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26.01.2022

"Koordinieren, kooperieren, Berliner Bezirke zukunftsfähig gestalten!"

Dokumentation der Online-Veranstaltung am 09.11.21

Janine Reinelt, Gesundheit Berlin-Brandenburg
Danielle Dobberstein, Gesundheit Berlin-Brandenburg
Lisa Rösch, Gesundheit Berlin-Brandenburg
Amélie Bohlen, Gesundheit Berlin-Brandenburg

Schlagwörter:Gesundheitsförderung, Kommunen, Vernetzung

Die Corona-Pandemie hat die öffentliche Verwaltung in Berlin vor neue Herausforderungen gestellt. Innerhalb kürzester Zeit musste in den Krisenmodus umgeschwenkt, die Arbeitsfähigkeit erhalten und Flexibilität bewiesen werden. Vieles hat gut und unkompliziert funktioniert, einiges aber auch nicht.

Krisen wie die Pandemie gab es bereits. Sie werden wieder auftreten und die öffentliche Verwaltung muss sich erneut anpassen. Veränderungen gehören zur heutigen gesellschaftlichen Lage dazu, weshalb mehr denn je deutlich wird, dass die Berliner Bezirksämter über alle Ebenen hinweg noch besser auf akute Herausforderungen eingestellt und strukturell aufgestellt sein müssen. Eine zentrale Voraussetzung hierfür sind integrierte kommunale Strategien zur Gesundheitsförderung (Präventionsketten), die darauf abzielen, allen Menschen in Berlin ein gesundes Aufwachsen, Leben und Älterwerden zu ermöglichen – zu jeder Zeit, unabhängig von der sozialen Lage und eben auch in Krisen.
Berlin steht bei der Umsetzung integrierter kommunaler Strategien zur Gesundheitsförderung nicht am Anfang, denn einige Berliner Bezirke setzen sie bereits mit Erfolg um. Es braucht jedoch mehr davon und in ganz Berlin.

Zur Veranstaltung

Mit der genannten Thematik beschäftigten sich 40 Teilnehmende aus den unterschiedlichsten Ressorts der zwölf Berliner Bezirke am 09. November 2021 digital via Zoom. Sie diskutierten über bestehende Strukturen, gute Ansätze sowie aktuelle und zukünftige Herausforderungen, um krisenresilient aufgestellt zu sein. Ziel der Veranstaltung war es, eine Informations- und Diskussionsplattform für den fachlichen Austausch zu schaffen. Die Veranstaltung wurde von der Koordinierungsstelle Gesundheitliche Chancengleichheit (KGC) Berlin und dem Projekt MitWirkung - Perspektiven für Familien durchgeführt.

Integrierte kommunale Strategien zur Gesundheitsförderung - was ist das und was machen wir damit?

Eine Einführung in das Veranstaltungsthema gab Janine Reinelt (KGC Berlin) mit einem Impulsvortrag zu den Grundlagen der integrierten kommunalen Strategien zur Gesundheitsförderung (s. weitere Informationen):
Das Konzept der Gesundheitsförderung wurde durch die von der Weltgesundheitsorganisation (WHO) im Jahr 1986 veröffentlichte Ottawa-Charta bekannt. Darin heißt es, dass "Gesundheitsförderung [...] auf einen Prozess [abzielt], allen Menschen ein höheres Maß an Selbstbestimmung über ihre Gesundheit zu ermöglichen und sie damit zur Stärkung ihrer Gesundheit zu befähigen." (WHO 1986; 1). Jedoch sind die Gesundheitschancen in Deutschland ungleich verteilt. Ein niedriger sozioökonomischer Status geht mit größeren Gesundheitsbelastungen, wie z. B. schlechteren Lebensbedingungen und einem riskanteren Gesundheitsverhalten einher. Der Zusammenhang von Sozialstatus und Gesundheit ist dabei in allen Altersstufen erkennbar und zieht sich durch alle Lebensphasen.

Damit alle Menschen gleichermaßen von einer besseren Gesundheit profitieren können, hilft in der Gesundheitsförderung der Lebensweltansatz, auch Setting-Ansatz genannt. Durch verschiedene Maßnahmen kann es gelingen, Menschen in ihrem unmittelbaren Lebensumfeld wie z. B. der Kommune, der Schule, der Kita oder dem Pflegeheim zu erreichen und das Verhalten Einzelner (Verhaltensprävention) sowie die Lebenswelten selbst (Verhältnisprävention) gesundheitsfördernd zu verändern. Verhaltens- und verhältnisbezogene Elemente werden miteinander verknüpft und beziehen dabei die Menschen vor Ort mit ein und stärken die Eigenverantwortung der Zielgruppen.

