22.10.2012
Gesundheit als Zukunftsthema für Kommunen
Claus Weth, bis Ende 2015: Gesundheitsamt Münster
Schlagwörter:Kommunen, Netzwerk, Prävention, Sozialraum, Strukturaufbau
Hinter den Begrifflichkeiten wie Gesunde und soziale Stadt, Gesundheit im Quartier, Gesundheitliche Chancengerechtigkeit, Gesundheit und Umwelt, gesundheitsförderliche Stadtentwicklungsplanung, Gesundheitswirtschaft u.a. stehen Aufgaben, die in Kommunen, insbesondere vor dem Hintergrund der demografischen Entwicklung, eine steigende Bedeutung erlangen. Viele Kommunen nehmen bereits jetzt die Herausforderungen an und machen sich fit für die Zukunft. Andere sind zurückhaltend und beschäftigen sich noch zu sehr mit der Frage wie pflichtig sind für uns als Kommune solche Aufgaben. Sie haben noch nicht erkannt, welche Chancen für eine Kommune im Themenfeld der kommunalen Gesundheit allgemein und hier insbesondere der Gesundheitsförderung stecken.
Gesundheit als Querschnittsaufgabe
Gesundheit stellt auf örtlicher Ebene zunächst einmal eine Querschnittsaufgabe dar, d.h. Gesundheit steht in Verbindung z.B. mit der Thematik Bildung, Jugend, Soziales, Wohnen, Umwelt und fließt in kommunale und kommunalpolitische Entscheidungen mit ein. Eine solche Querschnittsaufgabe fördert ein vernetztes Denken und Handeln, findet aber noch nicht flächendeckend statt.
Gesundheit als eigene Fachaufgabe
Zu den "klassischen" Aufgaben der Gesundheitsämter sind durch die Ländergesundheitsgesetze in den 90-ger Jahren neue Aufgaben der Koordination und Planung hinzu gekommen. Ziel dabei ist es, den Gesundheitsämtern vor Ort eine Schlüsselfunktion zu geben und sie zu einem Instrument modernen Kommunalmanagements auf dem Gebiet der Gesundheitsförderung- und vorsorge zu machen. Gesundheitsämter, die sich den gesundheitspolitischen und insbesondere den sozialkompensatorischen Aufgaben vor Ort geöffnet haben, sind heute gut vernetzt und sachverständige Partner verwaltungsintern, kompetente Partner für die externen Akteure vor Ort sowie für die Menschen in den Lebensräumen der Stadt. Diesen Weg sind allerdings viele Gesundheitsämter (noch) nicht gegangen. Ihnen fehlt entweder das besondere Interesse, die kommunalpolitische Unterstützung oder einfach auch nur die fachliche Kompetenz in den Aufgaben des kommunalen Gesundheitsmanagements.
Chancengerechtigkeit für ein gesundes Leben schaffen
„Wir erleben in unseren Städten, dass sich die Unterschiede zwischen Armen und Reichen, Privilegierten und Benachteiligten verschärfen. Es gibt Städte, die sichtbar in „gute" und „belastete" Teile zerfallen. Die besseren Stadtteile sind in der Regel ökologisch, gesundheitlich, sozial sowie von den Versorgungsangeboten her begünstigt, wohingegen sich in den schlechteren Stadtteilen Risiken für die Bewohnerinnen und Bewohner verdichten“ (Kölner Entschließung - Chancengerechtigkeit für ein gesundes Leben, Gesunde Städte-Netzwerk, GSN,1999). Wir wissen, dass soziale Benachteiligungen auch negative gesundheitliche Auswirkungen haben. Gesundheitschancen verbessern sich mit wirtschaftlichem Erfolg, wachsender Bildung, sozialer Eingebundenheit und der Kompetenz der Menschen ihre eigene Gesundheit Wert zu schätzen (vgl. Kölner Entschließung, GSN 1999). Städte müssen sich zu dem Ziel der Verringerung gesundheitlicher Ungleichheit bekennen und dazu die Chancen auf Gesundheit durch Stärkung von Ressourcen und Senkung von Gesundheitsbelastungen verbessern helfen.
