28.05.2020
Menschen mit geistiger Behinderung werden zu Bewegungs- und Gesundheitsexpertinnen und -experten
Ines Olmos, Special Olympics Deutschland
Schlagwörter:Behinderung, Kommunale Strukturen, Multiplikator*innen, Partizipation
Im Mittelpunkt des Projektes „BeuGe“ steht der Aufbau von barrierefreien und nachhaltigen Angeboten zur Gesundheitsförderung für Menschen mit Behinderung in ihrem direkten Lebensumfeld. Ziel ist es, Menschen mit geistiger und/oder mehrfacher Behinderung zu Bewegungs- und Gesundheitsexpertinnen und -experten (BGE) zu schulen, um andere Menschen mit Behinderung zu einer gesunden Lebensweise zu motivieren.
Das Projekt, gefördert durch das GKV-Bündnis für Gesundheit, wird von Special Olympics Deutschland (SOD) gemeinsam in fünf Special Olympics Landesverbänden von Juli 2019 bis Dezember 2021 umgesetzt. Die beteiligten Special Olympics (SO) Landesverbände sind:
- SO Berlin/Brandenburg
- SO Bremen
- SO Sachsen-Anhalt
- SO Schleswig-Holstein
- SO Thüringen
Projekthintergrund
Im Vergleich zur durchschnittlichen Bevölkerung ist bei Menschen mit geistiger und/oder Mehrfachbehinderung ein schlechterer Gesundheitszustand zu erkennen. In dieser Zielgruppe werden häufiger Risikoverhaltensweisen beobachtet, wie zu wenig Bewegung und ungesunde Ernährung. Dies führt zu einem höheren Risiko für weitere gesundheitliche Beeinträchtigung. Aufgrund der höheren Vulnerabilität für gesundheitliche Beeinträchtigungen müssen bei ihnen Widerstandsressourcen aktiviert und vorhandene Fähigkeiten gestärkt werden. Um sich eigenständig um die Gesundheit zu kümmern und bei Maßnahmen mitwirken zu können, benötigen sie Hilfe und Unterstützung in verschiedener Form: Information, Motivation, Erinnerung, Anleitung und praktische Hilfestellung. Das Projekt „BeuGe” setzt dort an.
Schulungen für Menschen mit geistiger und/oder mehrfacher Behinderung
Menschen mit geistiger und/oder mehrfacher Behinderung werden im Projekt „BeuGe“ als Multiplikatorinnen und Multiplikatoren gewonnen und qualifiziert. Neben der Stärkung ihrer individuellen Gesundheitskompetenzen tragen sie damit aktiv zur Gestaltung einer gesundheitsfördernden Lebenswelt bei. Interessierte werden von den Projektmitarbeitenden in den Special Olympics Landesverbänden über vorhandene Netzwerke erreicht. Referierende von SOD führen die Schulungen durch.
Im Rahmen des Projektes wurden zwei Curricula entwickelt: Das Curriculum für die Qualifizierung der BGE umfasst die Themen Gesundheit, Ernährung und Bewegung. Es besteht aus theoretischen und praktischen Teilen. Mit Methoden und Materialien, die sich in Form und Sprache direkt an Menschen mit geistiger und/oder mehrfacher Behinderung richten, werden die Teilnehmenden auch mit Angeboten zur Gesundheitsförderung vertraut gemacht. Die Lerneinheiten werden interaktiv gestaltet, so dass die Teilnehmenden der Schulung die Lerninhalte mit allen Sinnen erfahren und lernen. Dabei werden fachliche als auch sozial-kommunikative, aktivitäts- und umsetzungsorientierte sowie Selbstkompetenzen vermittelt.
Die Referierenden werden anhand des zweiten Curriculums durch die Projektleitung von SOD fortgebildet. Grundlage dieses Schulungsprogramms bildet das Curriculum der BGE in Leichter Sprache, um das Wissen zielgruppengerecht vermitteln zu können.
