18.09.2017
Mehr Gesundheit für alle
Wahlprüfsteine - Zukunftsforum Public Health
Svenja Matusall, Geschäftsstelle Zukunftsforum Public Health
Öffentliche Gesundheit (Public Health) identifiziert und reguliert gefährdende und fördernde Einflüsse auf Gesundheit, um die Bevölkerungsgesundheit zu schützen, zu erhalten und zu verbessern.
Durch Schaffung von Rahmenbedingungen für Forschung und Praxis der Öffentlichen Gesundheit leisten Politikerinnen und Politiker entscheidende Beiträge für die Bevölkerungsgesundheit - sowie für demokratische und wirtschaftliche Entwicklung. Insbesondere die Teilhabe der in besonderem Maße gesundheitlich benachteiligten Menschen an der Gesellschaft wird durch Förderung der Bevölkerungsgesundheit gestärkt. Darüber hinaus setzt Politik durch nationale Standards und Forschungsförderung wichtige Impulse für die weitere Entwicklung der Öffentlichen Gesundheit in Deutschland.
In einem demokratischen und sozialen Rechtsstaat wie der Bundesrepublik ist es daher wichtig, systematisch die Auswirkungen von politischen Entscheidungen und Gesetzgebung auf die Gesundheit der Bevölkerung zu berücksichtigen.
Im Rahmen des „Zukunftsforum Public Health“ haben sich über 150 Expertinnen und Experten aus Theorie und Praxis der Öffentlichen Gesundheit in Deutschland mit unterschiedlichen Bereichen der Bevölkerungsgesundheit auseinandergesetzt. Aus den Ergebnissen des Zukunftsforums wurden 18 Fragen als Wahlprüfsteine erarbeitet, um zu erfragen, welche Maßnahmen Parteien in Regierungsverantwortung ergreifen wollen, um die Bevölkerungsgesundheit in Deutschland zu fördern. Die Fragen sind in folgende Bereiche gegliedert:
- Gesundheit sichern
- Gesundheit erhalten
- Gesundheit fördern
- Staatliche Einrichtungen stärken
- Forschung fördern
- Fachkräfte ausbilden
- Gesundheitsthemen effektiv kommunizieren
- Globale Gesundheit verbessern
Diese Fragen wurden an die im Bundestag und den Landtagen vertretenen Parteien (CDU/CSU, SPD, DIE LINKE, Bündnis 90/Die Grünen, FDP und AfD) versendet. Bis auf die AfD haben alle Parteien die Fragen beantwortet. Die Ausführung zum Thema "Gesundheit fördern" finden sie anschließend, die gesamten Antworten finden Sie hier.
Gesundheit fördern
Schutz, Erhalt und Verbesserung der Gesundheit der Bevölkerung sind zentrale politische Aufgaben und spiegeln sich bereits in zahlreichen Gesetzen zu Prävention und Gesundheitsförderung.
Welche Schwerpunkte wird Ihre Partei bei der Umsetzung des Präventionsgesetzes setzen?
Bündnis 90/DIE GRÜNEN:
Das in dieser Wahlperiode beschlossene Präventionsgesetz ist ein nach jahrelanger Diskussion wichtiger Schritt für mehr Gesundheitsförderung und Prävention. Nachsteuerungsbedarf sehen wir unter anderem bei der Einbeziehung anderer Ebenen wie des Bundes und der Länder, der privaten Krankenversicherung und anderer Sozialversicherungsträger in die Finanzierung. Gesundheitsförderung und Prävention sind gesamtgesellschaftliche Aufgaben und betreffen nicht nur die gesetzliche Krankenversicherung. Auch sind Prävention und Gesundheitsförderung nicht allein eine ärztliche Aufgabe, sondern auch andere Gesundheitsberufe müssen berücksichtigt werden. Kritisch sehen wir auch, dass der Öffentliche Gesundheitsdienst im jetzt beschlossenen Präventionsgesetz ein Schattendasein fristet. Auch dies wollen wir ändern.
