22.12.2017
Kooperation für gesunde Kommunen
Wie tragfähige Zusammenarbeit entstehen kann
Josephine Göldner, bis April 2020: Hamburgische Arbeitsgemeinschaft für Gesundheitsförderung e.V. (HAG)
Schlagwörter:Kommunen, Präventionsketten, Teilhabe
Am 23. November 2017 veranstaltete die Koordinierungsstelle Gesundheitliche Chancengleichheit (KGC) Hamburg die Fachtagung „Kooperation für gesunde Kommunen“, um die Diskussion und den Austausch zu integrierten kommunalen Strategien zu vertiefen. Die Landesrahmenvereinbarung (LRV) zur Umsetzung des Präventionsgesetzes empfiehlt dieses Modell sozialraumbezogener Gesundheitsförderung. Entlang der Frage „Wie tragfähige Zusammenarbeit entstehen kann“ wurden gute Beispiele aus Kommunen und der methodische Ansatz von Stakeholder Dialogen vorgestellt. Über 60 Akteure und Vertreter_innen der kommunalen Dienste, der Sozialversicherung sowie Multiplikator_innen und Interessierte aus den Bereichen Gesundheit, Stadtteilentwicklung, Bildung und Soziale Arbeit nahmen an der Tagung teil.
Nach den einführenden Worten der HAG-Vorsitzenden Prof. Dr. Corinna Petersen-Ewert stellte Klaus-Peter Stender (Behörde für Gesundheit und Verbraucherschutz, BGV) die aktuellen Entwicklungen der Umsetzung des Präventionsgesetzes dar. Kooperation werde dabei vertikal vom Bund bis in die Kommune dekliniert. In Hamburg sei es gelungen, sich auf ein gemeinsames und abgestimmtes Vorgehen aller Sozialversicherungsträger und der BGV zu verständigen. Neu sei mit der Ausrichtung der LRV auf die Sozialräume, dass die Gesundheitsförderung vor Ort sowie die Beteiligungsmöglichkeiten von Bürger_innen und Multiplikator_innen stärker auf- und ausgebaut werden können. Stender verortete Kooperation als Kern und zugleich Mysterium der Gesundheitsförderung.
Sabine Heckmann vom Collective Leadership Institute stellte das Dialogic Change Model vor, das die Phasen eines idealtypischen Kooperationsprozesses beschreibt und die zugehörigen Anforderungen erläutert. Als Basis tragfähiger Zusammenarbeit bedeute Engagement das systematische Einbeziehen aller relevanter Partner_innen und deren Interessen. Zur Initiierung von Engagement sei es wichtig, wertschätzend Resonanz aufzubauen, unter breiter Beteiligung den Kontext zu erfassen und eine repräsentative Kerngruppe zu bilden. Die Einführungen und Praxisphasen zum Ansatz des Stakeholder Dialogs durchzogen das Tagungsprogramm wie ein roter Faden.
Eva Bruns von der Münchner Aktionswerkstatt Gesundheit (MAGs) stellte den Aufbau der Präventionskette „Gut und Gesund aufwachsen in Freiham“ in einem neu entstehenden Stadtteil vor. Bereits während der Bauphase werden Angebote für Kinder, Jugendliche und Familien ressortübergreifend geplant, um den neuen Bewohner_innen positive Entwicklungs-, Lebens- und Teilhabebedingungen zu eröffnen. Die langfristige Zusammenarbeit der drei städtischen Referate Gesundheit und Umwelt, Bildung und Sport sowie Soziales wird gesichert durch eine verbindliche Kooperationsvereinbarung. Der Aufbauprozess und die erste Umsetzungsphase werden durch das MAGs koordiniert und die Techniker Krankenkasse finanziell gefördert.
Als Start in die erste Praxisphase wurde in „Murmelgruppen“ die Frage „Was ist für mich in der kommunalen Zusammenarbeit mit anderen Akteuren wichtig?“ beantwortet. Die Teilnehmenden tauschten sich anschließend über ihr jeweiliges berufliches Selbstverständnis, ihre Handlungsempfehlungen und gesetzlichen, beruflichen und institutionellen Grundlagen aus. Gemeinsam wurde reflektiert, welche Denk- und Handlungslogik sie damit täglich für eine multiprofessionelle Zusammenarbeit in Einklang bringen. Die Vielfalt wurde an Metaplanwänden dokumentiert und gruppiert.
Sabine Heckmann eröffnete den Nachmittag mit einem zweiten konzeptionellen Input zum Thema „Engagement weiterentwickeln“ und knüpfte dafür an den Erfahrungsschatz der Tagungsteilnehmenden an. Im weiteren Verlauf eines Stakeholder Dialogs bestehe die Chance, mit verschiedenen Interessen nicht nur konstruktiv umzugehen, sondern darüber hinaus bestehende Ressourcen und gemeinsame Ziele zu erkennen, um sich für eine verbindliche Zusammenarbeit zu verabreden.
Hannes Rehfeldt vom Bezirksamt Neukölln präsentierte sehr anschaulich die Entwicklung einer bezirklichen Präventionskette in Berlin. Seit 2012 arbeiten viele Professionen inner- und außerhalb des Bezirksamtes (Jugend und Gesundheit) daran, ein lückenloses Hilfenetz für werdende und junge Familien zu knüpfen. Die Initiative basiert auf der Datengrundlage zur gesundheitlichen Ungleichheit bei Kindern in prekärer Lebenslage. Ein wichtiges Instrument der Vernetzung sind jährliche Präventionskonferenzen. Es wurden beispielhaft Maßnahmen vorgestellt, die aus der langjährigen Zusammenarbeit hervorgegangen sind, womit die Umsetzung der Strategie erlebbar wurde. Die App „Gesundes Neukölln“ ermöglicht zum Beispiel Familien und Fachkräften Transparenz über die Angebote im Bezirk. Aktuell wird eine bezirkliche Rahmenkonzeption zur Gestaltung des Übergangs Kita - Grundschule erstellt. Verbindliche Kooperationen sollen dafür mit lokalen Kooperationsinseln, einer ressortübergreifenden bezirklichen Lenkungsgruppe und einer gesamtstädtischen Strategie erarbeitet werden.
In einer zweiten Praxisphase waren die Akteure eingeladen, in einem Welt-Café Empfehlungen auszutauschen und zu diskutieren: „Welche Möglichkeiten bestehen, um die Teilhabe von Stadtteilakteuren und Bevölkerung zu stärken?“ und „Welche Formen der Vereinbarung sind für tragfähige Zusammenarbeit förderlich?“. Zudem waren die Teilnehmenden gefragt, konkrete Handlungsansätze für ihre Arbeit festzuhalten: „An welchen relevanten Themen wollen wir in den kommenden 3, 6 und 12 Monaten zur Entwicklung tragfähiger Zusammenarbeit weiterarbeiten?“.
Das gemeinsame Fazit aller Akteure war, dass der Aufbau verbindlicher Vernetzungsstrukturen unter Beteiligung aller zentraler Partner_innen auf dem wertschätzenden Erkennen der einzelnen Expertisen und Menschen beruht. Die langfristige Planung und Kontinuität ermöglicht zudem das notwendige Vertrauen für den Zugang zu Menschen und in der gemeinsamen multiprofessionellen Kooperation.
Fotos: Jens Hannewald
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