10.10.2018
"Gesund im Richardkiez"
Gesundheitliche Chancengleichheit in Berlin-Neukölln fördern
Michaela Birk, Transform e.V.
Schlagwörter:Partizipation, Quartier, Setting, Vernetzung
Gesundheitliche Chancengleichheit für alle im Quartier
Anwohnerinnen und Anwohner des Quartiers Richardplatz Süd im Berliner Stadtteil Neukölln zu verantwortungsbewussten Entscheidungen hinsichtlich ihrer Gesundheit zu befähigen und gesundheitsförderndes Verhalten zu stärken - das ist das formulierte Ziel des Projekts „Gesund im Richardkiez“. Am Anfang des Projektes standen verschiedene Fragen hinsichtlich des Zugangs zur Anwohnerschaft und der Erreichung der Ziele: Wie können sozial benachteiligte Personengruppen erreicht werden? Wie gelingt es, gesundheitliche Chancengleichheit zu ermöglichen? Und welche Maßnahmen sind in welchen Bereichen dazu notwendig?
Prävention und Gesundheitsförderung spielen im Richardkiez eine wichtige Rolle, um die Lebensbedingungen der dort lebenden Personen verbessern zu können. Viele Menschen im Quartier weisen ein erhöhtes Risiko zu erkranken und somit einen besonderen gesundheitlichen Förderbedarf auf. „Gesund im Richardkiez“ möchte die Gesundheitschancen und den Zugang zu gesundheitsfördernden Angeboten mithilfe innovativer Ansätze verbessern.
Der Projektansatz
Im Projekt „Gesund im Richardkiez“ liegt der Fokus im Bereich Gesundheit auf den Themen Ernährung und Bildung. Das Projekt zielt darauf ab, durch niederschwellige Interventionen Lebenswelten, wie beispielsweise Kitas, Schulen sowie das ganze Quartier zu verändern.
In Anlehnung an den Setting-Ansatz sollen die Zielgruppen zu aktiv handelnden Personen bezüglich ihrer gesundheitsbezogenen Interessen befähigt werden. Alle Anwohnenden des Quartiers Richardplatz Süd - Kinder und Jugendliche, Erwachsene, Seniorinnen und Senioren sowie Menschen mit Behinderung - sollen von gesundheitsförderlichen Praktiken in den Familien profitieren können. Dafür arbeitete Transform e.V. intensiv mit den lokalen Einrichtungen und Akteuren im Richardkiez zusammen. Diese kennen durch den direkten Kontakt zu verschiedenen Anwohnergruppen die bestehenden Herausforderungen gut und sind in der Lage, Beratungen, Kurse oder Sport- und Bewegungsangebote durchzuführen.
Um so viele Anwohnerinnen und Anwohner wie möglich zu erreichen, wurden verschiedene Projektmodule konzipiert:
- Gesundheitsförderung mit Kindern in Kitas und Grundschulen
- Förderung von Bewegungs- und Sportangeboten für Kinder, Jugendliche und Erwachsene
- Ernährungsberatung und Kochkurse für Eltern
- Bewegungsfest und Nachbarschaftsessen für alle im Quartier
Aufbau einer Vernetzungsstruktur
Ein wichtiger Schritt im Projekt war der Aufbau einer Vernetzungsstruktur „Gesund im Richardkiez“. Diesem Netzwerk gehören verschiedene Einrichtungen im Quartier an, die sowohl das Thema Gesundheit in ihrer Arbeit fokussieren als auch in Kontakt mit der Anwohnerschaft im Quartier stehen1.
Gemeinsame Planung und Durchführung des Projektes
Das Ziel des Netzwerks ist es, Strategien, Maßnahmen und Angebote zu entwickeln, die ein gesundheitsorientiertes Verhalten aller Kiezbewohnenden stärken.
Eine besondere Herausforderung stellt dabei die Zusammenarbeit mit Eltern dar, die für den Transfer von Gesundheitskompetenzen in die Familien sorgen. Kinder erwerben oftmals durch Sport-, Spiel- und Bewegungsangebote in den Kitas und Schulen bereits ein gutes Gesundheitsverständnis. Nicht immer gelingt es jedoch, Eltern zu vermitteln, was eine gesunde Ernährungsweise beinhaltet, wie wichtig ausreichend Bewegung ist und welchen Einfluss diese Aspekte auf die körperliche, geistige, emotionale und soziale Entwicklung von Kindern haben.
