12.07.2012
Gesundheitliche Chancengleichheit in Kindertageseinrichtungen
Fortbildungen stärken pädagogische Fachkräfte in ihrem Engagement für Kinder aus sozial belasteten Lebenslagen
Iris Grimm, Zentrum für Prävention und Gesundheitsförderung (ZPG) im Bayerischen Landesamt für Gesundheit und Lebensmittelsicherheit (LGL)
Iris Grimm, bis Ende 2012: Landeszentrale für Gesundheit in Bayern e.V.
Schlagwörter:Armut, Eltern, Fachtagung, Kita, Netzwerk, Workshop
Wie können pädagogische Fachkräfte in Kindertageseinrichtungen zur gesundheitlichen Chancengleichheit für alle Kinder beitragen? Mit dieser Frage beschäftigt sich eine Arbeitsgruppe des Regionalen Knotens Bayern. Vertreter der Träger der Freien Wohlfahrtspflege, pädagogische Fachkräfte und Sozialwissenschaftler haben gemeinsam mit der LZG Inhalte für die Fortbildung des pädagogischen Personals in Kindertageseinrichtungen entwickelt. Die Handreichung „Gesundheitliche Chancengleichheit für alle Kinder“ für die pädagogische Arbeit in Kindertagesstätten fasst die Inhalte der Fortbildungen zusammen und liefert wertvolle Anregungen für den Arbeitsalltag. Die Themen sind „Motivation“, „Vorurteile“, „Eltern als Partner“ und „Vernetzung“. Sie wurden zunächst auf Tagungen in Nürnberg und München im Oktober 2010 mit pädagogischen Fachkräften diskutiert und praxisnah weiterentwickelt. 2011 folgten Tagungen in den bayerischen Regierungsbezirken Schwaben (Kempten) und Unterfranken (Schweinfurt), 2012 in der Oberpfalz (Cham), in Oberfranken (Bamberg) und Niederbayern (Landshut). Ein zentrales Element dieser Fortbildungsveranstaltungen ist die Gruppenarbeit, in der die Fachkräfte ihre Arbeitssituation reflektieren und Veränderungsmöglichkeiten diskutieren. Ziel ist es, Erzieherinnen und Erzieher in ihrem Engagement für gesundheitsorientierte Prävention für Kinder aus sozial prekären Situationen weiter zu stärken. Die Arbeit mit den Fortbildungsmaterialien soll in den Einrichtungen fortgesetzt werden.
Erste Erfahrungen und Ergebnisse aus den Fortbildungen
Motivation stärken
In Hinblick auf die Motivation der pädagogischen Fachkräfte ist es wichtig, dass sich die pädagogischen Fachkräfte ihrer Vorbildfunktion in der Einrichtung bewusst sind. Die Verhältnisprävention in der Einrichtung ist eine grundlegende Voraussetzung, um für alle Kinder gute Gesundheitschancen zu schaffen. In der Einrichtung sollte eine Haltung von Wertschätzung und Gerechtigkeit gelebt werden, die deutlich macht, dass das Kind im Mittelpunkt steht.
Darüber hinaus stärkt politische Lobbyarbeit und die Unterstützung durch Träger und Fördervereine die Motivation der pädagogischen Fachkräfte, sich für das Thema „Gesundheitliche Chancengleichheit“ in Ihrer Einrichtung und in ihrem Umfeld einzusetzen. Durch politische Anerkennung wird die Arbeit und das Berufsbild der pädagogischen Fachkräfte gestärkt und deren Arbeit aufgewertet.
Vorurteile erkennen und dagegen angehen
Die pädagogischen Fachkräfte haben erkannt, dass Vorurteile eine Chance für höhere Aufmerksamkeit bieten. Es ist wichtig, bestehende Vorurteile zu erkennen und dagegen anzugehen. Niemand soll verurteilt werden, es ist wichtig, im Gespräch zu bleiben und sich durch Gespräche Klarheit zu verschaffen. Um Vorurteile anzugehen, stehen eine höhere Selbstdisziplin und gegenseitige Wertschätzung im Vordergrund.
