30.09.2016
Kommunale Gesundheitsförderung - Brückenbauer in Stadt und Land
Bundesweites Austauschtreffen zur Prozessbegleitung in der Kommunalen Gesundheitsförderung
Carolin Voigt, Landesvereinigung für Gesundheitsförderung Thüringen AGETHUR
Schlagwörter:Kommunen, Netzwerk, Strukturaufbau, Vernetzung
Der Aufbau eines kommunalen und sektorenübergreifenden Netzwerkes der Gesundheitsförderung ist ein komplexer Prozess voller Herausforderungen. Ziel der Vernetzung ist die Erarbeitung einer sektorenübergreifenden Strategie zur Stärkung und Förderung der Gesundheit der Bürgerinnen und Bürger. Verschiedene Handbücher wie bspw. das „Werkbuch Präventionskette - Herausforderungen und Chancen beim Aufbau von Präventionsketten in Kommunen“ (LVG und Akademie für Sozialmedizin Niedersachsen e.V.) und regionale Projekte unterstützen kommunale Koordinierende dabei. Sie geben nützliche Anregungen und Hilfestellungen für die eigene Arbeit, dennoch sind vor Ort in den Kommunen zusätzlich individuelle Strategien und Lösungen nötig, die standardisierte Empfehlungen nur bedingt leisten können.
Um die kommunalen Akteurinnen und Akteure an den Stellen zu unterstützen, wo die Theorie endet und die Praxis beginnt, entwickelten die Landesvereinigungen für Gesundheit bzw. Gesundheitsförderung sowie weitere relevante Akteurinnen und Akteure in den Ländern und auf Bundesebene in den vergangenen Jahren unterschiedliche Begleitformate zur kontinuierlichen Unterstützung der Prozesse in den Kommunen. Um einen Überblick über die unterschiedlichen Vorgehensweisen und Begleitformate zu erhalten und von Erfahrungen zu lernen, lud die AGETHUR am 28. April 2016 zum bundesweiten Austauschtreffen „Kommunale Gesundheitsförderung - Brückenbauer in Stadt und Land“ nach Thüringen in die Landeshauptstadt Erfurt ein. Finanziell unterstützt wurde das Treffen durch die Techniker Krankenkasse.
Wie gestaltet sich die strategische und operationale Unterstützung aus Sicht der Prozessbegleitung?
Wichtig war der Fokus auf die „gelebte“ Prozessbegleitung. Die eigenen Kompetenzen zu stärken und Ressourcen durch Erfahrungsaustausch und Reflexion des eigenen Tuns zu erschließen, standen ebenfalls im Zentrum des Treffens. Denn oftmals werden gerade in Seiten- und Pausengesprächen viele wichtige Informationen zu den persönlichen Erfahrungswerten mit den Kommunen ausgetauscht.
Tagtäglich steht die Prozessbegleitung hemmenden und fördernden Faktoren der kommunalen Gesundheitsförderung gegenüber. Wenn diese Faktoren stärker in den Blick genommen werden, können sich die Potenziale der kommunalen Vernetzung besser entfalten. In einem Impulsreferat gab Dr. Birgit Böhm vom nexus-Institut für Kooperationsmanagement und interdisziplinäre Forschung GmbH aus Berlin einen Überblick über die Entstehung und prägende Charakteristik der Prozessbegleitung in der Gesundheitsförderung und ging auf ihre Potentiale ein. Vorgestellt wurden auch die Prozessbegleitung in den Bundesländern Baden-Württemberg, Brandenburg, Rheinland-Pfalz und Thüringen. Von der Zielsetzung her sind alle diese Prozesse miteinander vergleichbar. Auch setzen die betrachteten Bundesländer zusätzlich auf die Unterstützung von externen Coachings, um Prozessschritte und kritische Situationen zu reflektieren.
Die besondere Herausforderung der jeweiligen Prozessbegleitung ergibt sich daraus, die Handlungsempfehlungen auf die jeweiligen Gegebenheiten und Situationen in den Kommunen zu übertragen. Die gewählten Maßnahmen und der Einsatz von Ressourcen in der Prozessbegleitung gestalten sich in Abhängigkeit von der Region, den kommunalen Bedingungen und der Prozessbegleitung selbst unterschiedlich. Unklar bleibt, welche konkreten Maßnahmen zur Qualitätssicherung der Prozessbegleitung stattfinden. Ebenfalls sollte vertiefend diskutiert werden, inwieweit die Erarbeitung einer zusammenführenden Handlungsorientierung zum Thema ‚Qualität‘ aus bestehenden Empfehlungen sinnvoll ist.
Die Präventionskette - Haltung und Theorie zugleich
Neben einer Beratung zu Arbeitsprozessen und Qualitätssicherung gehört auch die Fachberatung zu einer umfangreichen Begleitung der Kommunen. Das Modell der Präventionskette spiegelt eine Theorie und eine Haltung zugleich wider. Die Erarbeitung bzw. Beschreibung einer Präventionskette in der Praxis selbst gestaltet sich komplex. Mit steigendem Alter nimmt die Vielfalt an möglichen Lebensverläufen zu, welche die Bildung von „Ketten“ erschwert. Vielmehr entsteht ein „Netz“, in dem konkrete Fälle mit Hilfs- und Unterstützungsbedarfen von den Netzwerkakteuren koordiniert werden müssen. Eine solche Herangehensweise in der Praxis muss geübt und diskutiert werden. Die Übertragung von passgenauen bzw. geeigneten Beispielen „guter Praxis“ z.B. auch über die Plattform inforo und die Praxisdatenbank des Kooperationsverbundes muss weiter vorangetrieben werden.
In dem eintägigen Austauschtreffen konnten lediglich die Begleitprozesse in drei Bundesländern vertiefend betrachtet werden. Um eine allgemeine Strategie bzw. Orientierung zu erarbeiten, ist eine Fortsetzung der Diskussion für die Koordinierungsstellen „Gesundheitliche Chancengleichheit“ aller Bundesländer notwendig. Der Abgleich der jeweiligen Herangehensweisen trägt dazu bei, die Unterstützung der Akteure in den Kommunen zu verbessern und damit die Umsetzung des Partnerprozesses weiter zu fördern. Mit einer Kombination aus landesweiten Empfehlungen und Programmen mit der Option zur regionalen Anpassung können Kommunen, aber auch Gemeinden und Regionen individuell begleitet werden. Denn Gesundheitsförderung in Kommunen ist so einzigartig, wie die Menschen, die darin leben.
Hier finden Sie die Dokumentation des bundesweiten Austauschtreffens.