Eine erste Bestandsaufnahme der Angebote im Quartier zeigte auf, dass es nur wenige Sportangebote für Jugendliche und Erwachsene gab und es zudem an geschlechtsspezifischen Angeboten für Frauen mangelte. Entsprechend wurden folgende bedarfs- und zielgruppenspezifischen Angebote durch die beteiligten Einrichtungen im Richardkiez implementiert:
- verschiedene Sport- und Bewegungsangebote für Eltern und Kinder
- Sportkurs für Frauen
- Sportkurse für Jugendliche (Break Dance und Capoeira)
- spezielle Spiel- und Bewegungsangebote zur Förderung der Feinmotorik und Koordination
- Kochkurs „Gesund kochen mit wenig Geld“ sowie
- eine Ernährungsberatung für kindgerechtes Kochen
Alle Beratungs- und Bewegungsangebote, sozialen Aktivitäten und Eltern-Cafés werden aufgelistet und regelmäßig mithilfe von Flyern im Kiez publik gemacht.
Innovative Angebote und Partizipation
Ein leicht zugängliches und individuell nutzbares Bewegungsangebot für alle Altersgruppen stellt der Bewegungsparcours im Quartier dar, der durch Transform e.V. in Zusammenarbeit mit einer Sportwissenschaftlerin entwickelt wurde.
Gute Möglichkeiten, sich im Kiez kennenzulernen, bietet das jährliche Nachbarschaftsessen. An einer Tafel voll durch die Nachbarinnen und Nachbarn selbstzubereitetem, gesunden Essen gelingt es, sie in einen regen Austausch über gesunde Ernährung zu bringen. Auch das Bewegungsfest bietet Raum für eine aktive Teilnahme, unter anderem durch ein vielfältiges Bühnenprogramm, welches durch die Menschen im Quartier selbst bestritten wird.
Als letzte Maßnahme in diesem Projektverlauf wird ein Kinderkochbuch mit dem Titel „Kinder kochen für Kinder“ veröffentlicht. Jugendliche und Kinder aus den lokalen Einrichtungen teilen ihre gesunden Lieblingsgerichte, um Andere zum Nachkochen zu animieren.
Erfolge und Herausforderungen
Als ein großer Erfolg im Projekt ist die Bildung des Netzwerks „Gesunder Richardkiez“ anzusehen. Durch den intensiven und konstruktiven Austausch und eine gute Zusammenarbeit aller Beteiligten konnten viele interessante Ideen umgesetzt und somit viele Anwohnerinnen und Anwohner erreicht werden. Es konnten beispielsweise Kitas und Schulen dabei unterstützt werden, gesundheitsfördernde Aktivitäten für Eltern zu implementieren.
Ein großer Bedarf besteht nach wie vor darin, Eltern im Kiez zu stärken und ihre Gesundheitskompetenzen weiter zu fördern.
Durch den partizipativen Ansatz des Projekts wurde die Anwohnerschaft dazu angeregt, partnerschaftlich zusammenzuarbeiten und sich aktiv an der Umsetzung und Planung gesundheitsförderlicher Maßnahmen zu beteiligen. Es zeigte sich im Rahmen des Projektes ein großes bürgerschaftliches Engagement. Um diese Einsatzbereitschaft aufrecht zu erhalten, braucht es derzeit aber womöglich noch weitere Projekte und äußere Impulse, bis es dann in Zukunft durch die Eigeninitiative der Nachbarschaft weiter existieren kann.
1 Hierzu gehören das AWO-Familienzentrum am Droryplatz, der Kinderpavillon, der Jugendclub „Scheune“, der Jugendstadtteilladen Outreach, AspE e.V. - Ambulante sozialpädagogische Erziehungshilfe, Sifahane - Beratung für Gesundheit und Migration, SoliNaR bei ZeBuS e.V., das Seniorenzentrum der Diakonie sowie das Quartiersmanagement Richardplatz Süd. Partiell sind im Netzwerk auch die Stadtteilmütter in Neukölln und das Interkulturelle Theaterzentrum e.V. (itz) eingebunden. Ebenso wird mit den vier im Quartier ansässigen Kitas und den drei Schulen intensiv zusammengearbeitet, und einige sind ebenfalls im Netzwerk vertreten.