19.04.2012
Gesundheitsförderung bei Arbeitslosen: Empfehlungen zur Zusammenarbeit
Eckpunkte zum Vorgehen im kommunalen Rahmen sowie Empfehlung zur Zusammenarbeit der Bundesagentur für Arbeit und der Gesetzlichen Krankenversicherung
Andreas Staible, Bundesagentur für Arbeit
Frank Lehmann, Deutsche Gesellschaft für Sozialmedizin und Prävention (DGSMP)
Schlagwörter:BZgA, Erwerbslosigkeit, Flyer, Kommunen
Arbeitslosigkeit stellt ein Gesundheitsrisiko dar und gesundheitliche Einschränkungen erschweren den (Wieder-)Einstieg in den Arbeitsmarkt. Arbeitslose Menschen - seien es die unter-25-Jährigen, die über-50-Jährigen, Männer, Frauen, Alleinerziehende, Migrantinnen und Migranten, dies gilt, welche Personengruppe wir auch immer betrachten - haben ein etwa doppelt so hohes Risiko zu erkranken wie Erwerbstätige. Um diesen Teufelskreis zu durchbrechen, wird allen verantwortlichen Akteuren empfohlen, sich an einen Tisch zu setzen und ihre Maßnahmen aufeinander abzustimmen.
Ein herausragendes Beispiel ist in diesem Zusammenhang die kürzlich veröffentlichte Kooperationsvereinbarung der Bundesagentur für Arbeit und der Gesetzlichen Krankenversicherung zum Thema Arbeitslosigkeit und Gesundheit. Ziel ist es, einen gemeinsamen Prozess anzustoßen, der Gesundheits- und Arbeitsmarktpolitik enger miteinander verzahnt, um so die Gesundheit von Arbeitslosen zu erhalten und zu fördern.
In den vergangenen Jahren konnten im Rahmen des bundesweiten Kooperationsverbundes „Gesundheitsförderung bei sozial Benachteiligten“ vielfältige Erfahrungen und Kenntnisse darüber zusammen getragen werden, wie die gesundheitliche Lage arbeitsloser Menschen verbessert werden kann. Der beratende Arbeitskreis des Kooperationsverbundes hat die Herausforderung angenommen, gemeinsam zu formulieren, welches die zentralen Qualitätserfordernisse für die Zusammenarbeit der Partner in der Kommune sind. Das Ergebnis ist das Eckpunkte-Papier „Gemeinsam handeln“.
Hier sind wir in der Kooperation mit gutem Beispiel voran gegangen, denn eine große Anzahl Expertinnen und Experten hat sich an der Erstellung beteiligt: Kolleginnen und Kollegen aus der Praxis ebenso wie aus der Wissenschaft, aus der Bundesagentur für Arbeit, der Gesetzlichen Krankenversicherung, den Bundesministerien, der BZgA, dem Robert Koch-Institut, den Landesvereinigungen für Gesundheit und viele weitere.
In 7 Eckpunkten werden die Erfahrungen aus Beispielen guter Praxis (Good Practice) und aus laufenden Prozessen in den Ländern gebündelt. Damit bietet das Eckpunkte-Papier einen fachlichen Rahmen und Anregung zur Stärkung der Gesundheitsförderung bei Arbeitslosen - durch die Zusammenarbeit aller relevanten Einrichtungen in der Kommune.
Das Papier richtet sich an: Akteure im Bereich der Gesundheits- und Arbeitsförderung wie Jobcenter, Krankenkassen, Beschäftigungs- und Qualifizierungsträger sowie an politische Entscheidungsträger, Betroffeneninitiativen, Beratungsstellen, Kammern, Wohlfahrtsverbände, freie Träger und an alle, die die gesundheitlichen Ressourcen arbeitsloser Menschen stärken und ihre Belastungen senken können.
Die folgenden Eckpunkte wurden konsentiert:
1. Herausforderungen gemeinsam angehen
Die durch Arbeitslosigkeit verursachten gesundheitlichen Problemlagen können sehr komplex sein und sind häufig nur im Zusammenwirken verschiedener Partner erfolgreich zu bewältigen. Die Kooperation aller relevanten Akteure wie Jobcenter, Krankenkassen, Kommunen, Arbeits- und Beschäftigungsträger, Beratungsstellen, Kammern, Wohlfahrtsverbände, Betroffeneninitiativen, freie Träger usw. ist sowohl für den Erfolg gesundheitsfördernder Maßnahmen als auch für die Verbesserung der medizinischen, psychotherapeutischen und sozialpädagogischen Versorgung von Arbeitslosen wichtig.
2. Strategien für Zielgruppen mit besonderen Bedarfslagen entwickeln
So unterschiedlich die Ressourcen und Risiken der Betroffenen sind, so unterschiedlich können jeweils geeignete Bewältigungsstrategien von Arbeitslosigkeit aussehen. Zur Differenzierung der Bedarfslagen können Dauer der Arbeitslosigkeit, Alter, Geschlecht, Migrationshintergrund sowie weitere Besonderheiten der sozialen Situation (z.B. Alleinerziehende, Menschen mit Behinderung oder geringer Qualifizierung) herangezogen werden. Akteure sollten sich hier über lokale Schwerpunkte sowie besonders belastete Zielgruppen verständigen und in diesem gemeinsamen Prozess Ressourcen und Maßnahmen abstimmen und einbringen.
