20.07.2020
„Männliche“ Qualitäten der Gesundheitsbildung entwickeln und „an den Mann bringen“
Gunter Neubauer, Sozialwissenschaftliches Institut Tübingen
Schlagwörter:Arbeitslosigkeit, Gesundheitsbildung, Männergesundheit
Die mittlere Lebenserwartung von Männern in der EU liegt im Schnitt etwa fünf Jahre unter der Lebenserwartung von Frauen. Auch von der aktuellen Corona-Situation scheinen Männer stärker betroffen zu sein als Frauen. Gleichzeitig sind Männer im Feld der Gesundheitsbildung und -förderung jedoch unterrepräsentiert. Das gilt insbesondere für Männer mit Grundbildungsbedarf, für bildungsbenachteiligte oder migrierte Männer, die mit den gängigen Angeboten kaum erreicht werden. Daher stand im Projekt „HelpMen - Gesundheit als Thema der Grundbildung für Männer in Europa weiterentwickeln“ die Frage im Mittelpunkt, wie die gesundheitliche Grundbildung (Health Literacy) für Männer in Europa verbessert werden kann und wie Zugänge zu entsprechenden Angeboten erleichtert werden können.
Gesundheitskompetenz und Männlichkeiten
Ziel des Projektes war die Entwicklung eines Curriculums zur Männergesundheitsbildung, das Fachkräfte darin unterstützt, sich Männern und ihrer Gesundheit zuzuwenden. Gesundheit ist ein wichtiger Aspekt sozialer Teilhabe. Gerade Menschen mit erhöhtem Grundbildungsbedarf zeigen häufig auch gesundheitliche Probleme und sind weniger gesundheitlich informiert.
Zu einem Grundbildungsbedarf gehören nach der Nationalen Strategie 2012-2016 zum ersteren ein Mindestmaß an Lese- und Schreibfertigkeiten (Literacy) sowie Kompetenzen in den Grunddimensionen kultureller und gesellschaftlicher Teilhabe wie:
- Rechenfähigkeit (Numeracy)
- Grundfähigkeiten im IT-Bereich (Computer Literacy)
- Gesundheitsbildung (Health Literacy)
- Finanzielle Grundbildung (Financial Literacy)
- Soziale Grundkompetenzen (Social Literacy)
Diese Menschen nicht zu erreichen, birgt die Gefahr, dass sich ein mögliches Risikoverhalten manifestiert und sich gesundheitliche und soziale Nachteile verfestigen.
Um die Gesundheitskompetenz von Männern in diesen Zusammenhängen zu verbessern und ihnen aktives Gesundheitshandeln zu ermöglichen, ist ein männer-spezifisches, an Männlichkeiten und männlichen Lebenslagen ausgerichtetes Knowhow und an männlichen Lebenslagen ausgerichtetes Knowhow und Vorgehen erforderlich. Männer sollen dabei nicht in erster Linie in ihrem Gesundheitsverhalten kritisiert, sondern verstanden und in der Erweiterung ihrer Möglichkeiten zur Selbstsorge unterstützt werden.
Entwicklung eines Curriculums als Handlungsleitfaden
Im Projekt waren fünf Organisationen aus vier Ländern beteiligt das Sozialwissenschaftliche Institut Tübingen und der vhs-Verband Baden-Württemberg, das Männergesundheitszentrum MEN in Wien, die Cusanus Akademie in Brixen und die Beratungsstelle infoMann in Luxemburg.
Die Arbeit im Projekt begann mit einer Sondierung der männerbezogenen Gesundheitsgrundbildung in den Ländern und einer systematisierenden länderübergreifenden Recherche. Daraus wurde ein Leitfaden zur Analyse und Bedarfserhebung vor Ort abgeleitet. Aus diesen Ergebnissen ließ sich ein Handlungscurriculum entwickeln, das in 20 Pilotprojekten erprobt und ausgewertet wurde. Der Projektansatz lag im deutschsprachigen Raum, berücksichtigte dennoch explizit auch andere Erstsprachen. Sechs Pilotprojekte waren dabei speziell auf den Kontext Flucht und Migration ausgerichtet.
Der ausführliche Handlungsleitfaden beschreibt die Entstehung des Curriculums. Zusätzlich dokumentiert er die 20 HelpMen-Pilotprojekte, die sich in ihrer Ausgestaltung an den Good Practice-Kriterien der soziallagenbezogenen Gesundheitsförderung orientieren, samt Erfolgskriterien sowie deren Grenzen. Neben zentralen Projektergebnissen werden auch Handlungsempfehlungen für Akteure und Akteurinnen im Gesundheits- und Grundbildungsbereich formuliert. Daneben finden sich Praxismaterialien und Arbeitsinstrumente sowie bewährte Methoden aus der Projektpraxis.
Männer gesundheitlich aktivieren - von Gesundheitskursen bis hin zu „Rap deine Gesundheit“
Den lokalen Bedarfen folgend wurden überwiegend Angebote der aufsuchenden Bildungsarbeit konzipiert vom Gesundheitstag für Langzeitarbeitslose und Workshopreihen im Arbeitslosentreff oder Männerwohnheimen über Gesundheitskurse für geflüchtete junge Männer und unbegleitete Minderjährige bis zu „Rap deine Gesundheit“ für männliche Jugendliche. Entsprechend vielfältig waren auch die Einsatzorte, wie z.B. Schulen, Produktionsbetriebe, Wohnprojekte, Asylzentren oder Fitness-Studios.
Mit dieser zielgruppenspezifischen und -differenzierten Ausrichtung ist es gelungen, Männer in ihren spezifischen Lebenszusammenhängen und -situationen zu erreichen. Das Projekt HelpMen hat damit eine Arbeitsgrundlage für die Männergesundheitsbildung erarbeitet. Im Fokus dabei stehen Jungen und Männer, die benachteiligt sind, einen Grundbildungsbedarf haben oder deren Lebenspraxis nicht (schon) gesundheitsförderlich geprägt ist bzw. dem Gesundheits-Mainstream entspricht.
Informationen zum Projekt
Projekttitel: HelpMen - Gesundheit als Thema der Grundbildung für Männer in Europa weiterentwickeln
Projektnummer: 2017-1-DE02-KA204-004244
Projektdauer: 01.10.2017 - 30.11.2019
Beteiligte Länder: DE, AT, IT, LU
Koordination: Sozialwissenschaftliches Institut Tübingen
Weitere Informationen:
HelpMen: Männergesundheit bilden (HelpMen-Broschüre - DE, EN, FR, IT)
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HelpMen: Ein Ziel. Ein Weg. Ein Curriculum (HelpMen-Curriculum - DE)
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Projektergebnisse auf der Erasmus+ Project Results Platform