25.08.2020
Gut Älterwerden im vertrauten Wohnumfeld - Beratungsstrukturen zum Aufbau von alternsfreundlichen Quartieren, Dörfern, Gemeinden und Städten
Katharina Wiegmann, Fachstelle Altern und Pflege im Quartier im Land Brandenburg
Schlagwörter:Kommunale Strukturen, Quartier, Ältere
In Brandenburg leben mehr Menschen mit Pflegebedarf in der eigenen Häuslichkeit als in allen anderen Bundesländern und werden dort zu einem großen Anteil von ihren Familienangehörigen gepflegt1. Diese Menschen und ihre Angehörigen brauchen Unterstützung, damit sie, ihrem vielfach vorgebrachten Wunsch gemäß, in der vertrauten Umgebung alt werden können.
Seit Oktober 2015 unterstützt die Fachstelle Altern und Pflege im Quartier im Land Brandenburg (FAPIQ) als ein von der Brandenburger Pflegeoffensive gefördertes Projekt beim Auf- und Ausbau alternsgerechter Strukturen. Damit hat das Ministerium für Soziales, Gesundheit, Integration und Verbraucherschutz (MSGIV) gemeinsam mit den Landesverbänden der Pflegekassen und dem Verband der privaten Krankenversicherung im Land Brandenburg eine landesweite Struktur für Informations-, Beratungs- und Begleitungsangebote zur Gestaltung von alternsfreundlichen Lebensbedingungen geschaffen.
FAPIQ verfolgt dabei mit der Vision „Gut Älterwerden im vertrauten Wohnumfeld“ das übergeordnete Ziel, älteren Menschen mit oder ohne Hilfe- und Pflegebedarf ein selbstständiges und selbstbestimmtes Leben in ihrer vertrauten Lebensumgebung zu ermöglichen. Dabei geht es vor allem um die Stärkung der ambulanten Strukturen.
Thematische Schwerpunkte von FAPIQ
Damit dies gelingen kann, muss es Unterstützungsangebote vor Ort geben und das Wohnumfeld auf die Bedarfe und Bedürfnisse älterer und älter werdender Menschen abgestimmt sein. FAPIQ arbeitet deshalb in vier thematischen Schwerpunkten:
Alternsgerechte Quartiersentwicklung
Neben einer konkreten Unterstützung der älteren Menschen und ihrer Angehörigen ist ein Wohnumfeld notwendig, das ein selbstbestimmtes Leben durch die möglichst eigenständige Versorgung und Teilhabe bis ins hohe Alter ermöglicht. Für so eine alternsgerechte Quartiersentwicklung in den Dörfern und Städten ist das Zusammenwachsen von Angeboten an bedarfsgerechtem Wohnraum, Nachbarschaftshilfen, Treffpunkten und ambulanten Pflegeangeboten sowie alltagsunterstützenden Angeboten in einer möglichst barrierefreien Umgebung notwendig.
Alternsgerechte Quartiere werden von einem Netzwerk aus Vertreterinnen und Vertretern der Kommunen, aus der Zivilgesellschaft, lokalen Initiativen und Unternehmen getragen sowie durch die Partizipation und das Engagement seiner Bewohnerinnen und Bewohner.
Ein wichtiges Anliegen der Fachstelle ist die Initiierung von lokalen Aktivitäten und Projekten und die Anregung neuer Aktivitäten durch andere Praxisbeispiele. Mit der finanziellen Unterstützung durch den jährlichen Förderaufruf „Gut Älterwerden im vertrauten Wohnumfeld“ und die begleitende Beratung werden gute Ideen und Projekte vor Ort verwirklicht. Dies ermöglicht kleinteilige Innovationen vor Ort. Die geförderten Projekte werden anschließend in einer Wanderausstellung an unterschiedlichen Orten in ganz Brandenburg gezeigt, um Vernetzung und Inspiration anzuregen.
Alltagsunterstützende Angebote
Nur durch die frühzeitige Inanspruchnahme von Unterstützungsangeboten wird einer Zunahme individueller Pflegebedürftigkeit entgegengewirkt. Dazu braucht es ausreichend unterstützende Angebote vor Ort und das Wissen darum, diese in Anspruch nehmen zu können. Um einerseits die pflegebedürftigen Menschen in der Häus-lichkeit in ihrer Selbständigkeit zu fördern und zu stärken und andererseits Überforderungen vor allem der pflegenden Angehörigen zu verhindern, gibt es bereits zahlreiche nach Landesrecht anerkannte Alltagsunterstützende Angebote (AuA). Dies sind im Sinne des § 45a SGB XI anerkannte Angebote, die Selbstständigkeit, Selbstbestimmung und soziale Teilhabe von pflegebedürftigen Menschen mit oder ohne Demenz fördern. Geschulte ehrenamtliche Helferinnen und Helfer oder/und Beschäftigte übernehmen unter fachlicher Anleitung die Begleitung in einer Gruppe oder die stundenweise Unterstützung im Alltag.