3. Gesundheits- mit Beschäftigungsförderung verzahnen
Ein erfolgreicher Zugang, um Arbeitslose für Prävention und Gesundheitsförderung zu gewinnen, sind Beratungs- und Qualifizierungsmaßnahmen bzw. Beschäftigungsförderung. Insbesondere ist es notwendig, Beratungsangebote niedrigschwellig zu gestalten. Auf Bundes-, Landes- und kommunaler Ebene sollten Vereinbarungen getroffen werden, die die Verbreitung dieser erfolgreichen Konzepte unterstützen. Dies umfasst auch Maßnahmen zur Sensibilisierung, Qualifizierung und Fortbildung der entsprechenden Akteure aus Jobcentern, Beschäftigungs- und Beratungsträgern in den Bereichen Gesundheitsförderung und Prävention.
4. Gesundheitsförderung in den Lebenswelten verankern
Verhaltensorientierte Maßnahmen der Prävention führen nicht in jedem Fall zur nachhaltigen Entwicklung eines gesunden Lebensstils und damit zur Verbesserung der physischen und psychischen Folgen von Arbeitslosigkeit. Insbesondere für Menschen mit vielfachen sozialen Belastungen sind daher auch Veränderungen in den Lebenswelten und Angebote sozialer Unterstützung beispielsweise auf Stadtteilebene von großer Bedeutung. Dadurch können soziale Belastungen gemildert, Vereinsamung und Stigmatisierung in Folge von Arbeitslosigkeit entgegengewirkt und Rahmenbedingungen geschaffen werden, die gesunde Lebensstile im Alltag ermöglichen und unterstützen. Eine große Herausforderung ist die Verzahnung der im Alltag genutzten Orte und Institutionen mit der Beschäftigungsförderung.
5. Übergänge gestalten
Um die Folgen von Arbeitslosigkeit zu reduzieren, sollten unterstützende Angebote frühzeitig ansetzen, d.h. bereits bei drohendem Arbeitsplatzverlust. Erfolgversprechende Maßnahmen der Primärprävention sind so genannte Outplacement-Programme. Auch in der Phase vor einer anstehenden Kündigung ist die Sensibilisierung für gesundheitliche Belange und die Gestaltung präventiver Maßnahmen erforderlich. Sie stärkt von Arbeitslosigkeit bedrohte Menschen bei der Gestaltung und Bewältigung ihrer Lebenssituation sowie bei der beruflichen Neuorientierung und der Prävention von Langzeitarbeitslosigkeit.
6. So früh wie möglich aktiv werden
Bildung, gesundheitliche Ressourcen und soziale Kompetenzen sind wichtige Faktoren, die das Risiko von Arbeitslosigkeit verringern können und die Bewältigung der Arbeitslosigkeit erleichtern. Bereits früh einsetzende Maßnahmen in Gesundheits- und Lebenskompetenz sind Teil einer umfassenden und lebensbegleitenden präventiven Strategie gegen die negativen Folgen von Arbeitslosigkeit. Schulische Maßnahmen, die diese Kompetenzen mit Berufsorientierung verbinden, sollten spätestens mit dem 7. Schuljahr einsetzen. Durch diese früh einsetzende Förderung werden Jugendliche nachhaltig in der Entwicklung ihrer Vorstellungen und Ressourcen unterstützt und lernen Ansprechpartner und Akteure kennen, die diesen Prozess begleiten können.
7. Stärken fördern, Wertschätzung und Transparenz sichern
Der Umgang mit Arbeitslosen orientiert sich an den Stärken und Fähigkeiten und soll von Wertschätzung und Transparenz geleitet sein. Damit wird das menschliche Grundbedürfnis nach Anerkennung und Durchschaubarkeit der Umwelt befriedigt. Dies wiederum ist Grundlage zum Erhalt des Selbstwertgefühls und der Leistungsfähigkeit. Ohne diese werden Arbeitslose auf dem Arbeitsmarkt kaum bestehen können. Deswegen ist der Ausgangspunkt für Gesundheitsförderung bei Arbeitslosen eine vorurteilsfreie, unterstützende und respektvolle Begegnung. Angebote und Maßnahmen sollen für die betroffenen Personen grundsätzlich nachvollziehbar und sinnvoll vermittelbar sein.
- Das Heft 7 der Arbeitshilfen „Aktiv werden für Gesundheit“: „Gemeinsam handeln - Chancen verbessern“ mit einem Kapitel zur Gesundheitsförderung bei Arbeitslosen ist ebenfalls online sowie in gedruckter Form weiterhin erhältlich.
- Weitere Informationen zur Kooperationsvereinbarung der Bundesagentur für Arbeit und der Gesetzlichen Krankenversicherung finden Sie in der gemeinsamen Presseerklärung vom 05.04.2012.
- Hier können Sie die „Empfehlung zur Zusammenarbeit der Bundesagentur für Arbeit (BA) und der Gesetzlichen Krankenversicherung (GKV) zum Thema Arbeitslosigkeit und Gesundheit“ herunterladen.