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02.02.2018

Kiezspaziergänge im Wassertor-Kiez und Gneisenau-Kiez

Markus Runge, Nachbarschaftshaus Urbanstraße e. V.
Maria-Theresia Nicolai, Zentrum für Bewegungsförderung Berlin (ZfB Berlin)

Schlagwörter:Netzwerk, Partizipation, Sozialraum, Teilhabe, Ältere

Partizipative Ent­wick­lung gesundheitsförderlicher Le­bens­be­din­gung­en vor Ort

Im Ju­li 2017 ist in Ber­lin-Kreuzberg das Modellprojekt „Be­we­gung, Mobilität und soziale Teil­ha­be älterer Menschen im Rahmen vernetzter Ar­beit im So­zi­al­raum för­dern“ gestartet. Für zwei­ein­halb Jahre kooperieren die AOK Nord­ost, die für Ge­sund­heit und Sport zuständigen Senatsverwaltungen (SenGPG, SenIDS), Ge­sund­heit Ber­lin-Brandenburg e. V., so­wie der Be­zirk Friedrichshain-Kreuzberg (Be­zirks­amt Friedrichshain-Kreuzberg Planungs- und Koordinierungsstelle Ge­sund­heit) und das Nachbarschaftshaus Urbanstraße e. V. (NHU). Das Zen­trum für Be­we­gungsförderung Ber­lin (in Trägerschaft von Ge­sund­heit Ber­lin-Brandenburg e. V.) unterstützt den kooperativen Pro­zess. Gemeinsames Ziel ist die För­de­rung und der Er­halt von Be­we­gung und Mobilität so­wie die Stär­kung der sozialen Teil­ha­be bei älteren Menschen durch die Zu­sam­men­ar­beit mit Part­ne­rin­nen und Part­ner vor Ort.

Das vom Ko­o­pe­ra­ti­ons­ver­bund Ge­sund­heit­liche Chan­cen­gleich­heit ausgezeichnete Good Practice-Projekt Netz­werk „Für mehr Teil­ha­be älterer Menschen“ bietet den Rahmen des Modellprojekts und kon­zen­triert sich sozialräumlich zu­nächst auf den Kreuzberger Wes­ten mit ca. 100.000 Einwohnerinnen und Einwohnern.

Ein Schwer­punkt der Ar­beit des Netz­werks betrifft die Fra­ge, wie die von Altersarmut betroffenen älteren Menschen erreicht wer­den kön­nen. Die Be­schäf­ti­gung mit die­ser Fra­ge se­hen die Part­ne­rin­nen und Part­ner im Netz­werk als Voraussetzung da­für an, Maß­nah­men zur Teil­ha­beförderung am gesellschaftlichen Leben zu ent­wi­ckeln. Um mögliche Antworten zu erschließen, wer­den kreative Zugangswege zu Älteren durch das Netz­werk er­probt. Die Vision der Ar­beit des Netz­werkes ist, dass je­der ältere Mensch in Kreuzberg die Mög­lich­keit zur sozialen und kulturellen Teil­ha­be erhält. Weiterhin möchte das Netz­werk die vielfältigen Aktivitäten im Stadt­teil transparenter ma­chen und ei­ne Platt­form sein, in der die Netz­werkpartner und -partnerinnen voneinander ler­nen und Er­fah­rung­en, Wissen und Kontakte bün­deln.

Weitere Informationen fin­den sie hier.

Um Zugänge zu älteren Menschen zu schaffen und An­ge­bo­te der Bewegungsförderung und Sturzprävention nach­hal­tig umzusetzen, bettet sich die Um­set­zung der Projektmodule in die vier Stra­te­gien des Netzwerkes ein:

  • Die Ein­bin­dung von Multiplikatorinnen und Multiplikatoren, z. B. aus Arztpraxen, Apo­the­ken, Physiotherapien, Sozialkommissionen,
  • die Sen­si­bi­li­sie­rung der Nach­bar­schaft zur Hilfsbedürftigkeit älterer Menschen,
  • die An­spra­che älterer Menschen zur In­for­ma­ti­on über An­ge­bo­te im So­zi­al­raum so­wie
  • die Ent­wick­lung mobiler An­ge­bo­te und aufsuchender Ar­beit mit älteren Menschen.

Die Stra­te­gie „Ent­wick­lung mobiler An­ge­bo­te und aufsuchender Ar­beit mit älteren Menschen“ umfasst die aufsuchende An­spra­che und Ein­bin­dung älterer Menschen so­wie Qualifizierungsangebote, um die aufsuchende Ar­beit mit älteren Menschen zu stär­ken.

Partizipative Bedarfserhebung: Kiezspaziergänge mit Anwohnenden und Fachkräften

Im September und Ok­to­ber 2017 wurden mit Anwohnenden des Kiezes zwei Kiezspaziergänge im Wassertor-Kiez und im Gneisenau-Kiez or­ga­ni­siert. Sie sollen da­zu bei­tra­gen ältere Menschen - als Ex­per­tin­nen und Ex­per­ten ihres Wohnumfeldes - zu befähigen, sich aktiv mit den (ge­sund­heit­lich) förderlichen und belastenden Be­din­gung­en und Herausforderungen ihrer Lebensumwelt auseinanderzusetzen. Der beteiligungsorientierte An­satz verfolgt das Ziel, die älteren Menschen im Ent­wurf und der Um­set­zung möglicher Lösungsstrategien einzubeziehen und so­mit einen aktiven Mitgestaltungsraum ihres Wohnumfeldes zu er­mög­li­chen.

Ziel ist es, ge­sund­heit­lich förderliche und belastende Be­din­gung­en im So­zi­al­raum aufzudecken und ent­spre­chend die Le­bens­be­din­gung­en vor Ort so zu ge­stal­ten, dass diese einen positiven Ef­fekt auf die Bür­ge­rin­nen und Bür­ger haben.