Zentrale Aufgaben von FAPIQ sind, den Aufbau von Alltagsunterstützenden Angeboten nach § 45a SGB XI z. B. bei der Konzeptberatung zu begleiten, die fachliche Begleitung und Weiterentwicklung bestehender Angebote sowie die Qualifizierungen von Ehrenamtlichen anzubieten.
Ein Einblick in die Arbeitsweise und Wirkung von AuA liefert ein Video der Fachstelle.2
Sozialräumliche pflegerische Versorgungsstrukturen
Bedarfsorientierte Pflegeangebote vor Ort sind eine weitere wichtige Voraussetzung. Dafür unterstützt FAPIQ beim Auf- und Ausbau einer pflegerischen Versorgungsstruktur, die im Sozialraum der pflegebedürftigen Menschen ansetzt. Dazu gehört Beratung und Begleitung bei der Entwicklung von bedarfsgerechten unterschiedlichen pflegerischen Angeboten und bei der Öffnung von stationären Einrichtungen und ambulanten Diensten und deren Angeboten ins lokale Umfeld. Das vernetzte Zusammenwirken von pflegerischen Akteuren, der Kommune und weiteren Initiativen vor Ort ist eine zentrale Voraussetzung für eine pflegerische Versorgung, die an den Bedürfnissen und Bedarfen der Menschen vor Ort ansetzt. Die Fachstelle unterstützt deshalb beim Aufbau und der Förderung von Netzwerken, z. B. nach § 45c Abs. 9 SGB XI.
Altersgerechtes Wohnen
Damit Menschen im vertrauten Wohnumfeld gut alt werden können, müssen die Wohnungen und Wohnangebote auf diesen Bedarf ausgerichtet sein. Die Schaffung von barrierearmen und barrierefreien Wohnmöglichkeiten und öffentlichen Räumen ist dabei eine zentrale Voraussetzung. FAPIQ liefert Informationen und Beratung zu der Entwicklung von alternsgerechten Wohnformen, berät Wohnungsbaugesellschaften bei der Förderung von altersgerechtem Wohnen und wirkt auf die Ausweitung von Wohnberatung hinsichtlich der Wohnraumanpassung hin.
Viele Menschen mit Unterstützungs- und Pflegebedarf wünschen sich im Bedarfsfall kleine, familiär strukturierte Wohnformen, in denen sie wie zu Hause selbstbestimmt leben können. In ambulant betreuten Wohn-Pflege-Gemeinschaften können z. B. Menschen mit Demenz und/oder pflegebedürftige Menschen ihr Leben weitestgehend selbstorganisiert führen. Für den Erhalt der sozialen Kontakte ist es wichtig, dass sich der neue Wohnort der pflegebedürftigen Menschen in der Nähe der früheren Wohnungen befindet.
Arbeits- und Vorgehensweise von FAPIQ
FAPIQ bietet als kostenloses, unabhängiges Dienstleistungs- und Serviceangebot Akteuren im Land Brandenburg an, sie bei der Entwicklung und Etablierung von Angeboten in folgenden Details zu unterstützen und fachlich zu begleiten. Dazu gehört:
- Beratung und Begleitung
- Vernetzung
- Qualifizierungsangebote
- Austausch und Transfer
Dabei liegt der Fokus von FAPIQ bei der Stärkung von Ideen, Projekten und Ressourcen vor Ort.
Brandenburg ist ein Flächenland mit großen regionalen Unterschieden auch hinsichtlich der Pflegebedürftigkeit der Bevölkerung und der Versorgungsstrukturen.3 Daher ist FAPIQ an vier regionalen Standorten sowie einer Geschäftsstelle in Potsdam vertreten.
Die Veröffentlichungen der Fachstelle stehen auf der Internetseite www.fapiq-Brandenburg.de zur Verfügung.
Die Fachstelle Altern und Pflege im Quartier im Land Brandenburg ist ein Kooperationsprojekt von Gesundheit Berlin-Brandenburg e. V. und der Alzheimer-Gesellschaft Brandenburg e. V. Selbsthilfe Demenz und wird gefördert vom Ministerium für Soziales, Gesundheit, Integration und Verbraucherschutz (MSGIV), den Landesverbänden der Pflegekassen und dem Verband der privaten Krankenversicherung im Land Brandenburg.
Anmerkungen
- Im Jahr 2017 nahmen 81,9 Prozent der Pflegebedürftigen Pflegegelddienstleistungen, ambulante Sachleistungen oder Kurzzeitpflege in Anspruch. 52,5 Prozent der Pflegebedürftigen nahmen die Pflegegelddienstleistungen (ohne Kombinationsleistung) in Anspruch.
Amt für Statistik Berlin-Brandenburg: Statistischer Bericht - Ambulante und stationäre Pflegeeinrichtungen sowie Empfänger von Pflegegeldleistungen in Brandenburg, 2017. - Hier gelangen Sie zum Film
- (isw, S. 4)