Eltern als Partner gewinnen
Eine wertschätzende Haltung den Eltern gegenüber, zeitliche Flexibilität, Offenheit und Transparenz von Seiten der pädagogischen Fachkräfte und der Einrichtung sind notwendig, um Eltern als Partner zu gewinnen. Eltern sollten bei verschiedenen Aktivitäten mit eingebunden und zu Elterngesprächen, Elterncafés und Elternfrühstück eingeladen werden.
Aufgrund der schwierigen zeitlichen, personellen und finanziellen Situation der Kita und der Eltern sind die Anforderungen auf beiden Seiten erhöht und von unterschiedlichen Sichtweisen geprägt.
Ein Netzwerk für gesundes Aufwachsen
Für jede Einrichtung ist ein starkes internes und externes Netzwerk notwendig und unterstützend. Innerhalb dieses Netzwerkes sollte ein Bewusstsein für die gemeinsame Verantwortung geschaffen werden, Kindern ein Aufwachsen mit nahezu gleichen Gesundheitschancen zu ermöglichen, ohne Benachteiligung und Stigmatisierung.
Die Einrichtungen untereinander sollen ebenfalls vernetzt werden, beispielsweise um gemeinsame „kindbezogene“ Runde Tische oder Arbeitskreise mit wichtigen Netzwerkpartnern wie beispielsweise Gesundheitsamt, Jugendamt, Kinder- und Jugendärzten, verschiedenen Beratungsstellen, Schulen, verschiedenen Therapeuten usw. durchzuführen und verschiedene Kooperationen einzugehen. Wichtig sind auch hier die Rahmenbedingungen, eine finanzielle Unterstützung und politische Lobby.
Vermitteln, vernetzen, unterstützen: Die Rolle des Regionalen Knotens und der LZG
Die Teilnehmerinnen und Teilnehmer der Fortbildungen wünschen Unterstützung der Einrichtungen und eine Vermittlungsfunktion durch den Regionalen Knoten und die LZG im Rahmen ihrer Möglichkeiten, beispielsweise bei der Gründung von Arbeitskreisen und Runden Tischen, die alle Ansprechpartner vor Ort zusammenbringen. Ein Vorschlag ist, die Kitas vor Ort zu informieren, damit sie sich gemeinsam an das zuständige Gesundheitsamt wenden. Die Gesundheitsämter sollten weiter instruiert werden, wie sie als Ansprechpartner in Sachen „Gesundheitliche Chancengleichheit für alle Kinder“ wirken können, hilfreich wäre evtl. ein Angebotskatalog der Gesundheits- und Jugendämter. Auch Beratungsstellen sollten eingebunden werden. Die Weitergabe der Handreichung des Regionalen Knotens für die pädagogische Arbeit in Kitas an mögliche Netzwerkpartner im Landkreis kann den Austausch befördern. In das Netzwerk der einzelnen Kindertagesstätten können motivierte Ehrenamtlichte, Menschen im Ruhestand und andere Interessierte eingebunden werden. Einen besonderen Bedarf sehen die Fachkräfte bei der Vernetzung mit Kinderärzten und Krankenkassen. Insgesamt jedoch ist es ihnen wichtig, herauszustellen, dass es mehr Möglichkeiten als Defizite bei der Unterstützung der Kitas zur Umsetzung der gesundheitlichen Chancengleichheit gibt.
Gewünscht wird auch eine „politische Rückenstärkung“. Dabei sollte die Botschaft vermittelt werden, dass bei Kindern bis zum sechsten Lebensjahr der Ausgleich gesundheitlicher Defizite besonders gut möglich ist und es wichtig wäre, das Geld für die Prävention in dieser Zielgruppe einzusetzen. Zugleich muss das Berufsbild der pädagogischen Fachkräfte gestärkt werden, dafür ist die eigene Haltung der Fachkräfte ebenso wichtig wie die Präsentation in der Öffentlichkeit. Die Ausbildung in den Fachakademien muss an die steigenden Anforderungen angepasst und gestärkt werden, um dem Fachkräftemangel entgegenzuwirken.