Schaffung gesunder Lebensbedingungen für Bevölkerungsgruppen und Gesellschaft
Gesundheit wird von Menschen in ihren alltäglichen Lebenswelten wie Familie, Kita, Schule, Gemeinde geschaffen und gelebt. Im Allgemeinen funktionieren diese Settings. Heranwachsende, Menschen im mittleren Lebensalter und auch ältere Menschen finden in ihren Städten und Gemeinden in der Regel gute Voraussetzungen für die Umsetzung gesundheitsförderlicher Lebensweisen. Dennoch werden Kommunen immer wieder auch mit sozialen und gesundheitlichen Problemlagen der Bewohner konfrontiert. Zu den aktuellen gesundheitlichen Risiken gehören z.B. Übergewicht, Adipositas und fehlende Sprachkompetenzen schon im Kindesalter, Komasaufen bei Jugendlichen, psychische Erkrankungen bei Erwachsenen oder auch Sucht im Alter. Die Gesellschaft erwartet hier auch eine Unterstützung durch die Kommunen. Gestaltungsaufträge ergeben sich dazu aus dem Grundgesetz, aus Landesgesundheitsgesetzen, aus Kommunalen Gesundheitskonferenzen und ressortübergreifenden Kooperationen innerhalb der Kommunalverwaltungen.
Für die Umsetzung zukünftiger Aufgaben duch die Kommunen ist es wichtig:
- Eine bessere Verknüpfung der Stadt(teil)entwicklungsplanung mit der Gesundheitsförderung herzustellen
- den Ausbau der kommunalen Gesundheitsberichterstattung und nicht Abbau zu betreiben
- eine kommunale Gesundheitsplanung zu entwickeln und einen kommunalen Gesundheitsplan/Leitlinien für eine gesunde Stadt zu erstellen
- den Auf- und Ausbau von „Hilfesystemen“ auch durch Teilnahme an Partner- und Kooperationsprojekten voranzutreiben
- die Kommunikation und Vernetzung der vielfältigen Aktivitäten unterschiedlichster Akteure z.B. über kommunale Gesundheitskonferenzen zu forcieren
- Allianzen zu schaffen mit Hochschulen, Wissenschaft und Wirtschaft
- nicht zuletzt die Aktivierung der Beteiligung von Bürgerinnen und Bürgern, Selbsthilfe und Initiativen an gesundheitlichen Planungsprozessen zu wollen und einzufordern.
Dadurch lassen sich, auch unter Berücksichtigung des Integrationsleitbildes, Handlungskonzepte und Maßnahmen entwickeln wie z.B. Gesund aufwachsen...“ „Betriebliches Gesundheitsmanagement…“ „Gesund und aktiv älter werden...“ „Gesundheit als Standortfaktor...“
Zusammenfassung
Gesundheitsförderung ist eine gesamtgesellschaftliche Aufgabe und Herausforderung. Kommunen dürfen sich daher nicht zurückziehen, insbesondere dann nicht, wenn andere Partner und Institutionen sich mit einbringen wollen. Der Sachverständigenrat zur Begutachtung der Entwicklung im Gesundheitswesen prognostiziert einen Trend zur Kommunalisierung von Prozessen im Gesundheitswesen und plädiert „für eine Verlagerung möglichst vieler Entscheidungskompetenzen in die Regionen bzw. an die vor Ort verantwortlichen Akteure“ und in diesem Rahmen für eine zielorientierte Zusammenarbeit der Gesundheitsberufe mit einer stärkeren Gewichtung von nichtärztlichen Leistungserbringern, Selbsthilfe und kommunalen Einrichtungen (Gutachten 2009 S. 13 ff). Ziel ist eine gemeinsame örtliche Gesundheitsplanung (s. hierzu auch Luthe, Kommunale Gesundheitslandschaften NDV Juli 2010 S. 304-310). Die Gesunden Städte, ein Zusammenschluss von derzeit 73 Städten, Kreisen und Regionen bundesweit, nehmen diese Herausforderungen an. Sie tauschen sich miteinander aus und lernen voneinander, schaffen Allianzen zu Partnern im Gesundheitswesen und pflegen eine besondere Zusammenarbeit auf kommunaler Ebene zwischen Kommunen, Selbsthilfe, Initiativen und Bürgerschaft.