die Gewährleistung von gesundheitlicher Chancengleichheit kann aber nicht alleinige Aufgabe der Gesundheitspolitik und der Akteure im Gesundheitswesen sein, sondern erfordert eine politische Gesamtstrategie unter Einbeziehung z.B. der Sozial-, Familien-, Arbeitsmarkt- und Bildungspolitik. Mit Blick auf die Situation im Kindes- und Jugendalter zeigen die hohe Armutsbetroffenheit in der heranwachsenden Generation und der nach wie vor stark ausgeprägte Zusammenhang zwischen der sozialen Herkunft und den Bildungschancen konkrete Ansatzpunkte auf.
Eine umfassende Ergebnisdarstellung ist im März in der Reihe GBE kompakt erschienen:
Lampert T, Kuntz B (2015) Gesund aufwachsen -
Welche Bedeutung kommt dem sozialen Status zu?
Hrsg. Robert Koch-Institut, Berlin. GBE kompakt 6(1). www.rki.de/gbe-kompakt
(Stand 03.03.2015)
Weiterführende Informationen zur KiGGS-Studie sind über die Homepage der Studie zugänglich: