04.08.2020
Gesundheitsförderung in der Neuen Vahr
Julia Törper , Familien-und Quartierszentrum Neue Vahr Nord e.V.
Schlagwörter:Gesundheitsförderung, Kommunen, Quartier
In dem Projekt „Gesundheitsförderung in der Neuen Vahr“ steht die quartiersbezogene Gesundheitsförderung im Vordergrund. Sämtliche Aktivitäten verfolgen das Ziel, gesundheitsförderndes Verhalten im Stadtteil anzuregen und für das Thema zu sensibilisieren sowie Strukturen für die Umsetzung gesundheitsfördernder Angebote und ihre Bekanntmachung zu stärken.
Das Netzwerk für Gesundheit
Das Netzwerk für Gesundheit in der Neuen Vahr wurde 2019 gegründet. Mitglieder kommen u. a. aus gemeinnützigen und sozialen Einrichtungen für Kinder, Jugendliche und Ältere Menschen, aus Kitas, Schulen sowie der Kommunalen Verwaltung. Die Aktivitäten des Netzwerkes haben das Ziel, gesundheitsförderndes Verhalten im Stadtteil anzuregen und das Thema „Gesundheit im Stadtteil“ sichtbar zu machen, um das Quartier in Bewegung zu bringen.
Zu den Aktivitäten des Netzwerkes gehören:
- Die Schaffung gesundheitsförderlicher Angebote, u. a. in den Bereichen Bewegung, Ernährung, Entspannung, Sucht und Gewaltprävention (Kurse, Workshops etc.)
- Schulungen und Fortbildungen für Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter aus den Einrichtungen zu Gesundheitsthemen (z. B. Kitas, Begegnungsstätten und Freizeiteinrichtungen)
- Die Sensibilisierung und Herstellung eines Bewusstseins für Gesundheitsthemen
- Die Vermittlung nachhaltiger Informationen zu Gesundheitsthemen, d. h. praktische und alltagsnahe Informationen zu gesundheitlichen Fragestellungen
- Das gemeinsame Engagement in Arbeitsgruppen und die Koordinierung unserer Aktivitäten
- Die Sichtbarmachung unserer Arbeit und eine verstärkte Öffentlichkeitsarbeit für unsere Projekte und Veranstaltungen
- Raum für Begegnungen zwischen Generationen, zwischen Institutionen, zwischen Bewohnern und Institutionen ermöglichen
- Die Evaluation unserer Projekte
Das Setting: der Stadtteil Neue Vahr Nord in Bremen
Das Projekt ist ausgerichtet auf das Setting „Quartier“ und rückt den Stadtteil Neue Vahr im Bremer Osten in den Fokus. Die Neue Vahr gehört zum Fördergebiet des kommunalen Handlungsprogrammes Wohnen in Nachbarschaften (WiN), welches die Verbesserung der alltäglichen Wohn- und Lebensbedingungen in benachteiligten Quartieren zum Ziel hat. Dabei ist die Förderung gesundheitsfördernder Aktivitäten in das integrierte Handlungskonzept des Stadtteils eingebettet.
Etwa 50% der Bewohnerinnen und Bewohner der Neuen Vahr haben einen Migrationshintergrund, womit der Anteil weit über dem städtischen Durchschnitt von 33% liegt. Gleichzeitig sind überdurchschnittlich viele Bewohnerinnen und Bewohner von Arbeitslosigkeit und Einkommensarmut betroffen. Ein hoher Anteil der Bewohnerinnen und Bewohner lebt in Bedarfsgemeinschaften nach dem Sozialgesetzbuch II. Bei den unter 15-jährigen beläuft sich der Anteil auf mehr als 50%.
Zahlreiche Studien belegen einen Zusammenhang zwischen Armut und Gesundheit. Hierbei spielen Bildungs- und Sprachdefizite eine große Rolle, weil sich diese unter anderem auf den Zugang und die Nutzung von gesundheitsförderlichen Angeboten auswirken.
Aus der sozialen Benachteiligung ergibt sich somit ein erhöhtes Risiko für gesundheitliche Chancenungleichheit in dem Stadtteil Neue Vahr. Für den Stadtteil wurde in diesem Zusammenhang auf der 3. Bremer Armutskonferenz eine unzureichende Gesundheitsförderung als Problemlage definiert und der Ausbau und Erhalt gesundheitsfördernder Angebote als Teilziel formuliert.
Entstehungshintergrund
Das Projekt „Gesundheitsförderung im Stadtteil Neue Vahr“ wurde vom Familien -und Quartierszentrum Neue Vahr Nord e.V. (FQZ) initiiert und wird seither durch das FQZ koordiniert. Das FQZ ist ein Ort der Begegnung und der Kommunikation, der generations- und kulturübergreifende Möglichkeiten und Angebote für seine Nutzerinnen und Nutzer bereithält. Dazu gehören zum Beispiel Beratung für zugewanderte und geflüchtete Menschen, sportliche und kreative Angebote sowie Treffs und Spielkreise.
Das Projekt knüpft an eine Phase intensiver Auseinandersetzung mit dem Thema Gesundheit im Stadtteil an, in deren Verlauf eine Bedarfsanalyse zum Thema Gesundheitsförderung im Stadtteil durchgeführt wurde. In den Ergebnissen wurde deutlich, dass gesundheitsfördernde Angebote genutzt und gewünscht werden, dazu jedoch der Ausbau von Angeboten und eine stärkere Bekanntmachung wichtig sind, um mehr Bewohnende des Stadtteils zu erreichen und die Angebote ihren Bedürfnissen entsprechend gestalten zu können. Infolgedessen wurde mithilfe von WIN-Mitteln eine Informationsbroschüre mit kostenlosen Gesundheitsangeboten veröffentlicht und ein kleiner Gesundheitsfond eingerichtet, um Einrichtungen aus dem Stadtteil bei der Finanzierung von Gesundheitsangeboten zu unterstützen. Im Rahmen dieser Aktivitäten wurde das Netzwerk für Gesundheit gegründet, um gemeinsam mit verschiedenen Akteuren daran zu arbeiten, den Stadtteil gesundheitsförderlich zu gestalten.
Zielgruppe
Die Zielgruppe der gesundheitsfördernden Aktivitäten sind die Bewohnerinnen und Bewohner der Neuen Vahr: Kinder und Jugendliche, Erwachsene und ältere Menschen, mit und ohne Migrationshintergrund.
Aufgrund des hohen Anteils an Bedarfsempfängerinnen und -empfängern und einer hohen sozialen Benachteiligung sollen Angebote im Stadtteil geschaffen werden, die aufgrund ihrer niedrigschwelligen Struktur zur Teilnahme einladen und unabhängig von finanziellen oder sprachlichen Ressourcen die Teilhabe an gesundheitsfördernden Aktivitäten ermöglichen.
Ein wichtiger Faktor ist die niedrigschwellige Struktur der Angebote, u. a.:
- Leichte Erreichbarkeit und Nutzung der Angebote direkt vor Ort
- vertraute, alltagsnahe Umgebung
- unbürokratische und kostenfreie Teilnahme
TK-Verfügungsfonds
Zeitgleich mit der Gründung des Netzwerkes für Gesundheit in der Neuen Vahr ist es über eine Kooperation mit der Techniker Krankenkasse gelungen, zusätzliche Fördermittel für den Stadtteil zu akquirieren. Über den sogenannten TK-Verfügungsfonds können im Jahr 2020 insgesamt 30.000 Euro für Mikroprojekte in den Bereichen Ernährung, Bewegung, Stressreduktion/Entspannung, Gewaltprävention und Umgang mit Genuss- und Suchtmitteln beantragt werden. Die Förderung ist eingebettet in das Gesamtkonzept „Gesunder Stadtteil“. Die Mittel ermöglichen beispielsweise die Finanzierung von Kursen, Vorträgen oder die Schulung von Multiplikatorinnen und Multiplikatoren.
Koordinierung und Steuerung
Das Netzwerk für Gesundheit wird durch das Familien- und Quartierszentrum Neue Vahr Nord koordiniert, welches auch der Vertragspartner für die Techniker Krankenkasse ist und die Antragstellung und Projektabwicklung koordiniert und begleitet.
Viermal im Jahr finden Netzwerktreffen statt, die eine Plattform für Austausch, Ideenentwicklung und Projektplanung bieten.
Auch Institutionen der Neuen Vahr, die nicht zum Netzwerk gehören, sind dazu eingeladen, Anträge für den TK-Verfügungsfonds zu stellen. Im Zuge der Netzwerkgründung und der Kooperation mit der Techniker Krankenkasse wurde eine Homepage erstellt, die sowohl Institutionen als auch Bewohnerinnen und Bewohner der Neuen Vahr über die gesundheitsfördernden Aktivitäten im Stadtteil informiert und einrichtungsübergreifend Veranstaltungen zum Thema Gesundheit auflistet.
Erste Schritte im Zuge der Corona-Pandemie
Durch den Ausbruch der Corona-Pandemie kamen einige Initiativen im Netzwerk zum Erliegen, da die geplanten Projekte in der Regel Menschen zusammenbringen sollen - sei es für eine Vortragsreihe oder sportliche Gruppenangebote. Digitale Angebote sind für einige Menschen verlockend und realisierbar, aber nicht für jede Zielgruppe geeignet. Daher wurde der Fokus zunächst darauf gelegt, sich im Netzwerk gegenseitig über neue, Corona-bedingte Projekte auf dem Laufenden zu halten, wie z. B. telefonische Beratungen, Gesprächsangebote oder Einkaufshilfen. Die Kontakte im Netzwerk sollten und konnten dafür genutzt werden, sich gegenseitig mit Informationen zu unterstützen, z. B. über den Bezug von selbstgenähten Mund-Nasen-Masken.
Mit den schrittweisen Lockerungen sind nun auch wieder Veranstaltungen möglich und die Einrichtungen gehen wieder in eine vorsichtige Planung. Die hygienetechnischen Vorgaben stellen die Umsetzung vor große Herausforderungen, da viele Räumlichkeiten nicht groß genug sind, um mehrere Menschen aufnehmen und dabei den Abstand gewährleisten zu können.
Bislang konnte ein digitales Projekt durch das Bürgerzentrum Neue Vahr initiiert werden, welches Jugendlichen die Möglichkeit bietet, zweimal wöchentlich per Zoom-Videokonferenz an einem Workout teilzunehmen. Weitere sportliche Angebote, die z.B. draußen und unter Einhaltung des Sicherheitsabstandes durchgeführt werden können und ältere Menschen wieder „in Bewegung bringen“, sind in der Vorbereitung.
Bei Fragen oder Interesse können Sie hier Kontakt aufnehmen:
Julia Törper
Familien-und Quartierszentrum Neue Vahr Nord e.V. Mehrgenerationenhaus
August-Bebel-Allee 284
28329 Bremen
gesundheit(at)mgh-fqz.de