Partizipation und Kommunikation auf Augenhöhe
Die ersten BGE wurden bereits intensiv geschult. Die ausgebildeten BGE sollen das Gelernte als Expertinnen und Experten in eigener Sache an ihre Mitmenschen bei Veranstaltungen in den Lebenswelten „Wohnen“ und „Freizeit“ weitergeben. In ihrer Freizeit planen und führen sie dann eigenständig oder mit unterstützender Leitung die Angebote zu den Themen Gesundheit, Ernährung oder Bewegung durch. Diese Angebote können vielfältig sein. Sie reichen beispielswiese von regelmäßigem gemeinsamem Kochen bis hin zu verschiedenen Bewegungsangeboten. Zunächst sollen die BGE bei den Aktivitäten von ehrenamtlich Engagierten in der Gestaltung und Umsetzung unterstützt werden. Dabei wird der inklusive Gedanke von „Tandem-Teams“ verfolgt. Dafür sind funktionierende kommunale Strukturen notwendig, die gemeinsam mit Organisationen oder Trägern von Einrichtungen der Behindertenhilfe aufgebaut werden sollen. Alle BGE sind intensiv in die Gestaltung der Angebote involviert.
Vernetzung
Der Erfolg des Projektes ist in hohem Maße davon abhängig, wie es den Special Olympics Landesverbänden gelingt, Kooperationen zwischen verschiedenen relevanten kommunalen Akteurinnen und Akteuren herzustellen und nachhaltig aufzubauen. Kooperationspartner sind u. a. Sport- und Bildungseinrichtungen sowie Träger und Wohn-, Sport- und Bildungseinrichtungen der Behindertenhilfe. Die Zusammenarbeit und Kooperation werden im Verlauf des Projektes stabilisiert und ausgedehnt. Formen der Zusammenarbeit sind z. B.: regelmäßiger Austausch und Teilnahme an Netzwerktreffen in den Projektlandesverbänden, gemeinsame Planung und Durchführung von BGE Angeboten, Bekanntmachung der BGE Angebote und Bereitstellung von Räumlichkeiten oder Verbrauchsmaterialien.
Evaluation und Ausblick
Das Pilotprojekt wird über die gesamte Projektlaufzeit wissenschaftlich von der Hochschule Fulda evaluiert. Aus den Ergebnissen der Evaluation wird u. a. ein Leitfaden für den Aufbau kommunaler Strukturen zur Gesundheitsförderung für Menschen mit Behinderung erarbeitet.
Neben der Verbesserung von Selbstbestimmung und Teilhabe von Menschen mit Behinderung an der eigenen Gesundheitsvorsorge wird mit diesem Projekt ein Zugang zu Angeboten in Wohn- und Freizeiteinrichtungen zur Förderung von Bewegung und Gesundheit geschaffen sowie bestehende Barrieren abgebaut.
Hintergrund Special Olympics Deutschland:
Bereits seit dem Jahr 2004 setzt sich Special Olympics Deutschland über den Sport hinaus mit dem Programm Healthy Athletes® für die Verbesserung der Gesundheit und der diesbezüglichen Kompetenzen von Menschen mit geistiger Behinderung ein. Dazu wurden mehr als 53.000 Beratungen und Untersuchungen während nationaler und regionaler Special Olympics Veranstaltungen und - seit einigen Jahren durch die Unterstützung des Bundesministeriums für Gesundheit - auch in Wohneinrichtungen, Werkstätten und Schulen durchgeführt.
Darüber hinaus umfassen die barrierefreien Angebote eine Website und eine Vielzahl von Informationsmaterialien in Leichter Sprache. SOD ist mit den Kompetenzen durch das Gesundheitsprogramm Healthy Athletes® ein Partner in der Umsetzung der UN-Behindertenrechtskonvention in den Bereichen Gesundheit und Lebensalltag.
Weitere Informationen über Special Olympics finden Sie hier.
Über das GKV-Bündnis für Gesundheit:
Das GKV-Bündnis für Gesundheit ist eine gemeinsame Initiative der gesetzlichen Krankenkassen zur Weiterentwicklung und Umsetzung von Gesundheitsförderung und Prävention in Lebenswelten. Das Bündnis fördert dabei u. a. Strukturaufbau und Vernetzungsprozesse, die Entwicklung und Erprobung gesundheitsfördernder Konzepte, insbesondere für sozial und gesundheitlich benachteiligte Zielgruppen, sowie Maßnahmen zur Qualitätssicherung und wissenschaftlichen Evaluation. Der GKV-Spitzenverband hat gemäß § 20a Abs. 3 und 4 SGB V die Bundeszentrale für gesundheitliche Aufklärung (BZgA) damit beauftragt, die Aufgaben des GKV-Bündnisses für Gesundheit mit Mitteln der Krankenkassen umzusetzen.
Hier finden Sie weitere Informationen zum GKV-Bündnis für Gesundheit.