Der Kommune als Dachsetting kommt eine besondere Verantwortung in der Schaffung von gesundheitsfördernden Strukturen zu. Hilfreich ist dabei der Ausbau von integrierten kommunalen Strategien zur Gesundheitsförderung (Präventionsketten). Sie zielen darauf ab, bestehende Ungleichheiten abzubauen und positive Lebens- und Teilhabebedingungen zu schaffen. Unterstützt wird damit die Vision einer lebenswerten Stadt, in der alle Menschen, unabhängig ihrer Lebenssituation, die gleichen Chancen auf Gesundheit und Wohlbefinden haben. Unabdingbar für den Ausbau von Präventionsketten ist die gemeinsame Zusammenarbeit unterschiedlicher Ressorts, Fachkräfte und Institutionen in der Kommune. Denn die Lebenslagen von Menschen sind zu komplex, als dass ein Bereich ausreichend Unterstützung geben kann. Es geht darum, vom Nebeneinander zum Miteinander zu kommen. So werden bisher voneinander getrennt erbrachte Angebote im Bezirk noch besser aufeinander abgestimmt, ergänzen sich gegenseitig und Angebotslücken werden geschlossen. Ein weiterer wichtiger Leitgedanke beim Ausbau von Präventionsketten ist es, Menschen als Expertinnen und Experten ihrer Lebenswelt anzuerkennen. Angestrebt wird, sie in möglichst vielen Phasen der Angebotsgestaltung (Planung, Durchführung, Auswertung) zu beteiligen, um ihnen Gestaltungsmöglichkeiten und ein höheres Maß an Selbstbestimmung über ihre Gesundheit zu ermöglichen und sie damit zur Stärkung ihrer Gesundheit zu befähigen.

Gesundheitsfördernde Maßnahmen sind ein wesentlicher Bestandteil einer gemeinwohlorientierten Stadt. Die kommunale Verwaltung ist permanent mit den Veränderungen in der Sozialstruktur und dem gesellschaftlichen sowie kulturellen Wandel konfrontiert, welcher immer wieder mit neuen Herausforderungen einhergeht. Um auf diese Veränderungen angemessen reagieren zu können, braucht es Organisationsentwicklung und ressortübergreifende Zusammenarbeit, damit eine frühzeitige, verständliche und zielgruppenadäquate Kommunikation stattfinden kann sowie Wissen und Kompetenzen gebündelt werden – mit dem Ziel, gute Strategien und angemessenes Verhalten im Wandel oder einer Krise, wie der Corona-Pandemie, zu entwickeln.

Entwicklung durch Veränderung – gemeinsam Wirken für gesundheitsförderliche Lebenswelten!

Ellen Ehring (Potenzial entwickeln) machte mit ihrem Vortrag deutlich, dass gesundheitsförderliche Lebenswelten ein ressortübergreifendes Wirken aller Fachkräfte, Institutionen und Einrichtungen vor Ort in der Kommune brauchen (s. weitere Informationen). Egal, an welcher Stelle die ressortübergreifende Zusammenarbeit gerade steht – der Wandel verlangt eine kontinuierliche (Weiter-)Entwicklung der Bezirke durch Veränderungen zur Sicherung der kommunalen Daseinsvorsorge, insbesondere in Krisenzeiten.

Veränderungen durchlaufen verschiedene Phasen und starten immer bei einem Status Quo, der oftmals als Komfortzone wahrgenommen wird. Diese Komfortzone ist die eigentliche Herausforderung für die kommunale Verwaltung, denn es besteht die Notwendigkeit, zukünftige krisenhafte Veränderungen durch Aktivitäten, Leistungs- und Prozessanpassungen frühzeitig zu entschärfen. So kann es gelingen, in einem sich schnell verändernden gesellschaftlichen, wirtschaftlichen und politischen Umfeld, sich bereits heute für die Zukunft adäquat aufzustellen. Im Notfall entlastet es, auf eine Notfall-Strategie zurückgreifen zu können, die nur noch aktiviert werden muss. Diese Herausforderung kennzeichnet einen von außen herbeigeführten Druck zur Veränderung. Er lässt der öffentlichen Verwaltung keine Entscheidungsfreiheit, zwingt sie, ins Tun zu kommen und eine gemeinsame Vision zu entwickeln. Mit dem Erkennen startet die gemeinsame Phase des Ausprobierens. In ihr kann es neben Erfolgserlebnissen zu Turbulenzen und Irritationen kommen. Die Turbulenzen und Irritationen sind notwendig, um ein altes Ordnungssystem in ein neues Gleichgewicht umzuwandeln und einen neuen Ordnungszustand zu erreichen. Neuordnungen sind gebunden an eine Phase der kritischen Instabilität und erfordern eine kontinuierliche Gestaltung des Überganges, um nicht in alte Gewohnheitsmuster zurückzufallen. Damit dies nicht passiert, braucht es persönliche Begegnungen, vertrauensvolle Beziehungen und die Kommunikation über gut und schlecht laufende Dinge. Auch müssen in den Gesprächen Gefühle und Ängste Platz finden. Jeder Einwand ist wichtig und bringt die Veränderungen voran. In der letzten Phase geschieht eine Anpassung, in der es sinnvoll ist, sich immer wieder das Positive vor Augen zu führen und gemeinsam zu reflektieren.

