01.12.2017
Ist das Partizipation oder kann das weg?
Wiebke Humrich (geb. Sannemann), Landesvereinigung für Gesundheit und Akademie für Sozialmedizin Niedersachsen e. V.
Schlagwörter:Partizipation, Qualitätsentwicklung
Aspekte der Qualität bzw. Qualitätsentwicklung nehmen in Gesundheitsförderung und Prävention einen immer bedeutenderen Stellenwert ein. In diesem Kontext wachsen auch die Anforderungen an kommunale Akteurinnen und Akteuren, ihre Arbeit vor Ort stetig zu verbessern und zusammen mit den Zielgruppen, Geldgebenden und/oder Kooperationspartnerinnen und -partnern Projekte und Angebote bedarfsgerecht zu planen, weiterzuentwickeln und umzusetzen.
Die Zusammenarbeit, Netzwerkarbeit, Kooperation und die Beteiligung unterschiedlicher Gruppen nimmt somit einen immer größer werdenden Stellenwert in der Arbeit ein. Partizipation (Beteiligung, Teilhabe) ist demnach ein wichtiges Qualitätsmerkmal und zugleich - wie in der Ottawa Charta der Weltgesundheitsorganisation festgeschrieben - ein zentrales Grundprinzip von Gesundheitsförderung und Prävention in verschiedenen Lebenswelten.
„Partizipation [ist] die individuelle oder auch kollektive Teilhabe an Entscheidungen, die die eigene Lebensgestaltung und die eigene soziale, ökonomische und politische Situation und damit immer auch die eigene Gesundheit betreffen.”
(Rosenbrock/Hartung 2012)
Zwischen Anspruch und Wirklichkeit
Trotz des hohen Stellenwertes von Partizipation in Gesundheitsförderung und Prävention klaffen häufig Anspruch und Wirklichkeit weit auseinander. Welche Beteiligungsmöglichkeiten werden tatsächlich geschaffen? Wer partizipiert eigentlich, wann und wie? Ist eine „absolute“ Partizipation wirklich umsetzbar? Wie hängen Partizipation und Gesundheitskompetenzen zusammen? Wie kann Partizipation gut funktionieren? Diese und weitere Fragen wurden auf der von der Landesvereinigung für Gesundheit und Akademie für Sozialmedizin Nds. e. V. veranstalteten Fachtagung „Ist das Partizipation oder kann das weg? Anspruch und Wirklichkeit von Partizipation in der Gesundheitsförderung und Prävention“ mit rund 90 Teilnehmenden in Hannover intensiv diskutiert.
Die Fachtagung knüpfte dabei an die gleichnamige Ausgabe der Zeitschrift „impu!se für Gesundheitsförderung“ (Nr. 88, September 2015) an, die sich bereits 2015 mit den Herausforderungen und Gelingensfaktoren von Partizipation beschäftigte.
Nach einem aktiven, beteiligungsorientierten Einstieg in den Tag, bei dem die Teilnehmenden sich untereinander zum Thema der Veranstaltung austauschen konnten, diskutierte Prof. Dr. Hella von Unger von der Ludwig-Maximilians-Universität München in ihrem Einstiegsvortrag die unterschiedlichen Facetten des vermeintlichen „Partizipationsdilemmas“ im Kontext von Gesundheitsförderung und Prävention. Auf dieser Basis stellte danach Prof. Dr. Ulrich Bauer von der Universität Bielefeld die Ansatzpunkte von Health Literacy in Abgrenzung zur Gesundheitskompetenz dar und arbeitete kritisch heraus, inwieweit diese Strategien eine Verringerung oder Erhöhung von Erreichbarkeitsproblemen in der Gesundheitsförderung, gerade von sozial benachteiligten Communities, unterstützen.
„Bildungs- und einkommensstarke Bevölkerungsschichten beteiligen sich am häufigsten. Hier, und nicht bei sozial Benachteiligten, denen die Verbesserung ihrer Lage ein besonderes Anliegen sein müsste, findet Interessenvertretung statt.“
(Böhnke 2011)
Nach der Mittagspause hatten die Teilnehmenden die Möglichkeit, das Thema Partizipation anhand von praktischen Beispielen in vier Foren zu vertiefen. Dabei stand die Partizipation bspw. von bestimmten Zielgruppen (ältere Menschen, Menschen mit Migrationshintergrund sowie Kinder und Jugendliche) oder die Beteiligung unterschiedlicher Communities in bestimmten Arbeitskontexten wie z. B. Stadtentwicklung im Mittelpunkt. In Kleingruppen diskutierten sie zusammen mit den Praxisgebenden intensiv an den vorgestellten Beispielen, brachten sich mit ihren eigenen Erfahrungen ein und identifizierten Zugangswege, Chancen sowie Herausforderungen für erfolgversprechende, partizipative Prozesse vor Ort in den Kommunen.
„Gesundheitskompetenz ist verknüpft mit Bildung und umfasst das Wissen, die Motivation und die Kompetenzen von Menschen in Bezug darauf, relevante Gesundheitsinformationen in unterschiedlicher Form zu finden, zu verstehen, zu beurteilen und anzuwenden.“
(European Health Literacy Consortium/Sørensen et al. 2012)
Zum Abschluss der Veranstaltung erfolgte eine kreative und bunte Zusammenfassung der zentralsten Aspekte von diesem Tag.
Das Ergebnis dieser Zusammenstellung sowie die Präsentationen vom Vormittag und aus den Foren finden Sie hier.
Partizipation ist eines der zwölf Good Practice-Kriterien, die der Kooperationsverbund Gesundheitliche Chancengleichheit entwickelt hat.
Quellen
1. Rosenbrock, Rolf: Hartung, Susanne (2012). Gesundheit und Partizipation. Einführung und Problemaufriss. In: Dies. (Hg.). Handbuch Partizipation und Gesundheit. Bern: Huber, S. 8-26.
2. Petra Böhnke (2011). Ungleiche Verteilung politischer und zivilgesellschaftlicher Partizipation. Aus Politik und Zeitgeschichte (APuZ), 12, S. 18-25. www.bpb.de/shop/zeitschriften/apuz/33561/postdemokratie
3. European Health Literacy Consortium/Sørensen et al. 2012