Beide Kiezspaziergänge waren mit 30 bzw. 50 Teilnehmenden gut besucht. Insbesondere viele ältere Personen hatten sich eingeladen gefühlt. In der Vielfalt der Themen, die auf den beiden Spaziergängen ge­sam­melt wurden, gab es viele Überschneidungen. Daran wird deut­lich, dass zum Teil in vielen Kiezen ähnliche Veränderungswünsche aus Sicht älterer Menschen be­ste­hen.

Gemeinsame Themen auf diesen beiden Spaziergängen waren:

  • Aufenthaltsqualität im öffentlichen Raum (ins­be­son­de­re Plätze und Grün­flä­chen),
  • Bänke und Sitzgelegenheiten,
  • Bordsteinkantenabsenkungen,
  • Verkehrssicherheit,
  • Müll im öffentlichen Raum sowie
  • Öffentliche Toiletten.

In den Nachgesprächen zu beiden Kiezspaziergängen waren unterschiedliche Stim­mung­en spür­bar. Zeitweise überwogen Ein­schät­zung­en geringer Selbstwirksamkeitserwartung, „dass das doch al­les zu nichts füh­ren würde, dass da doch schon so oft Verbesserungen versucht wurden und doch kein Er­folg erzielt wurde“. Dass sich am En­de der Nachgespräche aber zu einzelnen Themen Grup­pen interessierter Anwohnerinnen und Anwohnern bildeten, hellte die Stim­mung auf und machte einem Teil der Teilnehmenden Hoffnung, doch et­was in ihrem Sinne verbessern zu kön­nen.

Kon­kre­ti­sie­rung und Umsetzungsplanung in Arbeitsgruppen

Im Nach­gang der Spaziergänge haben zu einzelnen Themen weitere Treffen in kleinen Arbeitsgruppen stattgefunden. Diese Arbeitsgruppen be­stan­den aus Be­woh­ne­rin­nen und Bewohnern und wurden durch Netzwerkmitglieder begleitet bzw. koordiniert und moderiert. Hier wurden u.a. folgende Themen weiterbearbeitet: Bordsteinkantenabsenkungen, Sitzgelegenheiten, Müll im öffentlichen Raum so­wie das The­ma Aufenthaltsqualität und Platzumgestaltung Südstern.

In diesen Arbeitsgruppen wurden Bedarfe konkretisiert (teil­wei­se wurden über weitere Be­ge­hung­en im Stadt­teil Mängel dokumentiert und Standorte recherchiert), Zu­stän­dig­keit­en in der Verwaltung eruiert so­wie erste Ideen und Lösungsansätze zur Um­ge­stal­tung und Verbesserung entwickelt. Auch wurden erste Gespräche mit Zuständigen in der Verwaltung geführt, um Prozesse der Bürgerbeteiligung trans­pa­rent zu ma­chen, das weitere Vorgehen in der Be­ar­bei­tung der Themen abzustimmen bzw. Spielräume sei­tens der Verwaltung auszuloten.

Einzelne Themen wurden in der Be­ar­bei­tung aber auch zurückgestellt, ent­we­der weil im Nach­gang doch keine Be­reit­schaft zur Mit­ar­beit sei­tens der Anwohnenden zu­stan­de kam oder weil schlicht die Res­sour­cen zur Be­ar­bei­tung mehrerer Themen fehlten.

Wie geht es in 2018 wei­ter?

Die Kol­le­gin­nen und Kol­le­gen der beiden Mehrgenerationenhäuser, die vor allem in die Weiterbearbeitung der Themen aus den Kiezspaziergängen im Wassertor-Kiez und Gneisenau-Kiez eingebunden sind, wer­den auch im kommenden Jahr die Be­glei­tung einzelner Grup­pen fortführen.

Für die Platzumgestaltung Südstern ist für das Frühjahr 2018 ei­ne größere Bürgerveranstaltung geplant, um mit dem Bezirksstadtrat für Ab­tei­lung Bauen, Pla­nen und Facility Ma­nage­ment und anderen Zuständigen aus der Verwaltung konkrete Umgestaltungsideen abzustimmen.

Deutlich wurde in beiden Pro­zessen, dass sich Kiezspaziergänge als Me­tho­de selbst gut durch­füh­ren las­sen: In ei­nem existierenden Netz­werk von Akteuren, wie dem Netz­werk „Für mehr Teil­ha­be älterer Menschen in Kreuzberg“, wird die Or­ga­ni­sa­ti­on und Durch­füh­rung als über­schau­bar und mach­bar eingeschätzt.

Die eigentliche Herausforderung ist es, den sich anschließenden Pro­zess der Machbarkeit und Um­set­zung zu verfolgen und Er­war­tung­en einzulösen. Hier ist es er­for­der­lich, den sich nach dem Kiezspaziergang und aus der Aktivierung von Anwohnenden und der Fest­le­gung einzelner Themen Verbesserungsbedarf und Schwung tat­säch­lich mit den da­für notwendigen Res­sour­cen zu un­ter­set­zen. Andere Ressorts, wie z. B. Stadtentwicklung in die Verantwortung zu brin­gen und gemeinsame Ergebnisse zu be­wir­ken, sind die großen Herausforderungen.

Die ak­tu­ell vorhandenen Res­sour­cen sind deut­lich zu ge­ring, um län­ger­fris­tig an den Themen, die über ei­nen Kiezspaziergang hervorgebracht wer­den, er­folg­reich zu ar­bei­ten. Dieses birgt die Ge­fahr ei­ner kontraproduktiven Wir­kung.

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