CDU/CSU:
Der Präventionsbericht, der erstmals 2019 erscheinen wird, bietet eine geeignete Grundlage für die Weiterentwicklung von Prävention und Gesundheitsförderung. Darüber hinaus werden wir in der kommenden Legislaturperiode besonders darauf achten, dass die Krankenkassen ihre Aktivitäten gemeinsam in Lebenswelten erbringen und dabei insbesondere vulnerable Gruppen im Fokus haben. Die Expertise der Bundeszentrale für gesundheitliche Aufklärung (BZgA) bei der Qualitätssicherung der Leistungen in Lebenswelten wollen wir erhalten und weiter stärken. Wir werden prüfen, inwieweit weitere Maßnahmen im Bereich der Gesundheitsförderung und Prävention erforderlich sind, um dieses so wichtige Handlungsfeld als gesamtgesellschaftliche Aufgabe voranzubringen.
FDP:
Wir Freie Demokraten sehen in der Förderung präventiver Maßnahmen große Chancen. Denn gute Prävention verbessert die Lebensqualität, vermeidet Krankheiten oder zögert ihr Eintreten zumindest heraus. Deshalb wollen wir Prävention weiter stärken, insbesondere im Bereich Infektionskrankheiten (wie zum Beispiel HIV), psychischer Erkrankungen sowie Fehl- und Mangelernährung. Hierzu muss jede Institution in klarer Finanz- und Aufgabenverantwortung ihren Beitrag leisten. Dabei sind Kommunen, Krankenkassen, Gesundheitsberufe, Arbeitgeber im Rahmen der betrieblichen Gesundheitsvorsorge und die Bundeszentrale für gesundheitliche Aufklärung gefordert. Ebenso wie diejenigen, die in Kindergärten, Schulen und Vereinen Einfluss auf eine gesunde Lebensweise nehmen können. Eine besondere Rolle kommt hierbei dem Sport zu, der einen wesentlichen Beitrag zur Kostendämpfung im Gesundheitswesen leistet. Bereits 2013 haben wir Freie Demokraten ein Präventionsgesetz in den Bundestag eingebracht. Der Entwurf hatte zum Ziel, dass Krankenkassen, Ärztinnen und Ärzte und die Bundeszentrale für gesundheitliche Aufklärung Angebote entwickeln, um Krankheiten wie Diabetes, Adipositas, Depression, Alkohol- und Nikotinabhängigkeit vorzubeugen. Schon damals forderten wir, dass Patientinnen und Patienten die Möglichkeit erhalten, von einem Arzt oder einer Ärztin ihre Gesundheitsrisiken untersuchen zu lassen und Ärztinnen und Ärzte dementsprechend Präventionsempfehlungen aussprechen können. Bedauerlicherweise hat der Bundesrat das Gesetz zwei Tage vor der Bundestagswahl 2013 aus wahltaktischen Gründen gekippt.
Wir Freie Demokraten fordern weiterhin, dass die Prävention einen höheren Stellenwert bekommt. So wollen wir zum Beispiel die Gesundheitsvorsorge und Prävention nach wissenschaftlicher Evaluation stärken. Dabei wollen wir unter anderem die Impfberatung zur Förderung der Impfquoten intensivieren. Jede Bürgerin und jeder Bürger muss Zugang zu Präventions- und Impfprogrammen haben. Wir werden uns dafür einsetzen, dass die Versorgung der Menschen mit Impfstoffen und anderen wichtigen Arzneimitteln sichergestellt wird. Wir halten es auch für wichtig, die Präventivmedizin in Forschung, Lehre zu fördern. Zudem ist es unserer Ansicht nach wichtig, mehr Angebote zur Prävention und Gesundheitsförderung zu schaffen, die auf die spezifische Gesundheitssituation von Männern ausgerichtet sind. Hier sehen wir deutlichen Nachholbedarf.
Zudem wollen wir den Wettbewerb zwischen den Krankenkassen stärken, damit die Bürgerinnen und Bürger sich das Angebot heraussuchen können, dass ihren Wünschen und Bedürfnissen gerecht wird. Logische Konsequenz dieser Maßnahme wird sein, dass Krankenkassen auch versuchen werden ihr Geld möglichst effizient einzusetzen und somit die Prävention überall dort stärken werden, wo diese gegenüber der Therapie finanzielle Vorteile bringt.