Der Schlüssel in Veränderungsprozessen ist die Beteiligung der Menschen, welche in den Lebenswelten betroffen sind. Sie müssen von Beginn an einbezogen werden, damit der Prozess transparent bleibt. Bei der Beteiligung kommunaler Akteur*innenist es wichtig, zu beachten, dass nicht jede Person gewillt ist, sich am Prozess zu beteiligen. Eine Überzeugung dieser Menschen ist in den meisten Fällen schwer möglich, weshalb mit denen gestartet wird, die bereits von der Notwendigkeit des Veränderungsprozesses überzeugt sind. Es braucht Handlungserfordernisse auf der eigenen sowie der politischen und Landesebene.

Austausch der Teilnehmenden in der Workshopphase

In einer 70-minütigen Workshopphase diskutierten die Teilnehmenden in sechs Arbeitsgruppen u. a. zu den Leitfragen, wie eine krisenresiliente Aufstellung der Verwaltung aussieht und was es für die Umsetzung braucht, damit alle Menschen im Bezirk hiervon profitieren.

Der gemeinsame Austausch der Teilnehmenden zeigte: Für eine krisenresiliente Struktur in den Berliner Bezirken braucht es an erster Stelle regelmäßig stattfindende ressortübergreifende Austauschrunden (sowohl auf Bezirks- als auch auf Landesebene), in denen die Sinnhaftigkeit des Tuns kontinuierlich reflektiert wird, verbunden mit persönlichem Engagement und einer gemeinsamen Vision. Hierfür müssen Schnittmengen deutlich aufgezeigt werden, um neue Akteur*innen zu gewinnen und damit Funktionen und Aufgaben mit klaren Regelungen zur Zusammenarbeit, z. B. durch einen Bezirksamtsbeschluss, festgelegt werden. Neben den Aspekten innerhalb der öffentlichen Verwaltung ist der Ausbau der Netzwerkarbeit sowie deren Sicherstellung in Krisenzeiten notwendig. Die Menschen im Bezirk müssen in den Mittelpunkt rücken und an Planungsprozessen beteiligt werden, damit sie möglichst passgenau sind. Auch muss für sie die Erreichbarkeit der verschiedenen Fachämter sichergestellt und Ansprechpersonen transparent kommuniziert sein. Beim Aspekt der Zusammenarbeit darf als dritte wichtige Ebene neben den Trägern und dem Bezirk das Land nicht vergessen werden: zwischen den drei Ebenen braucht es einen regelmäßigen Informationsfluss. Auch die Informationsdichte kann verbessert werden.

Weitere zentrale Ergebnisse der Arbeitsgruppen:

  • Neben der Zusammenarbeit spielen die finanziellen Bedingungen in den Berliner Bezirken eine große Rolle. Es darf keine zeitlich begrenzenten Finanzierungen von Einzelprojekten mehr geben, um eine Planungssicherheit für die im Bezirk tätigen Träger zu schaffen und Projekte nachhaltig zu verankern. Eine Idee ist es, Finanzierungstöpfe ressortübergreifend zu erschließen.
  • Um auch in Krisenzeiten arbeitsfähig zu sein, sind bessere digitale Voraussetzungen unabdingbar. Nur so gelingt es, vernetzt bleiben zu können. Neben der technischen Ausstattung braucht es eine gute Besetzung von Strukturen und Stellen, die schon vorhanden sind gemäß des Mustergesundheitsamtes.
  • Eine weitere Feststellung, die Handeln erfordert, wird von der Sozialraumorientierten Planungskoordination (SPK) geäußert. Auf Landesebene gibt es kein Spiegelreferat, was dringend benötigt wird.

Dank und Ausblick

Den Teilnehmenden gilt ein großer Dank für die rege Beteiligung während der Veranstaltung. Es konnten neue Erkenntnisse und Ideen zur Gestaltung von integrierten kommunalen Strategien zur Gesundheitsförderung in der eigenen Arbeit mitgenommen werden. Im Jahr 2022 wird es voraussichtlich eine weitere Veranstaltung mit der politischen und Landesebene geben, in der die Thematik sowie die zentralen Ergebnisse der Arbeitsgruppen präsentiert und diskutiert werden.

Weitere Informationen:

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