11.05.2015
HELPS - Wohnbedürfnisse älterer Menschen beachten
Jonas Scholze, Deutscher Verband für Wohnungswesen, Städtebau und Raumordnung e.V.
Schlagwörter:Kommunen, Qualitätsentwicklung, Soziale Stadt, Stadtentwicklung, Ältere
1. Sie haben kürzlich die Handlungsempfehlung „Gemeinsam für ein altersgerechtes Quartier. Handlungsanregungen für die Zusammenarbeit zwischen Akteuren zur tragfähigen altersgerechten Quartiersentwicklung“ publiziert. Was dürfen die Leserinnen und Leser darin erwarten?
Mit der erfreulich steigenden Lebenserwartung wächst auch die Zahl älterer und hilfsbedürftiger Menschen. Um das selbstbestimmte Leben im Alter so lang wie möglich in der eigenen Wohnung oder dem Eigenheim zu ermöglichen, reicht es nicht mehr aus, lediglich in Gebäude zu investieren. Neben Wohnraum und Wohnumfeld sind altersgerechte Mobilität, Nahversorgung, adäquate Pflege- und Betreuungsangebote sowie gut erreichbare Gemeinschaftseinrichtungen wichtig. Zentrale Handlungsebene für eine Bündelung der notwendigen Angebote ist daher das Quartier als gemischter und multifunktionaler Lebensraum und Identifikationsort. Diese Aufgabe kann aber nicht allein durch die Kommune oder Wohnungsunternehmen getragen werden, sondern es bedarf der Verstetigung von Kooperationsmodellen, um zukünftig durch Synergieeffekte und den daraus entstehenden Kostenvorteilen die finanziellen Herausforderungen meistern zu können. Mit den Handlungsempfehlungen möchten wir zeigen, welche Vorteile sich für den Einzelnen aus der Zusammenarbeit ergeben und welche Rolle jeder in einem Zusammenspiel zwischen Kommunen, Wohnungsunternehmen, Servicedienstleistern und ehrenamtlich Tätigen im Quartier einnehmen kann. Uns ist es wichtig eine breite Anzahl unterschiedlicher Akteurinnen und Akteure für neue und integrierte Handlungsansätze zu sensibilisieren.
2. Wie können Wohnungsbaugesellschaften über die reine bauliche Gestaltung hinaus einen Beitrag zum altersgerechten Quartier leisten?
Neben der baulichen Anpassungen im direkten Wohnumfeld (Wege, Treppen, Beleuchtung), können Wohnungsunternehmen einen enorm wichtigen Beitrag durch zusätzliche Angebote in der Bestandsentwicklung für die Stärkung des sozialen Zusammenhaltes schaffen. Dazu zählen beispielsweise die Einrichtung von Gemeinschaftsräumen, Nachbarschaftscafés oder die Planung eines Ärztehauses beim Neubau. Die Begegnungsräume bieten Chancen für Kontakte, aus denen soziale Netzwerke mit großem Hilfe- und Unterstützungs-Potential für die Bewohnerinnen und Bewohner entstehen können.
3. In Deutschland sind mittlerweile eine Vielzahl von Quartiersansätzen und innovativen Wohnformen zu finden. Zur Verstetigung erfolgreicher Modellprojekte fordern Sie in der Handlungsempfehlung, solche Konzepte in die allgemeine Handlungspraxis zu integrieren. Wie können hierfür relevante Akteurinnen und Akteure sensibilisiert und gewonnen werden?
Um relevante Akteure zu gewinnen und zu sensibilisieren sollte eine möglichst frühzeitige Einbindung aller bei der Erstellung eines gemeinsamen Leitbildes sowie den darauffolgenden Konzeptions- und Planungsprozess erfolgen. Dies betrifft sowohl die ortsansässigen Servicedienstleister der Sozialwirtschaft sowie Wohnungsunternehmen aber auch die Anwohnenden selbst. Ein gemeinsames Leitbild ermöglicht es, die Motivation und Zielstellungen der einzelnen Partner vor Ort einzuschätzen und zu berücksichtigen. Es empfiehlt sich hierbei, auf bereits vorhandene Netzwerke zurückzugreifen. Insbesondere das Vertrauen der schwerer zu erreichenden Zielgruppe der privaten Eigenheimbesitzenden kann durch den Einsatz eines Quartiersmanagers oder die Einbindung von lokalen Verbandsstrukturen, gewonnen werden. Den ersten Schritt muss nicht immer die Kommune machen, als neutraler und für alle hin sichtbarer Akteur nimmt diese jedoch eine wichtige Koordinationsrolle ein.
4. Die Lebenslagen der Bevölkerungsgruppe der älteren Menschen gestalten sich sehr heterogen. Wie können insbesondere ältere Menschen in schwieriger sozialer Lage (bspw. chronisch kranke ältere Menschen, ältere Menschen mit Migrationshintergrund, alleinstehende ältere Menschen) bei der Gestaltung altersgerechter Quartiere mit einbezogen werden?
Ein mögliches Instrument ist die Sozialraumanalyse, mit deren Hilfe die im Quartier vorhandenen sozialen und kulturellen Angebote bzw. Potentiale sichtbar gemacht und für die weitere Entwicklung genutzt werden können. Dadurch entsteht ein differenziertes Bild über die pflegerische und sonstige Versorgungssituation für ältere Bewohnerinnen und Bewohner im Quartier, auf dieser Basis kann dann ein bedarfsgerechter Hilfemix etabliert werden. Denn: Damit die richtigen Ziele und Maßnahmen in der altersgerechten Quartiersentwicklung formuliert werden können, müssen sich diese ganz klar an den Bedürfnissen der Bewohnerschaft orientieren. Daher ist es wichtig, diesen auf Augenhöhe zu begegnen und ihre Wünsche und Vorstellungen als Grundlage zu nehmen, um daraufhin passgenaue Lösungswege zu erörtern.
Die Fragen stellte Maria Nicolai
Mit Unterstützung einer Expertengruppe unter der Leitung von Ingrid Matthäus-Meier hat der Deutsche Verband für Wohnungswesen, Städtebau und Raumordnung e.V. im Rahmen des EU-geförderten Projektes HELPS in den Handlungsempfehlungen „Gemeinsam für ein altersgerechtes Quartier“ innovative Kooperationsmodelle in der Quartiersarbeit zusammengestellt.
Das Dokument kann kostenfrei unter folgendem Link bezogen werden: Handlungsempfehlungen.
Weitere Informationen zum EU-Projekt HELPS sowie weiteren Praxisbeispielen finden Sie hier.