DIE LINKE:
Wie bereits beschrieben hat DIE LINKE grundsätzliche Kritik am Präventionsstärkungsgesetz (PrävG). Aber auch die konkrete Ausgestaltung lässt uns an deutlichen positiven Auswirkungen zweifeln. Das Gesetz beauftragt überwiegend die Krankenkassen, die wir nicht als optimale Gestalter von Gesundheitsförderung ansehen. Zudem sehen wir verfassungsrechtliche Grenzen bei der Gestaltung von Gesundheitsförderung durch eine Sozialversicherung. Der Umgang mit den bisherigen GKV-Präventionsleistungen (§ 20 SGB V) zeigt, dass häufig auch Werbeeffekte für die Krankenkassen eine Rolle gespielt haben. Es ist bezeichnend, dass in der Nationalen Präventionskonferenz nur die Sozialversicherungsträger entscheidungsberechtigt sind und Gesundheitsförderung als gesamtpolitische Aufgabe so kaum Berücksichtigung findet. Wissenschaftlicher Public-Health-Sachverstand ist in nur in Form einer beratenden Stimme des Präventionsforums und teilweise über das jährlich tagende Präventionsforum einbezogen. Die jüngsten Auseinandersetzungen zwischen BZgA und GKV-Spitzenverband über Transparenz und Qualität bei den BZgA- Vorschlägen lassen für die Zukunft der PrävG-Umsetzung nichts Gutes erahnen. Es ist schwer, sich innerhalb dieser Konstruktion eine Gesundheitsförderung vorzustellen, die den Zielen der LINKEN nahe kommt.
Trotz aller Kritik bietet das PrävG auch Chancen. Es gilt es nun darauf zu achten, dass die Versichertengelder prioritär für „Gesundheitsförderung und Prävention in Lebenswelten“ (§ 20a SGB V) statt vorrangig für verhaltensbezogene Prävention (§ 20 SGB V) eingesetzt werden. Anders als beim Innovationsfonds wurde auf kassenübergreifende Finanzierung gesetzt, sodass die Gefahr, dass Krankenkassen ihren Wettbewerb auf Kosten der Präventionsleistungen austragen, zunächst gebannt scheint. Wir fordern, dass die Gelder für die Gestaltung der Lebenswelten genutzt werden, statt vorrangig verhaltensbezogene Appelle in den Settings zu verbreiten. Wir begrüßen, dass in den Bundesrahmenempfehlungen der Nationalen Präventionskonferenz (NPK) weitgehend die Lebenslaufperspektive eingenommen wird. Sie sind allerdings doch sehr allgemein gehalten und so kommt es darauf an, dass die Landesempfehlungen dies entsprechend konkretisieren und vor allem die konkreten Projekte diesen Ansatz sinnvoll umsetzen.
Die Krankenkassen sind gesetzlich aufgefordert, die gesundheitliche Situation einschließlich ihrer Risiken und Potenziale zu erheben. Wir erwarten, dass diese Aufgabe mit den ihnen zur Verfügung stehenden Daten gewissenhaft erfüllt wird und die Gesundheitsberichterstattung der Länder und des Bundes sinnvoll ergänzt.
SPD:
Wir haben weiter daran zu arbeiten, dass Prävention und Gesundheitsförderung als gesamtgesellschaftliche ressortübergreifende Aufgabe in der Bundes-, Länder- und Kommunalpolitik erkannt und wahrgenommen werden. Die Finanzierung muss gebündelt, Kooperation verbindlich gemacht, Qualität entwickelt und gesichert und Forschung intensiviert werden.
Welche Maßnahmen und Gesetzesvorhaben plant Ihre Partei, um soziale Ungleichheiten in der Gesundheit abzubauen und in Bezug auf Gesundheitsförderung die Chancengleichheit, Teilhabe und Selbstbestimmung der Menschen zu erhöhen?
Bündnis 90/DIE GRÜNEN:
Ein wichtiges Element, um soziale Ungleichheit in der Gesundheit abzubauen und für gute Gesundheitschancen bei allen Menschen zu sorgen, ist für uns die zielgruppengerechte Förderung der Gesundheitskompetenz. Schon von klein auf müssen die Menschen einen selbstbestimmten und verantwortlichen Umgang mit der eigenen Gesundheit erlernen und hierzu das nötige Wissen vermittelt bekommen. Daneben muss in allen Politikfeldern darauf hingewirkt werden, dass ungleiche Gesundheitschancen abgebaut werden. Dazu zählt zum Beispiel mehr Umweltgerechtigkeit in der Stadtplanung und der Verkehrspolitik. Auch in der Arbeitswelt muss mehr getan werden, um Chancengleichheit zu erhöhen.
