12.08.2019
Kämpfen für Gerechtigkeit und Solidarität. Seit 1919. Durch Quartiersentwicklung zur gesundheitlichen Chancengleichheit beitragen.
Sebastian Gottschall, Arbeiterwohlfahrt Bundesverband
Schlagwörter:Gesundheitsförderung, Lebenswelten, Quartier, Ältere
In diesem Jahr feiert die Arbeiterwohlfahrt (AWO) ihr 100-jähriges Bestehen. Die AWO gehört zu den sechs Spitzenverbänden der Freien Wohlfahrtspflege und wird bundesweit von über 335.000 Mitgliedern, 66.000 ehrenamtlich engagierten Helferinnen und Helfern sowie 225.000 hauptamtlichen Mitarbeiterinnen und Mitarbeitern getragen.
Seit nunmehr einem Jahrhundert kämpft die AWO für Gerechtigkeit und Solidarität, für Vielfalt und Frauenrechte. Für ein menschenwürdiges Leben, in dem niemandem Almosen zugeteilt, sondern allen Chancen für Teilhabe ermöglicht werden.
Die AWO macht sich für eine solidarische Gesellschaft stark, in der Menschen in Notlagen auf den Schutz und die Unterstützung der Gemeinschaft zählen können. Solche Notlagen können auch aus Krankheit und Alter resultieren.
Herausforderungen präventiv und solidarisch begegnen
Laut Prognosen wird im Jahr 2030 jeder vierte Mensch in Deutschland über 65 Jahre alt sein. Mit zunehmendem Alter erhöht sich die Wahrscheinlichkeit für Multimorbidität, für chronische Erkrankungen sowie für körperliche und kognitive Einschränkungen. Dies hat zur Folge, dass die Zahl der pflegebedürftigen Menschen ebenfalls ansteigen wird.
Als Verband der Freien Wohlfahrtspflege fordert die AWO ein Gesundheitssystem, das auf Chancengleichheit und sozialer Gerechtigkeit beruht. Die Zunahme des alten und hochaltrigen Bevölkerungsanteils bei gleichzeitiger Abnahme der jüngeren Bevölkerung bedingt einen steigenden gesamtgesellschaftlichen Hilfe- und Unterstützungsbedarf: Ältere Menschen müssen frühzeitig in den Fokus von Gesundheitsförderung und Prävention treten. Präventionsstrategien müssen als langfristig angelegte Vorhaben verstanden werden, die an individuellen Verhaltensweisen und gleichzeitig unbedingt auch an gesellschaftlichen Strukturen ansetzen. Ziel muss die Gestaltung gesundheitsförderlicher Lebens- und Wohnbedingungen sein.
In der Lebenswelt der Menschen ansetzen: Im Quartier
Die AWO ist davon überzeugt, dass der Ansatz der Quartiersentwicklung als Baustein sozialraumorientierter Arbeit eine sehr gute Basis darstellt, um den gesellschaftlichen und sozialen Herausforderungen innovativ begegnen zu können. Vor diesem Hintergrund hat es verbandsweit eine starke Ausrichtung der Einrichtungen und Dienste auf das Quartier hin gegeben. Bundesweit ist die AWO an weit über 100 Standorten mit Quartiersentwicklungsprojekten und sozialräumlichen Versorgungskonzepten intensiv befasst.
Vor Ort geht es darum, Quartiere entsprechend der jeweils vor Ort gegebenen Bedarfe, Strukturen und Ressourcen so weiterzuentwickeln und auszugestalten, dass die Lebensqualität und die Gesundheit der dort lebenden Menschen gesichert und gesteigert wird. Dies gelingt, indem Lösungen gemeinsam mit den Bürgerinnen und Bürgern, der Kommune und in Kooperation mit den lokalen Akteuren erarbeitet werden.
Verknüpft werden die Themen Gesundheitsförderung und Prävention beispielsweise mit dem im Januar 2018 gestarteten Projekt „Gesundheitsförderung und Prävention für ältere Menschen im Quartier“. Das dreijährige Modellprojekt wird durch den Verband der Ersatzkassen e. V. (vdek) gefördert und in Kooperation mit dem AWO Bundesverband und fünf Trägern der AWO umgesetzt.
Ziel ist es, die Gesundheit von Bürgerinnen und Bürgern ab 65 Jahren in ihrer unmittelbaren Lebenswelt zu fördern. Das Projekt legt den Fokus auf Quartiere im ländlichen Raum und richtet sich insbesondere an Menschen in schwieriger sozialer Lage und an isoliert lebende Personen.
An fünf ländlichen Modellstandorten werden die Bedingungen für ein gesundes Älterwerden verbessert, indem kommunale Akteure besser vernetzt und gesundheitsförderliche Angebote aus- und aufgebaut werden. Dabei nimmt das Projekt die Perspektive der älteren Bürgerinnen und Bürger ein und begreift diese als Expertinnen und Experten für ihre Gesundheit und ihr Wohnumfeld (Quartier). Um ihre Wünsche zu erfassen, werden kommunale Bürgerveranstaltungen (Ideenwerkstätten) durchgeführt. Anschließend werden auf dieser Grundlage gemeinsam Maßnahmen entwickelt und umgesetzt.
Der AWO Bundesverband hat 2018 an allen Modellstandorten Ansprechpartnerinnen zu kommunalen Gesundheitsförderinnen ausgebildet, die die Aktivitäten vor Ort über die gesamte Projektlaufzeit bis Ende 2020 koordinieren. Ihre Aufgaben umfassen unter anderem den Kontaktaufbau im Quartier sowie die Gründung einer Steuerungsrunde. Das Projekt wird wissenschaftlich begleitet und evaluiert. Die über den Projektverlauf gewonnenen Erfahrungen sollen für weitere Quartiere zugänglich gemacht werden.
Erfahrungen für die Zukunft aufgreifen
Mit dem Aufbau sozialraum- bzw. quartiersorientierter Arbeit knüpft die AWO an ihre Wurzeln und an ihre 100-jährige Erfahrung an: Hilfe zur Selbsthilfe organisieren, Menschen befähigen und ihnen Möglichkeiten bieten, ihre Potentiale zu nutzen, sich zu beteiligen, zu kooperieren und Solidarität zu üben. Um wirksam zu sein, müssen lokale Strategien der Gesundheitsförderung und Prävention mit den Menschen gemeinsam entwickelt und umgesetzt werden. Dabei geht es vielerorts darum, die Voraussetzung für Beteiligung zu schaffen, damit Menschen befähigt werden, ihre gesundheitlichen Belange wahrzunehmen und mitzugestalten.
Gleiche Gesundheitschancen für alle Menschen sind wesentliche Voraussetzungen für eine selbstbestimmte Lebensgestaltung und gleichberechtigte gesellschaftliche Teilhabe. Sie tragen zu einer guten Lebensqualität, zu allgemeinem Wohlstand und zu sozialem Frieden bei.
Unser Kämpfen für Gerechtigkeit und Solidarität ist auch
nach 100 Jahren noch nicht beendet - wir machen weiter!
Weitere Informationen
Gesundheitsförderung und Prävention für ältere Menschen im Quartier