CDU/CSU:
Das Präventionsgesetz hat ausdrücklich zum Ziel, die gesundheitliche Chancengleichheit wirksam zu erhöhen. Nach Vorlage des Präventionsberichtes im Jahr 2019 werden wir sorgfältig prüfen, ob gesetzliche oder untergesetzliche Maßnahmen erforderlich sind, um die Chancengleichheit weiter voranzubringen. Als besonders wichtig erachten wir die Gesundheitskompetenz der Bürgerinnen und Bürger. Laut einer aktuellen Studie verfügen mehr als die Hälfte der Menschen in Deutschland (rund 54 Prozent) nur über eine „eingeschränkte Gesundheitskompetenz“. Das bedeutet, sie haben Schwierigkeiten, gesundheitsbezogene Informationen zu finden, sie zu bewerten und die richtigen Entscheidungen für eine gesunde Lebensweise oder zur Krankheitsbewältigung zu treffen. Dies betrifft insbesondere ältere Menschen, Menschen mit chronischer Erkrankung, Menschen mit geringem Bildungsstatus und Menschen mit Migrationshintergrund. Eine bessere Gesundheitskompetenz zahlt sich für den Einzelnen, aber auch für das Gemeinwesen aus: Nach Schätzungen der Weltgesundheitsorganisati (WHO) werden drei bis fünf Prozent der Gesundheitsausgaben durch eine unzureichende Gesundheitskompetenz verursacht. Allein für Deutschland bedeutet dies etwa 9 bis 15 Milliarden Euro.
Deshalb wurde in der aktuellen Legislaturperiode die „Allianz für Gesundheitskompetenz“ gegründet. Mit einer gemeinsamen Erklärung haben sich die Allianzpartner verpflichtet, in ihrem jeweiligen Zuständigkeitsbereich Maßnahmen zur Verbesserung des Gesundheitswissens zu entwickeln und umzusetzen. Die wichtigsten Handlungsfelder sind die Verbesserung der Gesundheitsbildung, gute Gesundheitsinformationen und Entscheidungshilfen, vor allem auch im Internet, sowie mehr Verständlichkeit im Arzt-Patienten-Gespräch, aber auch in allen anderen Gesundheitsberufen.
Außerdem wurde das Institut für Qualität und Wirtschaftlichkeit im Gesundheitswesen (IQWiG) damit beauftragt, bis 2018 ein Konzept für ein Nationales Gesundheitsportal zu erarbeiten. Das Portal soll vertrauenswürdige, wissenschaftlich belegte und unabhängige Gesundheitsinformationen zusammenführen. CDU und CSU werden diese Aktivitäten sehr aufmerksam begleiten und auch auf weiteren Handlungsbedarf hin prüfen.
FDP:
Für die Freien Demokraten steht der Mensch im Mittelpunkt aller gesundheitspolitischer Überlegungen. Wir wollen erreichen, dass alle Zugang zur bestmöglichen Gesundheitsversorgung haben und wollen das Gesundheitssystem mit dieser Zielsetzung weiter zu entwickeln. Wahlfreiheit bei der Krankenversicherung und den behandelnden Ärztinnnen und Ärzten, Patientenautonomie, mehr individuelle Gestaltungsmöglichkeiten bei den Behandlungen setzen jedoch aufgeklärte Bürgerinnen und Bürger voraus. Wir wollen das vorhandene gesetzliche Instrumentarium nutzen und die Vermittlung von Wissen und Präventionsthemen in die Lebenswelten beschleunigen. Dabei ist es aus unserer Sicht zwingend, bestimmte Gruppen nicht zu vernachlässigen, sondern im Gegenteil besonders anzusprechen. Wir wollen auch zu diesem Zweck die Sozialgesetzbücher harmonisieren und die dort verankerten Ansprüche klarer und transparenter machen.
DIE LINKE:
Aufgrund der aus Sicht der LINKEN weitgehenden Fehlkonstruktion des Präventionsstärkungsgesetzes von 2015 ist nach unserer Auffassung ein weiterer Anlauf für ein gutes Präventionsgesetz unumgänglich. Die Ziele und erforderlichen Mittel sind bereits oben beschrieben.
SPD:
Unser zentrales gesundheitspolitisches Ziel ist es, in der Gesundheitsförderung, der Prävention und in allen medizinischen und pflegerischen Versorgungsbereichen ungleiche Gesundheitschancen zu erkennen und abzubauen. Darauf richtet die SPD alle gesundheitspolitischen Initiativen und Reformüberlegungen seit Jahren aus und wird das auch weiterhin tun.
Mehr Informationen finden Sie auf www.zukunftsforum-public-health.de